Zur Einführung von Elektroschockern

-- 10.08.2003 21:03 Themen: Repression
Die Polizeien in der Schweiz wollen laut Radio DRS die Elektroschockwaffe "Taser" einführen und mit 50'000 Volt gegen "das Böse" antreten.
Bald wird wohl der "Taser" zur Standardausrüstung an Demos gehören und etliche PolizistInnen ihren Sadismus genüsslich ausleben. Bis zum/zur ersten Toten.
WoZ 5.6.03

Nichttödliche Waffen im Kampf gegen Terrorismus und Bevölkerung

Gib dem Vermummten mal 50 000 Volt

Wenn alles glatt geht, werden demnächst Polizisten mit der M26 oder der X26 herumfuchteln, harpunieren, blenden, schockieren. Aber was heisst schon nonletal? Ein bisschen weniger tot?

Olaf Arndt und David Artichouk*

Die Mammutveranstaltung des Fraunhofer-Instituts für Chemische Technologie ICT (siehe Kasten) fand etwas abseits in der Stadthalle des beschaulichen badischen Örtchens Ettlingen statt, das seinen an einem kleinen Fluss erbauten, mittelalterlichem Stadtkern als «Traum an der Alb» verkauft. Wie der Traum einer weniger gewalttätigen Zukunft, den die SpezialistInnen hier träumten, mit energiereichen Schockwaffen («Plasma-Taser») oder 160-mm-Mörtelgranaten verwirklicht werden kann, wurde zwei Tage lang ausführlich diskutiert.

«Als träfe dich ein Vorschlaghammer, nur ohne bleibende Schäden», sagt John B. Alexander, Vietnam-Veteran und geistiger Vater der «nonletalen Waffen», über ihre Wirkung. Alexander, als Zugnummer prominent ins Programm platziert, tritt mit Rangers-Anstecknadel und Mosquito-Boots als Polit-Cowboy der Ära Bush für einen mit aller Härte geführten Kampf gegen den Terrorismus auf. Die von ihm propagierten Waffen erweitern das Spektrum, das konventionelle Waffen abdecken. Die Debatte um den exakten Begriffsgebrauch lässt den Widersinn offenkundig werden: «Weniger tödlich» ist schon ein Schritt näher dran an der «dualen Kapazität» (wahlweise umschaltbar von tödlich auf «weniger tödlich»).

Recht auf Leben

Am Symposium zeigen 160 WissenschaftlerInnen und Waffenfabrikanten aus 23 Ländern (darunter acht Schweizer) den anwesenden Militärs, Polizeispezialkräften und dem Fachpublikum, wie man mit Gas, Schall, Strom und Licht gezielt Terroristen, revoltierende Gefangene oder Randalierer ausschalten kann. Dass «nichtletale Wirkmittel» keinesfalls zu sorglosem Gebrauch einladen und sich nicht immer im Einklang mit bestehenden Gesetzen befinden, machen die Vorträge kritischer WissenschaftlerInnen, JuristInnen und des Roten Kreuzes deutlich.

Anwesende VertreterInnen von nichtstaatlichen Organisationen und FriedensforscherInnen gehen noch weiter. Sie sehen in «mass incapacitation tools», Mitteln zur flächendeckenden Ausserkraftsetzung grösserer Menschengruppen, schlicht Folterwerkzeuge in einer neuen Dimension. Ein oft zitiertes Beispiel ist die Moskauer Musical-Theater-Belagerung im letzten Herbst. Nach Ansicht der meisten Vortragenden war dies eine gelungene Aktion. Denn ohne den Gaseinsatz, so die gängige Meinung, wäre die Zahl der Todesopfer vermutlich noch höher ausgefallen.

«Das Recht auf Respekt vor dem Leben» müsse als Summe hinter allen Überlegungen stehen, fordert ICT-Chef und Gastgeber Klaus-Dieter Thiel. Der von ihm mit Hingabe inszenierte Dialog bleibt allerdings ein scheinbarer. Der «ganzheitliche Ansatz» der VeranstalterInnen hätte durch die Präsenz von politischen EntscheidungsträgerInnen grössere Glaubwürdigkeit gewinnen können. Doch nicht einmal der Schirmherr, Baden-Württembergs Innenminister Thomas Schäuble, ist erschienen.

