Castor nach Gorleben ab dem 11.11.

X-tausendmal quer 26.09.2002 17:16 Themen: Atom
Der Castor kommt ab 11.11. Deshalb hier ein ausführlicher Text zum anstehenden Castor-Transport. Bitte nehmt Euch etwas Zeit zur Lektüre, damit Ihr wisst, worum es geht, was geplant ist, und was Ihr tun könnt.
Die Informationen verdichten sich immer mehr: Höchstwahrscheinlich in der Woche ab dem 11. November soll der nächste Castor-Transport aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague nach Gorleben rollen. Diesmal die gigantische Zahl von zwölf (!) Behältern, also mehr als doppelt so viel radioaktives Inventar, wie in Tschernobyl freigesetzt wurde.

Trotz weiterer vier Jahre rot-grün: Der Atomausstieg kommt nicht voran. Wenn es stimmt, das die Betreiber des AKW Obrigheim die Zusage von Kanzler Schröder haben, ihr AKW noch bis 2007 weiterbetreiben zu dürfen, dann wird innerhalb von acht Jahren rot-grüner Atomausstiegspolitik nur ein einziger Reaktor abgeschaltet, nämlich Stade im Jahr 2003. Und der auch nur deshalb, weil er sich im liberalisierten Strommarkt nicht mehr rechnet.

Der Atommüllberg wächst also weiter ins Unermessliche. Und nach den schweren Störfällen in Philippsburg und Brunsbüttel wissen wir: Der GAU kann jeden Tag passieren. Weiterhin werden hochradioaktive Abfälle quer durch die Ballungsräume Mitteleuropas gekarrt. Nicht erst das Zugunglück von Bad Münder hat uns gezeigt, wie unvorbereitet und hilflos Bahn und Feuerwehren bei Unfällen mit Gefahrgut sind.

Dabei wird immer deutlicher, dass die Castoren nicht so unfallsicher sind, wie behauptet wird. Falsche Berechnungen, ausbleibende Falltests und fehlende Stoßdämpfer lassen das Vertrauen in diese Technologie nicht wachsen.

Es gäbe also genug Gründe, auf den Castor-Zwölferpack im November zu verzichten. Doch die Bundesregierung will das durchziehen, vor allem weil der Weiterbetrieb einer ganzen Reihe von AKWs immer noch davon abhängt, große Mengen Atommülls nach Frankreich zu schaffen. Alleine in diesem Jahr sind 150 Transporte nach La Hague geplant. Ohne diesen Müllexport wären die Lagerkapazitäten an den Reaktoren schnell erschöpft. Der eine Transport nach Gorleben ist der Preis, den die Bundesregierung für dieses verantwortungslose Atommüllgeschäft zahlt.

Doch der Preis eines Castor-Transports ist höher. Denn er rollt auf Kosten der Bevölkerung an den Transportstrecken und im Wendland, auf Kosten der eingesetzten PolizeibeamtInnen und auf Kosten der demokratischen Kultur in diesem Land.

Von Transport zu Transport wird ein immer breiterer Korridor längs der Castor-Strecke zum Ausnahmezustands-Gebiet. Demokratische Grundrechte gelten nicht mehr. Auch dies ist ein wichtiger Grund, warum wieder viele Menschen gegen den Transport demonstrieren werden: Der radioaktive Zerfall der Grundrechte muss gestoppt werden.

Viele, die schon einmal im Wendland waren, wissen, dass es durch die rigiden Polizeimaßnahmen nicht einfacher geworden ist, überhaupt noch Protest öffentlich äußern zu können. Für manche war die Erfahrung frustrierend. Andere haben es mit pfiffigen Aktionen immer wieder geschafft, Sand im Getriebe zu sein und unser Anliegen deutlich zu machen.

Letztendlich ist unsere Hauptmotivation zum Widerstand nicht, wie lange beispielsweise der Castor-Transport aufgehalten wird, auch wenn wir uns natürlich über jeden gelungenen Protest freuen. Wichtiger ist: Wir demonstrieren und blockieren immer aufs Neue, weil sich an der verantwortungslosen Atompolitik nichts geändert hat. Noch immer gibt es kein Endlager für den Atommüll, noch immer sind weder das Zwischenlager in Gorleben noch die Castor-Behälter sicher. Noch immer dient das Hin- und Herkutschieren von Atommüll als Blankoscheck zum Weiterbetrieb gemeingefährlicher Reaktoren.

Ein Zitat aus dem Mitgliederrundbrief der BI Lüchow-Dannenberg:

"Als wir Anfang des Jahres 25 Jahre Gorleben-Widerstand gefeiert haben, ist vor allem aufgefallen, wie ungebrochen groß - trotz aller Rückschläge - die Bereitschaft in der Region ist, sich auch zukünftig zur Wehr zu setzen. Die Motivation vieler rührt eben nicht in erster Linie von der Möglichkeit kurzfristigen Erfolges, sondern daher, dass uns angesichts der Gefahren und der organisierten Verantwortungslosigkeit bei Atomindustrie und staatlicher Atompolitik gar nichts anderes übrig bleibt, als weiter zu kämpfen, wollen wir nicht vor uns selbst und unseren Kindern das Gesicht verlieren. In den 25 Jahren Streit um Gorleben gab es oftmals ein heimliches Motto, das zwar nicht auf Plakate und Transparente geschrieben wurde, trotzdem aber Ausdruck der Stimmung in der Region war:

Wir haben keine Chance - also nutzen wir sie!

