Bericht von den Direct-Action-Trainings Halle

DA-Hase 24.11.2003 18:40 Themen: Ökologie
Am 20. November begann alles mit einer Einführung und einem kreativen Stadtrundgang. Danach folgten Workshops und Trainings zu Kommunikationsguerilla, Tipps und Tricks für Sabotage, kreative Antirepression, Aktionen in Gerichtsgebäuden und einiges mehr. Die Leitung der Martin-(Antisemit)Luther-Universität Halle hatte vorher ein Verbot erteilt, universitäre Räume (einschließlich der Räume des StudierendenRates) zu nutzen. Der StuRa hatte gleich klein beigegeben – und so fand alles an verschiedenen Orten statt ... manchmal auch im Hauptbahnhof, um gleich zu üben ...
Die Direct-Action-Trainings war als Idee bei der Vorbereitung des Bundes-Ökologie-Treffens entstanden und während der Direct-Action-Tage in Magdeburg (vor der §-129a-Demo) genauer geplant worden. Und eigentlich lief auch alles ganz gut außerdem Kontakt nach Halle, der nur zäh und über wenige Menschen lief, während angefragte Hallenser Politgruppen nicht oder spät antworteten. Solche Direct-Action-Trainings zu kombinieren, war ja schon bei verschiedenen Camps im Sommer oder auf dem Jugendumweltkongreß Ostern 2003 ganz gut gelungen. Neben dem Sinn als solches, Wissen über Aktionsmethoden zu verbreiten, konnten die Trainings auch immer wieder die konkrete Aktionspraxis während der Camps oder Treffen stimulieren.
Doch bei der Ankunft auf dem Bundes-Ökologie-Treffen (Übernachtungen, Plena, Essen usw. sollten gemeinsam laufen) gab es gleich den ersten Schock. Die eigentlich gewählten Räume wurden von der Unileitung verboten (nach Intervention der Bullen dort?) – nirgendwo in Uniräumen sollten Direct-Action-Workshops stattfinden dürfen. Der StudierendenRat wurde gezwungen (oder war opportunistisch genug), eine Erklärung zu unterzeichnen, dass er ebenfalls solche Workshops nicht dulden würde. Spalte und herrsche halt ... gemeinschaftlich verwirklicht von Unileitung und StuRa. Daher wurde eine andere Lösung gesucht – was aber dem weiteren Verlauf keinen Abbruch tat. Die kleine Direct-Action-Plattform sowie Bücher-/Infotisch und Fake-Ausstellung konnten aufgebaut werden, manches Training fand dort statt, wo es um die Praxis ging: Im Hauptbahnhof oder im Kaufhaus. Der Ablauf im Überblick:

Einführung und kreativer Stadtspaziergang
Am Freitagmorgen ging es um die Idee von Direct-Action. Anschließend lief die noch kleine Gruppe durch die Straßen der Innenstadt und tauchte auch in Kaufhäusern auf, um z.B. dort die Möglichkeiten von Produktveränderungen zu sprechen, die Geschlechterverhältnisse reproduzieren, über Ausbeutung durch Konzerne entstehen usw. In den Straßen ging es um Subvertising, d.h. das gezielte Verändern von Werbeflächen, um optimale Orte für Etiketten, Sprayen oder Plakate, Aktionen gegen Kameras und mehr.

Kreative Antirepression
Am Nachmittag folgte ein Workshops zur kreativen Antirepression – als die Idee, aus Personalienfeststellung, Festnahme, Gerichtesprozessen usw. Aktionen zu machen oder Repressionsbehörden aller Art (Polizei, Gerichte, Sozial- oder Arbeitsamt, AusländerInnenbehörde, Standesamt, BGS, Knäste, Schulleitungen ...) so zu attackieren, dass der Betrieb sabotiert und/oder ihre Herrschaftsförmigkeit thematisiert wird. Internetseite zum Thema:  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression.

Tipps und Tricks zu Sabotage
Wie kann mensch Schlösser knacken? Wie sind Fuß- und Fingerabdruckspuren zu vermeiden? Wie lassen sich Gebäude oder Autos unbenutzbar machen? Kann Polizeifunk abgehört werden? Wie baue ich einen Molli und wie kann ich ihn einsetzen, ohne dass Gefahren für Menschen entstehen? Wie kann Militanz und Sabotage gut vermittelt werden? Welche Farben halten auf Glas, Mauerwerk, Stein, Metall oder Plastik am besten? Diese und andere Frage füllten den Tipps-und-Tricks-Workshop am Freitagabend.

