Zur aktuellen Lage im Iran - über einige Widersprüche.

Aug und Ohr 20.06.2003 20:27 Themen: Repression
Die iranische Führung entwickelt sich langsam zu einer Komplizin des Imperialismus. Von außen bedroht, gibt sie die Drohung im Innern weiter.
Wenn Studenten und Studentinnen im Iran auf die Straße gehen, dann wird das gelegentlich vermerkt, aber nur dann, wenn es besonders spektakulär ist. Seitdem vor vier Jahren eine beispiellose Explosion von Jugend- und Studentenprotesten stattfand, hat es Dutzende studentische Kundgebungen in Teheran gegeben, und zahlreiche in anderen großen und kleineren Städten. Kontinuierlich war die Berichterstattung der imperialistischen Zeitungen darüber nicht.

Wenn Arbeiter und Arbeiterinnen im Iran auf die Straße gehen, so ist dies der imperialistischen Presse keine Erwähnung wert. Die unzähligen Proteste wegen nichtausgezahlter Löhne, das unbarmherzige Vorgehen der Polizei dagegen, die materielle Situation der Arbeiter, das ist kein Thema für diese Presse, besonders nicht für die Presse Europas.

Jetzt sind wieder ?Studentenunruhen?. Daß der Proteste gegen die Privatisierung von Bildungseinrichtungen für die übrige Bevölkerung erst einen Anlaß bot, zusammenkommen und, zusammen mit den Studenten, umfassende Forderungen zu stellen, daß die Studenten nur einen Bruchteil der Demonstrierenden darstellen, das fällt ein wenig unter den Tisch.

Aber eines kann man nicht mehr unter den Tisch kehren, daß die Leute auch von Khatami jetzt endgültig genug haben, daß sie nicht nur den ?Führer? Khamenei, der so vielen Menschen den Tod gebracht hat, den Tod wünschen, sondern daß sie auch Khatami weghaben wollen - der übrigens an mehreren Massenmordwellen als Einpeitscher, Organisator und Ideologe beteiligt war..

Es wird den imperialistischen Ländern in Zukunft schwerfallen, ihre mehr als durchsichtige Konstruktion der beiden Lager, des liberalen Lagers, mit dem man sich verbünden solle, und dem der Hardliner, weiter durchzuziehen. Im Iran glaubt nämlich niemand mehr daran, niemand glaubt mehr, daß die ?Liberalen? einen Übergang in die Demokratie ernstlich beabsichtigen.

Das ?liberale Lager? und sein Aushängeschild Khatami diente dazu, den Geschäften des Westens mit der blutigsten Folterdiktatur der Welt einen Anschein von Legitimität zu verleihen.

Khatami, der sensibel-differenzierte Säuselbold, ist dann ganz mit dem harten Kern des Regimes d´accord, wenn es um ganz harte Entscheidungen geht. Als die Protestbewegung vor vier Jahren zu radikal wurde, hat er, der sie zuerst protegierte und bevormundete, sich plötzlich hart und verächtlich dagegengestellt.

In noch erschreckenderem Ausmaß wurde jetzt sein Zynismus offenbar, als er von Frankreich die Auslieferung der Oppositionellen verlangte, die die französische Polizei eben aufgerieben hat. Seine Kritik am imperialistischen Vorgehen gegen die irakische Bevölkerung kann man nicht mehr ernst nehmen, nachdem er sich auf derart infame Weise gegen das primäre Feindobjekt der Amerikaner und Europäer gewendet hat und dadurch zu einem echten Komplizen der US-Amerikaner und Europäer geworden ist.

Ja er besitzt die Unverschämtheit, diejenigen, die offen auf der Schwarzen Liste der imperialistischen Europäischen Union als ?Terroristen? rangieren, von Europa für seine Foltergefängnisse anzufordern.

Der Staatsterrorist will von Europa die Auslieferung der antitotalitären Opposition.

Wenn das nicht Komplizität mit dem imperialistischen Europa ist, was dann?

Ist die Politik des Iran nicht ein Anhängsel dieses Europas? Ist dieses Friedhofsland nicht ein Experimentierfeld Europas? Ist der Staatsterror dieser ?islamischen? Regierung nicht im Grunde ein getreuer Diener des europäischen Staatsterrors?

