Genua: Kommt alle zurück!

Anna Pizzo 17.07.2003 14:28 Themen: Globalisierung
10 Tage Genua: Juli 2001 – Juli 2003. Es ist offensichtlich, dass sich sich Genua dieses Jahr von 2001 unterscheidet, aber es ist angebracht, die Unterschiede der beiden Folgejahre zu skizzieren.
Kommt alle nach Hause zurück!

von Anna Pizzo/Carta

Der erste Jahrestag von Carlos Tod, das Jahr nach den Gewalttätigkeiten, Übergriffen, der Angst und den Zerstörungen: in diesem Jahr wollten all die nach Genua kommen, die aus unterschiedlichsten Gründen 2001 nicht dabei waren. Noch sehr junge Menschen, linientreue DS-Mitglieder (Demokratische Linke), manch eine/r, die sich damals vom Fernsehen überzeugen ließen, doch besser zu Hause zu bleiben, Genueser, die 2001 in Ferien gingen, um nicht in die Geschehnisse verwickelt zu werden.

Dieses Jahr aber kehrt Europa zurück, auch in Hinsicht auf die Vorbereitung des Sozialforums in Paris. Es kommen auch die, welche sich einstmals schworen, nie wieder einen Fuß nach Genua zu setzen: die mit Strafprozessen verfolgten Österreicher, die mit Stieeltritten bedachten Franzosen, die mit dem Schiff angereisten Griechen, die zurück geschickt wurden. Dieses mal sind die Griechen dabei.

Somit wird Genua das dritte mal sein Gesicht ändern: es wird wieder zum mulltikulturellen und vielsprachigen Genua. Es wird aber auch das Genua sein, das sich schon auf seine Weise auf das Jahr 2004 vorbereitet, in dem es die Kulturhauptstadt Europas sein wird. Was das heißt, ist unklar. Deshalb haben wir einige Recherchen angestellt, die ihr in der Nummer von Carta ab dem 17. lesen könnt. Genua wird auch dieses Jahr die Stadt sein, die nicht den Faden durchschneidet der zur Wahrheit und zu Gerechtigkeit führt, was den Mord an dem 23-jährigen Jungen, die Misshandlungen, die Lügen und das eingesetzte Gas angeht. Aus diesem Grund findet am 18. Juli von 14-18 Uhr in dem alten Rathaussaal (sala del consiglio comunale vecchio), im Palazzo Tursi, Via Garibaldi, eine Versammlung von Juristen statt. Wichtig ist auch die Aufforderung der Eltern Carlos und ihrer Freunde, an der Demonstration vom 20. Juli, die von der Piazza Alimonda zur Pazza del Mare geht (Beginn 18 Uhr 30) mit Pflastern auf dem Mund teilzunehmen.

Dieses Jahr wieder massenhaft in Genua zu demonstrieren, ist nicht nur eine Form, Zeugnis abzulegen: Es bedeutet eine der Straßen zu gehen, die weiterführen, damit die Bewegung weiter wächst, und die neuen Herausforderungen der Zivilgesellschaft erkannt werden. Es ist eine einmalige Gelegenheit die verschiedenen Erfahrungen der Sozialforen miteinander zu konfrontieren und es bedeutet die Notwendigkeit eine Spur zu verfolgen, die von Genua bis heute nicht einen Augenblick der Ruhe erlaubt hat: Genua verwüstet und vergewaltigt durch einen Mord, dann der 11. September und der Krieg, der ihn zur Rechtfertigung heranzog.

In Genua zu sein, heißt nicht nach Hause zu gehen, denn das Haus der Bewegung ist (auch) Genua.

Übersetzung G.Melle
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Genua 2001 - Erinnerung

Stefano 17.07.2003 - 19:56
Ich war in Genua – wieviele Lügen

Also ich war auch in Genua. Ich habe einiges erlebt. Glaubt nicht Zeitungen und Fernsehen. Es war eine irrsinnige Geschichte, ein Massaker. Es ist sehr schwierig das alles zu berichten, was zwischen Freitag und Samstag geschah. Um es zu tun, berichte ich von meinen und von den Erfahrungen geschätzter Freunde, die auch in Genua waren. Ich bitte euch um etwas Geduld und aufmerksam diese Zeilen zu lesen. Es ist wirklich ein Alptraum, von dem ihr nur wenig in den Massenmedien erfahren werdet.

