AS der FU Berlin flieht vor Öffentlichkeit

Studi 19.12.2003 15:44 Themen: Bildung
Am Mittwoch (17.12.2003) sollte an der Freien Universität Berlin (FU) eine Sitzung des Akademischen Senats (AS) stattfinden. Bereits 20 Minuten nach Beginn wurde jedoch die Sitzung abgebrochen, bevor überhaupt irgendwelche Besprechungen oder gar Beschlüsse stattfinden konnten. Anschließend folgte eine rasante Verfolgungsjagd: die Studierende ließen sich allerdings nicht abschütteln.

Realsatire pur!
In der Sitzung des Akademischen Senats (AS) am 17.12. sollte es unter anderen darum gehen, die Zulassungsordnung für das Sommersemester 03 zu beschließen und damit zu entscheiden, wie viele Erstsemester in den jeweiligen Fächern neu zugelassen werden, wie hoch also am Ende auch der Numerus Clausus (NC) liegt. Ein Extremfall: die Zulassungszahl für das Fach Soziologie wurde vom Präsidium der FU vorsorglich schon auf Null angesetzt - keine neuen Erstsemester, das Fach soll langsam auslaufen und abgewickelt werden. In engem Zusammenhang mit den Zulassungszahlen steht die sogenannte Giftliste, die ebenfalls Tagesordnungspunkt war. Hier sollte konkret die Umsetzung der Kürzungen für die FU Berlin beschlossen werden: wie viele Professuren fallen wo weg, welche Fächer werden geschlossen, welche bis zur Funktionsunfähigkeit eingeschränkt.

Gegen diese Plä¤ne wandte sich ein anderer Tageordnungspunkt : der AStA (Allgemeiner Studierendenausschuss) machte von seinem Antragsrecht Gebrauch und Übermittelte die in der studentischen Vollversammlung (VV) vom 8.12 beschlossenen Forderungen der streikenden Studierenden an den AS (siehe  http://www.refrat.hu-berlin.de/sowi/alle/texte/berlinerforderungen.html). Diese Forderungen umfassten unter anderem die Ablehnung der Kürzungen anstatt deren widerstandsloser Umsetzung, die Abschaffung des Numerus Clausus statt noch rigiderer Zulassungsordnung sowie die Wiedereinführung der Projekttutorien.

Angesichts der Relevanz der anstehenden Entscheidungen versammelte sich eine große Menge Studierender kurz vor 15 Uhr im Henry-Ford-Bau, um der Öffentlichen Sitzung beizuwohnen. Vorher wurde jedoch niemand außer den stimm- und antragsberechtigten Personen in den Saal gelassen: es wäre noch kein Einlass, übermittelte der Wachschutz, erst punkt 15 Uhr ginge es los.

Um 15 Uhr wurden dann eine Handvoll Studis hineingelassen, danach riegelten die Wachschätzer den Saal erneut ab. Bei den Außenstehenden machte sich erster Unmut breit. Die Wachschatzer witzelten untereinander: »Wer am höflichsten frage, würde vielleicht noch reingelassen.«

