Florenz - Protest als vielfältiger Mainstream
Das Europäische Sozialforum in Florenz zeigt: Vielfalt kann Spaß machen, Protest auch. Während bei den Protesten in der toskanischen Kulturstadt die Vielfalt der globaliserungskritischen als Chance begriffen wurde, scheint die deutsche Linke weiterhin gelähmt – und bekämpft lieber sich selbst.
Am vergangenen Sonntag ist im italienischen Florenz das Europäische Sozialforum zu Ende gegangen. Vom 6. bis zum 10. November hatten dort globalisierungskritische Gruppen, Netzwerke, aber auch Parteien und Gewerkschaften die Themen Neoliberalismus, Krieg und Rassismus behandelt. In zahlreichen Kongressen, Seminaren und Workshops, die über die ganze mit Kulturgütern reich gesegnete Stadt verteilt waren, erörterten über 60.000 Teilnehmer die drängendsten Probleme dieser Welt. Im Haupttagungsort, einer Festung nahe des Stadtzentrums, war die ganze Breite der "No Globals" vertreten: von den ewig Schilder haltenden Trotzkisten über Attac bis hin zu autonomen Gruppen – der Vielfalt war keine Grenze gesetzt. "Ein Jahrmarkt der gesamten Bewegung", stellte einer der 1500 deutschen Teilnehmer fest, "und aus Deutschland sind leider nur so wenige angereist." Das lag weniger an den rigorosen Grenzkontrollen, die die rechte Berlusconi-Regierung durchgesetzt hatte, als an einer generell angeschlagenen Linken in Deutschland, die sich lieber mit sich selbst beschäftigt anstatt die Chance der Vielfalt zu begreifen.
Im Vorfeld des Sozialforums hatte die Berlusconi-Regierung massiv Spannungen erzeugt und versucht Gewalt herbeizureden. Kurz vor Beginn des Forums erwog die Regierung des Medienmoguls gar das Großevent der Bewegung zu verbieten. Begründung: bis zu 6000 anreisende Gewalttäter gefährdeten die Kulturgüter der Stadt. So mußten die Anreisenden aus ganz Europa strenge Grenzkontrollen und Durchsuchungen auf allen Zufahrtsstraßen der Stadt über sich ergehen lassen. Über 2000 Personen wurden an den Grenzen abgewiesen. Auch Stefan wurde nahe Florenz kontrolliert. "Mir wurden hirnrissige Fragen gestellt, zum Beispiel ob ich vom Black Block sei. Außerdem wurden Personalien aufgenommen und das Auto durchsucht", so der Aktivist, der sich selbst der anarchistischen Strömung zuordnet.
Beim Höhepunkt des Sozialforums, der Anti-Kriegsdemonstration am 9. November, wurde die staatliche Medienhetze Lügen gestraft. Statt der erwarteten 200.000 Teilnehmer kamen knapp eine Million Menschen – und alles blieb friedlich. Auf der beeindruckenden Demonstration, die neun Stunden dauerte, verkehrte sich auch die vorher skeptische Haltung der florentiner Bevölkerung. An praktisch jedem Haus wehten Friedensfahnen, Menschen verteilten Wein, Kaffee und Brot an die Demonstranten, Konfetti wurde aus den Fenstern geworfen und überall wurde der Demonstrationzug mit Beifall begrüßt. "So etwas habe ich noch nie erlebt, diese Freude am Protest, diese Solidarität und Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen und –schichten die hier trotz aller Verschiedenheit gemeinsam gegen diesen verfluchten Krieg demonstrieren.", sagt ein gerührter Kommunist aus dem deutschen Norden, "Protest scheint hier Mainstream zu sein."
Und genau hier scheint der Unterschied zwischen der deutschen und italienischen "Linken" zu liegen. Während sich nördlich der Alpen die Protestbewegung aus den "üblichen Verdächtigen" rekrutiert, sind sich in Italien verschiedenste Gruppen einig, Widerstand gegen die immer autoritärere Regierung Berlusconis und den Kriegskurs Europas leisten zu müssen. Es scheint hierzulande momentan unvorstellbar, dass es der Protestbewegung gelingt zum Beispiel 100.000 Schlafplätze zu organisieren, ohne sich vorher in Positionierungsdebatten selbst lahmzulegen. "Protest ist hier in Deutschland unattraktiv. Viele junge Menschen haben einfach keine Lust sich in dieser miesepetrigen Stimmung zu engagieren, bei der praktisch jede Meinung von den alteingesessenen Platzhirschen torpediert wird. Letztlich tun wir den Herrschenden doch nur einen Gefallen, wenn wir uns immer gegenseitig fertig machen", sagt einer, der sich bei den Bush-Protesten in Berlin vergangenen Mai engagiert hatte. Die permanenten Flügelkämpfe sind jedoch nicht der einzige Grund für die derzeitige Schwäche der deutschen Linken: viele Menschen werden durch das Gefühl mit rot-grün eine vermeintlich linke Regierung zu haben vom Protest abgehalten, obwohl rot-grün schon seit 1998 einen strikt neoliberalen und kriegsfördernden Kurs eingeschlagen hat.