1. Ich komme am Donnerstag, nach der vergnügten Demonstration mit 50000 Teilnehmern, an. Es gibt dort Aufnahmezentren und wir sind sehr viele. Es sind tausende friedliche Menschen, es herrscht ein wundervolles Klima (ich erinnere mich an mein Zentrum mit Scouts), es wurde diskutiert, getanzt und wir fühlten uns alle gut. Scouts, Militante, Aktivisten: Montag morgen bereiten wir die Themen für die Plätze in einer von Polizei belagerten Stadt vor. Die verschiedenen Organisationen sind auf die Stadt verteilt, um eine festliche Besetzung mit Tanz, Performance und Slogans an der berüchtigten Roten Zone vorzubereiten.

In dieser Situation erscheinen am Lungomare (Strandpromenade) die berühmten Black Blocs. Einige von ihnen werden zusammen mit der Polizei gesehen, andere kommen direkt aus ihren Reihen. Sie sprechen vornehmlich deutsch. Sie beginnen damit, alles zu verwüsten. Die Polizei verhält sich still und schaut zu. Dann versuchen die Black Blocs, in die Reihen der Arbeiter von Cobas und weiterer Gewerkschaften einzudringen. Sie verprügeln einige ihre Leader und können nur mit Mühe zurückgedrängt werden.

Danach erscheinen die Black Bloc auf dem ersten Platz der Themen (von den Sozialzentren organisiert). Sie sind bis an die Zähne bewaffnet. Die Polizei folgt ihnen und die Manifestanten werden zuerst von ihnen und dann von der Polizei angegriffen. Sie beginnt mit ihrem brutalen Einsatz. Die Black machen sich davon und erscheinen auf der Piazza, wo sich das Rete Lilliput befindet (Gerechter Handel, Katholische Basisgruppen, Mani Tese etc.). Die Leute entschließen sich zum pazifistischen Widerstand, versuchen sie so verscheuchen. Doch die Polizei folgte den Blacks und überfällt den Platz. Die Leute heben die Hände und rufen „Pace“ (Friede). Es fliegen Gasgranaten. Es gibt viele Verletzte. Die Blacks gehen weiter und fahren fort mit der Verwüstung der Stadt.

300-400 Black Blocs durchstreifen die Stadt. Wer sie anführt, kennt genau ihre Geographie. Ihr zerstörerischer Weg zielt auf die Plätze der Themen, wo sich die Initiativen der Bewegung befinden. Es ist grauenhaft. Sie bewegen sich militärisch, infiltrieren, ihre Führer schreien Befehle und ihre Untergebenen führen sie aus. Und ihnen auf dem Fuß folgen Polizei und Carabinieri.

Auf dem Themenplatz von ARCI (Associazione recreativa di cultura italiana – Gesellschaft für neue italienische Kultur) und Attac läuft alles friedlich. Am frühen Vormittag wird entschieden an die Grenze zur Roten Zone zu gehen, die schon mit Liedern und Sketches etc. belagert wird. Die Leute strömen zur Piazza Dante und die Polizei beginnt sie plötzlich mit Gasgranaten zu beschießen. Es ist ein allgemeines Flüchten.

Die Krankenhäuser beginnen sich mit Verletzten zu füllen. Viele gehen erst gar nicht dort hin, weil die Polizei alle festhält, die dort ankommen. Es ist Abend und die Leute sind bestürzt, bei vielen macht sich die Wut breit. Von den Blacks ist auf einmal nichts mehr zu hören und zu sehen.

An der Zitadelle, am Treffpunkt des Genua Sozialforums versammeln sich zehntausende. Die Nachricht vom Tod des Jungen hat sich herumgesprochen. Es herrscht Angst und Erzählungen von Misshandlungen und Gewalttätigkeiten machen die Runde. Da sind Jugendliche und Ordensschwestern, die zu weinen beginnen. Und es gibt ein Haufen verwundeter Leute. Ein Alter Mann, ein pensionierter Metaller mit einem Kopfverband, weint ebenfalls.

