Auch 2004 - FU Berlin streikt! (VV-Bericht)

Yana Ullstein 07.01.2004 16:03 Themen: Bildung
Neujahrs-VV der freien Universität Berlin mit 4000 Studierenden +++ Beschluss den Streik fortzuführen +++ Aufruf zu Aktionen am 29.01. +++ Unterstützung eines Aufrufs zum europaweiten Aktionstag gegen Sozialabbau am 03.04. +++ Anschließend Sponti-Demo zum Präsidialamt
Nach dem die letzte Vollversammlung der Freien Universität mit nur 1000 Studierenden durchgeführt wurde, versammelten sich heute (07.01.) zur Neujahrs-VV der freien Universität rund 4000 Studis im Henry-Ford-Bau.

Zu Beginn wurden verschiedene Grußworte verlesen u.a. Verdi und Polizei (s.u.), danach wurde ein kleiner Zusammenschnitt der bisherigen Proteste der streikenden StudentInnen vorgeführt. Den größten Teil der VV nahmen Beiträge und Diskussionen zu den Perspektiven des Streikes ein, wonach es eine Abstimmung über dessen Fortführung gab. Die übergroße Mehrheit (80%) sprach sich für den Antrag aus. (Fortführung des Streikes; über Besetzung entscheiden die Vollversammlungen des Fachbereiches; Forderung nach Rücktritt des FU-Präsidents Dieter Lenzen; gegen Doppelhaushalt 04/05 - vollständiger Beschluss s.u.)

Desweiteren wird zu Aktionen am 29.01. aufgerufen: eine möglichst breite Mobilisierung soll die erste Lesung des Berliner Senats zur Verabschiebung des Doppelhaushalts blockieren. Für die Unterstützung eines Aufrufes zum europaweitem Aktionstag gegen Sozialabbau am 03.04. sprach sich eine ebensogroße Mehrheit wie zur Steik-Abstimmung aus. Im Anschluss gab es noch eine kleine Sponti-Demo zum Präsidialamt.


Zur (Solidaritäts)Erklärung der Gewerkschaft der Polizei:
Wie schon erwähnt wurde auch ein Grußwort der GdP verlesen, inhaltlich wurde sich mit dem Streik solidarisiert und dieser als sowas wie legitim bezeichnet. Man steht ja sowieso auf der gleichen Seite: gegen Einsparungen und gegen den Rot-Roten Senat. Und man könnte sich vorstellen auch mal Seite an Seite zu demostrieren, wenn ... ja wenn die Proteste friedlich blieben. Aufgrund des Beitrags kam es zu ein paar Unstimmigkeiten, während die meisten Anwesenden die Grußworte beklatschten, gab es im weitern Verlauf immer wieder Zwischenrufe (mehr Sozi, mehr Rente ... )

Die Grußworte sind nahezu identisch mit einem offenen Brief der GdP und können unter www.gdp-berlin.de abgerufen werden


Nächste Vollversammlung am Mittwoch 14.01.2004 um 12.00 Uhr im Auditorium/Henry-Ford-Bau!!!


Der vollständige Beschluss der VV der FU vom 07.01.

"Kein Kürzungshaushalt 2004/2005! Die FU stellt sich quer!

1. Der Streik der Freien Universität Berlin wird fortgesetzt, die Hochschule befindet sich im kreativen Ausnahmezustand. Über Besetzung wird weiter dezentral entschieden.

2. Die Studierenden verurteilen die Unterzeichnung der Hochschulverträge durch den Präsidenten. Wir fordern die Rücknahme der Unterschrift! Der Präsident der FU trägt die Kürzungspolitik mit, darum fordern wir seinen Rücktritt.

3. Wir kämpfen gegen die Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2004/2005, der massive Einschnitte im sozialen und im Bildungsbereich vorsieht. Für uns Studierende bedeutet dieser Haushalt:
-auf Dauer nicht lebensfähige Hochschulen
-Kahlschlag in Fächerspektrum und Qualität
-Studiengebühren
Weiter sind betroffen: SchülerInnen, Kindergartenkinder, Obdachlose, SozialhilfeempfängerInnen, Nahverkehrsnutzer, Kulturschaffende, Kranke und viele weitere Gruppen. ALSO FAST ALLE MENSCHEN DIESER STADT!

Wir fordern den Berliner Senat auf, für eine ausreichende Finanzierung der wichtigen öffentlichen Aufgaben, Bildung, Soziales, Kultur, Nahverkehr, Gesundheit zu sorgen und ein tragfähiges und soziales Zukunftskonzept für die Stadt zu entwerfen.

