Bericht Streik an der TU Berlin - 7.11.2003

AG Presse & Öffentlichkeit 08.11.2003 13:05 Themen: Bildung
3. Bericht vom Streik
Aktionsplanung für nächste Woche und Solidarität von allen Seiten.
Am heutigen Tage fanden mehrere dezentrale Aktionen statt, darunter sechs Vorlesungen in den S-Bahnen (u.a. Lineare Algebra, Thermodynamik und Statistik),
kollektives U-Bahn fahren, welches von Einsatzkräften der Polizei kritisch begleitet wurde und die eineinhalb stündige Blockade des Mathegebäudes von 7.00 bis 8.30 Uhr.
Unterdessen solidarisierte sich der ReferentInnenrat der HUB mit den Streikenden an der TU und kündigte an, dass am Mittwoch den 12.11.03 um 14.00 eine
Vollversammlung an der HU stattfinden wird. Der Präsident der TU signalisierte im Gespräch, dass er erfreut ist über die Proteste, da diese die Position der TU
in den Verhandlung mit dem Senat verstärkt. Zudem kündigte er an, dass er im Falle eines ideenreichen und kreativen Streiks für Ausgleich bei den Lehrveranstaltungen sorgen wird. Dennoch halten die Studierenden an ihrer Forderung fest, dass die Einsparsumme von 75 Mio. Euro für die drei großen Universitäten in Berlin nicht tragbar ist.
Auch der Personalrat der TU verkündet Solidarität mit den Studierenden und verweißt auf die Tarifverhandlungen und weiteren Stellenabbau,
welche für die Beschäftigten einschneidende Folgen haben werden.

Geplante Aktionen für Montag, den 10.11.03 sind (Zeiten/Treffpunkte entnehmen sie bitte der u.a. Internetseite):

+U-Bahn fahren, Ernst-Reuter-Platz
+Störtrupps, welche noch stattfindende Lehrveranstaltungen auflösen
+Ringvorlesungen in den Berliner S-Bahnen
+mehrere inhaltliche Arbeitsgruppen
+Aktionen der Studierenden der Architektur, A-Gebäude

Zur Zeit findet ein Koordinierungstreffen für alle im Audimax statt. Es ist davon auszugehen, dass noch weitere Aktionen geplant werden, die ebenfalls danach dem Internet zu entnehmen sind. Auf die Teilnahme der Studierenden angesprochen, sagte Silvia Rönsch (Aktionrat): „Ich bin sehr erfreut über die rege Teilnahme und hoffe,
dass nächste Woche noch viele dazustoßen werden.“


Weitere Informationen unter:  http://asta.tu-berlin.de/streik/streik.html
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Update 8.11.2003

streikendeR 08.11.2003 - 20:25
Stand 20:15

Trotz Wochenende und alledem streiken Studierende der TU Berlin weiterhin aktiv. Nachfolgend der Aufruf der AG "Aktive VerSlummung", die heute schon begannen ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen:

*zitat anfang*
"Aktive Verslummung - Berlin wird Weltstadt!"

Der Titel der Aktion soll noch mal in einer etwas
zynischen Art und Weise auf den globalen Zusammenhang
der ganzen Problematik hinweisen. Konkret soll eine
Uni mit den Mitteln der armen Zuwanderer in die großen
Städte des Süden errichtet werden - Holz, Wellblech,
Planen etc. Zumal es ja in vielen sogenannten
Weltstädten – London, New York, Hong Kong etc..
wirkliche Slums gibt.
Sparmassnahmen sind das Ergebnis der systematischen
Verarmung öffentlicher Kassen. Deutschland ist nicht
arm, es ist eines der reichsten Länder der Welt. Nur:
die öffentlichen Kassen werden immer ärmer und es gibt
immer mehr Arme.

E ist a) ein praktische Bauübung und b) ein
Diskussionsraum.

Es ist in der politischen Diskussion die
Planungswissenschaften an der TU zu streichen, mit dem
Argument man könne sie ja an die FHs verlegen. Hier
bieten sich viele Anknüpfungspunkte um unsere
Problematik zu verdeutlichen.

Was macht überhaupt einen Architekturstudiengang an
der Universität aus? Warum studieren wir hier
überhaupt Architektur. --> Fähigkeiten im Kontext der
Gesellschaft, und was für ein Ort sollte eine
Universität sein? Was ist das Wesen von Architektur.

