Freedom of Speech

www.free-speech.info 01.05.2004 20:46 Themen: Medien
Tag der Pressefreiheit / Günter Wallraff: Presse- und Meinungsfreiheit verkommt zum Luxusartikel /
Tag der Pressefreiheit / Günter Wallraff: Presse- und Meinungsfreiheit verkommt zum Luxusartikel /

Der international bekannte, prämierte Autor und Journalist Günter Wallraff erinnert anlässlich des Internationalen Tages der Pressefreiheit an die Bedeutung dieses Rechtsgutes und verweist auf ein aktuelles Beispiel aus Deutschland, wo diese Freiheit mit Füßen getreten wird.

»Seit 18 Monaten wird ein kleines Magazin von einer Glaubensgemeinschaft mit Prozessen überzogen«, berichtet Günter Wallraff. »Das Magazin wird zu großen Teilen aus den privaten Mitteln des Herausgebers Andreas Hochhaus finanziert und informiert die Leser über Menschenrechts- und Tierrechtsverletzungen – darunter auch über das ‘weltweite Gebets- und Glaubensheilzentrum’ Universelles Leben. Anstatt sich nun der erforderlichen öffentlichen Diskussion zu stellen oder gar Selbstkritik zu üben, versucht die Sekte offenbar, das Magazin über kostenintensive Gerichtsverfahren mundtot zu machen.«

Das Magazin voice hatte im Oktober 2002 nach monatelangen Recherchen über die Strukturen, Lehren sowie wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen der Sekte Universelles Leben berichtet. Seitdem überzieht diese den 27-jährigen Herausgeber mit zahlreichen Klagen und verursachte Anwalts- und Gerichtskosten in Höhe von über 20.000 Euro. »Das sind rund 1.100 Euro pro Monat – existenzbedrohend und ruinierend für einen Angestellten, der weniger als 2.000 Euro im Monat verdient. Das kann dann letztlich dazu führen, dass man auf sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit verzichten muss. So verkommt dieses Grundrecht zum Luxusartikel«, so Wallraff.

Der 61-jährige weiß, wovon er spricht. Er selbst hat schon etliche Male vor Gericht für seine Rechte streiten müssen und dafür sehr viel Geld vorgestreckt. Nachdem er als ‘Hans Esser’ bei der BILD-Zeitung recherchiert hatte überzog ihn der Axel-Springer-Verlag mit Prozessen. Zwar gab ihm in letzter Instanzt der Bundesgerichtshof Recht und kennzeichnete die BILD-Zeitung sogar als »Fehlentwicklung im deutschen Pressewesen«, doch der Weg dahin führte durch viele Instanzen und kostete ihn rund 250.000 Mark.

Der international geachtete und prämierte Autor und Journalist unterstützt daher die am 30. März angelaufene Kampagne Freedom of Speech. »Sie hat sich dem Fall um das voice-Magazin angenommen und stellt über Anzeigen, Veranstaltungen, Pressearbeit etc. die nötige Öffentlichkeit her, um auf die Missstände hinzuweisen.«

Nicht nur Günter Wallraff unterstützt Freedom of Speech, auch der Bundesverband zum Schutz vor Rechtsmissbrauch e.V. (BSR) sieht in der Prozesslawine des Universellen Lebens einen Missbrauch: »Hier werden immer wieder Einstweilige Verfügungen erwirkt, in dem Wissen, dass das Magazin nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um mit den klar vorhandenen Beweisen dagegen vorzugehen. Auch werden Ordnungsgelder gefordert, weil angeblich gegen Einstweilige Verfügungen verstoßen worden sei – dabei wird auch nicht vor dem Einsatz eines gefälschten Beweismittels zurück geschreckt«, so Dr. Edmund Haferbeck, 1. Vorsitzender des BSR. »Hier liegt dringender Handlungsbedarf vor! Wenn die Rechtsprechung nicht mehr eine Frage der Gerechtigkeit sondern des Kontostandes ist, können wir die Justiz gleich ad acta legen.«

