Für die Befreiung von Kapital und Staat

Sarah 27.09.2003 05:13 Themen: Soziale Kämpfe
Dieser Text thematisiert den heutigen "Internationalen Tag gegen Besatzung und Krieg", die darin zum Ausdruck kommenden Ideologien und erinnert daran, dass alle Menschen vom Kapital besetzt sind ...
Für die Befreiung von Kapital, Staat und Nation !

Das Kapital brauchte für seinen Produktionsstandort ein kontrollierbares Territorium. Dieses richtete sich zwecks Abrichtung und Einverleibung der Ware Arbeitskraft sowie für den reibungslosen Produktionsprozess nach der Sprache, d.h. die Nation wurde nach Sprachzonen errichtet. Die aufgrund zahlreicher Völkerwanderungen aus vielen Ethnien bestehende Bevölkerung wurde entwaffnet und ein Staat geschaffen, der zum Träger des Gewaltmopoles avancierte und bis heute Organ zum Schutz der Expropriateure und des Privateigentums (privare [lat.]=rauben) ist.

Ausgehend vom Kapital sind wir Menschen sind in erster Instanz vom Kapital besetzt und müssen seinen Gesetzen (d.h. der Diktatur der Ware-Geld-Beziehung) gehorchen. Die Nation gehört zum Produktionsverhältnis.
Der daraus hervorgegangene Nationalismus ist Bestandteil der bürgerlichen Ideologie im Konkurrenzkampf um Machtausweitung und Welthegemonie. Die eigene Nation diente der nationalen Bourgeoisie immer nur als Sprungbrett, um in andere Nationen vorzustoßen und diese mitsamt ihrem Markt zu durchdringen. „Kapitalexport” heisst dies in der politischen Ökonomie seit Adam Smith.
Seit dem Siegeszug des Kapitals, das sich über den gesamten Erdball ausbreitete, wird die Menschheit von den Gesetzen der Akkumulation beherrscht und bestimmt. Unsere Lebensenergie wurde in wirtschaftlich nützliche Arbeitsenergie umgebogen, in unsere Köpfe bürgerliche Ideologien hineingepaukt, unsere Psyche mit Minderwertigkeit vergiftet und unser Körper zum Objekt der Medizin und Pharma-Industrie gemacht.

Das Proletariat als bewusster Teil der Expropriierten hat kein Heimatland. Es hat nur die Möglichkeit seine Arbeitskraft zu verkaufen und verkauft sie dort, wo der Lohn am „wohlfeilsten” ist. Mittelerweile ist die gesellschaftliche Lohnarbeit wirklich arbeit sans phrase geworden, d.h. die Lohnarbeiter/innen wechseln oft die Tätigkeit, Arbeit, Stelle, den Standort (es gab weltweite Migration hin zu Produktionsstandorten, wo die Ware Arbeitskraft nachgefragt wurde) und sie sind gegenüber dem Produkt, das sie herstellen völlig gleichgültig geworden. Gleichgültig ist ihnen auch die Nationalität des Unternehmens und des Managements. Das bedeutet eben: "das Proletariat hat kein Vaterland". Er wurde – vom Land befreit – zum Industriearbeiter und zur Klasse unabhängig der Nation. Das Proletariat ist eine globale und internationale Klasse.

In Anbetracht der Globalisierung ist es von diesem Standpunkt aus also nicht nur völlig anachronistisch, sondern falsch und gefährlich, auf das nationale Selbstbestimmungsrecht zu pochen (1). Es ist für das Kapital noch nie existent gewesen und wird es auch nie sein.

Frieden wird es erst dann geben, wenn wir den Kapitalismus mitsamt der Nationalstaaten überwunden haben. Dies bedeutet, dass jeder ernsthaft Friedensbewegte nur Bündnisse mit Kräften schliessen kann, die diese Aufhebungsstrategie verfolgen. Bürgerliche Kräfte zu unterstützen bedeutet, den Weltkrieg zu fördern. Das Insistieren auf die nationale Selbstbestimmung appelliert jedoch an (klein-)bürgerliche Bewusstseinsformen und schafft dadurch eine völkisch-nationalistische Ideologie, an der wir kein Interesse haben können, sondern uns vielmehr davor fürchten sollten, da sie die Menschheit ausdifferenziert und – angefüllt mit Hetzpropaganda - immer wieder Pogrombanden daraus entstehen, wie wir dies an allen separatistischen und menschenverachtenden Terrorkommandos sehen können.

