Arg.: Die "Piqueteros" - Zusammenfassung

Mensch aus HH 18.02.2002 00:38 Themen: Globalisierung
Gestern, 16.2.02, fand in Buenos Aires die Vollversammlung der "Piqueteros" statt. Viele hier haben gefragt, was diese "Bewegung der Arbeitslosen" eigentlich genau ist. Hier eine interessante, sehr ausführliche Zusammenfassung über die Bewegung der Piqueteros, die auf Indymedia Austria erschienen ist.
Piqueteros - die Arbeitslosenbewegung in Argentinien
by piquetero 10:59pm Sun Feb 17 '02

Übersetzung eines spannenden Artikels über die Piqueteros auf americas.org

StrassenkämpferInnen in Argentinien

In ganz Argentinien blockieren arbeitslose ArbeiterInnen Strassen und organisieren sich in einer vielversprechenden Bewegung für grundsätzliche Veränderungen.
von James Petras

Weit zurück, zur Zeit der Präsidentschaft von General Juan Perón 1946-55, konnten sich die BewohnerInnen der im Nordwesten von Argentinien gelegenen Provinz Jujuy auf staatliche Unternehmen und geschützte Industrien wie in der Produktion von Tabak und Zucker verlassen. Ein Symbol der Vision Peróns war Aceros Zapla, ein Bergbau- und Stahlbetrieb im Besitz der Regierung, eine Stunde entfernt von der Provinzhauptstadt San Salvador de Jujuy gelegen. Die ArbeiterInnen erhielten von der Firma Löhne auf Mittelklasse-Niveau.

Aber in den späten 80er Jahren begann sich das Leben in Jujuy zu verschlechtern, als Argentinien anfing, die Löhne zu senken und Betriebe zu privatisieren. Tausende von Jobs wurden von Jujuy in Länder wie China und Indien verlagert, wo den ArbeiterInnen weit niedrigere Löhne bezahlt wurden. Der schlimmste Schlag kam 1992, als das Stahlwerk von Aceros Zapla die Zahl der ArbeiterInnen von 5.000 auf etwa 700 reduzierte. Der neue Besitzer des Unternehmens, eine Partnerschaft mit Beteiligung der in New York ansässigen Firma Citicorp, hatte sich entschieden, dass mehr Profite durch die Produktionsumwandlung zu hochmodernem Spezialstahl zu erreichen waren. Gleichzeitig gab es Einschnitte in das Wohlfahrtssystem und die Regierung machte wenig Anstrengungen, neue Jobs zu schaffen. Unter den 600.000 EinwohnerInnen von Jujuy stieg die offizielle Armutsrate von 35% im Jahr 1991 auf 55% 1999.

Nachdem die BewohnerInnen von Jujuy sich für Gewerkschaftsmilitanz eingesetzt, Petitionen an die Regierung geschrieben und friedliche Demonstrationen abgehalten hatten - alles mit wenig Folgen - gehörten sie zu den ersten, die es als Teil der schnell wachsenden Zahl von Arbeitslosen mit einer neuen Taktik versuchten: Strassenblockaden. In einer der ersten Blockaden legten sie in der Nacht des 7.Mai 1997 den Verkehr auf der internationalen Horacio Guzmán Brücke lahm, Argentiniens Hauptverbindung nach Bolivien. Die nächsten vier Tage lang breiteten sich die Blockaden über die gesamte Provinz aus. Die erste Reaktion der Regierung war Gewalt; am 20.Mai wurden Hunderte von ArbeiterInnen der Zuckerindustrie verletzt, als die Armee mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Barrikaden vorrückte. Doch als die AktivistInnen sich weigerten, sich zurückzuziehen, vereinbarten sie in Verhandlungen mit den ProvinzbeamtInnen, dass mehr als 12.500 Jobs geschaffen und die Arbeitslosenhilfe erhöht werden sollte.

Von Jujuy und anderen nördlichen Provinzen weiteten sich solche Strassenblockaden rasch bis zu den verarmten Vorstädten der Industriestädte aus, wie etwa in Córdoba, Rosario, Neuquén und Buenos Aires. Die piqueteros (Streikposten), wie die Protestierenden bald genannt wurden, organisieren sich selbst auf der Ebene von Nachbarschaften und Gemeinden. Um den Ausverkauf zu verhindern, beharren die meisten Gruppen auf ihrer Autonomie und bestehen darauf, dass alle piqueteros an den Entscheidungen teilnehmen.

Die größten Strassenblockaden fanden in La Matanza statt, einem Vorort im Westen der Hauptstadt, wo 2 Millionen verarmte Menschen leben, während Hunderte von Fabriken leerstehen, die früher alles, von Autos bis zu Textilien produziert haben. Die piqueteros von La Matanza stellen das Rückgrat eines Aufstands dar, der noch keine Zeichen eines Rückgangs zeigt, nachdem er im Dezember zwei argentinische Regierungen zum Rücktritt gebracht hat.

Mit ihren Forderungen, die von Nahrungspaketen bis zur Wiederverstaatlichung der Industrien reichen, sind die piqueteros radikaler als die Jugendlichen aus der Mittelklasse, die im Jänner die Zweigstellen von Citibank und BankBoston geplündert haben, nachdem sie gehört hatten, dass das Einfrieren der Bankkonten für Monate nicht wieder aufgehoben werden würde. Und ihre Strassenblockaden sind strategischer als die letzten Generalstreiks in Argentinien, bei denen die Gewerkschaften nur den Dampf der ArbeiterInnenklasse ablassen, ohne die Wirtschaftsordnung grundsätzlich herauszufordern.

