Genua: Polizei fälschte Beweise

kein cp 23.06.2002 17:06 Themen: Repression
Kurz nach Mitternacht am 22. Juli stürmte die Polizei die Diaz-Schule in Genua, in der AktivistInnen friedlich schliefen. Sie wurden brutal zusammengeschlagen, einige von ihnen schwer verletzt und anschließend verhaftet. Die Begründung für den Überfall der Polizei: ein Polizist sei angeblich mit einem Messer angegriffen worden, und es seien Molotovcocktails gefunden worden. Nun stellen sich diese Behauptungen - welch Überraschung - als Lügen heraus und nun werden die Beamten beschuldigt.
Die Version der Polizei über den Einsatz gegen G-8-Gegner in Genua entpuppt sich als Fake. Ermittlungen wegen Fälschung von Beweismitteln:

Eine Wende nahmen in den letzten Tagen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Genua zum Sturm der Polizei auf die Scuola Diaz während des G-8- Gipfels im vergangenen Juli. Die Staatsanwaltschaft geht nun davon aus, dass die Kette der Ereignisse, wie sie die Polizei präsentierte, ein kolossaler Fake ist.

93 Verhaftete, davon 60 zum Teil schwer Verletzte, war die Bilanz des Sturms der Einsatzkräfte auf die Schlafstätte der G-8-Gegner. Dennoch hatte die
Polizeiführung ein gutes Gewissen. Schließlich sei wenige Stunden vor dem Einsatz eine Streife aus der Schule mit Steinen bombardiert, ein Beamter Opfer
einer Messerattacke und nach der Gewaltorgie Molotow-Cocktails und weiteres gefährliches Gerät sichergestellt worden.

Diese Version trägt - nachdem gegen 100 Beamte wegen Körperverletzung ermittelt wird - jetzt 25 Polizeioffizieren einen Ermittlungsbescheid wegen Fälschung von Beweismitteln und übler Nachrede ein. Der Beamte, der das Protokoll über die Steinwürfe unterzeichnete, kann sich nicht erinnern, beschädigte Wagen wurden nie präsentiert, nie hat die Polizei aufgeklärt, dass die den Einsatz rechtfertigenden Steinwürfe am Abend erfolgt sein sollen, während die
Einsatzleitung den Sturm am Nachmittag beschlossen hatte.

Gut erinnern kann sich dagegen ein anderer Polizist: Er hatte am Nachmittag des 21. Juli am Rande der Auseinandersetzungen auf offener Straße zwei Mollis
sichergestellt; jene Flaschen sollen nur Stunden später in der Scuola Diaz "im Eingangsbereich für jeden sichtbar" (so das Protokoll) auf ihre Beschlagnahme gewartet haben. Auch den Messerstich auf einen Beamten hat es nie gegeben. Ein kriminaltechnisches Gutachten ergab, dass das Messer und der Riss in der Jacke nicht zusammenpassen.

So triumphierend damals die Polizei ihre "Beweise" präsentierte, so schludrig ging sie mit ihnen um: Keiner hielt es für notwendig, die Molotow-Cocktails auf Fingerabdrücke zu untersuchen. Mit gutem Grund dagegen wurden die Benzinflaschen im "Eingangsbereich" platziert - so sollten alle 93 Schulbewohner zu Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung gestempelt und das Genua Social Forum als Schirmherr des Black Block entlarvt werden.

Die Staatsanwaltschaft Genua geht davon aus, dass diese Einsatzstrategie zentral von der nationalen Polizeiführung geplant wurde. Hauptbeschuldigter ist deshalb der damalige Vizechef von Italiens Polizei ,Arnaldo La Barbera. Voran kommen auch die Ermittlungen zum Sturm auf das der Scuola Diaz gegenüberliegende zweite Schulgebäude, in dem das Genua Social Forum und das Media Center der G-8-Gegner ihren Sitz hatten. Zusammengeschlagen wurde dort niemand. Hinterher hieß es, die Beamten seien in dieses Gebäude irrtümlich eingedrungen. Ein zielgerichteter Irrtum: Systematisch wurden die Computer zertrümmert und die Festplatten mitgenommen. Beschlagnahmeprotokolle: Fehlanzeige. Deshalb werden die verantwortlichen Beamten von der Staatsanwaltschaft der Sachbeschädigung und des Diebstahls beschuldigt.

