Der Nahostkrieg, die Linke und die Militärunion

Javier Santana 17.04.2002 00:59 Themen: Weltweit
Während Europa am Vorabend einer Epoche militärischer Aktionen steht, die für seine nationalen Armeen nicht vorstellbar waren, hinterläßt die größte Welle von Antisemitismus seit dem Zweiten Weltkrieg in der radikalen Linken ein bislang beispielloses politisches Durcheinander. Ein Überblick über die geopolitischen Rahmenbedingungen der gegenwärtigen Eskalation des Nahostkrieges soll zu der dringend erforderlichen Neudefinition linksradikaler Positionen beizutragen.
Was wir gerade erleben, ist die Balkanisierung des Nahen Ostens. Die Schröder-Intiative im Vorfeld der europäischen Außenministertagung markiert den Übergang von der Phase der diplomatischen Destabilisierung in die Phase der Akzeptanzschöpfung für eine Militäraktion. Ein Einsatz der Bundeswehr, so Scharping, sei "zur Zeit" nicht geplant. [1] Mit anderen Worten: Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Friedrich Merz weiß mehr: "Ich kann mir kaum vorstellen, dass die deutsche Bundeswehr noch einmal in einen weiteren Auslandeinsatz geschickt wird." [2] Nein, die Bundeswehr unterzieht schließlich gerade in Mazedonien die Logistik der im Aufbau befindlichen Europäischen Krisenreaktionskräfte einem Probelauf und will noch etwas warten, bis sie ihre neue corporate identity in Betrieb genommen hat. Ab dem Jahr 2003 [3] sollen 60.000 Mann verfügbar sein, um zu Militäreinsatzen von zunächst bis zu einem Jahr Dauer ausrücken zu können. Die Bundeswehr stellt dabei nicht nur das mit Abstand größte Kontingent von 18.000 Soldaten, sondern leitet in Person des Generals Rainer Schuwirth auch den Aufbau.

Mit dieser "Armee ohne Vaterland" [4] ist dann möglich, was mit der Deutschlandfahne auf dem Kampfanzug zur Zeit noch einen außenpolitischen Imageschaden ersten Ranges zur Folge hätte: Unter dem blauen Banner mit dem zwölf Sternen könnten deutsche Soldaten im Nahen Osten versuchen, eine politische Lösung auch mit militärischen Mitteln herbeizuführen. Die grüne EU-Kommissarin Michaele Schreyer hat auf die Ostereskalation bereits mit der Forderung nach einem gemeinsamen europäischen Verteidigungshaushalt reagiert, und das, obwohl die Euro-Truppe gar keine eigenen Soldaten hat, sondern sich aus Kontingenten der Nationalstaaten zusammensetzt. Die Financial Times Deutschland weiß: "Die Zeit ist gekommen, Palästinensern und Israelis das Eigentumsrecht an ihrem identitätsstiftenden Krieg abzusprechen. (...) Das gibt dem Rest der Welt das Recht, wie im Balkan eine Konfliktlösung zu erzwingen."


* Von Rambouillet nach Ramallah *


Der Aufbau der Euroarmee geht auf einen Beschluß aus der Zeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vom November 1999 auf dem EU-Gipfel in Brüssel zurück, auf dem der Leiter der europäischen Nahost-Vermittlungsbemühungen und politische Repräsentant der Militärunion, Javier Solana, sein Amt angetreten hat. Sie steht in einer Reihe von Weichenstellungen in der europäischen Politik hin zur Militärunion. Dem Beschluß vorausgegangen war die Einrichtung einer Art europäischen Quasi-Außenministerpostens, des "Hohen Beauftragten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" auf Initiative der Regierung Schröder auf dem EU-Gipfel in Köln 1999. Dieses Amt war darauf zugeschnitten, mit dem 1995 bis 1999 amtierenden NATO-Generalsekretär besetzt zu werden, der damit auch für den gerade gewonnenen Kosovokrieg honoriert wurde. Solana ist außerdem Leiter der Westeuropäischen Union (WEU), einem militärpolitischen Vorläuferprojekt, und als "Mr. GASP" darum bemüht, die europäische Militärpolitik aus der NATO auszukoppeln. Er war zuvor spanischen Außenminister mit einer Art Joschka-Fischer-Biographie und hatte Anfang der 80er Jahre noch als sozialdemokratischer Kulturminister sich gegen Amerikanisierung und den NATO-Beitritt Spaniens gewandt. Solana hat seine politische Karriere in der außerparlamentarischen Linken der Franco-Ära begonnen hat. Seine erste Amtsperiode endet regulär Ende 2004. [5]

