Exekutiert zur Aufrechterhaltung der *Manneszucht*

Florian 26.09.2002 23:44 Themen: Militarismus
Die NS-Militärjustiz in Wilhelmshaven

Inschrift des Mahnmals für die Ofer der NS-Militärjustiz:
Auf diesem Gelände befand sich bis zur Befreiung vom Nationalsozialismus der Schießstand des Militärstandortes Wilhelmshaven.
Eine unbekannte Anzahl deutscher Soldaten wurde hier während des Zweiten Weltkrieges durch Erschießungskommandos der Kriegsmarine exekutiert. Nachgewiesen sind 54 Hinrichtungen in der Zeit von 1943 bis 1945. Die Leichen wurden zum Friedhof Aldenburg gebracht.
Die von der nationalsozialistischen Militärjustiz *im Namen des Volkes* wegen Wehrkraftzersetzung, Gehorsamsverweigerung, Desertion und nach der Volksschädlingsverordnung verhängten Todesurteile bezweckten ,,die Aufrechterhaltung der Manneszucht". Terror gegen die eigenen Soldaten sollte die Weiterführung des von Deutschland entfesselten, verbrecherischen Krieges gewährleisten. Die letzte Hinrichtung fand am 5. Mai 1945 statt, wenige Stunden vor dem Ende des Krieges.
Diese Tafel wurde errichtet, um den Opfern die Achtung zu erweisen, die ihnen bis jetzt nicht gewährt wurde.
Wilhelmshaven 1999
Das *Antifaschistische Bündnis Wilhelmshaven* hatte sich u.a. zur Aufgabe gemacht, die Geschichte der nationalsozialistischen Militärjustiz in Wilhelmshaven und die des Reichskriegsgerichtes in Berlin bzw. Torgau, mit seinem Vorsitzenden Max Bastian, zu recherchieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Durch Zufall wurden Mitglieder des *Antifaschistischen Bündnisses* auf dem Friedhof Aldenburg in Wilhelmshaven auf zwei Steinplatten mit 77 Namen aufmerksam. Recherchen ergaben, daß diese 77 Menschen Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz in Wilhelmshaven waren und 54 von ihnen nachweislich auf dem damaligen Schießstand an der Fortifikations Straße (heute Freiligrathstraße, neben der Jugendherberge) erschossen wurden. Der Nachweis für den Hinrichtungsort fand sich entweder auf den Totenscheinen der Opfer oder in den Totenbüchern des Friedhofs Aldenburg.

Allerdings sind weder die Totenscheine noch die Totenbücher vollständig und mit allen Angaben versehen, was die Differenz zwischen der Gesamtzahl der Hingerichteten und die Zahl von 54 Hinrichtungen im Text für das Denkmal erklärt. Weitere Nachforschungen ergaben, daß 87 Menschen Opfer der nationalsozialistischen Militärjustiz in Wilhelmshaven wurden.
Inzwischen erinnert ein vom *Antifaschistischen Bündnis* auf dem Friedhof Aldenburg errichteter Stein mit der Inschrift: *Den Opfern der nationalsozialistischen Militärjustiz zum Gedenken*, an das Schicksal dieser Menschen.
Das Kriegsgericht in der Rheinstraße, die damalige Marinearrestanstalt (heute Justizvollzugsanstalt, JVA) am Ölhafendamm, der Schießstand an der Freiligrathstraße und der Friedhof Aldenburg waren Stationen derer, die in Wilhelmshaven zum Tode verurteilt wurden.

Am 3. März 1945 wurde ein Urteil auf dem Standortschießplatz Wilhelmshaven vollstreckt. Anwesend waren ein Marinestabsrichter als leitender Offizier, ein Matrosenobergefreiter als Urkundsbeamter, ein Sanitätsoffizier und ein Marinekriegspfarrer als Geistlicher. Ein Zug der 2. Marineersatzabteilung, die das Vollzugskommando, die erforderlichen Absperrposten und das Einsargungskommando zu stellen hatte, war angetreten. Die *Niederschrift über den Vollzug der Todesstrafe* gibt das weitere Geschehen so wieder: *Der Verurteilte stand um 7.10 Uhr auf dem Richtplatz. Die angetretene Einheit stand auf das Kommando ,Gewehr über' still. Der Geistliche erhielt letztmalig Gelegenheit zum Zuspruch. Der leitende Offizier las dem Verurteilten die Urteilsformel und die Bestätigungsverfügung vor. Das Vollzugskommando von 10 Mann war 5 Schritte vor dem Verurteilten aufgestellt. Das Kommando ,Feuer' erfolgte um 7.11 Uhr. Der Verurteilte starb um 7.12 Uhr. Der Eintritt des Todes wurde um 7.12 Uhr zweifelsfrei festgestellt. Auf dem Rücken befanden sich in Herzgegend mehrere Ausschüsse. Vorsorglich erhielt der Verurteilte noch einen Kopfschuß. Die Leiche wurde zum Friedhof Aldenburg gebracht.*