Ist Bildung ein immaterieller gesellschaftlicher Wert
der nicht durch Geld ausgedrückt werden kann, ein
kultureller Wert?

Ein wesentlicher Vorteil eines Architekturstudiengangs
an der TU sind die Möglichkeiten zur Vernetzung mit
anderen Disziplinen. Das hat an der TU noch nie so gut
funktioniert und darum sollte dieser Streik auch dafür
genutzt werden um den Raum zu schaffen vielfältige
Kontakte an den Schnittstellen der Disziplinen zu
knüpfen.
(Für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit wären
Studiengebühren schädlich da ich es mir dreimal
überlegen werde an der Uni Aktivitäten zu initiieren
für die ich keinen schein kriege – also länger
studieren muss und so mehr Geld zahlen muss)

Universitäten sind öffentliche Räume. Sie bieten
vielfältige Mittel für Forschung und gesellschaftliche
Auseinandersetzung. Universitäten dienen nicht einer
puren Berufsausbildung sondern der Verhandlung
gesellschaftlichen Wissens.

Die Ökonomisierung der Gesellschaft (Uni) befördert
Fachidiotie. Es sind nur noch Spezialisten gefragt:
macher, macher, macher. Für ein gesellschaftliches
Funktionieren ist es notwendig darüber nachzudenken
was Eingriffe an einem Punkt für Auswirkungen an einem
anderen haben.
Und dieses steht ganz zu dem im widerspruch was von
uns gefordert wird: Flexibilität! Durch die
Privatisierung wurde die Bahn immer schlechter und
teurer, Die Strassen werden immer mehr durch LKW
Ferntransporte verstopft.
Unsere Ausbildung wird immer mehr auf eine
Berufausbildung reduziert, für Berufe die es so gar
nicht mehr geben wird (Zumindest nicht ein Leben
lang).

Wenn wir den Fokus unserer Diskussionen auf die
Kürzungen oder Studiengebühren beschränken, dann haben
wir von vornherein verloren. Denn die nächste Kürzung
kommt sogleich, die Verarmung der öffentlicher Kassen
wird weitergehen.
Wir müssen probieren eine gesellschaftliche Diskussion
darüber anzuregen ob eine Gesellschaft überhaupt
öffentliche Orte braucht (commons – Dorfanger, das
Land - allgemeiner: Raum - das allen gehört). Ob es
immaterielle, kulturelle Werte gibt die nicht einem
Marktwert untergeordnet werden können?
Architekturspezifisch: welchen immateriellen,
spirituellen Wert hat Raum, Raumgestaltung und
Raumdefinition?

Auch die Entwicklung in anderen gesellschaftlichen
Bereichen betrifft uns. Wenn wir nicht als Schaf oder
Rädchen in irgendeiner Produktionsmaschine
wiederfinden wollen (steigender Konkurrenzdruck – auch
ein großer Teil der Mittelschicht wird weiter
verarmen)

******************************************

Zu oben genannten Fragestellungen möchten wir
Veranstaltungen in unserer informellen Uni erarbeiten.
Wir suchen also Leute aus allen Bereichen der Uni die
mit Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten zu Verfügung
stellen wollen.
Es soll innerhalb der nächsten Woche einen Tag geben
der sich der interdisziplinären Zusammenarbeit widmen
soll.

Wir werden uns auch an AGs wenden die schon in diese
Richtung arbeiten (z.B. Uni und Gesellschaft)

Ein konkretes Thema das ich erarbeiten möchte ist die
Frage in wie weit das open source Prinzip auf andere
gesellschaftliche Bereiche als Softwareprogrammierung
angewendet werden kann, in wie weit wir dieses Prinzip
auch auf die architektur beziehen könnten (Offener
zugang zu Raum, offener zugang zu den Geheimnissen der
Gestaltung)

!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Kommt bei uns vorbei wenn ihr Interrese habt! (z.B. am
slumbaubüro im foyer des architekturgebäudes) oder
aber e-mailt uns wo wir euch finden können oder wenn
ihr vorschläge für referenten etc. habt)
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Alle sind aufgerufen Bauzellen zu bilden und
mitzubauen
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Auch suchen wir noch dringend nach Material
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
*zitat ende*

Außerdem beraten zur Zeit immer noch Studierende über die Strategie am Anfang der nächsten Woche, um den Streik auszuweiten.
Dafür wird die Orgastruktur verbessert und Aktionen werden vorbereitet.

