Bildung und Wissenschaft bei den Grünen
Bildungbei Bündnis 90/Die Grünen – eine Alternative zu denanderen Parteien, aber nicht zu deren Politik
Imübrigen fängt Kritik nicht damit an, daß sie an sichdie kritische Frage stellt, ob sie weitergeht, praktisch undkonstruktiv ist. Sie beginnt damit, daß man sich Rechenschaftablegt darüber, woher all das kommt, was man als Belästigungund Schaden wahrnimmt. Wer auf das bißchen Ursachenforschungverzichtet, vertut sich womöglich im Engagement, sucht sich Ort,Zeit und Adressat wie Gegner seiner Bemühungen verkehrt aus.Dann vergeht seine Jugend, und er war in Mutlangen und Wackersdorfzelten und hat [...] Grüne gewählt, während die Härtenweitergehen, daß es kracht.
Anonym1987
Bündnis90/Die Grünen haben in studentischen Kreisen keinen schlechtenRuf. Das kann man in persönlichen Gesprächen erleben, aberauch anhand von Wahlen zu universitären Gremien feststellen.Während für die Konservativen oder die Liberalen eher dasKlischee des verpönten, unlustigen Betonkopfes aus demJurafachbereich gilt, ist die Vorstellung über die Grünenmeist eine viel positivere: Sie gelten als kritisch, etwaswiderspenstig, ökologisch, humorvoll und locker – hierwird auch mal ein Joint geraucht und nicht nur Alkohol konsumiert. Esdarf auch eine verrückte Frisur getragen werden undKrawattenzwang gibt's auch nicht. Es scheint, als böten dieGrünen eine nette Alternative zum politischen Mainstream, wasdann wohl auch für die Bildungspolitik gilt. Inhaltlich sind siedas aber nicht. Am Beispiel des Miesbacher Beschlusses der grünenBundestagsfraktion vom 5.9.2003 soll dies verdeutlicht werden undauch kurz auf eventuelle Einwände seitens grüner Abweichler(insbesondere der Hochschulgruppen) gegen diesen Beschlusseingegangen werden.
FunktionaleSicht auf Bildung im Konkurrenzkampf
Industrienationenwie Deutschland müssen sich im globalen Wettbewerb auf ihreStärken konzentrieren: Bildung, Forschung, [...]. Unserewichtigste Ressource ist das geistige Kapital.
DieAnforderung an die Bildungseinrichtungen einer Wissensgesellschaft iminternationalen Wettbewerb sind hoch. Wir müssen unsere Schulenund Hochschulen für diese Herausforderungen fit machen.1
Ausdem Miesbacher Beschluss der Grünen
DieseBemerkungen und Ankündigungen klingen vielleicht nicht so, abersie sind nichts anderes als eine Drohung. DieBildungsinstitutionen fit machen unterstellt, dass esProblemstellungen im Bildungsbereich gibt, die letzteren nicht fitausschauen lassen. Die Probleme sehen so aus: „Ininternational vergleichenden Studien wie TIMSS und PISA schneidendeutsche Schülerinnen und Schüler schlecht ab [...] Kinderund junge Menschen werden bei uns nicht ihren Fähigkeitenentsprechend gefördert, ihre Begabungen nicht ausreichendaktiviert. [...] Im internationalen Vergleich haben wir zu wenigeHochschulabsolventInnen, vor allem zu wenig Ingenieure[...]Deutschland verliert jedes Jahr eine Vielzahl hoch qualifizierterNachwuchswissenschaftlerInnen und es gelingt nur unzureichend,ausländische ForscherInnen für unsere Hochschulen undForschungseinrichtungen zu gewinnen.“
DieseAussagen haben eines gemein: den Vergleich mit anderen Nationen.Die Grünen nehmen zum Maßstab für dieBeurteilung des Erfolges von Bildung- und Wissenschaft nichtetwa die z.B. dank technologischem Fortschritt verbesserte Versorgungder materiellen Bedürfnisse der Menschen. Es ist das Bestehenin der Staatenkonkurrenz, was der grüne Politiker zuseinem Zweck erklärt und ihn antreibt. Was natürlichbewusst in Kauf nimmt, dass andere hinten liegen, mit allenmateriellen Konsequenzen für deren Leben. Das sagt wiederumeiniges über die gesellschaftlichen Verhältnisse aus, zudenen sich die Grünen, selbstverständlich auchandere Parteien, mit ihren bildungspolitischen Vorschlägeninhaltlich positionieren wollen. Bildung ist dabei lediglich Mittelfür nationale Anforderungen und nicht fürBefriedigung von Bedürfnissen als möglichengesellschaftlichen Erfolg! Gäbe es eine Identität zwischenbeidem, wie die Grünen sie offenbar unterstellen; wäre alsoBildung eine bestimmende Voraussetzung für gesellschaftlichenErfolg, dann könnte es gar nicht genug davon geben. Schaut manaber ganz naiv in die bestehenden Zustände, dann fällt auf,dass es an ausgebildeten oder studierten Menschen gar nicht mangelt.Merkwürdigerweise gibt es aber ausgebildete AkademikerInnen, dieauf der Straße sitzen, Taxi fahren oder Blätter im Parkaufsammeln. Die wissenschaftliche Bildung taugt nichts für ihrLeben bzw. für die Gesellschaft, in der sie leben. Das gilt auchfür Menschen, die ihren Abschluss z.B. an der (Fachhoch-) Schuleoder in einem Betrieb gemacht haben. Sie haben sicherlich jede Mengekluge Gedanken, aber offensichtlich reicht's nur für dieArbeitlosen- oder Sozialhilfe.