Natürlich wird die italienische Protestbewegung beflügelt durch die rechte Berlusconi-Regierung, anderseits hat gerade Florenz gezeigt, dass Spaß am Protest wichtig ist. Vielerorts glich die Stadt einem alternativen Festival, dass auch weniger politisierten Menschen die Möglichkeit bot, Protest als einen Ausdruck von Wut und eben auch Lebensfreude zu begreifen. Zwar birgt die "Vermainstreamung" des Protests auch immer die Gefahr der Vereinnahmung durch Parteien und Gewerkschaften, andererseits sind sich die Menschen in Italien einig, dass nur durch die Vielfalt und die Breite des Protests etwas bewegt werden kann. So hoffte dann auch eine deutsche Aktivistin in Florenz "Es wäre schön, wenn der Geist von Florenz ein bisschen über die Alpen schwappen würde, und wir dort ansetzen wo wir bei den Bush-Protesten aufgehört haben: mit Freude gemeinsam laut, vielfältig und widerspenstig zu zeigen, dass mit uns Neoliberalismus und Krieg nicht zu machen ist."
Im Vorfeld des Sozialforums hatte die Berlusconi-Regierung massiv Spannungen erzeugt und versucht Gewalt herbeizureden. Kurz vor Beginn des Forums erwog die Regierung des Medienmoguls gar das Großevent der Bewegung zu verbieten. Begründung: bis zu 6000 anreisende Gewalttäter gefährdeten die Kulturgüter der Stadt. So mußten die Anreisenden aus ganz Europa strenge Grenzkontrollen und Durchsuchungen auf allen Zufahrtsstraßen der Stadt über sich ergehen lassen. Über 2000 Personen wurden an den Grenzen abgewiesen. Auch Stefan wurde nahe Florenz kontrolliert. "Mir wurden hirnrissige Fragen gestellt, zum Beispiel ob ich vom Black Block sei. Außerdem wurden Personalien aufgenommen und das Auto durchsucht", so der Aktivist, der sich selbst der anarchistischen Strömung zuordnet.
Beim Höhepunkt des Sozialforums, der Anti-Kriegsdemonstration am 9. November, wurde die staatliche Medienhetze Lügen gestraft. Statt der erwarteten 200.000 Teilnehmer kamen knapp eine Million Menschen – und alles blieb friedlich. Auf der beeindruckenden Demonstration, die neun Stunden dauerte, verkehrte sich auch die vorher skeptische Haltung der florentiner Bevölkerung. An praktisch jedem Haus wehten Friedensfahnen, Menschen verteilten Wein, Kaffee und Brot an die Demonstranten, Konfetti wurde aus den Fenstern geworfen und überall wurde der Demonstrationzug mit Beifall begrüßt. "So etwas habe ich noch nie erlebt, diese Freude am Protest, diese Solidarität und Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen und –schichten die hier trotz aller Verschiedenheit gemeinsam gegen diesen verfluchten Krieg demonstrieren.", sagt ein gerührter Kommunist aus dem deutschen Norden, "Protest scheint hier Mainstream zu sein."
Und genau hier scheint der Unterschied zwischen der deutschen und italienischen "Linken" zu liegen. Während sich nördlich der Alpen die Protestbewegung aus den "üblichen Verdächtigen" rekrutiert, sind sich in Italien verschiedenste Gruppen einig, Widerstand gegen die immer autoritärere Regierung Berlusconis und den Kriegskurs Europas leisten zu müssen. Es scheint hierzulande momentan unvorstellbar, dass es der Protestbewegung gelingt zum Beispiel 100.000 Schlafplätze zu organisieren, ohne sich vorher in Positionierungsdebatten selbst lahmzulegen. "Protest ist hier in Deutschland unattraktiv. Viele junge Menschen haben einfach keine Lust sich in dieser miesepetrigen Stimmung zu engagieren, bei der praktisch jede Meinung von den alteingesessenen Platzhirschen torpediert wird. Letztlich tun wir den Herrschenden doch nur einen Gefallen, wenn wir uns immer gegenseitig fertig machen", sagt einer, der sich bei den Bush-Protesten in Berlin vergangenen Mai engagiert hatte. Die permanenten Flügelkämpfe sind jedoch nicht der einzige Grund für die derzeitige Schwäche der deutschen Linken: viele Menschen werden durch das Gefühl mit rot-grün eine vermeintlich linke Regierung zu haben vom Protest abgehalten, obwohl rot-grün schon seit 1998 einen strikt neoliberalen und kriegsfördernden Kurs eingeschlagen hat.