Anwesend sind auch der Priester Don Gallo von der Kirchengemeinde San Benedetto, die leitende Mamma der Mütter von der Plaza de Mayo aus Argentienien. Sie suchen seit Jahren nach Informationen über ihre verschwundenen Kinder. Die Mutter sagt, dass das, was sie gesehen hat, sie an die Zeiten der Militärdiktatur in Argentinien erinnert: „Ich habe nicht geglaubt, dass so etwas in Italien möglich ist.“

Der Senator Malabarba erzählte, dass er auf der Questur gewesen sei und dort seltsame Personen, die wie Demonstranten gekleidet waren, gesehen hat. Sie sprachen deutsch aber auch andere Fremdsprachen. Sie unterhielten sich mit der Polizei und verließen dann die Questur wieder. Plötzlich gibt es in einer Bank in der Nähe der Zitadelle einen Brand. Darüber kreisen Helikopter im Flug. Mehr als 40 Minuten aber ist weder Feuerwehr noch sonst jemand zu sehen. In der Nacht wird unser Camp, Carlini, von der Polizei umstellt. „Kommt herein, um uns zu verfolgen! Macht, was ihr wollt!“ Die Stimmung ist verzweifelt und die Leute weinen. Sie flehen die Polizei an, nicht noch einmal draufzuschlagen. Die Polizei kommt herein und findet nichts.

2. Samstag: Die große Demonstration, wir sind wirklich unübersehbar viele. Der Corteo (Demonstrationszug) bricht auf und es zeigen sich tausend Farben aus aller Welt. Alle Organisationen, Gruppen des Volontariats, Bauern, Metallarbeiter, Kurden etc... Gesang, Tanz, tausend Fahnen.

Piazzale Kennedy (Kennedyplatz). Es gibt keine Auseinandersetzungen, nichts derartiges. Plötzlich erscheinen die Black Bloc und die Polizei schneidet ohne Grund die Demonstration in zwei Teile. Der Krieg beginnt. Überall fliegen Gasgranaten durch die Luft. Sie sind verrückt geworden. Die Polizei greift die Metaller von der FIOM (Gewerkschaftsverband) an und die Giovani Comunisti (Kommunistischer Jugendverband, Rifondazione Comunista). Verfolgungen durch ganz Genua beginnen jetzt. Wer bleibt wird geschlagen. Sie werden misshandelt, verfolgt, geschlagen, nur weil sie als Demonstranten ausgemacht wurden. Auch ein Journalist von Sunday Times wird von der Polizei geschlagen.

Auch an einem ruhigen Punkt am Lungomare, werden plötzlich vom Dach aus Gasgranaten abgefeuert. Sie verursachen Panik. Es ist Nervengas, es verursacht Hautätzungen und nimmt den Atem. Die Black Bloc tauchen auf und verschwinden, niemand stoppt sie. Sie fallen über einen Jungen von Rifondazione her. Sie zerreißen ihm die Fahne und schlagen ihn. Sie werfen mit Steinen nach den Sprechern des Genua Sozialforums. Sie zerschlagen Schaufenster und legen Brände. Sie sind bis auf die Zähne bewaffnet: Wie sind die so in dieses belagerte Genua hereinkommen?

An der Spitze des Demonstrationszuges ist es ruhig. Das Genuasozialforum appeliert in Ruhe zu demonstrieren und nicht allein durch die Stadt zu laufen. Wir werden Richtung Marassi dirigiert, wo sich die Busse von den heute morgen angekommenen befinden. Dort geht es nicht mehr weiter. Man kann nicht nach vorn: an der Piazzale Kennedy ist Krieg. Wir sind hier sehr viele und sitzen auf der Straße. Plötzlich beginnt der Beschuss mit Gasgranaten. Allgemeine Flucht. Wir versuchen zur Zitadelle, zum Anlaufpunkt des Genua Sozialforums zu kommen. An uns kommen Polizeiwagen vorbei, woraus gerufen wird, wir bringen euch alle um!

Der zweite Abschnitt des Zuges erreicht nie den Platz, auf dem die Abschlusskundgebung sein soll. Alle am Lungomare werden jetzt unterschiedslos attackiert. Wer kann, flieht in die Nebenstraßen der Hügel, worauf eine wirkliche Menschenjagd einsetzt.

