Arbeitslosigkeit ist kapitalistischer Erfolg

W. Buchenberg 24.03.2004 08:51 Themen: Soziale Kämpfe
Während das Arbeitszeitvolumen - die Summe aller geleisteten Arbeitsstunden - anderswo zugenommen hat, ist es in Deutschland um fast ein Prozent geschrumpft.
Arbeitslosigkeit - eine kapitalistische Erfolgsstory
Weil Arbeit nützliche und schöne Gebrauchswerte schafft, versucht die Menschheit die Zahl der Arbeitenden und die gesamte Arbeitszeit möglichst zu vergrößern.
Weil jedoch Genuss erst jenseits der Arbeitszeit beginnt und vor allem Resultat von Arbeit ist, suchten die Menschen einerseits die Produktionszeit für jedes Einzelprodukt möglichst zu verkürzen und andererseits lästige Arbeiten oder die Last der Arbeit insgesamt von sich fernzuhalten und möglichst auf andere Gesellschaftsmitglieder abzuwälzen.

Die obige Grafik zeigt die Entwicklung der Gesamtarbeitszeit in verschiedenen kapitalistischen Ländern. Während dieses Arbeitsvolumen seit 1995 in vielen Ländern zugenommen hat, ist es in Deutschland um fast ein Prozent geschrumpft. Worauf ist das zurückzuführen?

Die arbeitsfähige Bevölkerung in Deutschland hat zwar zwischen 1995 und 2000 um über ein Million abgenommen, trotzdem blieb in diesem Zeitraum die Zahl der Arbeitslosen nahezu gleich hoch. Der Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung hatte keinerlei Einfluss auf die Entwicklung des Arbeitsvolumens.
Der Rückgang der Gesamtarbeitszeit wurde auch nicht verursacht durch einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Ganz im Gegenteil: Von 1995 bis 2003 stieg das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um glatte 10% ( http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2004/p0240121.htm).

Zwischen 1995 und 2003 wurden also 10 Prozent mehr Arbeitsleistung erbracht und das mit einer um knapp ein Prozent geschrumpften Arbeitszeit. Möglich wurde das allein durch gestiegene Arbeitsproduktivität: Es wurde mehr geleistet in der gleichen Arbeitszeit oder sogar in weniger Arbeitszeit.

Die Steigerung der Arbeitsproduktivität ist ein zentrales Ziel kapitalistischer Wirtschaft, denn es verschafft einem Einzelkapital und Einzelunternehmen Konkurrenzvorteile und zusätzlichen Profit. Im Vergleich zu den Konkurrenten gewinnt das Kapital, das die höchste Arbeitsproduktivität hat, also auch relativ zum Gesamtprodukt die wenigsten Arbeiter und die geringste Arbeitszeit anwendet.
Das Kapital vernichtet also Arbeitsplätze (relativ oder absolut), wo es erfolgreich ist, wo mittels technischer Neuerungen die Produktivität der Arbeitskraft gesteigert wird.

Längerfristig werden dadurch auch dort Arbeitsplätze vernichtet, wo Unternehmen weniger profitabel arbeiten. Denn über kurz oder lang zwingt der besonders profitable Kapitalist auch die anderen Kapitalisten, ihre Produktionskosten entsprechend zu senken, also vor allem ihre angewandte Arbeitskraft relativ zu reduzieren, oder pleite zu gehen, wodurch ebenfalls Arbeitsplätze verloren gehen.

Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist keineswegs ein Resultat deutscher Rückständigkeit, sondern vielmehr ein Resultat des kapitalistischen Erfolgs.
„Die USA schufen Arbeitsplätze auf Kosten der Produktivität, die BRD verbesserte die Produktivität auf Kosten der Arbeitsplätze.“ (Birk, Angela/Gries, Thomas: Amerikanisches Jobwunder versus deutsches Produktivitätswunder. Ein Vergleich der Arbeitsmarktstrategien. Wirtschaftsdienst, Jg. 77, H.2, 1997, S. 99-106. LitDok. 1998/99 a-942.)
„Die bindende Regulierung der Arbeitsmärkte hat eine Billiglohnkonkurrenz verhindert und als ‚Produktivitäts-Peitsche‘ auf die Unternehmen gewirkt.“ (LitDok. 1998/99 a-1036.)
„Die in Europa raschere Substitution von Arbeit durch Kapital lässt sich zum einen mit der stärkeren relativen Verteuerung des Faktors Arbeit erklären. Zum anderen hat sich hier auch die Produktivität aller Produktionsfaktoren schneller erhöht als in den USA.“ (Lit.dok. 99/2000-1, a-660.)