Wir wollen mit vielfältigen Aktionen verhindern, dass dieser Haushalt verabschiedet wird und fordern alle BerlinerInnen auf, sich dem Protest anzuschließen.

Schluss mit dem Ausbluten der öffentlichen Kassen!
Wir wollen soziale Gerechtigkeit!

(www.streikzentrale.de.vu)
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Ergänzungen

Ergänzung

abc 07.01.2004 - 16:07
Momentan findet laut Streikseite der FU eine Besetzung der SPD-Parteizentrale (Bundes-SPD) statt. 50 Leute sollen drin sein und die Fahne am Haus soll runtergeholt worden sein.

Zitat:
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Die SPD-Parteizentrale (der Bundes-SPD) ist zur zeit von ca. 50 Studierenden besetzt.
200-300 Protestierende stehen außerdem vor der Parteizentrale; es gibt eine Kletteraktion: Fahneeinholen (Die Fahne ist schon unten!) und eine Leiter zum Einsteigen.
Die Polizei (nicht in großen Massen) kommt jetzt erst an.
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Leipzig Streikt auch

Einer 07.01.2004 - 16:22
Super, Leipzig hat sich heute ebenfalls für einen Eintritt in den Streik entschieden. Die sich seit anfang Dezember im Streik befindende Bauhaus Uni in Weimar hat morgen ihre nächste VV.

Veranstalt. Zur Kritik Universität vormerken!

Sozialreferat AStA FU 07.01.2004 - 18:18
Do, 22.01. | 18.00 Uhr

Hörsaal D im Henry Ford Bau (HFB) Garystr. 35

Die deutsche Universität - eine Kritik

Aus Anlass von Haushaltskürzungen an den Unis, Studiengebühren und der Verschärfung der Ausbildungskonkurrenz

Vortrag mit Diskussion

Referent: Prof. Dr. Egbert Dozekal (Fachhochschule Frankfurt am Main)

Die deutsche Universität - Ein kritischer Durchgang durch Wissenschaft, Ausbildung und Hochschulreform heute

An den deutschen Hochschulen halten Bundeskanzler und Bildungspolitiker aller Parteien, Vertreter von Wirtschaftsverbänden und Universitätspräsidenten eine Modernisierung für dringend geboten. Viel zu provinziell und ineffizient soll es da zugehen. Wenn wir die "unverzichtbare Ressource Wissen in unserem rohstoffarmen Land" auch in Zukunft am Sprudeln halten wollen, brauchen wir dringend mehr und bessere Bildung. Schließlich war Wissen noch nie so wertvoll wie heute - in der "globalen Wissensgesellschaft", in der wir leben. Und dieser Diagnose schließt sich auch die überwiegende Zahl der Studierenden an, die gegen die Kürzungen an den bundesdeutschen Hochschulen und die Einführung von Studiengebühren protestieren.

Bezeichnend allerdings die Reform, die aus dieser Diagnose folgt. Da ist dann nicht von mehr Wissen, sondern von mehr Wettbewerb die Rede. Effiziente Hochschulen sind nicht etwa solche, die den akademischen Nachwuchs solide und umfassend mit dem in der Wissensgesellschaft akkumulierten Wissen vertraut machen, sondern solche, die nach den Maßstäben betriebswirtschaftlicher Vernunft und internationaler Hochschulpraxis durchrationalisiert sind. "Mehr Wettbewerb" lautet das Reformrezept: weniger staatliche Geldzuweisungen, dafür aber mehr Freiheiten der Hochschulen bei der Einwerbung von Sponsorengeldern und Drittmitteln, mehr Kurzstudiengänge mit Bachelor-Abschluss, aber auch mehr Elitekurse mit entsprechenden Studiengebühren, mehr Konkurrenz der Hochschulen um Studierende, inklusive der Schließung ganzer Fachbereiche, wenn sie keine "Leistung" bringen.

Worin eigentlich die Leistung von Wissenschaft und Ausbildung genau besteht, darüber erfährt man weniger von all den Bildungspolitikern, welche die Hochschulen in "moderne Dienstleistungszentren" für ihre "Kunden" verwandeln möchten. Genau darum soll es in dem Vortrag zur deutschen Universität gehen, der klärt

1. wie die "Freiheit von Forschung und Lehre" den Dienst an kapitalistischer Marktwirtschaft und demokratischem Staat organisiert;

2. wie das "Recht auf Bildung für alle" den Ausschluss der Mehrheit des Nachwuchses von höherer Bildung und die Sortierung der akademischen Minderheit auf die höheren Posten in der Berufshierarchie garantiert;