Aufforderung zum Tanz

Nichtletale Wirkmittel, hört man von den Fachleuten, seien die Lösung für viele der aktuellen Sicherheitsprobleme. Ihre technisch-taktischen Vorzüge sind dennoch überraschend schnell aufgezählt. Es gibt nämlich fast keine. Die sicherere Waffe ist immer noch die tödliche. Das machte die Zwischenfrage eines Offiziers der US Air Force deutlich: Soldaten werden trainiert, in schwierigen Situationen verlässlich zu funktionieren. Dasselbe dürfen sie von ihrer Waffe erwarten. Was aber, wenn deren Effekt nicht exakt abschätzbar ist? Wird sie den Gegner erfolgreich lahm legen und wie lange?

Es ist grundsätzlich kein schlechter Traum der Repressionsspezialisten, Entführer, Bankräuber und Randalierer nicht gleich mit tödlicher Dosis behandeln zu müssen. Vor allem im inneren Einsatz, wo Kollateralschäden komplexere Folgen haben, bergen die neuen Waffen, die heute technisch noch in den Kinderschuhen stecken, hoffnungsvolle Aspekte. Die Abwägung zwischen Festnahmedringlichkeit und dem Überleben des Verdächtigen fällt weg. Im Ernstfall steht die althergebrachte tödliche Dosis dem Beamten selbstverständlich weiterhin zur Verfügung. Aber verlangt das grössere Spektrum an Möglichkeiten nicht nach einer verbesserten Ausbildung? Welche Waffe ziehen? Elektro-Taser, Fangnetz, Mikrowellenkanone, Gummigeschoss oder doch besser die Gaspistole? Alles lösbare Probleme, sagen die anwesenden PolizeipraktikerInnen und VertreterInnen der Herstellerfirmen - bevor sie sich in Lobbyisten verwandeln und ein trauriges Lied von der Mühsal der Überzeugungsarbeit bei den Entscheidungsträgern anstimmen. Es klingt nach leeren Kassen, komplizierten Strukturen und der Angst vor öffentlichen Diskussionen. Neue Polizeibewaffnung «muss ja immer gleich politisiert werden».

Die Russen sind angesichts der ängstlichen Nachfragen ihrer westeuropäischen Kollegen oft perplex. Die Amerikaner lächeln. Schneller als die Europäer haben sie die Vorteile der nichtletalen Waffen im strategisch-politischen Bereich erkannt. Es sind klinisch saubere Waffen. Sie fügen sich nahtlos in die Philosophie der chirurgischen Eingriffe moderner Kriege ein, die komplette Operation mit Anästhesie.

Früher galt: «Tötet sie alle. Gott wird die Seinen erkennen.» Heute, im Zeitalter der Kriege, die Befreiung von Diktatur versprechen, tritt das technische Vermögen, die zielgenaue Hightech-Waffe, an die Stelle des Glaubens. Jetzt kann dank nichtletalen Wirkstoffen Genauigkeit durch Gründlichkeit ersetzt werden, konkret zum Beispiel durch ein nur auf spezifische Bevölkerungsgruppen wirkendes Gas. Wir werden die unseren hinterher retten können. Die Selektion zwischen angepeiltem Ziel und dem uninteressanten oder schützenswerten Rest ist bei nichtletalen Waffen erheblich preiswerter. John Alexander demonstriert das in seinem Vortrag mit Hilfe einer Differenzialgleichung. Seine Mathematik für Militärs errechnet, dass das Gefühl persönlicher Sicherheit einen direkten Einfluss auf die Ökonomie haben wird.

In Ettlingen bleibt unübersehbar, wenngleich unausgesprochen, dass Strahlen, Ströme und Chemikalien zum Zauberstab der neuen Weltordnung verschmelzen könnten. Die «Bush-Doktrin» genannten Optionen im weltweiten Krieg gegen den Terror, vor allem Präventivschläge gegen Extremistengruppen im Ausland und Strafaktionen gegen tatsächliche und vermutete Unterstützerstaaten, scheitern sicher nicht an mangelnder militärischer Schlagkraft. Die eigentliche Wirkungskraft nichtletaler Waffen ist die Verheissung politischer Durchsetzbarkeit geplanter Operationen. Unbeteiligte könnten weitgehend geschont werden. Vor allem im urbanen Raum, dem bevorzugten Feld von Terroristen, ist das bislang nicht gewährleistet. Die Aktionen wären schneller, leiser, sauberer, auch umweltfreundlicher und billiger. Die überlebenden Terroristen und Despoten könnten auf diese Weise den Gerichten zugeführt werden.