Die Kriege seit dem letzten Jahrhundert markieren das Zeitalter einer einsetzenden Akkumulationskrise, die sich durch gigantische Kapitalvernichtung (in den beiden Weltkriegen) auszeichnete, um dann innerhalb des Wiederaufbaues eine beschränkte Neuakkumulation mit weiterer Aufrüstung und noch mehr Destruktionspotental zu entwickeln.
Diese wiederum brachte den repressiven, militaristischen Staat und die Zunahme der Produktion von Destruktionsmitteln (Waffen) mit sich, wodurch sich - da Waffen faux-frais-kosten für das Kapital sind - die Krise verschärfte. Deshalb wurden Waffen zu Waren, die an andere Staaten oder auch „Befreiungsbewegungen” verkauft, die gegen einen verfeindeten Staat bzw. dessen Regierung kämpften. Dies wiederum brachte es micht sich, dass die Spannungen zwischen Völkern sich in immer mehr Gemetzeln und Kriegen entluden, da Waffen nur so „verkonsumiert” werden können.

Das Schüren von Hass gegen andere Nationen dient(e) den jeweiligen Bourgeoisien aber auch dazu, die soziale Unzufriedenheit ihrer gesellschaftlichen Arbeiter gegen andere Nationen und Völker zu bringen und damit die innere Militarisierung voranzutreiben. Dies zeigt gleichzeitig aber die Schwäche der sozialen Aufhebungsbewegung auf. "Standort" der Krise ist im Zeitalter kapitalistischer Globalisierung die gesamte Welt.
Der Ostblock knickte als "schwächstes Kettenglied” 1989 wie ein Kartenhaus ein und aus dem "kalten Krieg", der aber in vielen Teilen der Welt ein "heißer (Stellvertreter-)Krieg" (2) zwischen den beiden Blöcken war, weitete sich aus.

Die Achsen der Macht und des Kampfes um Welthegemonie (der mit aus den mächtigen wirtschaftlichen Produktiv- und Destruktionskräften) verschoben sich in den asiatisch-pazifischen Raum (Japan und die 4 kleinen Tiger-Länder, China), Europa und natürlich musste die USA ihre Weltmachtstellung gegenüber diesen und dem Wiedererstarken Deutschlands nach der Zusammenwucherei mit der Ex-DDR behaupten.
Aufgrund des Fortschreitens der Krise und dem Kampf um Welthegemonie sowohl auf der Ebene der Währung(skonkurrenz), des Kapitalexportes, der Kontrolle der strategisch wichtigen Rohstoffe, des militärischen und politischen Einflusses - der bei Letzterem mit der Distribution von Massenvernichtungswaffen (und der damit verbundenen Verschuldung vieler Staaten) verbunden war - kam es zum sich ausbreitenden Bürgerkrieg in Jugoslawien ab 1990 und zu "desert storm" 1991.

Der 11. September 2001 markiert die zusätzlich Dynamik der Destruktionskräfte (3), die diese langandauernde Krise (die auch mit dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition 1945 keineswegs die Überwindung des Faschismus, Nationalsozialismus und des dieser Ideologie inhärenten Antisemitismus/Judeophobie bedeutet[e], da die materielle Grundlage dieser Barbarei unangetastet blieb) mit sich brachte. Nicht unerwähnt bleiben sollte der Aufstand in Seattle, der nicht nur der US-Bourgoesie großen Schrecken bereitete, da er – anders als die zapatistische Bauernbewegung in Mexiko - im Herzen des Imperialismus entstand und sich darin ausweitete - zu einer weltweiten Bewegung gegen die Lebensverschlechterungen durch das neoliberale Krisenmanagement führte. Dies mobilisierte die Kräfte der Konterrevolution, die den 11.9.2001 zum Ausgangspunkt eines neuen Krieges nach innen und außen unter Konstruktion eines neuen Patriotismus machten.