Der Europäische Rat definierte 1999 als Aufgabenstellung: "Für EU-geführte Operationen ohne Rückgriff auf Mittel und Fähigkeiten der NATO könnte die EU nationale oder multinationale europäische Mittel einsetzen, die von den Mitgliedstaaten im Voraus bestimmt sind. Dies erfordert, dass entweder die nationalen Kommandostrukturen, die eine multinationale Repräsentanz in den Hauptquartieren vorsehen, genutzt werden oder dass auf die bestehenden Kommandostrukturen innerhalb der multinationalen Streitkräfte zurückgegriffen wird. Weitere Maßnahmen zur Steigerung der Fähigkeit der europäischen multinationalen und nationalen Streitkräfte, auf Krisensituationen zu reagieren, müssen getroffen werden." [6]

Das Auswärtige Amt resumiert zufrieden: "Wir haben in Gestalt von Herrn Solana eine politische Galionsfigur in der EU, die bereits bekannt bekannt ist, die sich bewährt hat, und die in zwei großen Regionalkonflikten der Europäischen Union bereits ein starkes Profil und Gesicht verliehen hat. Solana hat im Nahostkonflikt seit der Konferenz von Scharm-el-Scheich sozusagen für die Europäische Union den Fuß in die Tür des Friedensprozesses bekommen." [7]

Seine Vermittlungsbemühungen sind mit denen eines Joseph Fischer eng koordiniert, wie seinerzeit vor Rambouillet. "Was den Nahostkonflikt, konkreter die Rollen Außenminister Fischer und Javier Solana betrifft: Sie ergänzen einander. Ich darf an die letzte Reise [2. Juni 2001] erinnern, da haben sich Javier Solana und Joschka Fischer zeitlich auch überschnitten, die Stäbe haben genau den Plan besprochen, wer mit wem spricht, und sie haben sich auch am Flughafen von Tel Aviv noch getroffen, genau gesagt, wie der Stand ist, sind gemeinsam dann zu Peres gegangen und Fischer hat dann sozusagen den Staffelstab weitergetragen. Es ist eine Politik, die komplementär ist." So Christoph Heusgen [8], Direktor des politischen Stabes bei Solana. Heusgen ist außerdem Leiter der "Strategieplanungs- und Frühwarneinheit" des Europäischen Rates, der sich seit 1999 zu einer Art europäischem "State Department" gemausert hat. 2000 hatte die Übernahme der militärischen Geheimhaltungsregeln der NATO für den Europäischen Rat sogar den Protest des Europäischen Parlaments erregt. [9] Sondergesandter des Europäischen Rats für den Nahen Osten ist bereits seit 1996 Miguel Angel Moratinos, ehemaliger Direktor des "Institute for Cooperation with the Arab World" beim spanischen Außenministerium, und Träger verschiedener Auszeichnungen arabischer Regierungen und Organisationen. [10] Moratinos ist ein für seine "Neutralität" berüchtigter Berufsdiplomat und war von 1979-1984 an der spanischen Botschaft in Jugoslawien eingesetzt.