Doch die Vorzüge sind zugleich Schwächen. Nichtletale Waffen sind keine Hightech- Waffen. Sie sind eher einfach herzustellen und anzuwenden. Sie sind die ideale Waffe der «Gegenseite», der RandaliererInnen, der TerroristInnen, die Waffe der Armen und der Dritten Welt. Zwar ist der Einsatz untödlicher «Wirkmittel» eine echte Alternative zum Polizeikessel oder zur schwierigen Trennung der gewaltbereiten Demonstranten von störrischen Friedlichen nach der Methode: «Gib dem Vermummten da hinten mal 50 000 Volt.» Das gilt ebenso für Heckenschützen, die sich hinter Kindern verbergen wollen oder für Bombenbastler in Wohngebieten.

Doch was passiert, wenn DemonstrantInnen ihrerseits die Vorteile der gefahrlosen Eskalation entdecken? Wie reagieren die Polizeikräfte, wenn statt Steinen Strahlen fliegen? Was passiert, wenn Terroristen den praktischen Handkoffer mit Mikrowellenrichtstrahler der Diehl-Munitionssysteme aus dem deutschen Röthenbach in die Hände bekommen? Wenn Aktivistinnen selber aus ihrem Küchenofen eine Mikrowellenkanone basteln? Technisch denkbar ist dies, antworten die ExpertInnen auf besorgte Zwischenfragen. Der Tanz, so nennt der amerikanische Militärforscher Donald A. Lund bildhaft den wechselseitigen Schlagabtausch, geht also weiter.

Noch eindrucksvoller als das Bildmaterial von Testreihen und Einsätzen der Waffen sind in vielen Fällen die Anbieter und Experten selbst. Elegante Nadelstreifendreiteiler, massgeschneiderte Designerschuhe und Hemden mit eingestickten Firmenlogos vermitteln den Eindruck stilvoller Sozialingenieure. Der graue Waffenschmied im Stangenanzug ist zwar noch nicht völlig ausgestorben, scheint aber ausschliesslich in Deutschland überlebt zu haben.

Stilvolle Sozialingenieure

Das gleiche Bild kehrt in den Präsentationen wieder. Während die ehemaligen Kanonenbauer der Rheinmetall sich mit bemühter Verve («we can do better») durch eine Powerpoint-Präsentation für Plasma-Taser quälen, die auf der Industriemesse nicht mal für einen Auftrag zur Röhrenfabrikation reichen würde, kommen die amerikanischen Konkurrenten mit DVDs von der Produktionsqualität eines «X-men»-Trailers auf die Bühne.

Thomas P. Smith stellt sein Produkt «Advanced Taser» als Joystick für den Polizisten vor, ein smartes Gerät für den geschmackssicheren Einsatz. Smith hat mit schwungvollem Filzstiftstrich auf seinem Namensschild die Aussage auf drei Buchstaben reduziert: Tom ist dein Ansprechpartner. Tom ist der dunkle Messias, der mit dem Stromschlag straft. Der eloquente Präsident von Taser.com, der momentan wohl erfolgreichsten Schockwaffenfirma aus Arizona, «verteidigt täglich Leben» mit seinem Bestseller M26. M26 ist eine Druckluftpistole, die 50 000 Volt an zwei stromführenden Kabeln auf sieben Meter Distanz mit einer Miniaturharpune in den Angreifer jagt und diesen bereits nach einer halben Sekunde umwirft. Der Strom aus 8-Mignon-AA-Batterien durchschlägt sechs Zentimeter Kleidung und Leder und lässt den bereits kampfunfähigen Delinquenten, laut Prospekt ein aggressiver Vollbartträger mit Holzfällerhemd und hoch erhobenem Radmutterschlüssel, noch weitere fünf Sekunden lang den Saft schmecken, der ihn niederstreckt. Danach wird der Beschossene eine Zeit lang Probleme haben, seine Muskeln unter Kontrolle zu halten, aber das vergeht. Zurück bleiben zwei Einstichlöcher von den Polen, gross wie Insektenstiche. Eine Erfahrung, die von 40 000 Freiwilligen trotz hoher Belohnung keiner ein zweites Mal machen wollte.