Samstagnacht: Die Demonstration ist schon seit einigen Stunden beendet als die Polizei die Presseräumlichkeiten des Genua Sozialforums überfällt. Sie prügeln mit außerordentlicher Gewalt auf alle ein. Sie zeigen vor allem auch an der Dokumtation Interesse, an Zeugenberichten, Videos, Fotos von dem, was zwischen Freitag und Samstag geschah. Mit Präzision vernichten sie alles, was ihnen unter die Finger gerät. Alle PC's werden zerstört, sowie die gefundenen Dokumente, verhaftet wird der Rechtsanwalt, der die Rechtshilfegruppe in Genua koordiniert. Zerstört und weggeschafft werden auch alle Dokumente, welche die Rechtsanwälte zur Verteidigung der Inhaftierten gesammelt haben. Jetzt ist nicht einmal mehr klar, wieviele es sind und weshalb sie angeklagt wurden.

Während dieser Verfolgungaktion ist es Parlamentariern, Rechtsanwälten, Journalisten und Ärzten verboten, das Gebäude zu betreten. Von den berühmten Waffen, die dann im Fernsehen gezeigt wurden, ist nichts zu sehen, wer zu sehen ist, sind die Verwundeten und Verhafteten. Von den Black Blocs ist ebenfalls nichts mehr zu hören.

Ich sage euch, es waren zwei Tage Alptraum: Black Bloc und Ordnungskräfte haben ein Massaker angerichtet und das wollten sie auch tun. Polizisten und Carabinieri sind verrückt geworden, seit Freitag morgen schrien, prügelten und beleidigten sie. Sie haben wirklich eine Gehirnwäsche bekommen. Und dann, was im Fernsehen gezeigt wird und in den Zeitungen steht: Mein Gott, wenn das nicht ein Regime ist. Wo ist über die Wahrheit berichtet worden, die wir alle, die dort waren bezeugen können. Ich werde wahnsinnig bei dem Gedanken, dass es immer noch welche gibt, die sagen: Ihr Demonstranten erzählt wieder mal die üblichen Geschichten.

Lasst euch nicht täuschen, habt den Mut eure Überzeugungen zu den bewundernswerten italienischen Ordnungskräften und den Apparaten unseres Staates zur Diskussion zu stellen. In Genua ist etwas Verrücktes passiert. Sie haben die neue Regierung eingeweiht. Noch etwas zu dem Jungen, der ermordet wurde. Kennt ihr noch die erste Version, bevor die Videos erschienen? Getötet durch einen Steinwurf von anderen Demonstranten!

Und bedenkt man, dass viele Dokumente bei dem Überfall auf das Pressezentrum des Genua Sozialforums zerstört worden sind... bleiben uns nur noch die „sicheren“ Versionen der Ordnungskräfte. Überlegt, bringt das Erlebte in Umlauf, es ist notwendig, die Wahrheit zu sagen. Erzählt sie euren Freunden, Verwandten, Arbeitskollegen. Und ich bitte euch, wendet euch nicht ab.

