Marburg: Pro- Streik Transparentaktion

dissidentIn 07.11.2003 11:30 Themen: Bildung
Gestern begaben sich mehrere Mitglieder der Gruppe dissident auf das Dach der Marburger Mensa um ein Transparent mit der Aufschrift "Wir müssen nur wollen - Streik gegen Bildungs- und Sozialabbau" zu entrollen.
Gegen 12.45Uhr ließen die AktivistInnen ein Transparent von der Mensa runter, hielten einen kurzen Redebeitrag (siehe unten) und feuerten mehrere Raketen ab. Auf der Mensabrücke wurden zeitgleich Flugblätter verteilt. Mit der Aktion sollte klar gemacht werden, dass ein Streik der einzig gangbare Weg gegen Sozial- und Bildungsabbau ist. Außerdem wurde zur Teilnahme an der Vollversammlung am gleichen Abend (auf der dann auch ein Streik beschlossen wurde) und zur Demo am 18.11. (hoffentlich mit linkem Block) aufgerufen. Gegen 14Uhr wurde die Aktion ohne Streß beendet.


Wir müssen nur wollen: streik gegen studiengebühren und sozialabbau!

Wir sind gegen Studiengebühren, weil ...

... viele von uns ihr Studium abbrechen werden müssen, da sie es sich nicht mehr leisten können zu studieren. Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, als bestenfalls noch zu jobben.

... sich der Druck auf uns weiter erhöht, schneller und immer mit Blick auf das spätere Berufsleben zu studieren. Persönliches Interesse an den gewählten Fächern muss ebenso wie die viel gerühmte „lockere“ Studizeit vernachlässigt werden. Leben und feiern dürfen wir dann erst mit 67 Jahren.

... die Zahl der Studierenden insgesamt zurückgehen wird (wie in den anderen Ländern mit Studiengebühren). Bildung wird so zum Privileg für wenige, finanziell Bessergestellte; es wird eine „nationale“ Bildungselite geschaffen werden, statt Bildung einer breiteren Schicht von Menschen zugänglich zu machen.

... es das Recht eines jeden Menschen ist, sich solange zu bilden wie er/sie will. Wer länger studiert, muss sowieso schon in Kauf nehmen, dass er auf dickes Gehalt verzichten und länger vom Jobben leben muss.

... und auch gegen Sozialabbau.
Viele lehnen Studiengebühren ab. Doch wir müssen uns auch gegen Sozialabbau zur Wehr setzen, denn er wird uns genauso betreffen und hängt mit Studiengebühren eng zusammen.
Schon auf der rhetorischen Ebene werden (Langzeit-) StudentInnen oft zu SozialschmarotzerInnen degradiert, die der übrigen Bevölkerung angeblich auf der Tasche liegen. Hier zeigen sich deutliche Parallelen zu anderen populistischen Ausgrenzungsstrategien, wie z.B. gegen MigrantInnen oder Arbeitslose, die der Stigmatisierung dienen und soziale Repressionen rechtfertigen sollen. Die sozialen Ursachen werden meist ausgeblendet oder als individuelle Schwäche und Versagen interpretiert. Strukturelle Bedingungen (bei Studierenden z. B. niedriges oder gar kein Bafög, das zu zusätzlichen Jobs zwingt; miese Studienbedingungen etc.) fallen aus dieser Betrachtung heraus.
Natürlich sind StudentInnen in den meisten Fällen besser dran als andere, jetzt vom Sozialabbau Betroffene und werden dies auch im späteren Leben sein. Dennoch werden alle immer mehr einer Logik unterworfen, die sie zwingt, ihr Leben nach Wettbewerbschancen und unter Konkurrenzdenken zu strukturieren - weniger Mensch, mehr Humankapital ist das Motto.
Studiengebühren dienen genauso wie die Kürzungen von Sozialleistungen zum Stopfen von Haushaltslöchern, die aus einer Steuerpolitik resultieren, die Industrie, Wirtschaft und Besserverdienende entlastet. Praktiziert wird weitere Umverteilung von unten nach oben, der privater Reichtum Weniger wird gefördert, die öffentliche Armut steigt. Wer sich gegen Studiengebühren wehren will, muss auch gegen Sozialabbau Widerstand leisten, z.B. in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften.

Strike Back
Aktionstage können zwar Spaß machen, schaffen aber nur am darauffolgenden Tag Schlagzeilen. Nur auf längere Zeit angelegte Aktionsformen, wie z.B. ein Streik, sorgen für die nötige mediale Aufmerksamkeit und erhöhen den Druck auf die Regierung.