Tom zelebriert eine Messe zwischen Blumenbuketts. Ganz in Schwarz, in hautengem Rollkragenpullover wirkt er wie ein Sinnbild eines Geschäftsmannes: Reverend Taser, wie er selbstironisch beim Pausengespräch bemerkt. Auf der Bühne ist er ein Informationsroboter. Laut und verständlich schiesst er seine Botschaften ab. In seinen Videos knicken die stärksten Männer der Welt um wie Halme im Wind. Überall fallen Freiwillige und weniger Freiwillige. Eine kaum gestellt wirkende Szene zeigt in Überwachungskamera-Ästhetik einen nackten Gefangenen, der in seiner Zelle getasert wird. Von Drogen aufgepeitschten Randalierern und flüchtenden Gangstern wird keine Chance gegeben. Alle fallen, fallen und winden sich.

Das neue Modell weist sich durch ein X in Terminator-Flüssigmetall-Typografie bereits im Layout als Science-Fiction-Waffe aus. Sie ist neongelb, mit Flash-LEDs, Laserpointer, 105 Schuss Kapazität, Feuerdaten-Download-Port, noch ergonomischerem Griff, «blade tech paddle holster», Doppel-DVD mit Videotrainingsprogramm und anderem Zubehör lieferbar, sechzig Prozent leichter als ihre Vorgänger. Da reimt sich einfach alles: Die X26 ist so frappierend brillant in Szene gesetzt, dass man Mühe hat, sich statt Keanu Reeves den Polizei-Einsatzleiter mit dem Exoten in der Hand vorzustellen.

Eine aggressiv klare und verflucht coole «Men in Black»-Kampagne vermarktet die perfekte Waffe. Sie ist «clean» und sieht schick aus. Sie ist garantiert untödlich, digital kontrolliert, enorm effektiv und kostet nur etwa 1500 Franken. Jeder Mann muss eine haben wollen. Tom ist angetreten, um den Erfolg öffentlich vorzuführen. Aus einer Spezialinnentasche seines Taser-Anzugs fliegen Visitenkarten auf den Kreis der KundInnen zu wie die Kugeln der Agenten in «Matrix» - man kann sie einzeln aus der Luft pflücken. Kunde: «Ich komme aus Korea und habe aus Ihrem Vortrag verstanden, dass sie nicht nach Asien exportieren dürfen. Was kann man tun?» Tom: «Unser Salesrepresentative in Malaysia wird sich um Ihre Anfrage kümmern.»

Tom ist aus dem Holz der Zukunft geschnitzt, manikürt, geschminkt, nanotechnologisch überarbeitet. Er weiss, wie er ins Rampenlicht treten muss. Zäh wie Teflon und hart wie Titan, ist er halb Artdirector, halb Propagandaminister. An der Konferenz analysiert er messerscharf die Resultate von zweitausend Einsätzen: keine Probleme mit Herzschrittmachern, die setzen kurz aus, aber nicht in gesundheitsschädlichem Umfang. Keine Probleme mit der Muskelelastizität, die kommt wieder. Drogenkuriere mit geplatzten Heroinbeuteln im Magen sterben nicht am Taser, sondern am Stoff. Keine Aussage dauert länger als neun Sekunden, dann ertönt das knallhart skandierende «next slide». Jede Frage wird ohne Datenladezeit mit weniger als vier Sätzen beantwortet. «Todesfälle im Zusammenhang mit dem Einsatz von M26 sind uns nicht bekannt. Wir sind stark an Dokumenten über angebliche Fälle interessiert. Wir werden sie unabhängigen medizinischen Gutachtern zur Prüfung übergeben.» Nebensätze existieren nicht. Zweifel ebenso wenig. Die humane Waffe ist erfunden.

Drei deutsche Sondereinsatzkommandos (SEK) haben das Modell seit einem Jahr im Testeinsatz, in Berlin, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Britannien hat ein Paket geordert, das in fünf ausgewählten Distrikten eingesetzt wird. Die Schweiz hat alle rechtlichen Hürden längst genommen und arbeitet mit den Geräten seit geraumer Zeit. In Brasilien soll kürzlich ein kleiner Junge den Einsatz nicht überlebt haben. Was passiert, wenn versehentlich Augen getroffen werden? Eine Consumer-Variante, im Volksmund «Dog- Taser[100]» genannt, ist in den USA frei erhältlich und geeignet, Attacken von Kampfhunden abzuwehren. Es ist nur von einem Fall bekannt, dass ein Tier nicht sofort das Weite suchte. Es war ein Experiment. Der Hund sollte ein Kind in einem Raum bewachen. Nach dem vierten Schuss hat er sich in eine Ecke verzogen und «tot gestellt».