Will da immer noch jemand behaupten, die Politik dieses Landes sei gegen den Imperialismus gerichtet? Wenn Khatami-Khamenei die europäische ?Antiterror?-Politik gutheißen und auch noch überbieten wollen- dann hat sich wohl für alle Zeiten das Geschreibe vom ?antiimperialistischen? Iran erledigt.

Was ist denn das für ein Europa? Ein Heuchlergebilde, das von der Diktatur im Iran spricht und die Opfer dese Diktatur mit eben derselben Brutalität behandelt wie die Diktatur selbst!

Ihr Kampf gegen ?Terrorismus?richtet sich gegen die Opfer des iranischen Staatsterrors.

Da können wir ja gleich von der ?Islamischen Republik Europa? sprechen. So ein Vorgehen gefällt ihnen am Islam - sonst hatten sie ja gegen ihn einige Vorbehalte.

Mit diesem perfekten Einverständnis mit dem Euro-Terror gegen die, die im Widerstand gegen die Diktatur sind, hat sich der wahre Khatami geoutet.

Wenn sie jetzt Hizbollah-Aktivisten verhaften - ist´s wohl am Ende als Zeichen für Europa gedacht - mit dem sie auf alle Fälle ihre Geschäfte machen wollen...

Aber was bleibt denn von ihrem ?Antizionismus? übrig, wenn sie sogar ihre Hizbollahis und anderen staatlichen Schläger fallen lassen - die von der Justizbehörde übrigens offiziell als ?vorbestrafte Gewalttäter? bezeichnet wurden?

Seit wann lässt denn ein Terrorstaat seine Staatsterroristen fallen?

Diesem Iran kann man nicht trauen! Er wird noch - aus lauter Opportunismus - die Unterstützung für die libanesische Hizbollah und für Hamas fallen lassen und sich mit Israel verbünden. Das Regime ist derartig verfault, daß es dazu alle Voraussetzung en erfüllt. Der Susurluk-Staat ist ja auch ein kongenialer Verbündeter der Zionisten.

Man wird sich in Zukunft noch auf einiges gefaßt machen müssen. Die wendigen Rhetoren der Islamischen Republik haben schon begonnen, die Studenten und Jugendlichen zu loben. Niemand geringerer als Rafsandjani sagte: ?Das ist ganz normal, daß junge Leute zornig sind und daß sie zu klagen haben, darüber wollten wir uns keine Sorgen machen?.

Es wurde zwar eine Woche zuvor ein Junge, der Flugblätter verteilte, auf denen Protestaktionen angekündigt waren, erschossen, und vor einigen Tagen wurde ebenfalls ein protestierender Student erschossen, also zwei Staatsmorde innerhalb von zwei Wochen, aber man muß sich, parallel zu solchen Ereignissen, darauf einstellen, daß die Studenten möglicherweise zum Stolz der Nation erklärt werden. Die Mullahs sind ein wenig in der Defensive, so greifen sie zu allen möglichen Tricks. Vielleicht werden sie noch die von ihnen ermordeten Arbeiter und Arbeiterinnen zu nationalen Symbolen hochstilisieren.

Vielleicht wird Amerika demnächst von Khatami zu Verbündeten erklärt - und das Morden und Foltern geht unbehelligt weiter.

Vielleicht bietet Khatami die iranische Ölfirma einem großen westlichen Multi an, etwa Shell? Vielleicht findet er dafür die Formel eines ?umfassenden Wirtschaftsdialogs??

Vielleicht bitten die Mullahs - nach einigen Wochen desorganisierten und halbherzigen Widerstands - die Anerikaner, als ?Friedenspartner? im Land Position zu beziehen und stellen ihnen eine Sonderhandelszone (darin haben sie ja schon Erfahrung) zur Verfügung, in der sich auch eine kleine US-Basis befindet, zu Forschungszwecken?

Sehr antiwestlich sind die Studenten ja eh nicht - ihre Regierung wird ihnen schon nachziehen...

