Fischers "Ideenpapier" für Nahost
Bevor er nach Jerusalem reiste, traf sich Außenminister Powell in Madrid mit der Führung der UNO, der NATO und der EU, um diesen Vorschlag zu erörtern. Auch der russische Außenminister war anwesen, nachdem er sich zuvor in Weimar mit Kanzler Schröder getroffen hatte. Es ist offensichtlich, daß der Fischer-Plan vor seiner Veröffentlichung in Diskussionen zwischen allen beteiligten Parteien ausgiebig vorbereitet worden war. Er scheint die Rede zu ergänzen, in der Präsident Bush seine Forderungen sowohl an die Israelis als auch die Palästinenser dargelegt hat. Mit dieser Initiative in der Tasche, wird Außenminister Powell jetzt vielleicht in der Lage sein, mit Sharon und Arafat über konkrete Schritte zu sprechen, die beide Männer mit der Erwartung unternehmen müssen, daß sie mit der Unterstützung dieser "dritten Kraft" belohnt werden, die willens ist, für den Frieden zu intervenieren.
In diesem Plan scheint es, daß Intervention Friedens-Schaffung bedeutet, nicht bloß Friedens-Erhaltung. Deshalb wird von allen Truppen, die in dieses Gebiet geschickt werden, erwartet, daß sie auf Gewalt und Terror angemessen reagieren können, so wie es auch im Balkan der Fall ist. Kanzler Schröder schlug sogleich vor, daß deutsche Truppen Teil einer solchen Kraft sein könnten. Die Stellungnahme löste sofort Kritik von links und rechts aus, wobei die eine Seite die Vorstellung deutscher Truppen in Israel ein Zeichen von Ignoranz gegenüber der Geschichte nennt und die andere Schröder kritisiert, Zusagen zu geben, die er wegen einer schon überstrapazierten Bundeswehr nicht einhalten könne. Aber die Stellungnahmen des Auswärtigen Amts in Berlin behaupten, daß Deutschland eine besondere Verantwortung hätte, zur Friedenssicherung in dieser unruhigen Region beizutragen.
Tatsache ist, daß diese Initiative einen weiteren Fall darstellt, in dem Deutschland eine Führungsrolle im globalen Rahmen ergriffen hat, und diesmal im hochsensiblen Feld der Nahostpolitik. Wir sind weit entfernt von den Tagen des Golfkriegs vor über einem Jahrzehnt, als deutsche Scheckbuchdiplomatie die meistgespielte Karte war. Die Präsenz deutscher Truppen im Einsatz im Balkan, am Horn von Afrika und in Afghanistan könnte jetzt auf die Westbank ausgedehnt werden.
Das läßt so manchen in Deutschland und auch außerhalb davon erschaudern. Der Blick auf die wenigen hundert Soldaten, die in einem solchen Einsatz beteiligt sein könnten, läßt nicht das ganze Spektrum eines solchen Spielplans erkennen, wie es von den USA, der UNO, der EU und Russland unterstützt wird. Es wird bzw. muß genausosehr eine Konzentration auf die Infrakstruktur beinhalten wie die Maßnahmen, die jetzt in Afghanistan und auf dem Balkan umgesetzt werden, d. h. auf Schulen, Polizeiarbeit, Krankenhäuser und Justiz. Deutschland und Europa haben seit dem Oslo-Abkommen intensiv in Maßnahmen zum Aufbau dieser Kapazitäten im palästinensischen Sektor investiert, und sie müssen jetzt wiederaufgebaut werden müssen.
Die Reaktion in Israel auf das "Ideenpapier" war vorsichtig, aber nicht übermäßig kritisch. Tatsache ist, daß Deutschland sowohl den Israelis als auch den Palästinensern die Nachricht übermittelt hat, daß sie das Problem nicht allein lösen können, und daß sie Hilfe akzeptieren müssen, wenn sie sich aus dem bösartigen Kreislauf der Gewalt herausziehen wollen. Selbstverständlich will Fischer dieses Papier am kommenden Montag in Brüssel schnell in eine EU-Initiative umsetzen. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß dies gelingt. Ob es in der Region gelingt, der es helfen will, ist eine ganz andere Frage.
Ob dies ein neues Stadium deutscher Außenpolitik gegenüber dem Nahen Osten darstellt, das weniger mit der Vergangenheit belastet ist, wenn es darum geht, kritisch sowohl gegenüber den Palästinensern als auch Israel zu sein, ist spekulativ. Die gegenwärtige Debatte zwischen Berlin und Tel Aviv über ein heimliches Waffenexportembargo, das von Deutschland während der aktuellen Krise eingeleitet wurde, könnte ein Indikator sein.
Obwohl die deutsch-israelischen Beziehungen den Inbegriff der Kompliziertheit darstellen, scheint es offensichtlich, daß sie gerade eine weitere Transformationsphase durchlaufen, so wie auch die deutsche Außenpolitik im allgemeinen. Im Glauben, daß er die Zustimmung von Israelis und Palästinensern hat, zählt Fischer auf die Tatsache, daß er zur Zeit die Gelegenheit hat, in die Rolle des Vermittlers zu gehen um Zustimmung zu dieser Initiative nicht nur in Europa, sondern auch im Nahen Osten zu erhalten. Es ist ein riskantes Spiel, aber gemessen an den Einsätzen und Gefahren scheint es erfolgversprechend.
Übersetzung: Javier Santana
Original: American Institute for Contemporary German Studies: Fischer's "Idea Paper" for the Middle East, 11. April 2002
Weiterlesen: www.militaerunion.tk
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Ergänzungen
Na ja....