Crosspostings (bereits anderswo erschienene Artikel) werden bei indymedia gnadenlos ins Open Posting verbannt. Deshalb ist dieser Artikel mit einigen zusätzlichen links und einem einführenden Abschnitt versehen, damit die ModeratorInnen dies ins newswire schieben können, da ja indymedia seinerzeit sehr ausführlich über die Stürmung der Diaz-Schule durch die Polizei berichtet hat. Auf diesen Artikel (( http://www.taz.de/pt/2002/06/21/a0088.nf/text.ges,1) in der taz am 21.6.02 von Michael Braun (Polizeistrategie im Visier der Staatsanwaltschaft) bin ich erst durch einen Bekannten aufmerksam geworden und vielleicht haben auch andere diese Info gar nicht mitgekriegt. Zur Zeit ist ja die Ermordung von Carlo Giuliani (aufgrund eines Untersuchungsberichts) auch wieder Thema in Italien (siehe engl. Feature:  http://italy.indymedia.org/front.php3?article_id=54794&group=webcast).

Polizeiangriff auf Diaz-Schule, GSF und Indymedia (22.7.):  http://www.indymedia.de/2001/07/4866.shtml
Assassini !!! - Augenzeugenbericht Überfall auf Schule Diaz:  http://www.indymedia.de/2001/07/5040.shtml
genua: augenzeugenbericht aus der scuola diaz (transkription eines audios):  http://www.indymedia.de/2001/08/5923.shtml
Betroffene des Überfalls auf die Diaz-Schule:  http://www.indymedia.de/2001/08/6289.shtml
Genua: Verhöre zur Diaz-Schule in Berlin:  http://www.indymedia.de/2002/02/16235.shtml
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Ergänzungen

Für was Beweise?

Nietzsche 23.06.2002 - 23:10
Was spielt das schon für eine Rolle ob die Beweise gefälscht waren oder nicht. Bullen brauchen keine Beweise, in Italien schon garnicht. Schröders Freund Berlusconi dieser Schmierfink wird alle und alles decken.

Von Genua nach Alberta

Silvi 24.06.2002 - 02:17
Genua darf niemals in Vergessenheit geraten. In der
sogenannten "Anti-Globalisierungsbewegung" (zweifelhafter Begriff) jedoch scheint sich nach dem Sturm des letzten Sommers mittlerweile so manches gelegt zu haben. Für den G8-Gipfel nächste Woche wurde bislang nur zu wenigen lokalen Aktionen mobilisiert (oder es ist zumindest wenig im Internet zu finden).

Deshalb rufen wir auf: Beteiligt Eich an den Global-Local-Action Days in Osnabrück (28.-29.Juni).
Schaut auf unsere Homepage.
Von Genua nach Alberta....und auch danach keine Atempause!!

@ Nietzsche

Me 24.06.2002 - 03:42
Die Bullen brauchen sowas nicht, aber die Regierungen legitimieren ihre Aktionen geren öffentlich. Das hat sogar Stalin gemacht. Ist halt ein Stück Herrschaftssicheruung.

Noch mehr Zeitungsartikel

Hartmut 24.06.2002 - 15:34
In der jungen Welt vom 22.6.2002 stand ebenfalls ein Artikel über die Ermittlungen wegen der Diaz-Schule:
"Gefälschte Beweise. Polizei hat bei G-8-Gipfel in Genua offenbar Molotowcocktails in Schule Diaz plaziert"
( http://www.jungewelt.de/2002/06-22/003.php)

Bereits am 23.5.2002, also vor etwa einem Monat, brachte die taz einen Artikel über den Fortgang der Diaz-Schulen-Ermittlungen: "Genua-Ermittlungen. Prozesse gegen mutmaßliche Prügelpolizisten; Verfahren gegen Globalisierungskritiker werden eingestellt."
( http://www.taz.de/pt/2002/05/23/a0098.nf/text.name,ask2bbOi2.n,0)