Wer bei allem draufzahlt, das sind immer die Arbeiter und die Arbeiterinnen und die Arbeitslosen.
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Ergänzungen

Widersprüche

SchwarzerWind 21.06.2003 - 04:13
Hallo...
Erstmal ziehst du hier pauschal über eine Religionsgemeinschaft her.
Bitte fang an zu differenzieren!

Ich weiß nicht was ihr euch hier alle fragt.
Doch ich frage mich was nach den Aufständen kommt?
Wer gewinnt die Oberhand, sollte das Regime stolpern?
Schon überlegt das die USA dann mitmischen?
Das die USA gnädigere Vasallen wie den Schah reanimieren?
Ich habe viele, viele offene Fragen zu den Debatten!

Arbeiter und Arbeitslose leiden immer, du hast so recht.
Doch ist der Ursprung allen Übels das Geld!
Nein, ich denke nicht das es irgendeine Religion ist.
Es sind Macht, Geld und die ungerechte Verteilung.
Also ihr wisst was ich mir wünsche?

Eine sozialistische Revolution!
Keine Monarchen, Volksmudschahedin und Konsorten...
Dieses reaktionäre Pack bringt der Region nur Unglück!
Es muss ein Kampf um Unabhängigkeit & Freiheit sein!
Nicht dem Islam gilt der Kampf!
Den korrupten Machtgerüsten aller Länder gilt der Kampf!

...

clandestino 21.06.2003 - 13:16
"Doch ist der Ursprung allen Übels das Geld!"

Riesenquatsch. Es geht um die Kapitalverwertung: Produktion-Ware-Geld-Produktion-Ware-Geld-Produktion- ... und immer so weiter. Geld ist dabei nur ein vorübergehender Zustand des Kapitals. Geld ist Ausdruck, nicht Ursache.
Bitte mal Marx lesen. So schwer ist der nun auch wieder nicht.

reaktionär...

SchwarzerWind 21.06.2003 - 16:07
Reaktionär ist es, wenn man seine Kritik an einem Satz aufhängt.
Reaktionär ist es, wenn man keine eigene Ursachenforschung anstellt.
Ich werde nicht jeden Aufstand mit Marx und Konsorten analysieren.
Denke, dass wir zwar Vordenker brauchen, aber keine stetigen Wortführer!

zu dem Artikel von Aug und Ohr

riotsurfer 13.07.2003 - 19:25
Die Einleitung des Artikels von "Aug&Ohr", die Kritik an der Berichterstattung durch die öffentlichen Medien des Westens, halte ich für gerechtfertigt. Allerdings: was soll es bringen, jetzt in dieser Situation zwischen den StudentInnen und ArbeiterInnen zu spalten ? Dass es sich bei dem derzeitigen Aufstand um den Beginn einer Revolution, sicherlich keiner sozialistischen, aber vielleicht einer bürgerlichen Revolution, handeln könnte, die allen Weltordnungs-Strategen, ob sie nun in Washington, Berlin, Paris oder Brüssel sitzen, einen Strich durch die Rechnung machen könnte, sollte doch unsere Hoffnung sein. Wenn nämlich die Iranische Bevölkerung es schafft, sich ohne "Hilfe" und Intervention von aussen von dem Mullahregime zu befreien, fallen alle Legitimationsargumente der Zivilisationskrieger in sich zusammen. Deshalb sollte es ein Anliegen sein, diesen Aufstand zu unterstützen. Ich gehe damit überein, dass man von dem sogenannten "liberalen Lager" nicht viel erwarten wird können.

Wenn es jetzt den eigenen Schergen an den Kragen geht, weil die eigene Clique, um sich zu retten, sie fallen lässt, so kann das doch nicht meine Sorge sein! Und ich sehe auch eine Hoffnung in einer bürgerlichen Revolution im Iran darin, dass sie vielleicht zu einer Verständigung im Nahost-Konflikt beitragen könnte. Der Hisbollah und Hamas trauere ich jedenfalls nicht nach (obwohl ich dabei den Einfluss des Iran als nicht gravierend halte)! Die Anspielung auf die Zionisten ist wieder einmal ein Beweis dafür, wie verwurzelt und variationsreich das antisemitische Denk ist.

Marx wenigstens mal zu lesen, halte ich immer noch für eine gute Idee.