Das Schöne daran: Wir haben oft genug erfahren, dass wir gerade dann die erstaunlichsten Erfolge erzielen konnten, wenn wir selbst in aussichtloser Situation drangeblieben sind. Was uns nämlich keiner nehmen kann und was vielleicht am Ende als die entscheidende Stärke des wendländischen Widertandes gelten wird, das ist der lange Atem. Schon öfter in den letzten 25 Jahren - so auch im letzten November - wurde von den Medien eine "bröckelnde Bewegung" beschrieben. Umso größer ist dann bei den gleichen JournalistInnen die Überraschung, wenn sie einige Zeit später feststellen:

"Die sind ja immer noch da."

Vielleicht ist das die wichtigste Botschaft für den Herbst: Wir sind noch immer da, wir geben nicht klein bei. Dass die Mächtigen versuchen, auf unserem Rücken ihre Pläne durchzusetzen, ist nichts, was uns wundert oder zur Resignation treibt. Wir haben es leider schon lange zur Kenntnis nehmen müssen. Aber es geht in Gorleben um mehr: Wir können die Gefahren nicht verdrängen. Dazu leben wir einfach zu dicht dran. Deshalb haben wir unseren eigenen Maßstab für Erfolg und Misserfolg: Jeden Tag, an dem die unbeschreibbare Katastrophe nicht geschehen ist, haben wir noch die Möglichkeit, sie abzuwenden. So lange wir noch Kraft zum Kämpfen haben und so lange junge Leute nachwachsen, die mit ihrer großer Lebenslust den Widerstand bereichern, gibt es keinen einzigen Grund, sich zur Ruhe zu setzen. Laut und deutlich immer wieder NEIN zu sagen, in Worten und Taten, das ist das Mindeste, was wir für die kommenden Generationen tun können." Zitat Ende.


Was wir dafür brauchen, ist DEINE Unterstützung im November. Es gibt viele Möglichkeiten, aktiv zu werden:

- Schon in den Wochen vor dem Transport gibt es viele Aktionen, beispielsweise eine große internationale Anti-Atom-Manifestation in Straßburg am 20. Oktober.

- Am Samstag, den 9. November, um 13 Uhr findet in GORLEBEN die große bundesweite Auftaktdemonstration zu den Castor-Protesten statt. Eine gute Gelegenheit auch für diejenigen, die nur einen Tag Zeit haben, um ins Wendland zu kommen.

- Ab diesem Zeitpunkt gibt es viele Übernachtungsmöglichkeiten in der Region, in Gästebetten, Scheunen und Camps. Es wird eine große Zahl ganz unterschiedlicher Aktionen geben, von der Mahnwache bis zur Blockade, von der angemeldeten Kundgebung bis zur Sabotage. BI Lüchow-Dannenberg, Bäuerliche Notgemeinschaft, X-tausendmal quer, WiderSetzen, Castor-Gruppen aus dem Wendland und Aktionsgruppen aus der ganzen Republik bereiten Protest und Widerstand vor. Jede und jeder kann selbst entscheiden, welche Aktion für sie/ihn passend erscheint.

- Unter dem Motto X-tausendmal quer werden wieder viele Menschen Zivilen Ungehorsam gegen den Castor-Transport leisten. Näheres dazu steht im jetzt erschienenen neuen Flugblatt der Kampagne. Neu ist, dass es diesmal nicht nur um eine große Sitzblockade geht, sondern acht verschiedene Möglichkeiten des Handelns beschrieben werden, damit für alle was dabei ist.

- Auch wer nicht ins Wendland fahren kann, hat die Möglichkeit, sich von zu Hause aus an verschiedenen Aktivitäten zu beteiligen, z.B. am Alarmnetz Grund- und Menschenrechte, mit dem wir den Protest gegen schwerwiegende Grundrechtsverletzungen im Wendland organisieren wollen. Konkrete Infos dazu demnächst auf  http://x1000malquer.de

- Eine ganz wichtige Form der Unterstützung ist die Finanzielle. Gerade jetzt im Vorfeld der Aktionen fallen immense Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit und Vorbereitung an. Das Spendenkonto von X-tausendmal quer hat die Nummer 24 422 803 bei der Volksbank Clenze BLZ 258 619 90. Die BI Lüchow-Dannenberg hat das Spendenkonto Nr. 2060 721 bei der Kreissparkasse Lüchow (BLZ 258 513 35) und die Aktion WiderSetzen hat das Konto c/o K.Kasten, Volksbank Wendland, Nr. 121 021 3000, BLZ 258 634 89. Schon jetzt vielen Dank für jede Spende!