John B. Alexander weiss zu berichten, dass ihm im Selbstversuch mit Klebeelektroden der Taser die Kappe der Armeestiefel durchschlagen hat. Der Green-Beret-Kommandeur Alexander, der das Amt eines US- Gesandten im Nato-Beratungsausschuss bekleidet, hat sich, bevor er an diversen US-Militärforschungsprogrammen zur Auslotung «menschlicher Potenziale» teilnahm, mit Sterbekunde befasst und eine Doktorarbeit über «Grenzerfahrung» geschrieben. Seinem 16-jährigen Sohn Josh hat Alexander erlaubt, den «Büffel zu reiten». Obwohl extrem körperlich fit und wahrlich kein «couch potatoe», habe der Taser Josh im Nu aus dem Sattel gehauen, berichtet der Vater schmunzelnd. Das Beispiel stellt noch einmal klar heraus: Was heisst schon nonletal? Ein bisschen weniger tot? Wenn man Glück hat, wie Tom und Josh, und kerngesund ist. Denkt man jedoch an die beabsichtigten Einsätze, steht eher zu bezweifeln, dass die Gegner sich in Topform befinden und die Anwendung so gut vertragen wie die Marine-Corps-Hünen, die in Ettlingen kaum zwischen die Tischreihen passen.

Der D-Modus

Die Euphorie der Ettlinger Elite wird zurzeit noch durch zahlreiche juristische Probleme gebremst. Genau genommen sind die meisten Waffen heute schlicht verboten. Selbst der Taser-Einsatz in Deutschland ist ein rechtliches Problem. Viele der Waffenkonventionen des 20. Jahrhunderts ächten nichtletale Waffen, in den meisten Fällen zum Schutz der Soldaten vor unnötigen Qualen. So wurde der Kriegseinsatz von Reizgasen nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges 1925 im Genfer Protokoll verboten. Seit 1993 liegt ein Bann auf ätzenden, klebenden, einschläfernden und in anderer Form die Rechte des freien Bürgers einschränkenden Mitteln. Dass Gase im Polizeieinsatz gegen DemonstrantInnen seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet werden, rief die Militärs auf den Plan. Beim Ausräuchern der Taliban aus ihren Höhlen, das zeigt Wiktor Seliwanow von der Bauman-Universität Moskau in einer humorvoll aufbereiteten Flash-Animation, die den ganzen Saal zum Lachen bringt, wäre Gas die ideale Waffe gewesen.

Schon arbeiten JuristInnen am gleichen Recht für alle. Anstatt das Naheliegende zu tun und das teilweise restriktivere Kriegsrecht für das Polizeirecht einzufordern, finden sich offenbar ausreichend Juristen bereit, internationales Recht und die zahlreichen Konventionen auf neue Mindeststandards hin durchzuforsten. Bereits wird an kreativen Lösungsansätzen gearbeitet. Es ist viel Arbeit, Menschen zu schonen und zu schützen.

Wir, die «bio-specimen», Exemplare aus der weichen Kollektion der Humanoiden, warten derweil im «D-Modus» auf die Wunder aus den neuen Waffen. Wir werden detektiert (detect), weggehalten (deny), ausgesondert (discriminate), verzögert (delay), verteidigt (defend), geblendet (dazzle), besiegt (defeat) und nur im ärgsten Fall zerstört (delete/destroy).

Die Zukunft

Die hochkarätig besetzte Weltkonferenz für HerstellerInnen und NutzerInnen «nonletaler Waffen», die Mitte Mai vom deutschen Grundlagenforschungsinstitut Fraunhofer organisiert worden war, stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass «untödliche Wirkmittel» die waffentechnische Zukunft für Polizei und Militär bedeuten könnten. Pistolen, die Stromharpunen verschiessen, Gewehre zum Abfeuern kleiner Gastabletten und Markierfarben, Mikrowellenstrahler gegen Personen und Computer oder zu Barrieren umfunktionierte Airbagtechnik bieten eine hochgradig effektive zusätzliche Option bei Operationen von Sondereinheiten im Innern, im Kampf gegen «gewaltbereite Bevölkerungsgruppen» und vor allem bei Einsätzen im «Krieg gegen den Terrorismus».