Obwohl im Sitzungssaal noch freie Stühle im Besucherbereich vorhanden waren, wurde der Einlass für weitere Gä¤ste verweigert. Ohne auf die Beschwerden der studentischen AS-Mitglieder einzugehen oder die Situation zu klären, eräffnete dann der FU-Präsident Lenzen die Sitzung. Danach meldeten sich die VertreterInnen der Studierenden zu Wort und verlangten den sofortigen Einlass für die interessierte Öffentlichkeit, bis eben der Raum gefällt sei. Von Professor Hoff wurde dieses Anliegen mit der Begründung abgebügelt, die freien Stühle im Besucherbereich wärden für Sachverständige, Dekane und FachbereichsvertreterInnen gebraucht, die im Laufe der Sitzung noch erscheinen würden. Von Seiten des Präsidiums kam wie in der vorherigen Sitzung wieder einmal das absurde Argument, dass bei Überfüllung des Raumes die Tragfähigkeit der Decke gefährdet sei. Bestenfalls noch zusätzliche 10 Studierende sollten eingelassen werden, der Rest könne einer Videoübertragung in einem der Hörsäle beiwohnen. Kaltblütig wurde dann mit der aktuellen Viertelstunde weitergemacht. Als wäre nichts gewesen wurden Anfragen aus dem Fachbereich Medizin behandelt. Ich als Vertreter des AStA machte auch ohne Aufforderung des Präsidenten vom Rederecht Gebrauch und verlangte eine Klärung der Frage und den Einlass der Öffentlichkeit. Draußen waren mittlerweile Sprechchöre zu hören, die Studierenden verlangten Einlass. Die ungefragte Wortmeldung wurde von einem vorbeigehenden Professor tatsächlich mit der Bemerkung »Sie fliegen hier gleich raus!« kommentiert.

Nachdem auch vor dem Saal bekannt wurde, dass der Sitzungsraum halb leer war, kam es zu ersten Rangeleien, Handgreiflichkeiten seitens des Wachschutzes gegen die Studierenden folgten. Wer dabei genau angefangen hat, läßt sich nicht feststellen. Wäre jedoch eine Verlegung der Sitzung ins Audimax erfolgt, bzw. der Sitzungsraum tatsächlich gefüllt gewesen, hätte sich der Unmut niemals derartig aufgestaut - das war jedenfalls mein persönlicher Eindruck.

Mein Vorschlag zur Deeskalation - 30 weitere Studierende einlassen und die Videoübertragung für den Rest - kam bereits zu spät. Die Sitzung wurde um 15:20 Uhr abgebrochen. Die AS Mitglieder verließen bereits den Saal, nur auf Anfrage brachte ich in Erfahrung: die Sitzung wird verlegt. Eine Handvoll Eingeweihter kannten den Ausweichort, nicht einmal den Studentischen Mitgliedern und dem AStA-Vertreter wurde dieser mitgeteilt: Wir sollten uns einfach in die bereitgestellten Fahrzeuge setzen und würden dann ja am Zielort sehen, wo die Tagung stattfindet. Die Studierenden besetzten derweil die Ausgänge und verlangten Auskunft. Weil aber eben die Studis keine Gewalt einsetzen und nur diskutieren wollten, verließ das Präsidium den Henry-Ford Bau und verteilte sich auf verschiedenste Dienstwagen.

So fanden sich dann nach einiger Zeit zwei der Studentischen Vertreter und ich als AStA-Repräsentant im Wagen von FU-Kanzler Lange wieder. Nachdem dann durch polizeiliche Aufforderung der von interessierter Öffentlichkeit umstellte Wagen losfahren konnte, ging eine absurde Tour durch Berlin-Dahlem los. Lange weigerte sich auch im Wagen, den Sitzungsort zu nennen, unsere höflichen Anfragen blieben folgenlos. An jeder Ampel wartete Lange die Grünphase ab und fuhr erst bei Gelb über die Kreuzung. Denn: ein Fahrzeug mit interessierten Studierenden hatte die Verfolgung aufgenommen, um an der Öffentlichen (!) AS-Sitzung teilzunehmen. Irgendwann hieß es dann lakonisch von Kanzler Lange: »Der hat echt Nüsse, ist jetzt schon zum dritten mal bei Rot rübergefahren.« Meine Frage, ob es denn nötig sei wegen einem Auto voll Studierender Verkehrsunfälle zu provozieren, wurde nicht beantwortet. Um die Fahrt nicht schweigend zu verbringen wurde dann das Thema gewechselt. Als wir dann in direkter Anfahrt auf den Hochschulstandort Berlin-Lankwitz waren, hatten wir plötzlich die Verfolgung neben uns: zwei freundliche Studentinnen grüßten Lange und uns durchs heruntergekurbelte Fenster. Sie wüssten jetzt, wo's langgeht und würden vorfahren. Soviel zum Thema Nüsse.