„Die steigende Produktivkraft der Arbeit erzeugt also auf kapitalistischer Grundlage mit Notwendigkeit eine permanente scheinbare Arbeiterüberbevölkerung.“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 233. „Im selben Verhältnis daher, wie sich die kapitalistische Produktion entwickelt, entwickelt sich die Möglichkeit einer relativ überzähligen Arbeiterbevölkerung, nicht weil die Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit abnimmt, sondern weil sie zunimmt ...“ K. Marx, Kapital III. MEW 25, 232.
Vergleiche: K. Marx über Arbeitszeit:  http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_a/arbeitszeit.html
und K. Marx über Arbeitslosigkeit:  http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_a/arbeitslosigkeit.html

Was kann man tun? Verkürzung der Arbeitszeit! heißt der allgemeine Schlachtruf. Für die vielen TeilzeitarbeiterInnen ist das längst verwirklicht. Teilzeitarbeit (verkürzte Arbeitszeit), die mit der Arbeitszeit den Lohn kürzt, kann nicht die Lösung sein, solange wir unseren Lebensunterhalt aus dem Lohn bestreiten müssen.
Andererseits wehren sich die Kapitalisten und ihre Verbände dagegen, dass das vorhandene Arbeitsvolumen auf mehr Leute verteilt wird und sie für zusätzliche Lohnarbeiter zusätzlichen Lohn zahlen sollen ohne dafür zusätzlichen Profit zu erhalten.

Man kann die Sache drehen wie man will, innerhalb des Kapitalismus gibt es dafür keine Lösung.
Lösungen für Massenarbeitslosigkeit und Massenelend sind nur durch Abschaffung der Lohnarbeit in einer selbstverwalteten Wirtschaft und selbstbestimmten Gesellschaft zu finden.

Vergleiche auch: Selbstbestimmte Gesellschaft und selbstverwaltete Wirtschaft:  http://www.marx-forum.de/marx-lexikon/lexikon_k/klassenlos.html

Wal Buchenberg, erstveröffentlicht bei Indymedia, 25.3.04
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Ergänzungen

Nichts negatives

Worker 24.03.2004 - 15:39
Beim Lesen dieses Artikels könnte man denken das diese verringerung etwas schlechtes ist. Aber was kann besser sein als durch weniger Arbeitszeit 10% mehr erarbeitet zu haben. Was das schlecht daran ist nur, das es nicht möglich ist, die Arbeitszeit gleichmässig zu verteilen. Sonst könnten wir alle sinlosen Arbeiten weglassen und jeder bräuchte nur noch 3 Stunden am tag zu Arbeiten, und trozdem hätten alle so viel wie vorher.

econo-mist

die notfall-nummer 24.03.2004 - 22:16
diese statistik vom econo-mist sagt rein gar nichts aus !

(und das soll keine kritik am indy artikel sein)


die angeführten "arbeitstunden"sind in den verschiedenen
ländern wohl überwiegend deswegen so unterschiedlich weil
diese zahlen in jedem land unterschiedlich gemessen werden.

dass in der bundesrepublik deutschland die arbeitszeiten
gesunken sein sollen, ist besonders merkwürdig.

zwar gibt es das VW Modell und das Viessmann Modell,
aber andererseits steigt in den letzten jahren zum beipiel
die zahl der geleisteten unbezahlten überstunden
in dienstleistungsberufen ins unermessliche, oft ins unerträgliche.

in der IT und medienbranche sind arbeitszeiten von 14 stunden
und länger schon normal ab einer gewissen gehaltsstufe, und
auch bei der dresdner bank bleibt man aus angst um den arbeitplatz
schon mal ein stündchen länger als vorgesehen.


auch die zahl der selbständigen, der schein-selbstständigen
und der handelsvertreter ist in den letzten jahren gewachsen,
ganz zu schweigen von der sogenannten schwarzarbeit, wo geleistete
arbeitsstunden schon garnicht irgendwie offiziell gemessen werden.

schwarzarbeiter, gerwerbliche mitarbeiter, teilzeit und aushilfs-
jobber, vertreter und ich-ag- gesellschafter unterliegen
aber den gleichen prinzipien der lohnarbeit im kapitalismus,
wie die mehr geregelten und überwachten arbeitsverhältnisse,
und würden von daher in so eine statistik mit hineingehören.


die econo-mist statisktik ist daher absolut sinnlos, und das wird
besonders am beispiel von spanien deutlich : im gegensatz zu
deutschland längere arbeitszeiten als früher - aber trotzdem
eine der höchsten arbeitslosenzahlen in ganz europa.
was soll es also ?




Wers auf einen Blick sehen möchte

Wal 25.03.2004 - 10:35

ABSOLUT SINNLOS?

W. Buchenberg 25.03.2004 - 13:35
ZITAT die angeführten "arbeitstunden"sind in den verschiedenen
ländern wohl überwiegend deswegen so unterschiedlich weil
diese zahlen in jedem land unterschiedlich gemessen werden.