Grazie Stefano



anders erlebt

nennt mich wie ihr wollt 17.07.2003 - 21:03
hallo stefano,hallo leute,
ich war auch in genua und war im knast wegen schwarzer kleidung. hatte ein halbes jahr nen echten knacks und frag mich manchmal warum ich mich als polithool abstempeln lassen muss obwohl ich zu keiner zeit gewalt in genua angewandt habe. weil ich eine nonreformistische haltung einnahm? das aber nur vorab.
wir (meine gruppe) waren von donnerstag (migrantInnendemo) bis freitag nächster woche in dieser stadt und ich muss sagen, dass ich deine einschätzung bezüglich des black bloc´s nicht teilen kann. zum einen gab es den black bloc nicht. zum anderen war der berüchtigte "mob" wie du es schon sagtest nur ein paar wenige (ca 400?) bei denen auch einige provokateure waren.
das problem war, dass viele militante gruppen unterschiedliche herangehensweisen hatten (ein paar griechen verprügelten bsp kammeraleute, da sie eine anderen haltung zu den massenmedien haben als beispielsweise hier in deutschland) dies führte zu einem ziemlich großen chaos, was die provos sehr gut nutzen konnten.
nachdem am anfang des action day´s sich radikale gruppen sammelten waren es übrigends die staatskräfte die als erstes attakierten (zugegeben: nicht dass die leutels darauf nicht gewartet hätten) nach einigen hin und her zersplitterte sich der haufen zu den so bekannt gewordenen kleinen black bloc. doch erst als die ersten kleinwägen zerstört wurden.( EINIGE GINGEN; EINIGE VERSUCHTEN ABER AUCH DIE KONFRONTATION MIT DEN PROVOS EINZUGEHEN) später kam es des öfteren noch zu angriffen auf personen, die kleinwägen anzündeten oder sinnlose barikaden bauten(keine rückzugsmöglichkeiten). hier kam es auch vor, das einer der provos tatsächlich als bulle enttarnt wurde (einmal hab ich es zumindest selbst mitbekommen).
in den nächsten tagen begann nach der teilweisen demontage der city eine diffuse entsolidarisierung mit jeder radikalen kritik (sowohl von attacis als auf dogmatischen kommies). hierzu sollte mensch vieleicht mal was von agnoli lesen (transformation der demokratie), so nebenbei.
nun aber zum punkt. wir wurden nicht nur von den bullen eine woche als freiwild durch die stadt gejagt (nebenbei war´s so, dass ab montag das motto regierte "die letzten beißen die hunde")sondern auch von mitgliedern der kommunistischen partei italiens angespuckt (kein scherz) da wir mit schwarzen klamotten natürlich blac blocs waren. keinem interessierte, dass unser auto von der polizei abgeschleppt und zerlegt wurde (totalschaden, war aber zum glück nur ein mietauto). ich habe selbstverständlich deutsche automaten gesehen, die scheiße bauten, aber sie waren bei weiten nicht die einzigen demonstranten, die gewalt ausübten oder diese zuliesen (ein junges punkermädchen, dass vor bullen floh wurde in einen bürgerlichen demoblock nicht reingelassen obwohl mensch nicht sehen konnte ob sie etwas angestellt hatte oder nicht. leider waren es eben nicht nur die blac blocs!


ps:ich bitte zu entschuldigen, wenn ich manchmal den schwarz-roten faden verlier, aber die emotionen sind doch noch etwas zu intensiv. desweiteren bitte ich auch vor retschreib- und grammatikfehlern gnade walten zu lassen.
in liebe

auch anders erlebt...

mrX 18.07.2003 - 00:48
Also das was Stefano da schreibt kann ich auch nicht so ganz stehen lassen.

Ich war auch in Genua, und ich war bei den Leuten dabei die Stefano hier als einheitlichen „Black Block“ darstellt. Dazu muss ich sagen das es diesen Block als Einheit nicht gegeben hat. Es waren am Freitag, dem Direct Action Day, viele Gruppen in mehreren verschiedenen Blöcken mit militanten Aktionsformen unterwegs. Wie jetzt genau, zu jeglicher Zeit an jedem Ort, agiert wurde kann ich natürlich nicht wiedergeben, da ich mich ja nicht überall gleichzeitig aufhalten konnte. Dennoch kann ich die Geschehnisse so wiedergeben, wie ich sie erlebt habe.

Es kam im laufe des Tages natürlich zu Sachbeschädigungen, da diese, klug durchdacht, Konsens militanter Aktionsformen sind. Weiterhin gab es auch solche die nicht unbedingt als Ziel angemessen waren. Diese konnten natürlich von Provokateuren verursacht worden sein, welche, wie ja allgemein bekannt, fast auf jeder Demo ihr Unwesen treiben. Was ich nicht glaube, und von dem Block mit dem ich unterwegs war weiß, ist, dass ein Block von diesen gelenkt und geleitet worden ist. Es ging an den besagten Tag ziemlich drunter und drüber und die Bewegungen der militant agierenden Menschen waren weder militärisch noch gab es irgendwelche Führer die irgendwelche Untertanen gelenkt haben.

Das es zu sinnlosen Zerstörungen gekommen ist, ist natürlich zu bedauern. Aber es wurden oft Menschen davon abgehalten z.B. Kleinwagen umzuwerfen oder Banken anzuzünden die in Wohnhäuser integriert waren. Dazu kommt noch, dass vielleicht einfach Leute die in solchen Situationen, sein es knüppelnde Bullen, Tränengasattacken oder einfach nur die Hitze, ihren Verstand nicht klar beieinander haben und so sinnlose Sachen machen.

Später zerstreuten sich die Leute und fanden sich zum Teil wieder mit anderen zusammen um sich vor den attackierenden Bullen zu schützen.