Das Desaster dieser Politik sehen wir heute in der weiteren Zerstörung und Verwüstung der Welt. Aufgrund der Akkumulationskrise bzw. des Umschlages der Produktiv- in Destruktionskräfte geht es nur noch um weitere Kriege und Zerstörung und keineswegs um einen Wiederaufbau im Sinne der dort lebenden und global arbeitenden Menschen. Was ist zu tun? Es kann heute nur noch darum gehen, uns als Menschen aus dem Kerker der Nationen und von der Herrschaft des Kapitals zu befreien! Die Gattung Mensch muß in das Zentrum unserer Aktivitäten gestellt werden!
Wir müssen dafür die Produktivkräfte gegen die Destruktion und Zerstörungsgewalt dieser Zivilisation stärken. Produktivkräfte sind alle Tätigkeiten und Technologien, die dem Leben, der Transnationalisierung und der lebensbejahenden Konsumtion dienen.

Der erste Schritt dazu ist ein sozialer Streik gegen Kapital und Staat !
Der zweite daran anknüpfende: Die Produktionsmittel müssen in die Hände der globalen Produzent/innen gelangen und dem generalisieren Kapitalverbrechen entrissen werden!

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(1) Dies tut aber die bürgerliche Linke – sowohl die sogenannten "Antideutschen", wie auch die "Antiimperialisten" - die am 27.9.2003 zu einer Demonstration gegen "Besatzungen" aufrufen.
(2) nach 1945 gab es ca. 157 begrenzte "heisse" Kriege, die mehr an Menschenopfern hervorbrachten, als beide Weltkriege zusammen, was jedoch die meisten Einwohner der Metropolen des "kalten Krieges" kalt liess.
(3) Wenn aufgrund von Fesselung durch das Produktionsverhältnis sich die Produktivkräfte nicht mehr entwickeln können, schlagen sie zunehmend in Destruktionspotential um, die die Kapitalvernichtung beschleunigen und ausweiten. Da das Kapital eine Totalität ist, werden in Kriegen durch die eingesetzen Massenvernichtungswaffen eben auch Natur und Menschen vernichtet.
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Ergänzungen

Frage

Walter 29.09.2003 - 00:17
Was meint der/die Verfasser/in mit Zusammenwucherei?

Angelikas alias Sarahs Welt

Kiki 29.09.2003 - 01:09
"Der 11. September 2001 markiert die zusätzlich Dynamik der Destruktionskräfte (3), die diese langandauernde Krise (die auch mit dem Sieg der Anti-Hitler-Koalition 1945 keineswegs die Überwindung des Faschismus, Nationalsozialismus und des dieser Ideologie inhärenten Antisemitismus/Judeophobie bedeutet[e], da die materielle Grundlage dieser Barbarei unangetastet blieb) mit sich brachte."

Hier sieht mensch Amadeo Bordiga in reinster Form. Der Antisemitismus ist diesen Faschismus und Nationalsozialismus nicht inhärent. Der bedarf keiner materiellen Grundlage, sondern den gibt's gratis, ohne die beiden Ismen. Durch diese Fehleinschätzung kommt auch die Idee, die Arbeiter seien von Haus aus nicht antisemitisch, sondern nur ab Mittelschicht aufwärts ginge es los mit dem Antisemitismus. Als wenn's den Gegenbeweis nicht gegeben hätte.

"Die Produktionsmittel müssen in die Hände der globalen Produzent/innen gelangen und dem generalisieren Kapitalverbrechen entrissen werden!"

Na, was daraus wurde, haben wir ja einige jahrzentelang in Teilen der Welt sehen können. Warum mensch nicht lernfähig ist?

by the bye

Chino544 29.09.2003 - 15:32
"Facism should more properly be called corporatism, since it is the merger of state and corporate power." Benito Mussolini

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