- Weitere Infos gibt es unter  http://www.castor.de  http://www.bi-luechow-dannenberg.de und  http://www.x1000malquer.de, oder auch bei der Infoline der BI unter 0511-900 12 50 666

- Aktuelles gedrucktes Infomaterial gibt es bei der BI Lüchow-Dannenberg unter  bi-luechow@t-online.de. Das druckfrische Flugblatt von X-tausendmal quer könnt Ihr bei  info@x1000malquer.de in großer Zahl bestellen.

- Ganz wichtig: Tragt Euch auf der Internetseite von X-tausendmal quer in den SMS-Verteiler ein, wenn Ihr immer aktuell informiert werden wollt.

- Braucht Ihr ReferentInnen für Infoveranstaltungen könnt Ihr Euch auch an  info@x1000malquer.de oder  bi-luechow@t-online.de wenden.

- Ihr könnt diesen Text sowohl elektronisch als auch als Ausdruck oder als Abdruck in Euren Publikationen weiterverbreiten.


Hier reicht der Platz nicht aus, um die geplanten Aktionen alle ausführlicher zu beschreiben. Deshalb werden in der nächsten Zeit etwas häufiger Infos über diese Mailingliste kommen, damit alle genau wissen, was sie tun können, ob von zu Hause aus, ob in den Wochen vor dem Castor oder am Tag X im Wendland. Wir hoffen, dieser erhöhte traffic findet so kurz vor dem nächsten Castor-Transport Euer Verständnis. dazu ist diese Liste ja schließlich da.


Liebe Freundinnen und Freunde!

Bitte überlegt, was Ihr diesmal dazu beitragen könnt, damit der so dringend notwendige Protest und Widerstand gegen Castor-Transporte und Atompolitik weitergeht. Auch wenn es vielleicht nur ein kleiner Beitrag ist, lasst diese Informationen nicht in Eurem Alltag untergehen, sondern macht was draus! Bestellt Flugblätter und verteilt sie, verbreitet diesen Text, spendet etwas, überlegt mit FreundInnen ob Ihr ins Wendland fahren wollt, was auch immer. Nur mit Eurer Unterstützung wird der lange Atem des wendländischen Widerstandes ausreichen. Es lohnt sich!
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Ergänzungen

welche demokratische Kultur?

27.09.2002 - 15:41

Leider demokratiefetitistisch ...

Trotzdem-Castor-Stoppi! 27.09.2002 - 17:51
Schade, schade ... die BI Lüchow-Dannenberg ist inzwischen so ganz unter die Demokratieretter gegangen, fusselt in ihren Mobilisierungsflugblättern vom Rechtsstaat der auf dem Spiel steht und daß die Demokratie gehen würde, wenn die Bullen kommen. Da hat der Sandnebel der DemokratInnen offenbar den Blick reichlich getrübt.

Demokratie ist Herrschaft mit besonderen Methoden der Akzeptanzbeschaffung.

Nichtsdestotrotz: Castor stoppen! Herrschaft angreifen. Deutschland ohne Castor ist wie Krieg ohne Klappmesser. Einfach Scheiße.

27.09.2002 - 18:18
Projektwerstatt=Anarchostalinos

Text war nicht abgestimmt

BI Lüchow-Dannenbert 30.09.2002 - 20:35
Erklärung zum Bericht von Jochen Stay:
Der geschäftsführende Vorstand der Bürgerinitiative Umweltschutz
Lüchow-Dannenberg (BI) erklärt, dass dieser Text nicht mit ihr abgestimmt wurde und dass die BI weder von
geplanten Sabotageaktionen weiss und selbstverständlich nicht zur
Sabotage aufruft.

Aktionsideen ...

atomfeind 02.10.2002 - 10:24
... unter www.castorblockade.de.tf

kommentar zum kommentar der b.i.

aus dem wendland 03.10.2002 - 21:27
Es ist immer wieder peinlich welch vorauseilenden gehorsam die b.i. an den tag legt. Mit keinster weise wird in dem papier zur sabotage aufgerufen, noch der eindruck erweckt als würde die b.i. dies tun, sondern lediglich die erwähnung, das sabotage an diesen tagen auch eine widerstandsform ist, ruft sofortige distanzierung hervor. Diese immer wieder von der b.i. vorgenomme ausgrenzung ist vollkommen überflüssig und leistet der kriminalisierung nur vorschub. Obwohl in dem aufruf von x-tausend jochen stay als verfasser nicht benannt wird, meint die b.i. einen entsprechenden hinweis geben zu müssen. offensichtliche querelen im b.i.-vorstand (jochen stay gehört dazu) auf einer malingliste in dieser art und weise auszugetragen, fördert nun auch nicht die mobilisierung und solidarisierung untereinander. Gerade das thema der direkten aktion und sabotage ist so empfindlich, dass es immer wieder erstaunt wie schnell und skrupellos die b.i. mit verlautbarungen zu diesem thema zur stelle ist. Jahrelange bitten damit doch etwas umsichtiger umzugehen, scheinen nichts zu bringen.
gruß aus dem wendland