Eintragungen auf dem Totenschein und Zitat aus der Urteilsbegründung:
Arno P... * 29.10.1920 Frankfurt / Main
ledig - Feinmechaniker
Arrestanstalt Mühlenweg + 17.01.1945 Tod durch Erschießen lt. Kriegsgerichtsurteil vom 24.11.1944
Der Angeklagte war nicht geständig, er war damit ein *äußerst verlogener Mensch*. Überdies hatte ein *Sachverständiger ... den Angeklagten wegen seiner Schädelform als asozialen Menschen* klassifiziert.

Eintragungen auf dem Totenschein:
Fritz M... * 01.08.1924 Wienenburg / Harz
ledig - ohne Beruf
Arrestanstalt Wilhelmshaven + 03.05.1945 17.41 Uhr
Todesursache: Tod durch Erhängen lt. Urteil des Kriegsgerichts 2. A. d. N. J II 23 / 45 vom 20.03.1945
Nur vermutet werden können die Gründe dafür, daß ein Gericht des 2. Admirals der Nordsee am 3. Mai 1945 das Todesurteil an diesem Matrosen durch Erhängen vollstrecken ließ. Erschien dem Gericht eine *ordnungsgemäße* Erschießung des Matrosen in den Morgenstunden des 4. Mai 1945 auf dem Standortschießplatz angesichts der bevorstehenden Waffenruhe und vielleicht als in deren Folge befürchteter Auflösungserscheinungen nicht mehr gewährleistet?

*... zwischen Fassungslosigkeit und Ekel*
Die große Zahl der interpretationsbedürftigen Rechtsbegriffe wie *Volksschädling*, *gesundes Volksempfinden*, *von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen*, *besondere Verwerflichkeit* und ähnliches ließ den Gerichten in einem ungewöhnlichen Ausmaß Raum für subjektive Wertungen. Auch wenn die an die Militärjustiz im Verlauf des Krieges ergangenen Erlasse von einer Tendenz zu ständiger Strafverschärfung gekennzeichnet waren, so blieb doch im Bereich der Strafzumessung ein großer Spielraum zur Ausübung des Ermessens. Wie die Marinegerichtsbarkeit in Wilhelmshaven von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat, mag der Verfasser nicht beurteilen. Dessen Empfinden schwankte bei der Lektüre einiger Akten zwischen Fassungslosigkeit und Ekel. (Wolfgang Semmroth, *Justiz an der Jade - Festschrift - Wilhelmshaven 1985*)

Die komplette Dokumentation und Informationen zu Max Bastian sind auf den folgenden Seiten zu finden:

 http://hometown.aol.de/antifawhv/Kriegsgericht.html
 http://hometown.aol.de/antifawhv/NS_Militaerjustiz.html
 http://hometown.aol.de/antifawhv/Dokumentation_01.html
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Ergänzungen

Könnte bald wieder aktuell werden

könnte bald wieder aktuell werden 27.09.2002 - 00:59
könnte bald wieder aktuell werden

zeigt auch

legal beagle 27.09.2002 - 01:12
wie wichtig eine zivile gerichtsbarkeit, die durchsichtig ist und unter kontrolle der öffentlichkeit steht ist.

Genau die Durchsichtige Öffentlichkeit!

Melani 27.09.2002 - 11:24
War ja in Jüngster Zeit Besonders bei den Paten Kohl, Manfred K. und dem Gesamten Eddy Umfeld und den Anderen Spendnvereinen Besonders Transparent, und Objektiv.