Plünderungen in Berlin! BürgerInnen schlagen zurück

Bödefeld 19.07.2002 21:53 Themen: Soziale Kämpfe
Heute demonstrierten so 200-300 Leute vorm Kongresszentrum Berlin gegen die dreisten Plünderungen der öffentlichen Kassen durch die Amigos aus Wirtschaft und Politik im Berliner Bankenskandal. Eine bunte Mischung von Studis, üblichen Verdächtigen, Nicht-mehr-ganz-so-jungen und Lang-nicht-mehr-auf-ner-Demo-gewesenen einte die Empörung darüber, dass der Berliner Senat das Geld, das im Bankenskandal flöten gegangen ist, sich u.a. über drastische Preiserhöhungen und Mittelstreichungen bei sozialen Einrichtungen wieder reinholen will.


Infos gibt’s auf der Seite der Initiative:  http://www.berliner-bankenskandal.de
Vielleicht hat jemand, die da war, Lust nen bisschen was ausführlicheres zu schreiben? Interessant wärs zB. zu wissen, ob die Damen und Herren der Bankgesellschaft, die gerade im ICC umhertagten, was vom Protest mitgekriegt haben. Solange erstmal nen bisschen Background von  http://www.berliner-bankenskandal.de :

Am 9.4.2002 hat das Berliner Abgeordnetenhaus die Risiken aus dem hoch-spekulativen, größtenteils sittenwidrigen und kriminellen „Immobiliendienstleistungsgeschäft“ der Bankgesellschaft Berlin in Höhe von bis zu 21,66 Milliarden Euro übernommen.

Eine zwingende politische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit dieses „Blankoschecks“ wurde – wie der Landesrechnungshof zu Recht schreibt – weder hinreichend untersucht, noch vollständig belegt. DAS LAND HAFTET DAMIT FÜR RISIKEN, FÜR DIE ES NICHT HAFTEN MÜSSTE.

Die Folgen für die Berlinerinnen und Berliner sind unannehmbar. Das Land Berlin haftet für nahezu 40 Mrd. Euro. Diese Summe ergibt sich aus den 21 Mrd. Euro, die das Abgeordnetenhaus ausdrücklich „abgeschirmt“ hat, plus 8 Mrd. Euro als Rückzahlungssumme in 25-30 Jahren und plus weitere 8 Mrd. Euro an Risiken außerhalb der Fonds. Hinzu kommen die Verlustzuweisungen der Fondszeichner, die zu massiven Steuerausfällen in Milliardenhöhe – auch in Berlin – führten. Bei einem Verkauf der Bankgesellschaft an private Investoren drohen weitere Risiken.

Während für 2003 allein 300 Millionen Euro für die Sicherung der Fondsrenditen im Haushalt eingeplant sind, werden im gleichen Jahr die Ausgaben z.B. im Sozialbereich um 150 Millionen Euro abgesenkt. Bei den Kitas werden 69 Millionen Euro weggekürzt. Das uns abverlangte „Sparen“ bedeutet schon jetzt den Verzicht auf die Erfüllung elementarer staatlicher Aufgaben in unserer Gesellschaft. Über die Bankgesellschaft reden, heißt über Sozialkürzungen reden. Das private Verlustrisiko der Anleger soll abgewälzt werden auf uns, auf die Bürgerinnen und Bürger Berlins. Eine Verbindung unseres Protestes mit allen Protesten aus Gewerkschaften, Initiativen und Projekten gegen die Kahlschlagspolitik ist daher dringend geboten. In Anbetracht der Streichungen bei Schulen, Universitäten, Kitas, Schwimmbädern, Jugend-, Sozial- und Kulturprojekten und voraussichtlichen Kürzungen im Öffentlichen Dienst muss mit Kompetenz und Entschlossenheit alles getan werden, um sittenwidrig und kriminell verursachte Schäden von den Steuerzahlern abzuwenden und alle Verantwortlichen in die Haftung einzubeziehen.

