Berlin - Metropole oder kommunikative Provinz?
Von Februar bis April sendete reboot.fm auf der öffentlichen Frequenz 104.1 in Berlin ein vielfältiges Programm aus Musik, Kultur und Politik. Da dieses Hörvergnügen nun vorerst im Äther vorbei ist (im Netz wird weiter gestreamt), stellt sich die Frage, wie geht es weiter mit den Bewegungen für ein Freies Radio in Berlin?
Vorerst mit einem PiratInnenRadio!
1. Geförderte Projekte: sind durch relative Abhängigkeit von Förderinstitutionen unter deren Aufsicht. Dadurch seien diese nur erfolgreich, wenn man relativ "journalistisch" arbeitet, z.B. durch fragen "Ist dieser Beitrag sendefähig?". Dadurch passen sie sich seiner Meinung nach an Massenmedien an, die man doch kritisiert.
2. Szeneprojekte: sind nicht kommunikativ für die Gesellschaft (siehe Diskutierbarkeit von z.B. Janet Jackson's Busen). Dadurch seien sie eher eine "erweiterte WG-Küche" für peer-groups.
3. Alternativen zur kritischen Gegenöffentlichkeit: Kommunikationsguerilla wie z.B. das Amsterdamer Radio Patapoe, bei denen man im Studio-Mikrophon nicht das imaginäre Publikum sieht.
Kurz erläuterte er noch den Unterschied zwischen einem OK (Offenen Kanal) und einem Freien Radio: Ein OK hat eine Heteronomie in zeitlicher Strukturierung, ist privat und ist im Kontext der OK-Sendestation eingebunden, was immer wieder zu Streitigkeiten z.B. über gespielte Musik führt.
Zum Schluss kam er nochmal zu den Wörtern "Metropole" und "Provinz". Ich möchte aber nicht zu sehr auf seine Rede eingehen, denn sie war zwar interessant, aber relativ irrelevant und meiner Meinung nach ziemlich subjektiv.
Es folgte eine Vorstellung einiger Radioinitiativen und -projekte, wie z.B. der Bundesverband Freier Radios, reboot.fm, radiokampagne.de, und der Offene Kanal Berlin.
Dann die Podiumsdiskussion: "Die Metropole - vielseitig oder provinziell?" und die Frage, wann und wie Berlin ein freies Radio erhält.
Prof. Dr. Ernst Benda (Vorsitzender des Medienrats Berlin-Brandenburg) wies auf die offene Frequenz 106.8 hin. Wie ein echter Politiker sprach er von der offiziellen Ausschreibung für diese Frequenz und 27-29 Bewerbern, unter die sich doch auch radiokampagne.de begeben soll. Nicht zum letzten Mal sprach er davon, dass im Medienstaatsvertrag keine Regelung über freie Radios steht. Ohne gesetzliche Änderung könne man keine Frequenz an ein solches vergeben. Er verwies auf den OKB (Offenen Kanal Berlin), von dem reboot.fm doch ein Zeitfenster erhalten könne. Nichtsdestotrotz sorgt sein Verein und der Gesetzgeber doch für eine Vielfalt in den Medien.
Michael Braun, (Medienpolitischer Sprecher) meinte am Anfang erstmal, dass seine CDU doch eine "weltoffene Partei" ist. "Ketzerisch" (in seinen eigenen Worten) fragte er dann, was man denn für ein Problem mit dem Offenen Kanal hat und wer Rundfunkgebühren für eine NKL (Nichtkommerzielle Lizenz) bezahlen solle. Ausserdem habe mensch schön seine Strukturen der vorgestellten Projekte und Initiativen erläutert, aber das Programm doch nicht.
Eine Macherin der Sendung rest.licht.verstärker erläuterte dann kurz die Kritik am üblichen Dudelfunk. Reboot.fm trifft ganz gut, was wir wollen: Einen Sender, der Formate erlaubt, die im heutigen Formatradio nicht vorkommen, dessen Nachrichtenprogramm sich nicht auf das Verlesen von Agenturmeldungen beschränkt, dessen Musikprogramm mehr bietet als bloss die größten Hits vergangener Dekaden, und dessen Vorstellung von Partizipation über die Veranstaltung von Gewinnspielen hinausgeht.