Zum anderen war da Clinton, der im letzen Präsidentschaftswahlkampf die Nahostkarte gespielt und im Sommer 2000 gehofft hatte, sich mit einem Durchbruch in Camp David eine weitere Legislaturperiode zu sichern. Seitdem gibt es in Nahost einen Wettbewerb zwischen zwei Vermittlungsparteien, denen es jeweils mehr darum geht zu vermitteln als darum damit Ergebnisse zu erzielen. Denn dann könnte man ja nicht mehr weiter vermitteln, und das muß man, denn wer sich als Vermittler etablieren kann, gewinnt dabei die Hegemonie in der Region und geopolitisches Gewicht. Gleichzeitig dürfen sich die Vermittlungsparteien aber nicht sichtbar behindern, um glaubwürdig zu bleiben. Diese Konkurrenzsituation ist der Hintergrund, vor dem die aktuelleren Ereignisse - Tempelbergbesuch und Amtsantritt Sharons, Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada - erst schlüssig werden. Sie sorgt dafür, daß jede Neuentwicklung im Nahen Osten in der europäischen und amerikanischen Öffentlichkeit als richtungsweisendes Ereignis wahrgenommen wird, das die Gesamtlage neu definiert. Seit europäische und amerikanische Vermittlung in einem vor allem von deutscher Seite aus forciertem heimlichen Verdrängungswettbewerb stehen, gibt es keine Zwischenfälle mehr, sondern nur noch Eskalation.

Dadurch hängt der Nahostkonflikt politisch am euroatlantischen Verhältnis, und das ist in letzter Zeit von deutscher Seite durch eine Politik der aggressiven Selbsteinladung geprägt, die nach dem 11.9. nochmal radikalisiert wurde. "Die Europäische Union ist dazu aufgerufen, sich vermehrt und unablässig im weltpolitischen Geschehen zu engagieren (...) Wir werden die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin ausbauen, damit die Union wirklich mit einer starken und geeinten Stimme spricht. Wir werden die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik so schnell wie möglich einsatzfähig machen", so die Richtungsvorgabe aus der Gemeinsamen Erklärung der Staats-und Regierungschefs, der Präsidentin des EP, des Präsidenten der Europäischen Kommission und des Hohen Vertreters für die GASP vom 14.9.2001. [11]

Schon vor dem 11.9. vermutete ein Autor der Zeitschrift "jungle World": "Nicht erst seit dem Besuch von Außenminister Fischer in Israel [2. Juni 2001] lassen sich die europäischen Bemühungen im Nahen Osten deutlich verfolgen. Seit geraumer Zeit versucht die EU dort, die USA zu verdrängen. Wie es scheint, ist sie auf dem besten Weg dazu. Im Juni gelang es ihr zum ersten Mal, eigene Beobachter zu plazieren. Ein Prozess, der sich ähnlich wie in Jugoslawien entwickeln könnte - von der Vermittlung zu Beobachtern zur 'Friedenstruppe'. Gut möglich, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Debatte hier beginnt, ob nicht deutsche Soldaten, gerade wegen der Vergangenheit, in Israel Frieden schaffen sollen." [12]


* Von Bielefeld nach Berlin *


Im Moment wird im Nahen Osten noch in diplomatischer Form vermittelt, aber der Übergang zu einer militärischen Form ist mit der Schröder-Initiative in den Bereich des Denkbaren gerückt worden. Die Vergangenheit der Akteure nährt Befürchtungen, auch das Drehbuch könnte der Jugoslawiennummer ähneln: Faschistoide Zombiediktatur (demokratischer Staat) versucht rebellisches Volk (von Europa hochgezüchtete Ethno-Guerilla) zu unterdrücken, so daß irgendwann unparteiische Vermittler (Deutsch-Euroland) eingreifen müssen, um nach dem Scheitern aller zivilen Friedensbemühungen (einem geheimdiplomatischen Erpressungsmanöver) Frieden und Normalität wiederherzustellen (als Besatzungstruppe der bewaffnet weiterbestehenden völkischen Guerilla Rückendeckung für ethnische Säuberungen zu geben). Es mehren sich die Anzeichen, die für diese Variante sprechen: Sharon wird in Szene gesetzt, wie seinerzeit Milosevic, all die Faschismusprojektionen aus dem Kosovokrieg werden wiederbelebt, es wird sogar ernsthaft daran gedacht, ihn derselben europäischer Justiz zu unterziehen wie Milosevic. Der Tonfall der Stellungnahmen wird zunehmend ultimativer.