Die Risikoübernahme stellt eine politische Bankrotterklärung der rot-roten Koalition dar. Wie zuvor schon Schwarz-Rot oder Rot-Grün haben auch die verantwortlichen Politiker der rot-roten Koalition die Interessen der Berliner Bürgerinnen und Bürger missachtet und die Interessen einer Minderheit über die Haushaltsinteressen Berlins gestellt. EINE SOLCHE „POLITIK“ IST TEIL DES PROBLEMS, NICHT TEIL DER LÖSUNG. Die Stadt wird an die Banken und Fondsanleger verpfändet, die Aufklärung verschleppt und unmöglich gemacht.

Das Versagen der Berliner Politik zeigt sich insbesondere an folgenden Punkten:

- Die „Risikoübernahme“ ist die teuerste mögliche Form des Krisenmanagements für die Bürgerinnen und Bürger des Landes Berlin. Weder die privaten Miteigentümer der Bankgesellschaft, noch der Sicherungsfonds der Sparkassen, noch die anderen Großbanken und schon gar nicht die privaten Fondsanleger werden mit zur Kasse gebeten.

- Der Senat hat nicht einmal versucht, die Landesbank aus dem Konzernverbund herauszulösen. Dadurch wird die alles umfassende Schuldenfalle weiter festgezurrt, bei der eine öffentlich-rechtliche Bank für die Risiken von Privatbanken haftet.

- Das Gesetz zur „Risikoübernahme“ ist verfassungswidrig, denn es hebelt das parlamentarische Recht der Haushaltshoheit weiter aus. Auch die Grundsätze der Haushaltsführung und der angemessenen Lastenverteilung werden verletzt: Die öffentlichen Dienstleistungen werden ausgezehrt, die Schulden werden unverantwortlich ausgedehnt.

- Die sittenwidrige, ja kriminelle Konstruktion der Immobilienfonds wurde nicht angetastet. Im Gegenteil, auch nach bekannt werden des Bankenskandals wurden solche Fonds noch neu aufgelegt! Wer z.B. beim Fonds LBB 9 100.000 Mark einzahlte und unter den Spitzensteuersatz fiel, erhielt sofort 46.000 vom Finanzamt als Verlustzuweisung zurück. Die Bankgesellschaft garantiert auf bis zu 29 Jahre bis zu 8 % Zinsen und nach 29 Jahre bekommt der Zeichner noch 115.000 Mark ausgezahlt. Dank staatlicher Garantie bereichern sich Banker, Politiker und Manager weiterhin auf Kosten des Steuerzahlers auf scheinbar legale Weise. Politische Korruption ist dafür der angemessene Begriff.

- Strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen reichen keineswegs aus. Erstens ist ein Großteil der Straftaten nach 5 Jahren verjährt, zweitens greift der Ermittlungsauftrag der Staatsanwaltschaft zu kurz: sie prüft weder die zivilrechtliche Haftung noch ob und in welcher Höhe die Renditen für kriminelle und sittenwidrig aufgelegte Fonds weiterbezahlt werden müssen.

- Der Senat versucht den Bankenskandal von der Tagesordnung abzusetzen. Deswegen soll die Bankgesellschaft noch in diesem Jahr verkauft werden. Deshalb lehnt er eine unabhängige Expertenkommission ab
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Ergänzungen

Artikel bei spiegel.de

k.A. 19.07.2002 - 22:21
Ahoi!