Homepage::  http://www.taser.com
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

amnesty-bericht zu folter mit elektroschocks

-- 10.08.2003 - 21:14
3.3.1997

Amnesty Internationals Bedenken betreffend Elektroschock-Betäubungswaffen

In ihrem Bericht ARMING THE TORTURERS - Electro-shock Torture and the Spread of Stun Technology (AI-Index ACT 40/01/97) beleuchtet Amnesty International spezielle Typen von Elektroschock-Betäubungswaffen.

Betäubungsfeuerwaffen und Stöcke

Durch die Regierung Grossbritanniens veranlasste Untersuchungen zeigen, dass sogar frühere Generationen von Betäubungsfeuerwaffen mit niedrigerer Spannung Schmerz und Bewegungsunfähigkeit erzeugen können. Sie beinhalten die Gefahr, dass Betroffene infolge Verlust der Koordination der Herzmuskelkontraktionen sterben können. Gemäss der Anzeige eines Herstellers, schaltet eine moderne Betäubungswaffe nach 15 Sekunden automatisch aus. Untersuchungen zeigen jedoch, dass bereits eine Stromstoss von drei bis fünf Sekunden genügt, um jemanden bis zu 15 Minuten ausser Gefecht zu setzen. Seit ihrer Erfindung hat die erzeugte Spannung dieser Waffen gemäss Herstellerwerbung von 10'000 Volt auf bis zu 250'000 Volt zugenommen, obwohl diese Information nur bedingt aussagekräftig ist bei der Bewertung, wieviel Schmerz diese Waffen zufügen können, weil Angaben bezüglich Stromstärke und andere Faktoren selten geliefert werden.

Elektroschock-Schilder

Nach dem Tod des texanischen Gefängnisbeamten Harry Landis, der 1995 unbeabsichtigt ein Elektroschock-Schild aktivierte, schloss ein mit der Untersuchung betrauter Ingenieur nach Tests mit dem Schild: "Der Hersteller gibt in der Gebrauchsanleitung an, das Schild könne niemanden verletzen, auch keine Menschen mit Herzproblemen. Aber sie haben gar keine Studien an Menschen gemacht. Sie führten ihre Tests an betäubten Tieren durch."

Taser-Waffen

Diese Feuerwaffen schiessen zwei Pfeile mit Drähten und widerhaken bis zu 10 Meter weit - sie werden in einigen US-Bundesstaaten eingesetzt. Gemäss dem Bericht eines Gerichtsmediziners aus dem Jahr 1991 "erhöhen bestimmte medizinische Bedingungen, einschliesslich Drogengebrauch und Herzkrankheiten, die Gefahr, dass die Taser tödlich sein können... die 16 Todesfälle im Zusammenhang mit Tasern in Los Angeles zeigen ein Versagen der Taser als nicht-tödliche Waffen... Nach meiner Ansicht führten die Taser-Waffen zu mindestens neun Todesfällen..."

Betäubungsgürtel

Zwei US-Gesellschaften haben ferngesteuerte Elektroschock-Betäubungsgürtel produziert; diese sind zunehmend für Angeklagte eingesetzt worden, die vor Gericht erscheinen mussten, manchmal bediente der vorsitzende Richter die Fernsteuerung. Die Gürtel erzeugen während acht Sekunden einen Stromstoss von 50'000 Volt im Körper des Trägers, was sofortige Immobilisierung, Darm- und Blasenentleerung zur Folge hat und Striemen hinterlässt. Es wird behauptet, dass die Gürtel aus einer Entfernung von 300 Metern oder mehr aktiviert werden können, nach "jedem Ausbruch oder einer schnellen Bewegung", "jeder Manipulation am Gürtel" (und) "einem allfälligen Verlust des Sichtkontakts durch den zuständigen Beamten." Trotz Behauptungen, Betäubungsgürtel seien medizinisch sicher, gab ein Produzent zu, dass seine Produkte nicht durch streng unabhängige medizinische Tests geprüft wurden. Stattdessen zitiert die Firma einen Arzt in Nebraska, der ihre Gürtel an anästhesierten Schweinen getestet habe. Bedienungsanleitungen warnen davor, dass Betäubungsgürtel nicht bei schwangeren Frauen, Personen mit Herzbeschwerden, multipler Sklerose, Muskeldystrophie (?) oder Epileptikern angewendet werden sollten. Das US-Büro für Gefängnisse unternimmt jedoch keine medizinischen Untersuchung aller Gefangenen, bevor es entscheidet, wer einen Gürtel trägt oder nicht.