Außerdem müssen Aktionstage parallel zum alltäglichen Uni-Stress vorbereitet werden, was eine Vielzahl von Personen potentiell ausschließt, da es für sie einfach zeitlich nicht zu schaffen ist und für diejenigen, die es trotzdem tun, eine erhebliche zusätzliche Belastung bedeutet. Während eines Streiks stellt sich das Problem in dieser Form nicht: Denn im Rahmen eines Streikes ist es potentiell möglich, sich in einer größeren Hochschulöffentlichkeit über Widerstandsmöglichkeiten gegen die neoliberale Sozialstaats- und Hochschulrefom zu verständigen.
Wenn wir uns nicht wehren, müssen wir zahlen. Wenn wir uns nicht richtig wehren, wird uns keiner ernst nehmen.

Schluss mit Schluss! Her mit dem schönen Leben!

Demo: Dienstag, 18.11.`03 - 11 Uhr - Wiesbaden
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Ergänzungen

Am 17.11. nach Bochum

Buchum 07.11.2003 - 12:25
Kommt am 17.11. um 18:00 Uhr zum Bochumer Hbf; SPD-Bundesparteitag lahmlegen. Die SPD wird dort u.a. ihr großes Sozialabbaupaket für gut und richtig befinden, sowie die Einführung grundständiger Studiengebühren (für alle ab dem 1. Semester) beraten.

Streik an der Uni Marburg

Margot 07.11.2003 - 13:16
Schade, dass in dem Beitrag nicht erwähnt wird, dass seit gestern an der Uni Marburg getsreikt wird. Na ja, hätte wohl die eigene Aktion etwas in den Schatten gestellt..

Protest in die Schulen tragen

mööp 07.11.2003 - 13:51
Am 18.11. gibt es in Hessen den Tag der Verweigerung...sprich einen Streik der von allen großen Gewerkschaften ausgerufen wurde (unter anderem von der Bullen-Gewerkschaft).
Jetzt gilt es den Protest in die Schulen zu tragen und soviel Schüler wie möglich zu einem Streik zu mobilisieren gegen die Bildungspolitik vom Roland.
Am besten ist es wenn ihr alle nach wiesbaden zur zentralen demo kommt am 18.
Bildet Streikkomitees setzt euch mit Lehrern aus der GEW in Verbindung. Einige Schulen sind schon in Bewegung...

@margot

... 07.11.2003 - 13:53
liebe margot,
wenn du den beitrag ganz gelesen hättest, wäre dir aufgefallen, daß der streik sehr wohl erwähnt wird. und wenn es dir eine solche herzensangelegenheit ist, hindert dich auch niemand daran einen beitrag über die gestrige vv zu verfassen.

Marburg organisiert jetzt auch den Streik

Chris 07.11.2003 - 15:17
nur noch einmal kurz und bündig: die zweite vollversammlung der marburger studierendenschaft hat am donnerstag abend (6.11.) mit großer mehrheit beschlossen, nun auch in den streik zu treten! der streik soll während der nächsten woche in den fachbereichen organisiert und auf eine breitere basis gestellt werden, bevor das höhrsaalgebäude dicht gemacht wird. wenn alles gut geht, haben wir dann ab ende nächster woche einen soliden streik, was an anderen unis aufgrund wohl immer noch weit verbreiteter "kinderkrankheiten des linksradikalismus" nicht so stark angestrebt wird, oder?

es wird noch nicht gesreikt!

antonia 07.11.2003 - 15:27
auf der gestrigen vollversammlung wurde zwar ein antrag zum streik angenommen, doch mit der maßgabe, daß die einzelnen fachbereichsvollversammlungen ebenfalls den streik beschließen müssen. und die finden erst im laufe der kommenden woche statt. d.h. bis dahin geht der unibetrieb in den einzelnen fachbereichen weiter... und unter umständen werden nur teile der uni in den streik treten...

ein antrag auf sofortigen streik, der ebenfalls bei der gestrigen vv gestellt wurde, wurde leider wieder zurückgezogen, nachdem die checkerInnen die entsprechende person dazu überedet haben. die eliten sind doch echt zum kotzen!!! das ergebnis der vv stand doch schon vorher fest; wirkliche, konstruktive diskussionen sind einem solchen rahmen natürlich unmöglich, deswegen brauchen wir die elite, die vorher schon alles überlegt hat (ironie!); da hätten wir uns das ganze "parlamentarisch-demokratische" theater auch schenken können.

für autonome kleingruppen!

Streik in Marburg!?