Sorry, war selber nicht da ... ;) Aber hier ein Artikel bei spiegel.de:

Die da oben, wir da unten

Von Rüdiger Strauch

Ein ungemütlicher Tag für Vorstand und Aufsichtsrat der Bankgesellschaft Berlin: Hunderte Kleinaktionäre des maroden Finanzkonzerns machten bei der Hauptversammlung ihrem Ärger Luft. Vor der Tür demonstrierten wütende Steuerzahler gegen die Plünderung der Stadtkasse.

mehr:  http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,206098,00.html

Das letzte Hemd geht an die Bank

19.07.2002 - 23:39
Tumultartige Szenen gab es im Saal der AktionärInnenversammlung der Berliner Bank. Der Vorstandsvorsitzende wurde von einer Frau aufgefordert, das T-shirt "Berlin ist pleite. Ich bin schuld" anzuziehen.
Und etwa 20 AktivistInnen zogen ihr T-shirt mit der Aufschrift "Mein letztes Hemd" aus und warfen es aufs Podium.

"Das letzte Hemd geht an die Bank" berichten Julia Haak/ Sarah Kramer in der Berliner Zeitung:
 http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/berlin/.html/161253.html

Nieder mit den Spekulanten !

revolutionäres Exekutivkommando von attaK 20.07.2002 - 07:29
Folgender Flyer wurde auf der Kundgebung verteilt:

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Nieder mit den Spekulanten!

Der Ausverkauf Berlins ist beispiellos! Unsere Steuergelder
sind von eine raffgierigen Bande aus einem Filz von
Wirtschaft, Politik, Staat und Gewerkschaften in die
eigene Tasche gewirtschaftet worden und weitere Steuern
dienen nun dazu, die Zinsen für die kriminellen Machenschaften dieser Bande zu zahlen.


Doch dies hat System! Unter dem Vorwand, Arbeitsplätze
im Baubereich zu erhalten, wurde der "Skandal" von langer Hand
geplant, um unser Wirtschaftssystem in die Krise zu treiben.
Alle Fakten - und insbesondere die Rafinesse, mit der dies
ausgeheckt wurde - spricht dafür, dass es sich hierbei um
eine bolschewistisch- zionistische Verschwörerbande handelt.
Sie haben unser Wirtschaftssystem unterwandert, indem sie
sich Posten in den staatstragenden Parteien -und sogar
Bürgermeisterposten - aneigneten, sich als brave Fondsanleger
getarnt und den Casino-Kapitalismus begründet, den sie uns
jedoch als "Aktienkapitalsozialismus" verkaufen und uns alle
- insbesondere an ihrem Crash - teilhaben lassen wollen,
indem sie die Schulden vergesellschaften. In Wirklichkeit
sind sie aber miese, raffgierige und kapital- sowie staatsschädigende
Verräter und Besatzer von Berlin. Ein beispielloses Reich von
Plattenbausiedlungen und Grundstücken haben sie sich unter den
Nagel gerissen ! Mit ihrem auch zusammengerafften Spekulationskapital
wollen sie sich auf dem Zenit der Krise aus dem Staub machen und
damit Grund und Boden in Israel/Palästina kaufen. Das Zionistenregime
in Israel hat extra dafür kürzlich ein Gesetz zum Kauf von Boden
geschaffen, das es jedoch vorerst aufgrund unserer massiven Proteste
zurücknehmen musste.

Legen wir ihnen das Handwerk!
Nieder mit den Spekulanten und Besatzern von Berlin!
Keinen Cent von unseren hart erarbeiteten oder ehrlich zusammenschmarotzten Mammons mehr an diese
bolschewistisch-zionistische Verschwörerbande!
Enteignen wir sie und machen wir sie dingfest,
bevor sie das Land verlassen !

Unbedingt lesen - mehr zur Verschwörerbande unter:


revolutionäres Exekutivkommando von attaK-Berlin

Lustig

lidl_ist_billig 20.07.2002 - 10:38
haben wohl mal wieder gegen sich selbst demonstriert, haben doch alle die PDS gewählt.

@ rEk-Attak aka angie

Mandelkern 20.07.2002 - 11:33
Vorsicht,
Du vergisst zu erwähnen, dass die Flyer Teil einer "Kommunikationsguerrilia" Aktion waren ? (von Dir?)