W:W: EINE VERMUTUNG OHNE JEDEN HINWEIS: AUSSERDEM GEHT MEIN TEXT NUR AUF EINE EINZIGE ZAHL EIN: DER RÜCKGANG DER GESAMTARBEITSZEIT IN DEUTSCHLAND.

ZITAT: dass in der bundesrepublik deutschland die arbeitszeiten
gesunken sein sollen, ist besonders merkwürdig.

Zitat: zwar gibt es das VW Modell und das Viessmann Modell,
aber andererseits steigt in den letzten jahren zum beipiel
die zahl der geleisteten unbezahlten überstunden
in dienstleistungsberufen ins unermessliche, oft ins unerträgliche.

W:B: DER KRITIKER HAT NICHTS VERSTANDEN: ÜBERSTUNDEN SIND IN DER SUMME DER GELEISTETEN GESAMTARBEITSZEIT ENTHALTEN:
ÜBERARBEIT DER EINEN BEI ARBEITSLOSIGKEIT DER ANDEREN; GENAU SO FUNKTIONIERT KAPITALISMUS:

ZITAT: in der IT und medienbranche sind arbeitszeiten von 14 stunden
und länger schon normal ab einer gewissen gehaltsstufe, und
auch bei der dresdner bank bleibt man aus angst um den arbeitplatz
schon mal ein stündchen länger als vorgesehen.

W.B.: SIEHE OBEN


ZITAT: auch die zahl der selbständigen, der schein-selbstständigen
und der handelsvertreter ist in den letzten jahren gewachsen,
ganz zu schweigen von der sogenannten schwarzarbeit, wo geleistete
arbeitsstunden schon garnicht irgendwie offiziell gemessen werden.

W.B: WEIL DARÜBER KEINE OFFIZIELLE STATISTIK AUSKUNFT, GIBT KANN MAN DA AUCH NUR SPEKULIEREN.


schwarzarbeiter, gerwerbliche mitarbeiter, teilzeit und aushilfs-
jobber, vertreter und ich-ag- gesellschafter unterliegen
aber den gleichen prinzipien der lohnarbeit im kapitalismus,
wie die mehr geregelten und überwachten arbeitsverhältnisse,
und würden von daher in so eine statistik mit hineingehören.

W.B. EBEN SAGT ER: KEINE STATISTIK GIBT DARÜBER AUSKUNFT. JETZT FORDERT ER EINE EINE SOLCHE STATISTIK. BIS DAHIN SOLL MAN ÜBER ECONOMY NUR SCHWEIGEN?

die econo-mist statisktik ist daher absolut sinnlos, und das wird
besonders am beispiel von spanien deutlich : im gegensatz zu
deutschland längere arbeitszeiten als früher - aber trotzdem
eine der höchsten arbeitslosenzahlen in ganz europa.
was soll es also ?


W:B DA FÜHLT SICH EINER, DER NICHT EINMAL DIE DATEN VERSTEHT, SCHLAUER ALS DER ECONOMIST. „ABSOLUT SINNLOS“!

WER ALLES AUF EINEN BLICK HABEN WILL:  http://de.indymedia.org/2004/03/77999.shtml

Gruß Wal

Arbeitsplatzabbau - noch eine Ergänzung

Wal Buchenberg 25.03.2004 - 15:00
Noch eine Ergänzung an den "Econo-Mist":
ZITAT: schwarzarbeiter, gerwerbliche mitarbeiter, teilzeit und aushilfs-
jobber, vertreter und ich-ag- gesellschafter unterliegen
aber den gleichen prinzipien der lohnarbeit im kapitalismus,
wie die mehr geregelten und überwachten arbeitsverhältnisse,
und würden von daher in so eine statistik mit hineingehören.

W:B: SCHWARZARBEIT UND ÄHNLICHES TAUCHT ZWAR IN KEINER ARBEITSZEITSTATISTIK AUF, ABER AUCH NICHT BEI DER ERFASSUNG DES BRUTTOINLANDSPRODUKTS.

FÜR DIE VON MIR HIER BEHANDELTE FRAGE: ARBEITSPLATZABBAU DURCH ERFOLGREICHES KAPITAL SPIELT SCHWARZARBEIT UND ICH-AGS KEINE ROLLE, WEIL ES HIER UM DEN ABBAU "OFFIZIELLER" LOHNARBEITSPLÄTZE GEHT.

ALSO BITTE EIN BISSCHEN MEHR INHALTSBEZOGENE ARGUMENTE, UND EIN BISSCHEN WENIGER TOTALVERRISS ("Absolut sinnlos")

Gruß Wal


Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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zwei ergänzungen — micha

Überstunden — Didi

@ Tutnix — ich