Bericht vom Eröffnungsplenum des Grenzcamps

müder Plenumsrocker 14.07.2002 02:21 Themen: Antirassismus
Am Samstagabend fand auf dem Grenzcamp in Jena das Eröffnungsplenum statt.
Hier ein kurzer (positiv überraschter und wegen Müdigkeit ungenauer) Bericht
Mit Erinnerung an vergangene langwierige und nervige Plena ging es zum heutigen Eröffnungsplenum des Grenzcamps. Dort sorgte die Ankündigung, dass es erstmal 45 Minuten "Input" geben würde für einen Rückgang ein Plenumsbereitschaft. Interesse an einem 45-minütigen Vortrag bestand nicht gerade. Aber es kam ganz anders...
Nach einer kurzen Hinleitung (es werde um Themen gehen, die in der Vorbereitung diskutiert wurden) begann eine neue Form von Kennenlernspielen. Alle sollten aufstehen und sich Nachbarn suchen, die einem vorher nicht bekannt waren. Dort sollte jeweils ca. 2 Minuten über verschiedene Themen (soziale Gemeinsamkeiten, soziale Differenzen, Instrumentalisierung und Solidarität in der gemeinsamen politischen Arbeit, Verknüpfung/Verzahnung von Rassismus und Sexismus, Gender/Identitätspolitik, Grenzziehungen - Frauen/Lesben/Transgender-Bereich auf dem Grenzcamp) geredet werden. Zwischen den Themen wurden die Plätze erneut gewechselt. Das ganze in deutsch und englisch (sowie kleinen Übersetzungsgruppen für weitere Sprachen).
So gingen die 45 Minuten doch schnell vorbei und alle hatten das Gefühl was gemacht zu haben und richtig am Plenum teilgenommen zu haben. Nun begann eine mit Spezialeffekten eingeleitete Diskussion über die Formierung Transidentitärer Bündnisse. Gleichzeitig setzte aber auch ein Schwund an Plenumsteilnehmern ein.
Trotz allem ein Plenum, dass bei mir in positiver Erinnerung bleiben wird.


Etwas Kritik hab ich auch noch. Negativ aufgefallen ist mir der nicht gerade geringe Konsum von Alkohol. Eigentlich sehe ich das ganze Camp als eine große Politaktion. Dort hat Alkohol eigentlich nichts zu suchen. An das Niveau eines Festivals ist der Alkoholkonsum noch nicht gestiegen, aber wenn die Steigerung so weiter geht, wie zum letzten Jahr, dann wird das nicht mehr lange dauern, bis da ein gleichstand herrscht. Irgendwo finde ich es schon schwach, dass viele Leute nicht mal eine Woche auf ihre Drogen verzichten können und immer aus der wahrlich nicht schönen Realität fliehen müssen.
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Ergänzungen

das plenum war gut und neu

14.07.2002 - 03:28
Ich fand das Plenum auch richtig gut vorbereitet und durchgeführt. Ein Mann/Eine Frau (schwul/lesbisch ... sind auch denkbar, sowie alle weiteren Geschlechtsidentitäten) wechselten in der kurzen Einführung und machten auf die Schwierigkeiten in der Vorbereitung aufmerksam. Nachdem alle erfolgreich sensibilisiert waren setzte die Aufforderung ein am Geschehen direkt teilzuhaben, indem immer wieder Kontakt aufgenommen werden musste. Die angepeilten 2 Minuten waren mehr die Vorgabe der Moderation, um sich den Raum "zurück zu erobern", da die meisten mehr Zeit brauchten. Es gab einen Einblick, wie gross das Bedürfnis nach Austausch und Diskussion ist.
Irgendwann waren die 45 Minuten um und ein weiteres Ergebnis bei mir war, dass ich sehr nachdenklich war, ob der ganzen Themenfelder, die angesprochen waren und mir für die weitere Diskussion auch erst mal nichts einfiel. Ich war irritiert, wie und wo jetzt auch praktisch auf dem Camp weiter, aber mit einem guten Gefühl von, dass wir daran arbeiten, auch wenn nicht gleich alles aufgelöst werden kann.
Mir schien die Redeatmosphäre durch den direkten Kontakt weniger in Konkurrenz und Konfrontation, mehr auf Gemeinsames konzentriert gewesen zu sein. Ich fand das Input ein Gutes.

Eher Perfomance als Plenum ...

hierarchnisti 14.07.2002 - 16:04
Den Bericht finde ich ziemlich vernebelnd. Eingeladen wurde zu einem Plenum. Plena sind Großtreffen, auf denen wenige dominante Demokratie als Durchsetzungsebene ihrer Macht nutzen. Das ist nichts Neues.
Der neue Versuch aber war nur als Werbegag mit Plenum angekündigt worden. Tatsächlich war es eine Art Performance, in der Menschen geschickt dazu gebracht wurden, nachzudenken und Positionen zu verinnerlichen, die extrem dominant vorgetragen wurden. Vortrag und Diskussionsphase waren meist im Zeitverhältnise 10:1 oder 20:1, manchmal wurde die Diskussionsphase gar nicht zugelassen. Rückmeldungen wurden ebenfalls nicht abgefragt. Widersprüche konnten gar nicht angemerkt werden (wäre mit bei der üblich-peinlichen Reduzierung von Diskriminierungsverhältnissen auf Sexismus und Rassismus aber z.B. wichtig gewesen - gut, die Szene ist halt alt und meist intellektuell-sportlich konstruiert).
Ich finde es sehr falsch, Herrschaftsanalyse komplett auszublenden. Bedauerlich auch, daß Menschen vom letzten Grenzcamps auf einem Seminar zu "Entscheidungsfindung von unten" waren ... in Jena scheint davon nichts angekommen. Die Dominanz ist aber immerhin unterhaltsamer verpackt ...