Damit sollte siche darauf hingewiesen werden, dass das Protestieren gegen Banken/Kapital in Deutschland immer auch antisemitische Implikationen haben kann.

Wenn Du es jetzt so darstellst, als hätten Leute von Attac den Flyer verteilt, (Gibt immer so Stoffel, die diese Art von Ironie nicht verstehen.) sieht es leider so bischen nach dem Phänomen, "ich darf mir meine Linke so antisemitisch vorstellen, wie ich will!" aus. Belege schreib ich mir selbst.

Klar ist Protest gegen das Kapital in D immer ne verdammt zweischneidige Sache, aber auch die Kritik daran sollte fair bleiben.

Gefährlich ist, die Gefahr immer zu sehen

Antikapitalisti 20.07.2002 - 13:18
Spekulation, Investition, Angebot & Nachfrage usw. - all diese Vorgänge aus Profitinteresse und auf Verwertungsbasis richtet sich gegen Menschen und Umwelt. Wer nur verkürzt Banken angreift oder nur das internationale Finanzkapital hat eine verkürzte Kapital- und gar keine Kapitalismus-, geschweige denn Herrschaftskritik.

Wer aber behauptet, Kapitalkritik sei an sich schon immer zweischneidig, ist selbst antisemitisch, weil ja schließlich in der Bank das Judentum gesehen wird. Wichtig ist, die Kritik an Kapitalverhältnissen zu schärfen - nicht jedoch selbst noch immer darauf hinzuweisen, daß Spekulation was mit Judentum zu tun hat. Hat es nicht - und das aus den Köpfen rauszukriegen, muß Ziel anti-antisemitischer Praxis sein statt es noch in die eigenen reinzuhämmern.

real_video

--- 20.07.2002 - 14:58
zum thema noch ein kleiner video-clip aus der abendschau vom sfb, mit der "letzen Hemd"- Aktion während der Veranstaltung, dem Rausschmiss der Presse, einigen mehr oder minder interessanten Interviews und einem Überblick über die Demo draussen.

 http://www.sfb.de/fernsehen/abendschau/ramgen/020719ab1930.ram?start=02:39.0&end=05:15.9

Wichtig scheint mir nun, dass dieses Thema, mit dem man bestimmt grosse Teile der bürgerlichen Bevölkerung erreichen kann, mit einer intensiven radikalen Kapitalismuskritik verknüpft wird. Mensch will ja schliesslich nicht neben dem Wendehals Steffel an einer Seite kämpfen, der sich nun öffentlich mit der Initiative Berliner Bankenskandal solidarisiert hat.

nieder mit den spekulanten !

proktologe . 20.07.2002 - 21:31
ich bin kein grosser freund von attak aber die anpisserei von " revolutionäres exekutivkommando von attak " ist einfach nur krank . diese deutschen "antideutschen" sind weder links noch rechts sonder geistesgestörte mittelstandskiddies am arsch des kapitalismus .

@proktologe

pippi wutstrumpf 20.07.2002 - 22:09
laaaaaaaaaaaaaanweilig und konterrevolutionär sind die, vor denen jede selbstkritik und selbstironie abprallt. der provo-flyer drückt und kritisiert tendenzen aus, die in einer verkürzten kapitalismuskritik liegen. vielleicht solltest du einfach mal den hintergrundtext unter
 http://www.members.partisan.net/gratis/bk2.htm
lesen?

@antikapitalisti

Bernd 20.07.2002 - 22:13
Die Gefahr ist immer in einer verkürzten Kapitalismuskritik. Und dies wurde durch den Flyer plus Hintergrundtext deutlich gemacht. Darin sind übrigens auch Praxis-Vorschläge. Eine weitere Praxis war es, die Solidaritätskundgebung für Argentien durchzuführen. daran haben sich aber auffällig wenig aufgebrachte deutsche Bürger beteiligt.