Alles im allen klingt das was Stefano da schreibt, wie irgendeine Hetze aus einem Boulevard-Blättchen. Leider hat die Hetze aus den Zeitungen auch einen grossteil der angebliche Bewegung beeinflusst. So musste ich und die Gruppe mit der ich unterwegs war am eigenen Leib spüren wie es ist von einer Horde aufgebrachter Kommies attackiert zu werden.

Ich kann nur raten nicht alles zu glauben was irgendwo geschrieben steht. In dieser Woche ist einiges Falsch gelaufen und nicht wieder gut zu machen. Viele haben die staatlichen Repressionen auf härtestes zu spüren Bekommen. Gerade das verprügeln von Menschen mit friedliche Aktionsformen sollte uns stutzig machen, denn gerader der Glaube, dass „ich“ wegen „denen“ verprügelt worden bin, führt zu einer einfachen und schnellen Spaltung. Doch dieses darf nicht passieren (leider ist es teilweise schon), denn nur die Einheit von vielen Menschen mit vielen unterschiedlichen Aktionsformen kann sich als emanzipierte Bewegung darstellen und wirklich etwas bewegen.

In diesem Sinne: Kraft und Liebe!!!

kommt zur demo in berlin!

-- 18.07.2003 - 13:53
VON GÖTEBORG NACH GENUA ...Nach Genua ist vor Göteborg
Demonstration gegen die Kriminalisierung emanzipatorischer Bewegungen am 20. Juli 2003
Die Proteste in Göteborg gegen den EU-Gipfel und darauffolgend gegen den G8-Gipfel in Genua sind zu einem Symbol der globalisierungskritischen und antikapitalistischen Bewegungen geworden. Dies liegt nicht zuletzt an dem einschneidenden Ereignis der Ermordung Carlo Giulianis, deren Jahrestag Anlass für diese Demonstration ist. Menschen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen und politischen Spektren von Gewerkschaften bis hin zu linksradikalen Gruppen gerieten in Bewegung. Doch am Ende des "Summer of Resistance 2001" sahen sich die AktivistInnen auch mit einer neuen Dimension der staatlichen Repression konfrontiert. Immer noch stehen Prozesse aus und einigen Personen drohen langjährige Haftstrafen.

repression

Zum ersten Mal (zumindest was Europa anbelangt) wurde im Kontext von Gipfelprotesten in Göteborg auf DemoteilnehmerInnen geschossen, was drei Schwerverletzte zur Folge hatte. In Genua wurde Carlo Guiliani erschossen. Die Brutalität der italienischen Polizei, die einen weiteren Höhepunkt im Überfall auf die Diaz-Schule am 21. Juli fand, hatte eine Dimension, die in Europa keinEr erwartet hätte. Sowohl in Göteborg als auch in Genua wurden an den Tagen nach den Gipfeln noch wahllos Menschen verhaftet. In Genua kam es zu Misshandlungen der Festgenommenen in Polizeigewahrsam oder im Gefängnis. Die Traumatisierung von AktivistInnen ist dabei politisches Kalkül.
Zunehmend werden Repressions- und Kontrollmaßnahmen in das Vorfeld von Protesten verlagert. So wurde für die Dauer des G8-Gipfels das "Schengener Abkommen" in Italien außer Kraft gesetzt, Grenzkontrollen für EU-BürgerInnen wieder eingeführt und Meldeauflagen und Ausreiseverbote für die sogenannten "ReisechaotInnen" in den Herkunftsländern ausgesprochen. Trotz der vorangegangenen Einschüchterungsversuche beteiligten sich an den Demonstrationen in Göteborg und Genua insgesamt über 350.000 Menschen aus aller Welt.
Der Ermittlungsaufwand, der v.a. nach Göteborg an den Tag gelegt wurde ist immens. Zahlreiche schwedische Polizeibeamte waren über ein Jahr mit der Auswertung von Video- und Fotomaterial beschäftigt. Die Ermittlungsergebnisse wurden an die Polizeien in fünf anderen Staaten weitergeleitet, was Anfang diesen Jahres neue Verhaftungen und Verfahren zur Folge hatte, u.a. in Bremen und Berlin. Die schwedische Polizei musste mittlerweile einräumen, dass in Prozessen eingesetzte Videos manipuliert waren. Auch in Genua ist die Manipulation von Beweismaterial inzwischen gerichtlich bestätigt.
Im Anschluss an Göteborg kam es zu einer beispiellosen juristischen Verfolgung, bei der von 56 Verurteilungen 42 Haftstrafen ausgesprochen wurden. Die durchschnittliche Dauer der Haftstrafen liegt bei über einem Jahr. Die extrem hohen Haftstrafen haben die Funktion, von jeglicher politischer Aktivität abzuschrecken.
In Genua gab es bisher erst wenige Verurteilungen, die Masse der Anklageerhebungen ist im Herbst diesen Jahres zu erwarten. Während des Gipfels wurden knapp 400 Leute festgenommen, vielen drohen nun Haftstrafen bis zu 15 Jahren.