Was auf dem Bielefelder Parteitag den Abschied der Grünen aus der Linken markiert hat, die explizite Zustimmung zum Militäreinsatz, wurde damals in der radikalen Linken noch durchschaut. Man mußte kein Anhänger der Regierung Milosevic sein, um den Militärschlag gegen Jugoslawien abzulehnen, auch wenn fanatisierte Grüne das wiederholt unterstellt haben. Man mußte auch kein Anhänger der UCK sein, und auch nicht der kriegsvorbereitenden Greuelpropaganda der Scharpings und Beers Glauben schenken, um zu erkennen, daß Milosevic durch sein alleiniges Setzen auf militärische Lösungen nicht fähig war, die Lage zu entschärfen. Man mußte, um den Krieg abzulehnen, noch nicht einmal eine konkrete Alternative zu bieten haben, denn eine Situation zu erzeugen, die keine politischen Alternativen mehr zuläßt, wurde als Teil der politisch-diplomatischen Kriegsvorbereitung durchschaut. Ebenso durchschaut wurde die Tatsache, daß das deutsche Eingreifen in den Konflikt nur den Terroristen unter den Kosovo-Albanern nutzen würde, nicht den an Frieden interessierten. Die Linke war sich damals darüber im klaren, daß infolge des NATO-Einsatzes ein Krieg niederer Intensität im Kosovo bis zum heutigen Tag andauern würde. Niemals hätten sich radikale Linke zu dieser Zeit dafür hergeben, in Deutschland zusammen mit UCK-Anhängern gegen Milosevic zu demonstrieren, trotz aller Kritik an seinem militärischen Vorgehen im Kosovo und seiner Position im politischen Spektrum Serbiens. Die radikale Linke schien damals begriffen zu haben, daß sie sich durch solche Manifestationen für die Absichten der deutschen Außenpolitik instrumentalisiert hätte, wie die Grünen es taten.

Heute gibt es in der radikalen Linken Stimmen, die in Sachen Nahostkonflikt von bedingungsloser Solidarität daherschrödern, und sich der Logik des "Wer nicht für uns ist ist gegen uns" bedienen. Diese Stimmen scheinen die Mehrheit zu bilden, zumindest die Mehrheit der Wortmeldungen. Es sind teilweise dieselben Stimmen, die am Afghanistankrieg noch kritisierten, daß ein von außen eskalierter Regionalkonflikt zum Kampf des absoluten Guten gegen das absolute Böse aufgeblasen wurde, aber jetzt genau dieses Denken auf die Kriegsparteien des Nahen Ostens anwenden. Diese Denkweise hat in der deutschen Öffentlichkeit die Funktion, Akzeptanz für ein militärisches Eingreifen im Nahen Osten herzustellen. Sie könnte schneller, als ihre Vertreter ahnen, die Absichten der Bundesregierung zu einer Fortsetzung der Vermittlungen mit militärischen Mitteln bedienen. Die Regierung ist im Zuge der Akzeptanzvorbereitung für den Militäreinsatz auf der Suche nach einer politischen Kraft im Inneren, die eine bestimmte Form ultimativ-emotionaler Propaganda verbreitet, die sie - im Unterschied zum Kosovokrieg - nicht selbst vertreten kann, da sie nach außen hin Neutralität simulieren möchte. Die Allianzen, die sich in Berlin zum Tag des Bodens formiert haben, könnten bestimmten Teilen der radikalen Linken so schon bald ihr Bielefeld bereiten.

Die Parteinahmen zeichnen sich vor allem durch ihre Hilflosigkeit aus. Dieser Umstand läßt nicht nur dogmatische "Alles Fanatiker, laßt mich in Ruhe" - Haltungen aufkommen, sondern vor allem undogmatische Menschen zunehmend zur Sache schweigen. Lasse ich mich bei meiner Solidaritätsbekundung lieber jetzt von der Polizei schützen oder demnächst von der Bundeswehr instrumentalieren? Kann das die Alternative sein? Wo sind die radikalen Linken, die Politik nicht zum Ausleben ihrer deutschen Identitätsprobleme betreiben, sondern mit Überlegung über die Folgen ihres Handelns?