Tränengas-Betäubungswaffen

Einige Firmen in China, Taiwan und den USA haben begonnen Betäubungsstöcke zu produzieren, die auch Tränen- oder Pfeffergas enthalten. Funken von Elektroschock-Waffen können darin enthaltene Substanzen wie alkoholische Treibmittel entzünden: 1990 besprayten Beamte des New Yorker Polizeidepartements einen emotional verwirrten Jungen mit einem chemischen Gas und schossen Berichten zufolge mit einer Taser-Waffe auf ihn, die ein Feuer entfachte. Der Junge soll Verbrennungen ersten und zweiten Grades erlitten haben.

Die Produktion und der Verkauf von Betäubungswaffen

Amnesty International hat mehr als 100 Firmen in Industrieländern registriert, die seit 1990 Betäubungswaffen angeboten haben - darunter Belgien, China, Frankreich, Deutschland, Israel, Südafrika, Taiwan und die USA. Die Vereinigten Staaten allein beherbergen etwa die Hälfte der Anbieter solcher Waffen. Betäubungswaffen werden zunehmend in Magazinen und Ausstellungen vermarktet. Taiwanesische Betäubungsstöcke wurden in Schanghai ausgestellt, brasilianische Produkte in Washington, chinesische und russische Elektrostöcke in Paris, südafrikanische Betäubungsstöcke und Demonstrationsschilder in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten.

Praktisch alle Gesellschaften, die Elektroschock-Waffen vertreiben, betonen, diese seien bei korrekter Anwendung nicht tödlich. Einige Gesellschaften bieten eine Schulung an, um die Sicherheit zu erhöhen - dieses Training steht aber nicht allen offen, die Elektroschock-Waffen erwerben. So betonte ein Hersteller, der bis zu sechs Stunden Training anbietet für Käufer, die sein Produkt in den USA verwenden, er würde seine Betäubungsgürtel auch ohne Schulung nach China und Saudi-Arabien liefern.

Das Verbot solcher Waffen durch eine Anzahl Regierungen erfolgte jedoch nach der Erkenntnis, dass sie allzuleicht zu unnötigem Leiden, ernsthaften Verletzungen oder sogar zum Tod führen können. In Belgien, Kanada, den Niederlanden, Luxemburg, den skandinavischen Staaten, der Schweiz, Grossbritannien und anderen Commonwealth-Staaten sind Elektroschock-Waffen Berichten zufolge mit Ausnahme von Viehstöcken verboten. In einigen Ländern wie Grossbritannien scheint das Verbot jedoch nicht den Handel mit Drittländern einzuschliessen. Sprecher englischer Firmen haben zugegeben, über einen "südafrikanischen Partner" Verkäufe nach China via Hongkong und Zypern arrangiert zu haben; sie seien auch bereit,über "Drittländer" nach Libanon und Zaire zu liefern.

Trotz dieser Erkenntnis haben die meisten Regierungen von Lieferstaaten wenig unternommen, um den Transfer von Elektroschock-Waffen in Länder zu kontrollieren, wo Sicherheitsbeamte Folter oder schwere Misshandlungen praktizieren. Die US-Regierung bewilligte den Export von Taser-Waffen nach Saudi-Arabien, Elektroschock-Schilder nach Mexiko und Betäubungswaffen nach Venezuela. Eine französische Firma bestätigte Lieferungen in nordafrikanische Länder, während ein grösserer deutscher Lieferant seine Kataloge in Russisch und Arabisch publiziert. Chinesische Firmen bieten ihre Produkte vermehrt in Asien und Europa an, während taiwanesische Firmen in die USA, Asien und Südafrika exportieren - eine Firma bezeichnete Osteuropa als "boomenden Markt".

Länder, in denen Folter mit Elektroschocks registriert wurde

Amnesty International hat seit 1990 zahlreiche Fälle von Folter mit Elektroschocks in mindestens 50 Ländern dokumentiert, darunter Aegypten, Algerien, Bulgarien, China, Griechenland, Libanon, ôsterreich, Russland, Saudi-Arabien, Sri Lanka, Sudan, Südafrika, die Türkei, die USA, Vietnam und Zaire.