Nochmal fragte Braun, was denn der Inhalt eines Freien Radios sein soll. Freundlich wurde er auf das Archiv von reboot.fm verwiesen und gefragt, warum er es denn nie gehört hat. Daraufhin verabschiedete er sich eiligst eine halbe Stunde vor offiziellem Ende der Veranstaltung.
Erneut wurde der OK kritisiert für den Mangel an Gleichberechtigung (es gibt einen Direktor), im Gegensatz zur "Einheit" der Sendungen eines Freien Radios sind beim OK viele "Einzelkämpfer" und viele Leute vom OK sagen, ihr Vorbild sei ein neues Radio Energy. Es herrsche Willkür, Unberechenbarkeit und ein first-come-first-serve-, ein Schlangenprinzip für Sendungen.
Es folgte eine sehr kontroverse Debatte. Benda meinte der Gesetzgeber ist Schuld ("Gehen Sie zum Anwalt!"). Es wurde auf andere Bundesländer verwiesen, die längst freie Radios haben, und die selbsternannte "Medienhauptstadt Berlin" nicht. Politiker wie er und Braun müssten ihre Kommunikationsbarrieren abbauen und sollten Freie Radios auch mal hören.
Alles in allem eine ziemlich enttäuschende Veranstaltung. Der Spielball der Verantwortung wurde zwischen Politikern und der MABB, wie schon seit Ewigkeiten, hin und her geschoben. Keine beider Institutionen sieht sich in der Lage, einem Freien Radio eine feste Frequenz zu geben. Mensch solle doch mit dem OK zusammenarbeiten. Da meldete sich eine Veteranin, die sich seit 14 Jahren für ein Freies Radio in Berlin einsetzt. Vor 10 Jahren gab es die selbe Diskussion auch um eine ausgeschriebene Frequenz. Damals wurde ebenfalls die Kooperation mit dem OK gewünscht. So sendete sie Pi-Radio auf dem OK (nach einem "Radio Germania"), bis Pi-Radio raus flog.
Das einzig Erfreuliche war dann eine Pressemitteilung des PiratInnenRadios "funk-the-system." Sie erklärte, dass ab morgen, dem 14. Mai jeden Freitag ab 18 Uhr die Frequenz UKW 95.2 Mhz besetzt wird, um verschiedene im Internet verfügbare Radios in den Äther zu schicken. Die Erklärung lautet auszugsweise:
Das deutsche Telekommunikationsgesetz und die Medienbehörde sorgen dafür, dass Medien - wie auch alle anderen gesellschaftlichen Bereiche - nach ökonomischen Interessen organisiert sind. So muss man in Berlin mehrere tausend Euro an die Medienbehörde Berlin-Brandenburg, die GEMA und die Telekom für eine Frequenz bezahlen. Das ist ein Grund dafür, dass im Radio nur gesellschaftlich Priviligierte eine Stimme haben. ...
Wir wollen ein anderes Radio: Ein radikal geellschaftskritisches, ein parteiisches für marginalisierte Meinungen, Positionen und Gruppen. Eines, das sich selbst hinterfragen kann und etablierte, festgefahrene Settings in der Produktion medialer Wirklichkeit aufzubrechen versucht. Eines, das sich mit den Mythen von Objektivität, Wahrheit und mit Perfektionswahn auseinandersetzt, sowie seine Arbeitsweisen transparent macht. Und wir wollen endlich mal gute Musik im Radio hören. ...
Unsere Ansprüche würden wir gerne in einem Freien Radio verwirklichen, aber solange werden wir nicht warten. Wir werden uns den Raum nehmen, der uns zusteht.
Na, wenigstens ein Grund zum freuen!
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
freie radios für alle!
2. JETZT UKW 95.2 HÖREN!
zu Punkt 2 der ersten Ergänzung
auch auf der Weißenseer Spitze zu hören
http://polyphon.so36.net
ist ein relevantes link heute...
War zu erwarten...
Empfang in Wittenau
2 abschreiber
http://www.jungle-world.com/seiten/2004/21/3225.php
und welche, die selbst recherchieren
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Äther und Wellen — megaultraschall