„[...]Bildungbestimmt zunehmend die Chancen auf soziale und gesellschaftlicheTeilhabe.“ meinen die Grünen dazu und haben recht undunrecht zugleich. Einmal großzügig abgesehen davon, dassuns nicht ganz klar ist, wo der Unterschied zwischen „sozial“und „gesellschaftlich“ - scheinbar hat auch hier dasdeutsche Bildungssystem versagt - liegen soll: Recht haben sie, weileine es nach den gängigen Bildungswegen Schule/Ausbildung oderHochschule tatsächlich um eine Chance, aber eben auchnur um eine solche und nicht um materielle Absicherung geht. Undgenau deswegen haben sie unrecht, wenn sie erklären, dassBildung die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe „zunehmend“bestimmen würde. Das war noch nie so. Diese Chancen auf sozialeTeilhabe bzw. deren eventuelle Realisierung bestimmt der Fakt, ob dieLohntüte voll oder leer ist. Bildung für sich hatmit sozialer Teilhabe zunächst wenig zu tun, sondern vielmehr,ob es am Markt ein Bedürfnis nach schulisch oder akademischausgebildeter Arbeitskraft gibt. Viel Bildung ist höchstensMittel, als qualifizierte Arbeitskraft möglicherweisemehr Lohn zu bekommen. Manche werden vielleicht auch solche, die nachihrer Ausbildung Lohn auszahlen. Aber auch das bedeutet längstkeine notwendige Sicherheit für soziale Teilhabe, sondern wiedernur eine Chance. Die gute Bildung eines Chefs einer Firma schütztnicht vor der Insolvenz.
DerStaat als Garant für die Bildungsinstitutionen für welchedie Grünen allerlei Verbesserungsvorschläge an den Taglegen, steckt somit in einem Dilemma. Der Witz an der Sacheist folgender: In einer auf Konkurrenz und Wettbewerb basierendenWirtschaftsweise können die zukünftigen Anforderungen an gesellschaftliche Tätigkeiten und damit auch für dienotwendig werdenden Ausbildungsformen gar nicht genau bestimmtwerden. Wie sich die Protagonisten sowohl auf nationaler wie aufwirtschaftlicher Ebene gegenseitig niederkonkurrieren und welcheMittel dafür erforderlich sind, kann niemand vorhersagen. Dakann höchstens spekuliert werden. Ein Beispiel: Braucht es mehrIT-Spezialisten? Zunächst sah es so aus und dann ist Branchedoch nicht so richtig gut gelaufen. Nun sitzen die importierten Inderoder hier Ausgebildeten auf der Straße. Mit allen damitverbundenen Konsequenzen für deren Leben. Hochgebildete Leute,nichts mit sozialer Teilhabe. Das angesprochene Dilemma wird derStaat auch nie lösen können, da er Teil dieser unvernünftigeingerichteten Welt ist und die Bedingungen für dieseWirtschaftsweise selbst setzt. Der Staat kann immer nur dem Idealhinterher hecheln, das Missverhältnis von ausgebildeterArbeitskraft und dem Bedarf danach so klein wie möglich zuhalten.