In China ist der Einsatz von elektrischen Stöcken so verbreitet und gebräuchlich (endemic), dass es schwierig ist, die Zahl der Opfer zu bestimmen. Vier Mädchen unter 16 Jahren und zwei junge Männer wurden anfangs 1995 in Fuxin (Provinz Liaoning) von einem Sicherheitsbeamten mit einem Elektrostock gefoltert, um sie wegen "Randalierens und Promiskuität" zu einem Geständnis zu zwingen. Zwei tibetische Brüder beschrieben, wie sie im Gefängnis gefoltert wurden. Der 11jähige Tenzin berichtete: "Sie stiessen einen elektrischen Stock in meinen Mund ... es verbrannte mich schlimm und verursachte eine Wunde. Es war schrecklich."

Im August 1996 versuchte sich der im Arbeitslager Luoshan inhaftierte Demokratie-Aktivist Chen Longde durch einen Sprung aus einem Fenster im dritten Stock das Leben zu nehmen. Beamte des Arbeitslagers gaben Berichten zufolge später zu, er sei vorher mit Elektrostöcken geschlagen worden.

In Zypern bestätigte ein Regierungsbericht 1995, dass verschiedene Häftlinge der Polizeiwache von Limassol 1992 an verschiedenen Teilen des Körpers einschliesslich des Penis mit Elektroschocks gefoltert wurden. So wurde Stelios Xenophontos Neofitou mit Handschellen gefesselt, entkleidet und mit Wasser bespritzt, bevor er mit dem Kopf nach unten aufgehängt und mit Elektroschocks gefoltert wurde.

Aus dem Libanon gingen Amnesty International verschiedene Berichte von Gefangenen zu, die 1994 im Verteidigungsministerium mit Elektrostöcken gefoltert wurden.

Folter mit Elektroschock ist auch in Saudi-Arabien an der Tagesordnung. Im Mai 1994 soll der pakistanische Staatsangehörige Gulum Mustafa in einem Haftzentrum für Drogendelinquenten schwer gefoltert worden sein. Die Folter umfasste das Einführen eines Metallstabs in seinen Anus und Elektroschocks. Danach blutete er und war unfähig zu gehen; er erhielt auch keine medizinische Behandlung.

Amnesty International in den USA besorgt über die Verwendung ferngesteuerter Betäubungsgürtel, besonders für Angeklagte, die vor Gericht erscheinen müssen. Im November 1993 wurde Edward Valdez vor den wartenden Geschworenen ausser Gefecht gesetzt, als er den Gerichtssaal verliess. Im Dezember 1994 wurde Bruce Sons in der Pause zu einem vorgerichtlichen Hearing in Kalifornien unbeabsichtigt niedergeschmettert, während er mit seinem Anwalt sprach. 1995 wurde James Oswald gezwungen, einen Betäubungsgürtel und Handschellen zu tragen, obwohl er in einem Rollstuhl vor Gericht erschien. Er gab an, zweimal ausser Gefecht gesetzt worden zu sein. Sein Anwalt sprach von einem polizeilichen Versuch, seinen Klienten zu foltern. Amnesty International glaubt, dass solche Gürtel spezifisch dazu entworfen wurden, die Betroffenen zu erniedrigen.

Ein krasser Kommentar Züricher Bullen dazu:

-- 10.08.2003 - 21:16
Taser-Tagung im PTI Münster/D

Der Leiter der schweizerischen Zentralstelle zur Auswertung von Schusswaffenspuren (Dr. M. Lory) hat am zweitägigen, internationalen Symposium über Taser in der PFA Münster in Deutschland am 2./3. Juli 2003 teilgenommen, unter Leitung des Deutschen Polizeitechnischen Instituts, im Auftrag der SPTK. Insbesondere wurden die relativ umfangreichen Einsatzerfahrungen der probeweise Ausgerüsteten ausgetauscht.

Er hat (trotz bestehender Herzprobleme) den Selbsttest des X26 erfolgreich bestanden. Ein Bericht z.H. der SPTK wird demnächst erstellt werden.

Eine Ausrüstung an der Front kann nur durch sorgfältige Informationspolitik unter Einbindung der Führung, Politik und Presse erfolgen!!