Natürlich wird die italienische Protestbewegung beflügelt durch die rechte Berlusconi-Regierung, anderseits hat gerade Florenz gezeigt, dass Spaß am Protest wichtig ist. Vielerorts glich die Stadt einem alternativen Festival, dass auch weniger politisierten Menschen die Möglichkeit bot, Protest als einen Ausdruck von Wut und eben auch Lebensfreude zu begreifen. Zwar birgt die "Vermainstreamung" des Protests auch immer die Gefahr der Vereinnahmung durch Parteien und Gewerkschaften, andererseits sind sich die Menschen in Italien einig, dass nur durch die Vielfalt und die Breite des Protests etwas bewegt werden kann. So hoffte dann auch eine deutsche Aktivistin in Florenz "Es wäre schön, wenn der Geist von Florenz ein bisschen über die Alpen schwappen würde, und wir dort ansetzen wo wir bei den Bush-Protesten aufgehört haben: mit Freude gemeinsam laut, vielfältig und widerspenstig zu zeigen, dass mit uns Neoliberalismus und Krieg nicht zu machen ist."
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
Ergänzungen
Deutsche mit sich selbst beschäftigte Linke?
Die Linke beschäftig sich vielleicht mit sich, aber besser wenn sie sich mit sich beschäftigt, als wenn sie wieder einmal Unkritisch speichelleckend einem Maulstarkem Führer oder einer Kleinen Gruppe von Maulstarken Führern hinterher rennt, die Eurpäischen Ausreiseverbote belegen schon ganz richtig, das die Deutsche Linke sich nicht Fruchtlos "mit sich selbst" beschäftigt!
lenina...
Warum
erstma nachdenken, denn leider steht in dem artikel viel richtiges, wie man bei vielen diskussionen feststellen kann, die hier auf indy laufen.
@lenina
Hab ich auch so wahrgenommen
Niemand kommt auf die Idee, vielleicht selbst mitverantwortlich zu sein - immer sind die bösen Anderen an der Situation schuld. Bestes Beispiel: Die Kommentare hier. Nina, der ewige Troll bei Indy macht sich einen Spaß und postet einen Provo-Kommentar. Anstatt das zu ignorieren und wenn, dann sinnvolle Ergänzungen hinzuzufügen, springen gleich wieder die grabenkampferprobten Reflexe an.
Mag sein, daß staatliche Stellen mitprovozieren - aber die sind nicht für alles verantwortlich. Es liegt an der Mentalität. Am Besten wäre es, wenn diejenigen, die was verändern wollen, die Betonkopf-Szene im ihrem Sumpf liegen lässt und Konzepte entwickelt, um die Bevölkerung zu erreichen. Spätestens, wenn Hartz voll umgesetzt ist, wirds bitter nötig.
Kritische Masse
Der Regimedruck ist sicher ein wichtiger Faktor dabei. Ein weiterer ist das erbärmliche Versagen der Mehrheits-DS um Ex-Premier D'Alema als parlamentarische Opposition. Für viele, die man in normalen Zeiten einfach nur als gemäßigt-linke Mittelschichten bezeichnet würde, ist das Maß voll. Ganz zu schweigen von den Militanten an der Basis der CGIL, die sich zu recht von D'Alema verraten und in den Rücken gefallen fühlen. Wollte er sie doch dazu bewegen, den letzten Generalstreik abzublasen, weil es sinnlos sei, ohne die beiden gelben Gewerkschaftsbünde CISL und UIL. So kommt's, dass viele Mitglieder der CGIL und DS sowie deren Wähler zum Bündnis mit den - nach Genua noch verteufelten - "No/New Global" getrieben werden, weil sie etwas TUN wollen gegen den verdammten Krieg und überhaupt die ganze verdammte Scheiße, die das Land regiert.
Trotz aller Hetze, Diffamierung, Provokation und Drohung seitens des Regimes und seiner Papageien: das Unkraut des Widerstands hat im ganzen Land tiefe Wurzeln geschlagen und ist nicht mehr auszureißen. Die Kritische Masse ist längst erreicht. Sie können lügen, drohen, verschweigen: sie machen sich nur noch lächerlich.