Solierklärung vom AStA FU!

AStA FU 09.11.2003 - 19:41
AStA FU erklärt den Streikenden an der TU seine Solidarität!

Der Allgemeine Studierendenausschuss der Freien Universität Berlin erklärt sich solidarisch mit dem studentischen Aufbruch der TU-Studierenden und mit Ihrem am Mittwoch beschlossenem Streik.

Da die Präsidenten der Hochschulen in den letzten Jahren den katastrophalen Kürzungen des Berliner Senats nichts entgegenzusetzen hatten, und auch bei den neuen Hochschulverträgen nur über die Aufteilung der inzusparenden Millionen stritten, ist die studentische Selbsthilfe in Form von Streik und Protest die einzig sinnvolle Maßnahme gegen die Spar- und Umstrukturierungspolitik.

Bereits im letzten Semester reagierten die Hochschulleitungen auf die angekündigten Kürzungen mit Maßnahmen gegen die Studierenden: sie beschlossen den flächendeckenden NC für die drei großen Universitäten und sprachen sich für Studiengebühren aus, wenn denn die Einnahmen nur in der Uni verbleiben würden. Auch jetzt scheint FU Präsident Lenzen keine grundsätzliche Kritik an den Sparmaßnahmen zu haben: er äußerte in der Presse stattdessen fröhlich, dass man nun "endlich Planungssicherheit" habe, am Studienkontenmodell hatte er ebenfalls nichts auszusetzen.

Die elitäre Abschließung der Universität gegenüber der Gesellschaft wird somit von den Hochschulleitungen nicht bekämpft, sondern aktiv unterstützt. „Selektionsmaßnahmen“ wie Numerus Clausus, Auswahlgespräche, Gebühren und ähnliches verwehren Bildungswilligen mehr und mehr den Zugang zur Universität – offen gefördert und gefordert nicht nur durch die Berliner Uni-Präsdidenten. Insbesondere in diesem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich die Forderung der TU-Studierenden nach viertelparitätischer Mitbestimmung in allen Gremien: nur eine Demokratisierung der Universitäten kann verhindern, dass Bildungspolitik über unsere Köpfe hinweg entschieden wird.

Ralf Hoffrogge, Hochschulreferent AStA FU:

"Die TU-Studis haben die Situation erkannt: sie fordern nicht nur eine Rücknahme der Kürzungen, sondern auch die Demokratisierung der Universitäten. Gleichzeitig kritisieren sie die derzeitige Bildungspolitik als Teil des allgemeinen Sozialabbaus. Dies ist der richtige Weg, denn nur durch gemeinsamen Widerstand aller Betroffenen kann die herrschende Politik verändert werden."

Marek Schauer, Referent für Soziales dazu:

"Die Studierenden der TU sind sehr sensibel geworden, sensibel für die materiellen Einschränkungen, die sie durch das Studienkontenmodell von Senator Flierl erleiden werden. Diese SPD/PDS-Unverschämtheit, aber auch die Kürzungen im Studienangebot lassen sie sich zu recht nicht mehr bieten. Implizit wird durch den Protest eine ganz interessante Frage über unsere Gesellschaft aufgemacht: Wäre Bildung eine für die Gesellschaft bestimmende Größe, dann dürfte es doch eigentlich nie genug davon geben?!"

An der FU sind derzeit dezentrale Veranstaltungen geplant: am Otto-Stuhr Institut für Politikwissenschaft findet am Dienstag, dem 11.11.2003 um 14 Uhr eine Vollversammlung im Hörsaal A in der Ihnestraße 21 statt. Dort geht es um die neue Studienordnung, die Zugangsbeschränkungen zu Seminaren und die Kürzungen allgemein. An anderen Fachbereichen ist ähnliches geplant.

Der AStA begrüßt diese Aktivitäten und fordert alle Studis zum Widerstand gegen die auch von SPD und PDS kompromisslos forcierte neoliberale Bildungspolitik auf.