innenpolitische aufrüstung

Um die Spielräume oppositioneller Bewegungen zu beschränken und die neue kritische Öffentlichkeit zum Verstummen zu bringen, wurden neue Gesetze auf den Weg gebracht. Das "Schengener Abkommen" kann aufgehoben werden, um bei Gipfelveranstaltungen Grenzkontrollen innerhalb Europas durchzuführen. Ergänzt wurde dies durch das sogenannte "Hooligan-Gesetz", das Meldeauflagen sowie Eintragungen in den Reisepass ermöglicht, die dessen Gültigkeit für bestimmte Länder zeitweise aufheben. Missachtungen der Beschränkung können mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr geahndet werden. Die zunehmende Zentralisierung von Datenbanken im europäischen "Schengen Informations System" (SIS) erweitert die Möglichkeiten der Überwachung. Im SIS werden Daten von "Gruppen und Personen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit" darstellen gespeichert. Diese Definition ist bewusst äußerst vage gehalten. Einmal gespeichert werden die Daten keinesfalls gelöscht, selbst wenn ein Verfahren eingestellt oder mensch freigesprochen wurde.
Der europäische Haftbefehl, der ab 2004 in Kraft treten soll, vereinfacht bisher komplizierte Auslieferungsverfahren und ermöglicht die EU-weite Fahndung. Abgesehen davon existiert aber bereits eine weitgehende europäische Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung. So haben u.a. die deutschen Behörden der schwedischen Staatsanwaltschaft auf der Grundlage des "Europäischen Übereinkommens über Rechtshilfe in Strafverfahren" gerne Amtshilfe geleistet. Dieses Vorgehen ermöglichte nun - zwei Jahre später - eine Verurteilung von bisher drei im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel in Göteborg angeklagten Personen in der BRD. Weitere Verfahren sind noch anhängig. Die neue Qualität der europäischen Zusammenarbeit wurde auch aktuell bewiesen, als 1000 deutsche Polizisten während des G8-Gipfels in Evian eingesetzt wurden.

terror

Nach dem 11. September 2001 wurde die Verschärfung von sogenannten Sicherheitsgesetzten in einem Tempo durchgesetzt, vom dem SicherheitspolitikerInnen bisher nur träumen konnten. Die Grenzen zwischen Militär und Polizei, zwischen Innerer und Äußerer Sicherheit verschwimmen. Die europäische Terrorismusdefinition in der Terrorismusgesetzgebung, die auch das sogenannte "rioting" umfasst, soll nach und nach auch auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Der Verweis auf Terror legitimierte ebenfalls eine Verschärfung des rassistischen Kontrollregimes gegen MigrantInnen, die damit ein weiteres Mal als "gefährlich fremd" stigmatisiert werden konnten. Das "Ausländerzentralregister" (AZR) in Köln speichert die Daten sämtlicher in Deutschland lebender Menschen ohne deutschen Pass. Diese rassistische Sondererfassung soll eine möglichst lückenlose Überwachung herstellen und ist deshalb auch mit dem "Schengener Informations System" (SIS) kurzgeschlossen. Die Kontrolle von Migration gipfelt in der Entziehung von jeglichen Grundrechten in den neuen "Ausreiselagern". Flüchtlinge werden während des gesamten Asylverfahrens in Lagern untergebracht, um so die Abschiebung zu erleichtern.