Kreative Antirepression ... Training
Am Samstagmorgen ging es in den Hauptbahnhof Halle, um die BGSlerInnen und BSGlerInnen zu einem Schlagabtausch einzuladen. Mit einer Decke, Tee und Gitarre setzten wir uns in die Mitte der Halle. Geschlagene 18min brauchten die OrdnungshüterInnen, bis sie kamen – dann aber gleich mit sieben Leuten. Daraus entspann sich die Debatte – teilweise mit sehr netten Wortwechseln („wer eine Uniform anhat, weiß besser bescheid“ oder „mir macht das hier auch keinen Spaß“ bzw. „ich persönlich habe auch nichts gegen Sie“ mit der Rückfragechance: „Warum machen Sie das dann? Befehl?“ usw.). Allerdings waren die BGSlerInnen ziemlich flach und schnell sehr ruppig und aggressiv. Daher wollten wir den Ort verlagern, was den Ordnungskräften aber zu langsam ging und sie recht überraschend eine Person verhafteten. Der Abtransport war recht spektakulär, die BGSler ließen sich reizen, derbe zuzutreten – aber da alles eingeplant war als Möglichkeit, sah es zwar spektakulär aus, war aber nie gefährlich. Die Kampfszenen mitten im Bahnhof boten einige Möglichkeit, mit den Zusehenden und in der Nähe Sitzenden ins Gespräch zu kommen. Gut wirkte sich auch aus, dass eine Person inkognito die Rolle eines unbeteiligten Fahrgastes spielte. Nach der Verhaftung gingen noch etliche bemerkenswerte Szenen im BGS-Büro und der Ingewahrsamszelle ab – die im übrigen von einem Bahnsteig aus einsehbar sind. Das Ganze aber hatte keine Außenwirkung mehr, allerdings mussten einige BGSler intensive Nachfragen und Diskussionen über den Unsinn von Befehlsstrukturen und dem Durchprügeln der Interessen anderer über sich ergehen lassen. Der Festgenomme bekam Anzeigen wegen Hausfriedensbruch, Beleidigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt – er forderte den Prozeß in Halle offensiv selbst ein. Mal sehen, ob ein Nachspiel kommt, was wiederum zu kreativer Antirepression nutzbar sein wird ...

Kommunikationsguerilla

Am Nachmittag war die Gruppe auf ca. 15 Leute angewachsen und es folgte ein Workshop zu Fakes, Subvertising, verstecktem Theater, Überidentifikation und mehr Ideen der Subversion. Viele Beispiele wurden ausgetauscht und Ideen für die praktische Umsetzung weitergegeben. Den größten Teil nahmen Methoden der Fälschung von amtlichen Schreiben, Partei- oder Firmenwerbung sowie das Gründen von Gruppen ein, die scheinbar die andere Seite vertreten (z.B. das Bündnis „Mehr Sicherheit für Magdeburg“ auf den Direct-Action-Days dort, siehe  http://www.bms-md.de.vu).

Auswertung kreatives Antirepressionstraining
Abends kam noch einmal eine Runde zur Auswertung des Vormittagstrainings zusammen. Etliche Ideen zur Verbesserung wurden gesammelt, u.a.:
- Mehr Personen inkognito als Personen rundherum, die also als PassantInnen in das Geschehen eingreifen.
- Schneller Situation verändern oder Orte wechseln (z.B. statt sechs Personen im Gespräch mit den Ordnungsknallern gehen zwei oder drei weg auf ein Gleis, kaufen was ein oder ins Reisezentrum – die Sache auseinanderziehen, verwirren ...; im Notfall Handyanruf simulieren und „Ey, die soundso sind jetzt da und warten auf uns daundda“).
- Noch mehr nach außen vermitteln, d.h. mehr Gespräche, sich auf die Bänke dazusetzen usw.

Kreative Anti-Nazi-Aktionen
Spontan entstand noch ein Gesprächskreis zu Anti-Nazi-Aktionen – am 29.11. ist ja Nazi-Aufmarsch in Halle.

Abschluß: Gerichtsprozesse
Kein Direct-Action-Training in Halle ohne einen Workshop zu Gerichtsprozessen. Schließlich läuft im dem widerlichen Justizzentrum (das offenbar an dem Wochenende auch mit Sprüchen verziert wurde – wie andere Repressionsbehörden auch) der Prozeß gegen die inzwischen freigelassenen Magdeburger wegen §129a. Diskutiert wurden Möglichkeiten fürs Publikum, für Aktionen im Gerichtsgebäude und zu kreativen Anträgen und Beiträgen als AngeklagteR ( http://www.projektwerkstatt.de/antirepression).

Insgesamt ...
Ein ziemlich vollgepacktes Seminar, ständig lief irgendwas. Kleine Aktionen sind wohl auch draus entstanden, aber das wissen wir natürlich nicht ... schade war, dass es erst im Laufe der Tage zu mehr Kontakt zu Menschen aus Halle kam. Sonst hätte es vielleicht noch mehr Aktionen gegeben und die Debatte über mögliche Aktionsfelder in Halle (Nazi-Aufmarsch, Gerichte, Gentechnik, Verkehr ...) hätte mehr Raum eingenommen. Aber insgesamt: Solche Aktionen sollte es häufiger geben!

Infos und mehr
- Seminar zu kreativer Antirepression vom 12.-14.12. in der Projektwerkstatt Saasen (plus Prozeß als praktische Anwendung am 15.12., 8.30 Uhr im Amtsgericht Gießen ... siehe  http://www.projektwerkstatt.de/antirepression/prozesse/anklage01.html).
- Materialien zu Direct-Action:  http://www.projektwerkstatt.de/materialien. Vieles davon kann auch als PDF aus dem Internet gezogen und selbst nachgedruckt werden (z.B. die Direct-Action-Heftreihe, bisher mit drei Titeln: „Kreative Antirepression“, „Kommunkation subversiv“ und „Knast“). Die Direct-Action-CD mit viel mehr Dokumenten und dem Safework-Softwarepaket für spurenfreies Arbeiten am Compi kann ebenfalls weiterkopiert werden nach Belieben.
- Wer Lust hat, ein solches Direct-Action-Training zu machen, kann gerne Kontakt aufnehmen für „ReferentInnen“ u.ä. in der Projektwerkstatt, 06401/903283,  projektwerkstatt@apg.lahn.de.
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Ergänzungen

Naziaufmarsch am 29.11.03 in Halle verhindern

abc 26.11.2003 - 09:48
Naziaufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung verhindern!
Zivilgesellschaft demaskieren1
9 Uhr, Halle Innenstadt!

check: www.nonazisinhalle.tk

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