3. was die regierenden Modernisierer bewegt, und wie ihre "leistungsorientierten Reformen" die Ausbildungskonkurrenz an den Hochschulen verschärfen.

 http://www.astafu.de/aktuelles/aktuelles/termine/entry_128/showDate

Weiterdenken

Weitermachen 07.01.2004 - 22:10
Die StudentInnen von TU und FU streiken also weiter – super!!! Die HUB macht auf Viertageprotestwoche – gut, wenn auch mehr besser wäre! Um deutlich zu zeigen, dass es weiter geht besetzten heute ca. 30 Menschen die SPD-Bundeszentrale für mehrere Stunden. Klasse!!! In Leipzig läuft der Protest wieder und hoffentlich auch in vielen weiteren Unistädten.
Es ist wohl einmalig, dass die Proteste von StudentInnen über das Neujahr hinweg weitergehen. Nun heißt es dringend wieder öffentlich in´s Gedächtniss zurückzukehren und klar zu stellen, dass sich absolut nichts geändert hat. Die Gründe für die Protestwelle der Unis in der gesamten BRD haben überall weiterhin Bestand und die Gründe für sozialen Protest gegen die derzeitige parteiübergreifende neoliberale Politik werden eher mehr, als weniger. Wie soll die Gesellschaft und das Leben in ihr aussehen, wenn das weiter so geht?
Es wird also wichtig sein, in den kommenden Wochen und Monaten tiefgründigere Analysen jetziger Verhältnisse und weitgehende Alternativvorstellung zu entwickeln und in die Breite zu radikalisieren. Es bedarf einer außerparlamentarischen Opposition, die den Druck auf die Herrschenden massiv verstärkt und diese zum Umlenken zwingt. Längerfristig ist es notwendig sich selbst von Unten als politische Alternative zu repräsentieren und ohne Machtatetüde und den unsinnigen Weg der 68er zu wiederholen, von der Straße aus Politik zu betreiben. Dazu müssen sich die begonnen Bündnisse noch stärker vernetzen und Unabhängig von herrschenden Strukturen, sowie deren Diskurs eigene Werte- und Handlungsgrundlagen erarbeiten.
Eine emanzipative, solidarische Gegenbewegung kann nur dann langfristig Kraft und Wirkung gewinnen, wenn Sie ein eigenes Selbstverständnis ihrer Entscheidungsfindung, ihrer politischen Arbeitsformen und der Offenheit gegenüber Fremden entwickelt und sich nicht von heutigen Entscheidungsträgern vereinnahmen, spalten oder kriminalisieren lässt. Dies geschieht dort am besten, wo alte Grabenkämpfe der westdeutschen linken Szene beendet werden , wo es eine Öffnung zum Sozialen und Kulturellen Bereich gibt, wo linke Vorstellungen nicht mit der Keule gegen andere durchgesetzt wird und alle lernbereit miteinander neue Wege suchen.
Der kleine Hoffnungsfunke der letzten Wochen muss sich zu einem langanhaltenden Flächenbrand entwickeln. Wenn wir es schaffen, dass sich in der gesamten BRD 3000 bis 4000 StudentInnen weiter aktiv, außerhalb den Mainstreams radikal gegen die jetzige Politik als Kerngruppen engagieren, dann ist es möglich über 1 bis 2 Jahren eine neue und größere Bewegung aufzubauen. Dieser engste Kern, der gerne größer sein darf, würde es innerhalb kürzester Zeit schaffen an jedem beliebigen Ort mehrere 10000 Leute zu Aktionen und Demos mit wesentlich radikaleren Elementen zu mobilisieren. Das Ziel sollte sein, dass kein Parlament mehr ohne kritische Begleitung ihre sozialrassistische und Profitorientierte Politik mehr möglich ist. Der Sozialdarwinismus heutiger Art muss zum Thema gemacht und jeder Versuch dieser Menschenverachtenden Denkweise in Politik umzusetzen öffentlich entlarvt werden. Sozialdarwinismus war die historische Voraussetzung für die Durchführung von Faschismus und Nationalsozialismus. Wer sich gegen letzteres Ausspricht, der darf sich nicht auf ein Menschenbild berufen, dass deren Grundlage war. Der Stärkere gewinnt, der Rest hat Pech – das ist heutig Politik und man marginalisiert weite Bevölkerungsteile durch Ausgrenzung, Nichtteilnahme und Zuweisung von Vorurteilen: wer nichts ist, hat selber schuld etc.
Wer dies aufbrechen und ernsthaft ändern will, der braucht andere Menschnbilder. Fangen wir an – alle gemeinsam für alle. Alles für alle!!!