Die politische Auseinandersetzung um die Al-Aqsa-Intifada hat spätestens durch die Ereignisse der ersten Aprilhälfte die Dimension eines Großen Szenestreits der radikalen Linken verlassen, sie beschäftigt die gesamte Gesellschaft in Deutschland. Infolge der Ostereskalation hat die Linke jetzt das, was sie immer wollte, nur ganz anders als wir es uns jemals vorgestellt hatten: Sie agiert nicht mehr von der Gesellschaft unbeachtet.

Das offene Auftreten der engagierter Nazis - z.B. des Anmelders des NPD-Aufmarschs vom 1.12. - auf der Demonstration zum Tag des Bodens ist ebenso eine Premiere wie das der Bibeltreuen Christen auf der Gegenveranstaltung tags darauf. Auch Personen aus der politischen Mitte gab es auf beiden Veranstaltungen. Das politische Koordinatensystem wird durcheinandergewirbelt, Neuarrangements ergeben sich, unvorstellbare Allianzen werden möglich und bislang marginale Meinungsverschiedenheiten entpuppen sich als handfeste Antagonismen. Vieles ist es nicht, was perspektivisch erkennbar ist, doch eines steht fest: Es gibt auch für die radikale Linke kein Zurück mehr hinter die Verwerfungen im politischen Gefüge, die die größte Welle von Antisemitismus in Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges bereits jetzt hinterlassen hat. Für die Rechte ist diese Gemengelage ein Schlaraffenland, denn sie braucht der Linken die Themen nicht mehr zu entwinden, sie fliegen ihr von ganz alleine zu. Wir erleben eine Situation, in der weniger denn je ersichtlich ist, was rechts und was links ist. Vieles ist im Fluß, und wer sich heute nicht weitsichtig politisch orientiert, kann schon morgen Bündnispartner haben, durch die er sich noch vor kurzer Zeit als bodenlos diskreditiert angesehen hätte.


* Der Hauptfeind ist das eigene Land! *


Die radikale Linke teilt sich heute in drei Gruppen:

1. Antisemiten,
2. Menschen, die noch mit Antisemiten zusammenarbeiten,
3. Menschen, die nicht (mehr) mit Antisemiten zusammenarbeiten.

In dieser Lage ist es das Gebot der Stunde, zwischen den letzten beiden Fraktionen Brücken zu schlagen, und zwischen den ersten beiden zu spalten. Es gilt für alle Besonnenen, sich neu zu sammeln hinter einer grundsätzlichen Kritik der Maßnahmen der eigenen Regierung, und das bedeutet heute primär ihrer Außenpolitik. Einer Außenpolitik, die sich schon jetzt nur noch teilweise in nationalen Bahnen verwirklicht, und die schneller gelernt hat, sich der Europäischen Union zu bedienen, als es irgendwer zu Zeiten der Regierung Kohl für möglich gehalten hat.

Regierungsschef Schröder hat das Verhältnis zwischen deutscher und europäischer Politik 1999 in einer Rede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik auf den Begriff der "Politik des aufgeklärten Eigeninteresses" gebracht. Von den innereuropäischen Kräfteverhältnisse vollständig abstrahierend formulierte er: "Die Kunst besteht darin, die nationalen Interessen mit denen unserer Freunde abzugleichen, um gemeinsame Anliegen vertreten zu können." [11] Die Taktik, nationale Interessen im Gewand gemeinsamer Anliegen zu vertreten, läßt sich auch in der aktuellen Neubestimmung der Nahostpolitik der EU beobachten: Bereits im Vorfeld der Europäischen Außenministerkonferenz haben Fischer und Schröder mit der Zange aus politischem 7-Punkte-Plan und militärischer Eingriffsdrohung die Generallinie festgelegt.