Saara 07.11.2003 - 15:59
Die beiden Ergänzungen von Chris und antonia verweisen auf ein grundsätzliches Problem, das sich jetzt wahrscheinlich nicht nur in Marburg zeigt: kann zum jetzigen Zeitpunkt, bei dem recht widersprüchlichen Bewußtseinsstand der Studierenden und ihrer verbreiteten Passivität, eine Vollversammlung einen "sofortigen Streik" beschliessen? Und wenn ja, wogegen oder wofür?
Vielleicht schreibt ja noch jemand einen Bericht von der VV gestern in Marburg, aber dort wurde nach meinem Eindruck doch ein Streik beschlossen (das schreibt heute auch die Lokalpresse). Nur eben nicht bloß "radikal" und symbolisch - "die Uni Marburg tritt sofort in den unbefristeten Generalstreik" und ein paar Hempels "besetzen" irgendein Gebäude - sondern mit Blick auf die Frage, wie ein solcher Streik in der Breite Realität und Leben bekommen kann. Wenn ein paar "Autonome" meinen, die meisten Studis wären so wie sie gegen das "demokratisch-parlamentarische" Taktieren eingestellt und würden am liebsten sofort alle streiken und sich "konstruktiv einbringen", so ist das zunächst lächerlich und geht wohl an der schwierigen Situation vorbei, die wir hier haben. Hätte denn der Lehrbetrieb direkt heute am Freitag überall aufgehört, wenn ein "direkter Streik" beschlossen worden wäre. Und wenn nicht von alleine, so doch nach dem Anstoß durch spektaktuläre Aktionen einer selbsternannten Streikavantgarde?
Der Streik ist beschlossen und kann nur von den Fachbereichen umgesetzt werden oder eben nicht, so wäre es in jedem Fall. Nur haben wir jetzt noch die Chance, auf demokratischem Wege klar herauszufinden, wie die Mehrheitsverhältnisse in Marburg aussehen und welche Potentiale für einen schlagkräftigen Streik wirklich da sind. Also bitte ich doch um ein wenig Geduld sowie um ein konstruktives Engagement in den eigenen Fachbereichen (und antonia - vielleicht willst Du bei den Naturwissenschaften, WiWis oder JuristInnen vorbeischauen und die von deinen Ansichten überzeugen).

Glückauf

Umgekehrt

Phantom Y 07.11.2003 - 21:03
Die CheckerInnen sind leider die einzigen, die sich von Anfang an den Arsch aufgerissen haben. Die VErtagung in die Fachschaften ist zwar lästige Zeitverlut anbetracht dessen, dass Frankfurt schon eine Woche Streikt, aber auch emanzipativ, da auf der VV keine Mehrheit der StudentInnen da war. Auf Fahcschaftsbereichen wird das zwar auch nicht anders sein, aber trotzdem bekommt man einen besseren Überblick, wo Rückhalt im Streik besteht und wo nicht. BEsser wäre es gewesen, wenn die Streikfrage schon anchd er letzten VV in die Fachschaften getragen worden wäre. DAnn hätte man jetzt Ergebnisse gehabt. Aber die bösen CheckerInnen, (die es tatsächlich ein bissl gibt) haben nun alles zu verantworten. Hätten ja mal die Fachschaften selber mal denken können und mit ihren Profs und Lehrenden reden, was bei ihnen so abgeht, vielleicht würden die auch gerne mal STreiken, ich kenn da paar.
Nun ja. Ich bin der Meinung, dass Streik kein zwingendes Mittel zum Erfolg ist. Man kann in die Uni gehen und trotzdem die Straße rocken. ODer man kann die Uni rocken udn die Straße vergessen. Es wird Zeit sich über ein gesamtrevolutionäres Konzept Gedanken zu machen, also nicht Rückschritte zur gemäßigten Konservativen Politik fordern, sondern radikale Politik insgesamt durchsetzen und dsa heißt Freiheit für alle und zwar umsonst!!!
Wär schön wenn ihr jeden Tag auf die Straße geht und überall und immer Aktionen bringt. Lebt revolutionär, und denkt euch nicht bloss Konspiaktionen aus, deren Vorbereitungszeit in der tarndenden Normalität die Aktionszeit ums hundertfache überdauert...
Schön dass Dissident so viel Zeit zum Transpimalen hat, echt schick, auch dass ihr "wir sind Helden" hört is ja nett, auch schön dass ihr auf die Mensa gekommen seid, (wie eigentlich?) aber, der elitäre Chrakter lässt sich immer noch nicht ganz verkennen, es fehlt die Wut!

Sind wir nicht alle ein bisschen Soli?

P.Y

"Wir müssen nur wolln wir müssen nur wolln!"