Die letzte Einstweilige Verfügung verbietet dem Magazin sogar die Nennung von rechtsorientierten und rechtsradikalen Personen und Medien, auf die es im Rahmen seiner Recherche gestoßen sei. Dr. Haferbeck spricht von einem Skandal: »Wenn ein Magazin verklagt wird, weil es auf eine Gefahr hingewiesen hat, ist das skandalös. Wenn sich dieses Magazin in der durch die Klage ausgelösten Diskussion nicht einmal ordentlich verteidigen und auf die Quellen verweisen darf, die es zu dieser Warnung veranlassten, kann ich mir wirklich nur noch an den Kopf fassen!«

»Die Sekte fährt mit dieser ‘Totschlag-Methode’ sehr gut. Aber nun ist es Zeit, den Zug ‘Universelles Leben’ von den Schienen zu heben und zu stoppen«, erklärt der Initiator der Kampagne Freedom of Speech, Georg Hemprich. »Es ist wichtig, dass das Gerichtsverfahren bis zum Ende durchgezogen wird. Erstens muss der Sekte und ihren seit vielen Jahren durchgezogenen Maulkorb-Prozessen endlich ein Riegel vorgeschoben werden und zweitens muss gerichtlich festgestellt werden, welche Gefahren von dieser Gemeinschaft ausgehen. Erfreulicherweise findet unsere Kampagne immer mehr Unterstützer.«

Informationen zur Kampagne Freedom of Speech gibt es im Internet unter www.free-speech.info
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Ergänzungen

UL und "Initiative zur Abschaffung der Jagd"

EPD 05.06.2004 - 01:05
"Universelles Leben" versucht in der Berliner Tierschutzszene Fuß zu fassen

Teile der Berliner Tierschützerszene sollen seit einiger Zeit gezielt von der Sekte "Universelles Leben" (UL) unterwandert werden. Die vorwiegend in Baden-Württemberg und Unterfranken beheimatete spiritistische Vereinigung versuche über die "Initiative zur Abschaffung der Jagd" Einfluss auf die Tierschützer zu bekommen, sagte der Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Thomas Gandow, am Montag. Dabei "verteufle" die Sekte Jäger unter anderem als "Lust-Töter".

Gründerin, Führerin und Prophetin der totalitär ausgerichteten Vereinigung ist Gandows Angaben zufolge die 1933 geborene Gabriele Wittek, die in "Offenbarungen" eine direkte Verbindung zu Gott, Geistwesen und UFO-Piloten haben will.

Die Sekte habe früher auch Thesen über eine "jüdisch-zionistische Weltverschwörung" sowie Auszüge aus den angeblichen "Protokollen der Weisen von Zion" verbreitet. Behauptungen in eigenen Publikationen, dass auch Deutschland "Spielball herrschsüchtiger Juden" sei, wurden nach öffentlichen Protesten zurückgenommen, so Gandow. Der damals verantwortliche Redakteur, German Murer, spiele heute aber eine wichtige Rolle in der "Anti-Jagd-Kampagne".

Heute sei "Universelles Leben" im biologischen Landbau tätig und betreibe unter anderem mehrere so genannter Christusbetriebe als Tischlereien, Webereien und Schneidereien. Zudem betätigt sie sich im EDV-Bereich und mit einer "Christusklinik" auf dem Gebiet der alternativen Medizin. Ferner unterhalte sie Kinderheime, Kindergärten und eine Schule. Die "Initiative zur Abschaffung der Jagd" veranstaltet den Angaben zufolge an jedem ersten Sonnabend im Monat in Berlin eine "Anti-Jagd-Demo". Für den kommenden Sonnabend plane sie zudem in der Technischen Universität ein Symposium mit Podiumsdiskussion zum Thema "Natur ohne Jagd". Einer der Podiumsteilnehmer soll unter anderem der UL-Anwalt und -Pressesprecher Christian Sailer sein.

taz Berlin 30.7.2002, Seite 19