Ohne vorherige Abstimmung mit dem US-Vermittler, aber dafür mit umso mehr hinterhergeschobenen Lippenbekenntnissen zur Mission Colin Powells. Auch im euroatlantischen Verhältnis verschieben sich die Gewichte. Hierin unterscheidet sich der kommende Nahostkrieg vom Kosovokrieg. Die UCK wurde bekanntlich zuerst von deutschen Militärberatern aufgebaut, erst als sie eine bestimmte Größenordnung erreicht hatte, sind die Amerikaner eingestiegen und haben in der Region ihren größeren geheimdienstlichen Einfluß geltend gemacht. Die deutschen Nazis haben daraufhin den Kosovokrieg abgelehnt, weil sie sich um die deutsche Führungsrolle darin betrogen sahen. Sie hätten deutsche Raumordnungspolitik gerne konsequent umgesetzt. Daß das der US-Beteiligung wegen nicht ging, ist nicht zuletzt der Grund dafür, daß es Restjugoslawien als Staat heute noch gibt.

Im Nahen Osten hingegen ist der geheimdienstliche Einfluß der Amerikaner gering. Araber arbeiten nicht für die CIA. Das ist mit dem 9.11. deutlich geworden. Europa hat in der arabischen Welt einen wesentlich differenzierteren diplomatischen und geheimdienstlichen Einfluß als die USA. Die USA werden sich bei der Aufstellung der 'Friedenstruppe' sehr genau überlegen müssen, ob die Eröffnung einer Zweiten Front zur arabischen Welt ihnen in der Gesamtbilanz nicht eher schaden würde, weil es der Europa die Möglichkeit gäbe, sich als Vermittler zwischen USA und Arabischer Welt zu inszenieren. Wenn demnächst unter dem blauen Banner mit den zwölf Sternen deutsche Truppen im Nahen Osten stehen, wird es dort möglicherweise niemanden mehr geben, der traditionelle deutsche Raumordnungspolitik in Schranken verweisen könnte. Wenn dann Israel zerschlagen ist, haben auch Arafat und die Palästinenser für Deutschland keine Funktion mehr. Dann steht die vollständige Aufteilung der Region in kleine rivalisierende ethnische Vasallenstaaten auf dem Programm, die für die Weltmacht Europa einen Abschirmgürtel hin zum afrikanisch-indischen Raum bilden.

Javier Santana
 http://www.boycottantisemitism.tk

-----------------------------------------------------------------------------
[1] Die Welt 15.04.2002,  http://www.welt.de/daten/2002/04/15/0415de326317.htx
[2] Die Welt 10.04,2002,  http://www.welt.de/daten/2002/04/10/0410au325279.htx
[3] Definition der Headline Goals,  http://ue.eu.int/pesc/military/de/DEHeadGoal.htm
[4] Reportage über Rainer Schuwirth,  http://www-x.nzz.ch/folio/archiv/2001/09/articles/lezzi.html
[5] siehe auch Lebenslauf Solana,  http://www.europa-digital.de/laender/spa/eu_pol/solanaprofil.shtml
[6] Protokoll des EU-Gipfels Köln 1999,  http://ue.eu.int/pesc/military/de/DECologne.htm
[7] Europapolitischer Staatssekretär Dr. Gunter Pleuger im Deutschlandfunk, 10/2001,  http://www.auswaertiges-amt.de/www/en/aamt/leitung/pleuger_html
[8] Deutschlandfunk, 10/2001
[9] Europäische Militärgeheimnisse,  http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/themen/Europa/esvp.html
[10] Lebenslauf Moratinos,  http://ue.eu.int/pesc/envoye/cv/moratinos/cv.htm
[11] Die Website des Europäischen Rats bietet sehr detaillierte Erläuterungen zu europäischer Militärpolitik,  http://ue.eu.int/pesc/default.asp?lang=de
[12] Vortragstext von Anton Landgraf: "Moderne Patrioten",  http://www.jungle-world.com/Texte/patrioten.htm
[13] Rede zum Umzug der DGAP nach Berlin,  http://www.dgap.org/IP/ip9910/schroder020999.htm
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Verlorengegangene Bildunterschrift zu Bild #3

javier 17.04.2002 - 01:05
Soldaten der von Mufti Hajj Amin al-Husseini geführten SS-Division "Handschar"

Kriegsbegründende Kriegspropagana Raus!