Und zwischen dem 80jährigen Veteranen der Resistenza, der das Abzeichen der Garibaldi-Brigaden mit trotzigem Stolz trägt, und der 15jährigen Schülerin, die im modischen Che T-Shirt hinter dem Drum'n-Bass-Wagen hertanzt, liegen zwar Generationen, aber keine Welten.
Was ich beeindruckend fand
Interessanter Text:
@stulle
Fällt dir nicht auf, dass die Einteilung der Welt in Gut und Böse stark mit Ressourcen und wenig mit Menschenrechtsverletzungen und Massenvernichtungswaffen zusammenhängt? Wer für das Leben von Unschuldigen und gegen Krieg demonstriert, zeigt noch lange keine Solidarität mit Saddam Hussein. Das machen die meisten Gruppen, die für Frieden demonstrieren, auch deutlich. Jeder Mensch der antikapitalistisch denkt muss natürlich auch die USA kritisieren. Aber auch die EU und Deutschland.
Zur Gewalt/ Breite der Bewegung: Es ist wohl auch nicht schlimm, wenn fast eine Million Menschen friedlich demonstriert. Natürlich besorgt es, wenn die Regierungen versuchen doie Proteste wegzuloben. Das ist ja ein altes Mittel - ich glaube aber kaum, dass es funktioniert. Dass in Florenz ein gewerkschaftlicher Ordnerdienst eingesetzt wurde, hat auch den Grund, dass in Genua von seiten des Staates Provokateure eingesetzt wurden. Ich wende mich auch gegen eine Friede, Freude, Eierkuchen - Protestbewegung. Kuscheln mit den Regierenden ist gefährlich. Ich war aber selbst in Florenz und habe eine verdammt entschlossene, widerspenstige, bunte, machtvolle Demonstration gesehen - warst Du auch da, Stulle?
War echt krass gewesen
An die Mods: die Pöbel-Kommentare von Antideutsch und Co sollten hier nicht lange stehenbleiben, hier wird diffamiert und beleidigt. Was für Interessen dahinterstehen ist wohl klar. Der Nina-Spam könnte aber auch noch weg ;-)
da ist sie wieder, unsere geliebte zensur
was mich tierisch nervt
auf die gefahr hin wieder gelöscht zu werden, werde ich noch ein bißchen "provozieren". was bringt es denn bitte nach florenz zu fahren, während mensch hier in deutschland zu wichtigen sachen nichts macht. wer wirklich und ernst was für menschen machen will, die von diesem system ausgebeutet werden, die unter krasser verfolgung leiden, denen es so dreckig geht, das sie nicht nur nicht die kohle haben nach florenz zu fahren, sondern mit härtesten strafen bedroht sind, wenn sie es doch machen, das interessiert doch viele von euch gar nicht. habt ihr schon mal was von antirassistischen grenzcamps, von chipcarteninitiativen, von kampagnen gegen abschiebeknäste gehört. das ist auch kein allerheilmittel, aber es bringt mehr als alle vier jahre ein kreuz zu machen und sich über linke regierungen zu freuen. warum sind da verdammt noch mal keine tausend geschweige denn hundertausend leute dabei, wenn es gilt direkt etwas zu machen. weil es wie gesagt viel einfacher ist etwas mit vielen menschen zu machen. da kann mensch schön in der masse verschwinden. zum thema krieg sag ich hier nix, nur soviel, dass ich prinzipiell gegen krieg bin, aber nie(!!!) vorschläge zum thema irak gemacht werden. der typ muss weg, auch wenn er nur durch eine neue kapitalistische regierung ausgewechselt wird.
so, über attac und co halte ich mich zurück, die sollen mal schön den kapitalismus überwinden.
und den rest meiner meinung findet ihr irgendwo in den tiefen der indy-galaxy, wo weiß ich nicht.
-
wenn du in florenz gewesen wärst, hättest du bemerkt, wie sehr die überwindung des kapitalismus im mittelpunkt stand. du betest aber lieber hetz-schriften deiner lieblings-zitungen nach, in denen was anderes steht.
wenn du dich anderswo informieren würdest, wüsstest du auch, was florenz für ein sinn hatte.
zum löschen: beleidigungen und diffamierungen haben nichts mit kritik zu tun!
@stulle again
:-)
die einen machen politik aus liebe zum menschen und die anderen nur aus hass an sich und der welt. deshalb definieren sich die einen über anti und die anderen an dem, was sie erreichen wollen. insofern ist nazi und antideutsch von der denkstruktur her ähnlich. es sind hass-ideologien.
da gewesen