Dann kam ein plötzlicher Handy-Anruf für Lange, und der Wagen machte eine Kehrtwende. Offensichtlich waren in Lankwitz bereits mehr als ein Wagen voll Studierende anwesend, die Sitzung wurde noch einmal verlegt, wir fuhren einige Warteschleifen in Berlin-Dahlem und machten uns dann auf den Weg zu Tagungsort Nummer Drei.

Dort kamen wir jedoch nicht mehr an: Als klar wurde, dass sich auch dort bereits Studierende angesammelt hatten, wurde die Sitzung abgesagt. Irgendwer von professoraler Seite hatte wohl mehr Interesse an demokratischer Öffentlichkeit und gab den Tagungsort weiter.


Fazit?

Dass diese AS-Sitzung mehr als 20 Gäste interessiert, hätte klar sein können und müssen. Anstatt der Provokationen durch den selbstgerechten Wachschutz hätte eine vernünftige Planung wie etwa ein größerer Raum oder 50 Gäste plus zusätzliche Videoübertragung die Eskalation von Anfang an vermieden. Die panische Angst der FU-Eliten vor störender Öffentlichkeit ließ diese Lösung jedoch nicht zu. Nun wird die Sitzung wohl zwischen den Feiertagen irgendwann kurzfristig angesetzt, damit wie gewohnt in kleinem Kreis die Entscheidungen über die Zukunft der FU getroffen werden können. Studentische VertreterInnen als Minderheit (4 Stimmen von 25 im AS!) sind geduldet, Öffentlichkeit nicht. Dies unterstreicht die studentische Forderung: Demokratisierung der Universität durch Viertelparität. Mindestens.

Wir werden den neuen Sitzungstermin bekannt geben, sobald wir ihn wissen.Wir lassen uns nicht ausschließen. Informiert euch im Internet:
 http://www.astafu.de
 http://www.streikzentrale.de.vu
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Ergänzungen

Ergänzung

xyz 19.12.2003 - 15:49
Das Kuratorium der TU hat heute die Änderungs- und Ergänzungsverträge zu den Hochschulverträgen abgelehnt. Dadurch muß der Senat wahrscheinlich nochmal mit FU & HU und TU neu verhandeln.
Ein paar weitere Ino's gibt es hier:
 http://www.tu-berlin.de/presse/www-info/2003/www96.htm

Umlaute

Wir sind alle InDee 19.12.2003 - 16:25
Umlaute verbessert, ich hoffe es sind dadurch keine Fehler entstanden.

Frage

frager 19.12.2003 - 21:17
In wie weit ist eine öffentliche Sitzung bei der die Öffentlichkeit vorsätzlich ausgeschlossen wird rechtens?

Grit Eggerichs: Verfolgungsjagd mit Kanzler

Dokumentation 19.12.2003 - 23:41
Es geht nicht nur um Geld. Die Studierenden wollen auch eine Viertelparität in den Uni-Gremien.
Vor ihnen hat das noch jeder streikende Student gefordert. Die Chancen heute stehen nicht besser
von Grit Eggerichs
 http://www.taz.de/pt/2003/12/19/a0263.nf/text

Demokratie am Arsch!

Demokrat 20.12.2003 - 17:59
Braucht irgendjemand noch mehr Beweise, dass Demokratie nurnoch ein Witz ist?
Wie ich hörte, wurden zur Debatte und Abstimmung des Bundestags über die Agenda 2010 - welche nur mit den Stimmen der Opposition passieren konnte - alle ZuschauerInnen von vorn herein ausgeschlossen, die in irgendeiner Weise nach StudentIn aussahen.

Wer unter diesen Umständen noch von Demokratie redet, ist einE HeuchlerIn!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

anmerkung @ mods — hallo

TOLL — hansi