Goofy 17.04.2002 - 01:42
Werft doch endlich diesen Kriegsverherrlichenden Mist Raus!
Krieg ist und bleibt ein Verbrechen, und für Kriege Begrüngen zu suchen ist nichts für Linke Server, hier werden Lösungen ergründet die ein Leben Ohne Krieg ermöglichen..

Das ist mir doch Egal!

Dafne 17.04.2002 - 01:47
Wenn sich Israel mit seiner Ewigen Provokation, die schon sechzig Jahre dauert und bei der kein Ende ab zu sehen ist, sich soviele Feinde geschaffen hat, die es nicht mehr bekämpfen kann ist das seine Sache, zieht uns nicht in Eure Agression mit rein, wir haben bis jetzt mit allen Völkern in Frieden gelebt.

Goofy ist Nina

17.04.2002 - 01:55
Natürlich ist der Artikel alles andere als kriegslegitimierend, aber eigentlich muss man das nicht erklären...

Goofy ist Nina! wer ist dann Nina?

Harald 17.04.2002 - 02:06

17.04.2002 - 02:18
die "anti"-deutschen drehen immer mehr durch , jetzt also mit dem us amerikanischen imperialismus gegen dem eu europäischen imperialismus ?! das soll eine linke position sein ? lächerlich , der amerikanische UND europäische imperialismus müssen zusammen von der amerikanischen und europäischen linke bekämpft werden , jede andere position ist reaktionär und kriegstreiberisch .

Auweia...

J.K. 17.04.2002 - 02:34
...es scheint ja wirklich immer schlimmer zu werden. Jetzt haben wir (man traut sich ja kaum noch, das Wort zu gebrauchen) also nicht nur 'Subjekte' in der Linken, die mit Antisemiten zusammenarbeiten, nein, wir haben jetzt sogar astreine Antisemiten. Leute also, die den lieben langen Tag an nichts anderes denken, als daran, wie sie den Juden wieder eins reinwürgen können.

Mir kommt langsam der Verdacht, daß einige Antideutsche den Antisemitismus geradezu herbeisehnen - damit die Feindbilder endlich wieder stimmen. Es ist schließlich auch schwer, nach den Ereignissen der letzten Monate sein politisch korrektes Fähnchen noch richtig im Wind auszurichten.

Länger lebe Island! Kein Staat Faröer! Kein Rückkehrrecht für Grönländer!

"dritte welt"

17.04.2002 - 02:50
wo wir schon mal beim imperialismus sind muss ich sagen das die "anti"-deutschen für die menschen der "dritten welt" nur eine ekelhafte verachtung übrig haben .

Für antiemanzipatorische ...

ein antideutscher Faschist 17.04.2002 - 12:16
... antisemitische "Befreiungskämpfe", deren Symbol die Fahne des islamistischen Djihad und deren Mittel das antisemitische Selbstmordattentat gegen Juden und Jüdinnen in Israel und anderswo ist, haben Antideutsche mit Sicherheit und zu recht nicht nur Verachtung, sondern blanke Ablehnung übrig.

Warum soll mensch sich bitte schön mit KlerikalfaschistInnen solidarisieren?? Und seit wann unterstützen Linke völkische Bewegungen, welche sich das Ziel einer Nationalstaatsgründung auf die Fahne geheftet haben? Funktioniert die linksdeutsche Staatskritik nur bei Israel??

PALESTINA LIBERA PALESTINA ROSSA

17.04.2002 - 14:36

In Italien die 30 Jahrer waren fasisten und zionist zusannen gegen links schlagen .

kati 22.05.2002 - 20:48
"In Italien die 30 Jahrer waren fasisten und zionist zusannen gegen links schlagen "

äh, ja alles klar. die pfleger sollen dich doch nicht alleine vorm computer sitzen lassen.