ackern für deutschland?

antirassistische gemüselieferant/innen 10.08.2003 20:55 Themen: Antirassismus
Grenzcamper/innen hinterlassen fauliges Gemüse bei der Zentralstelle für ArbeitsVermittlung in Bonn
Freitag morgen – direkt vor der Kundgebung gegen die IOM – nahmen etwa 40 Camper/innen eine weitere Institution in Bonn ins Visier: die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV). Im Eingangsbereich eines Nebengebäudes, in dem sich die Büros befinden, die für das Anwerben von SaisonarbeiterInnen für die Landwirtschaft zuständig sind, wurde verfaultes Gemüse abgelegt, um die ZAV als Service-Agentur für Niedrigstlöhne und Ausbeutungsverhältnisse zu markieren. Zeitgleich wurden zwei Transparente auf dem Dach der Pforte hinterlassen. Eines bezeichnete die ZAV als das, was sie ist: „Zentralstelle für Ausbeuterische ArbeitsVerhältnisse“.
„Freedom of Movement statt Ackern für Deutschland“ – wurde den Praktiken der ZAV entgegengestellt.
Trotz der direkt gegenüberliegenden Polizeistation ging die Aktion, begleitet von einem kurzen Redebeitrag an die Angestellten, innerhalb weniger Minuten problemlos über die Bühne.


Aus dem Flugblatt:

Fünf Euro brutto die Stunde, davon noch Abzüge für Unterkunft und Essen sowie eigene Zahlung der An- und Abreise...
Wer würde für diesen Hungerlohn 12 Stunden und mehr pro Tag schuften? Ackerei im wörtlichen Sinne! Denn es geht um harte körperliche Arbeiten bei der Spargel-, Apfel- oder Weinernte und in allen möglichen Bereichen der Land und Forstwirtschaft.

Unter dem Preisdruck der Supermärkte wären diese Branchen längst zusammengebrochen, würden sie nicht seit Jahren auf die legale wie illegale Saisonarbeit vor allem osteuropäischer Frauen und Männer zurückgreifen. Einmal mehr wird die Verlogenheit offensichtlich, mit der in der hiesigen Gesellschaft allgemein gegen ArbeitsmigrantInnen gehetzt wird, um gleichzeitig von der konkreten "Notwendigkeit" dieser Ausbeutungsverhältnisse zu profitieren.

Wieviel tausend Menschen ohne Arbeits- oder gar ohne Aufenthaltserlaubnisse in der Landwirtschaft arbeiten, läßt sich kaum abschätzen. Statistisch erfaßt ist allerdings die staatlich regulierte Saisonarbeit. Ca. 250.000 ArbeiterInnen aus Osteuropa werden jährlich offiziell in die Landwirtschaft vermittelt, Tendenz steigend. Die Zentrale Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn, eine Unterbehörde der Bundesanstalt für Arbeit, fungiert als "Clearingstelle" zwischen Landwirten und Arbeitsämtern im In- und Ausland.
Für ihre Verwaltungsarbeit zockt die ZAV den Bauern schnell mal 60 Euro pro Arbeitskraft ab, immerhin schlappe 17 Mio. Euro im Jahr. Dafür schert sie sich einen Dreck um die Arbeitsbedingungen oder die korrekte Auszahlung der minimalen Löhne. Denn es ist keine Seltenheit, dass die Arbeitgeber Löhne vorenthalten oder Überstunden nicht bezahlen.

Vor allem aus Polen, aber zunehmend auch aus ferneren und ärmeren osteuropäischen Ländern werden ArbeiterInnen für die Landwirtschaft angeheuert. In Rumänien beträgt das durchschnittliche Monatseinkommen ca. 80 Euro und vor dem Hintergrund dieses rassistischen Ausbeutungsgefälles fällt es nicht schwer, die Stundenlöhne für die Landarbeit bis auf drei Euro zu drücken.

Die staatlich rekrutierten BilliglohnarbeiterInnen sind nicht nur auf deutschen Feldern anzutreffen, auch in Frankreich wurde das Vertragssystem für SaisonarbeiterInnen ausgeweitet. Und in Spanien läuft ein Pilotprojekt zur befristeten Anwerbung von ArbeitsmigrantInnen in Ecuador, das von derselben Organisation betreiben wird, die ansonsten für Rückführungen, Grenzaufrüstung und den Aufbau von Internierungslagern bekannt ist: die IOM, die Internationale Organisation für Migration.

Ausgrenzung und Abschiebung der ungewollten Flüchtlinge und MigrantInnen einerseits, Anwerbung und Ausbeutung von ausnutzbaren Arbeitskräften andererseits - dieser rassistischen Verwertungslogik ist staatliche "Ausländerpolitik" verpflichtet. Die "Serviceleistungen" der ZAV stehen ebenso in diesem Kontext wie die Projekte der IOM ....

Mehr zum Thema Arbeit und Migration findet ihr auf der web-Seite zum Grenzcamp (www.nadir.org/camp03) in der Themen-Rubrik unter "Arbeit und Verwertung"
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Ergänzungen

mit Betroffenen sprechen

Osterlämmchen 11.08.2003 - 14:22
Ob die Betroffenen, für deren Rechte ihr angeblich demonstriert, das auch so sehen? Habt ihr schon mal mit ihnen gesprochen? Mal abgesehen davon, dass natürlich niemand etwas gegen eine Lohnerhöhung habt, würde ich doch gerne wissen, was euch veranlasst, 5 Euro Stundenlohn als zu niedrig anzusehen? Der durschnittliche Stundenlohn in Rumänien beträgt nicht mal einen Euro! Dieses Gefälle als "rassistisch" anzusehen, ist schon etwas sehr "bemüht", und entbehrt jeglicher volkswirtschaftlicher Analyse. Eher ist es Folge der sozialisitischen Misswirtschaft, die die Staaten Osteuropas über Jahrzehnte so unproduktiv hat werden lassen. Ehrlich gesagt finde ich diese hier geschilderte Aktion unnötig und kindisch.