spaltung

Mit der Durchsetzung der Terror-Gesetze wurden auch Teile der Linken unter diesen Begriff subsumiert. Dies gehört zu einer Strategie der Spaltung des Protestes. In Göteborg und gerade auch in Genua wurde die Bewegung auf ein Feindbild reduziert: Das Konstrukt vom "black bloc". Mit Hilfe diverser Verschwörungstheorien wurde eine "international operierende Terrorganisation" fingiert, wodurch auch die europäische Linke mit der Formel "Bekämpfung des internationalen Terrorismus" kriminalisiert werden kann.
Solche Spaltungsversuche sind auch in der Linken nicht ganz ohne Folgen geblieben. Größere NGOs wie z.B. "Attac" haben sich immer wieder vom militanten Widerstand distanziert. Durch die Konstruktion des "black bloc" wurde eine Atmosphäre geschaffen, in der verschiedene Widerstandsformen in gut und böse polarisiert und gegeneinander ausgespielt werden konnten.

damals

Aber es gab nicht nur Repression im Sommer 2001, sondern auch eine neuartige Form des Protestes. Göteborg und Genua haben den verschiedensten Protestformen Raum geben können. 300.000 DemonstrantInnen in Genua, heftige Auseinandersetzungen und ein beträchtlicher Sachschaden haben für ein enormes Ausmaß medialer Thematisierung gesorgt. Die globale Vernetzung hat praktisch bewiesen, dass es eine emanzipatorische Form der ‚Globalisierung' gibt. Die Kritik an der globalen kapitalistischen Totalisierung muss also nicht notwendig in eine Besinnung auf das Nationale zurückfallen.

Doch es geht nicht darum, sentimental den "guten alten Zeiten" nachzuhängen, sondern Geschichte mit ihren Möglichkeiten zu konfrontieren.

- Einstellung aller Verfahren im Zusammenhang mit Gipfelprotesten!
- Freiheit für alle Gefangenen von Göteborg und Genua!
- Keine Entsolidarisierung mit kriminalisierten AktivistInnen!
- Gegen die Aufrüstung der inneren Sicherheit!
- Abschaffung aller polizeilichen Datenbanken!
- Gegen kapitalistische Verwertungslogik! Für globale Umverteilung!
- Für globale Bewegungsfreiheit! Grenzen auf für alle Flüchtlinge!

- Ricordiamo di Carlo!

20. Juli, 14.00, Italienische Botschaft, Tiergartenstraße
[Zwischen Grosser Stern und U-Bhf. Nollendorfplatz]
Die Demo endet am Auftakt der Gelöbnix-Demo [16.00 Uhr, Brandenburger Tor]

Infoveranstaltungen in Berlin zu Göteborg, Genua und der Kriminalisierung globalisierungskritischen Protests:
Der "europäische Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" gilt nicht für alle. Durch Instrumente wie z.B. nationale Ausreiseverbote, den neuen § 129 a und den europäischen Haftbefehl werden Handlungs- und Bewegungsspielräume immer mehr beschränkt. Infos zum Stand der Verfahren und der „Harmonisierung“ europäischen Rechts:
7. Juli, 20.00 Uhr, Mehringhof (mit RA Silke Studzinsky und AktivistInnen aus der Soliarbeit)
12. Juli, 16.30 Uhr, Liebigstraße 14 (mit AktivistInnen aus der Soliarbeit)

AufruferInnen: Ermittlungsausschuß Berlin/ Bundeskoordination Internationalismus/ F.e.l.S./ Solitreffen Göteborg Berlin/ Gipfelsturm/ Autopool/ Gipfelsoli Infogruppe/ Subcutan/ Genova Libera/ Il Casolare/ Il due Forni/ Rote Hilfe OG Berlin/ BesetzerInnen des Willy-Brandt-Hauses/ Antifaschistische Bündnis Marzahn-Hellersdorf/ Treptower Antifa Gruppe

Kontaktadressen:
Für Göteborg  solitreffengbg@gmx.net, für Genua  genova.libera@gmx.net, für beide  gipfelsoli@nadir.org

Spendenkonten:
Göteborg: Rote Hilfe e.V.; Berliner Bank; BLZ 100 200 00; Kto.-Nr.: 718 959 06 00; Stichwort: Göteborg
Genua: EA- Berlin, Sonderkonto Klaus Schmidt, Postgiro Berlin, BLZ 100 100 00, Kto.-Nr.: 206 10-106; Stichwort: Genua

V.i.S.d.P.: Tutti N. Piazza, Piazza Carlo Giuliani, Genova/ Italia

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

aus Italien — Pippo Ultrà

@stefano — abc