Wasalso auffällt: Die Grünen, wie die anderen Parteien,stellen sich zu dieser ziemlich menschenunfreundlichen Veranstaltungauch noch positiv. Dabei werden vielleicht andere Vorschlägegemacht, als es Konservative und Liberale tun. Insofern sind dieGrünen wahrlich alternativ. Der Zweck eines starkenDeutschlands, also für die hier ansässige Wirtschaft undderen Zweck der höchstmöglichen Verwertung genugausgebildetes Menschenmaterial zur Verfügung stellen, ist beiden Grünen allemal auch unterstellt. Nur bei den Variablen wirdgestritten.
Werdie Zeche zahlt – Studiengebühren/-konten alsSahnehäubchen oben drauf
Dadiese Wirtschaftsweise aufgrund ihrer eigenen unvernünftigenKonstitution in Krisen gerät, inkl. dem staatlichen Souverän,gibt es auch Probleme mit der Gewährleistung. Auch dazu habendie Grünen einen Vorschlag. Wie wäre es mit einem„Gesamtmodell, das außerdem Elemente einernachfrageorientierten Finanzierung von Bildungseinrichtungen, zumBeispiel durch Bildungsgutscheine oder Bildungskonten [...]enthält.“? Das sorgt für Aufschrei bei anderen GrünenPolitikern in spe "Liebe Leute, auf ihrer Klausur in Miesbachhat die Bundestagsfraktion sich für die Einführunggenereller Studiengebühren ausgesprochen." (Uni Spiegel11.9.03) meint Christian Michalak, Sprecher der Grünen JugendBochum. Das könnte man so lesen, denn „Bildungsgutscheineoder Bildungskonten“ sind eben nur genannte Beispiele einerFinanzierung. Ob die Grünen aber nun für Studiengebühren(wie in Nordrhein-Westfalen für „Langzeitstudierende“,also diejenigen, die dem Standort Deutschland schaden und nichtstaugen) oder für Studienkonten sind, macht im Ergebnis wenigUnterschied, da solche ein eventuelles Interesse nach eigenemBeliebem an der Universität zu verweilen, ebenfalls vomPortemonnaie abhängig machen.
AndereGrüne geben sich noch renitenter. Zum einen die grünenParteien der Länderparlamente in der Opposition und dieNachwuchsgrünen auf dem Campus in Gestalt des Bündnissesgrün-alternativer Hochschulgruppen. Sie schreiben: "MitSchrecken sehen wir, wie einzelne grüne PolitikerInnen undinzwischen auch Landesverbände zu studiengebührennahenPositionen, bspw. Bildungskonten, neigen." Das klingtoppositionell, muss es aber auch sein. Eine politische parteinaheHochschulgruppe, die offen für die Beschränkung materiellerLebensverhältnisse (z.B. kein Urlaub im Semester, dafürGebühren) auf dem Campus eintritt, hat nicht den gewünschtenErfolg bei den Wahlen zu den universitären Gremien. DieCDU/FDP/SPD-nahen Hochschulgruppen kriegen dies, wenn sie sich insolchen Fragen hinter ihre Partei stellen, oftmals zu spüren.Der oben beschriebenen Zweck, dem Bildung und Wissenschaftunterworfen sind, ist jedenfalls nicht Gegenstand von Kritik. DieLandesgrünen in Opposition sind in ähnlichem Zwang. InBerlin beispielsweise wird sich offen gegen die Pläne vonKultursenator Flierl (PDS), Studienkonten einzuführen,ausgesprochen. In der parlamentarischen Opposition ist das auch eineNotwendigkeit, weil man genötigt ist, die Pläne derRegierung zu torpedieren, um sich damit Sympathien für dienächste Wahl zu sichern. Ist man erst einmal wieder an Regierungund der gemütliche Platz der Macht gesichert, kann wieder vonden "unausweichlichen Sachzwängen", den "neuenAnforderungen" und dem "Reformbedarf" geredet und sogetan werden, als wenn man die ganze Zeit das, was man tut, gar nichtmachen will. Strengt man das Gedächtnis ein ganz klein wenig an,dann erinnert man sich bestimmt schnell, dass die Grünen, so siegewählte Machthaber waren, darin immer große Klasse waren.
1http://www.gruene.de/ghg-buko/themen/01sf.htm Bundesversammlung 2001
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
interessanter artikel
ausserdem den grünen der berliner oppisition nur streben machtsicherung vorzuwerfen, wenn sie mit "uni-wut" ansteckern in den senat gehen, finde ich übertrieben.
trotzdem viel wahres und interessantes.
Ergänzung zu Alex
OOOPS
http://www.gruene-fraktion.de/rsvgn/rs_datei/0,,3867,00.pdf
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
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