Indem sie die Macht der "marginalen" ArbeiterInnen zeigen, erschüttern die Arbeitslosen in Argentinien diese Ordnung, einem Kronjuwel der globalen ökonomischen Elite. Sie bereiten den Weg mit einer Taktik gegen die Politik der freien Marktwirtschaft, der die Armen rund um die Welt nacheifern können. Sie zeigen, dass grundsätzliche Veränderungen nicht durch PolitikerInnen und BürokratInnen, sondern durch Graswurzel-Demokratie und direkte Aktion zu erreichen sind.

Der ersten Präsidentschaft von Perón folgten drei Jahrzehnte der Militärdiktatur, nur mit kurzen Unterbrechungen durch zivile Herrschaft, dazu gehörte auch ein Comeback von Perón in den 70er Jahren. Nach der letzten Militärherrschaft unterwarfen sich der Reihe nach die Regierungen von Raùl Alfonsìn (1983-89), Carlos Saùl Menem (1989-99) und Fernando de la Rùa (1999-2001) den multilateralen Kreditagenturen, die vom US Finanzministerium dominiert werden. Die Handels-"Liberalisierung" und Privatisierungen, die Jujuy und La Matanza verwüsteten, schufen Geisterstädte im ganzen Land. Und drastische Einschnitte in Sozialausgaben trafen jede und jeden schwer, die/der sich keine private Schule und Gesundheitsklinik leisten konnte.

Um die Sache noch schlimmer zu machen, übernahm die Regierung eine Währungspolitik, die die Kapitalflucht noch weiter förderte und zu wilder Spekulation führte. Die Rezession, die 1997 begann, wurde zu einer vollen Depression im letzten Jahr, was die dazu führte, dass es in Argentinien die weltweit größte Konzentration von arbeitslosen IndustriearbeiterInnen gibt. Die offizielle Arbeitslosenrate des Landes hat 18.3% erreicht, eine Darstellung, die von unabhängigen ÖkonomistInnen als krasse Untertreibung bezeichnet wird. In manchen Städten sind 4 von 5 ArbeiterInnen ohne Job. Die offizielle Armutsrate hat einen Rekord von 44% erreicht, doppelt soviel wie 1991. In einem Land, das zu den Hauptproduzenten von Vieh und Korn gehört, können sich die meisten Menschen weder Rindfleisch noch Pasta leisten. Die Züge bringen sie fort, um nach Europa verschifft zu werden.

Manche piqueteros haben ihr Leben lang im informellen Sektor verbracht, sie arbeiten als StrassenverkäuferInnen, TagelöhnerInnen, HausarbeiterInnen usw. Aber viele andere hatten bis vor kurzem annehmbar bezahlte Jobs in der Industrie, von Mettallurgie und Energie bis zu Kleidung. Viele haben Erfahrungen in Gewerkschaftsarbeit. Und die überwiegende Zahl der piqueteros machen Frauen aus, deren Ehemänner von der Arbeitslosigkeit deprimiert sind.

Die argentinischen Gewerkschaften, wie auch ihre nordamerikanischen Gegenstücke, geben dem Verschwinden von Jobs die Schuld für ihren abnehmenden Einfluss. Die älteste der drei großen Gewerkschaftsverbände, die Allgemeine ArbeiterInnen-Konföderation CGT (geleitet von Rodolfo Daer), kollaborierte mit der letzten Diktatur und hat sich seither mit jeder Regierung verbündet. Eine dissidente Gewerkschaft hat den Namen ihres Vorsitzenden Hugo Moyano. Die CGT-Moyano ruft zu Generalstreiks auf und benutzt populistische Rhetorik, aber sie übt nur Druck auf die Regierung aus, wenn es sich um begrenzte Themen handelt und verhandelt hinter den Rücken der HacklerInnen.

Die dritte Gewerkschaft, die Argentinische ArbeiterInnen-Zentrale CTA, hat sich fortschrittlicher verhalten. Angeführt von der Vereinigung der staatlichen ArbeiterInnen ATE, einer Gewerkschaft der Staatsangestellten, arbeitet die CTA mit Arbeitslosen zusammen und orientiert sich an strukturellen Themen. Doch sie hat die Tendenz dazu, militante Aktionen zu nutzen, um dann abzuspringen und hinter verschlossenen Türen Verhandlungen für sich selbst zu führen. Während der Proteste vom 19. und 20.Dezember, die die Regierung von de la Rùa stürzten, glänzte Vìctor de Gennaro, der CTA-Vorsitzende durch seine Abwesenheit.

Alle drei Gewerkschaften funktionieren auf der Grundlage von persönlichen Loyalitäten zu den obersten BürokratInnen, von denen viele ein Einkommen vergleichbar mit dem von CEOs haben. Alle drei orientieren sich an ihren beitragszahlenden Mitgliedern, und nicht am Proletariat als ganzes. Und alle drei haben enge Beziehungen zu den beiden großen Parteien: den Justicialisten von Menem (bekannter nach ihrem Gründer als Peronistische Partei) und der Radikalen BürgerInnen-Union UCR von Alfonsìn und de la Rùa. Diese Interessen erklären, warum Generalstreiks, die in Argentinien verbreiteter sind als in irgendeinem anderen Land, nur Eintagsfliegen sind, ohne Fabriksbesetzungen oder anderen strategischen Mobilisierungen. FunktionärInnen von Konzernen und Regierung haben gelernt, still zu sitzen und bis zum nächsten Morgen zu warten, wenn wieder alles zur Normalität zurückkehrt.

Und diese Interessen erklären auch, warum Versuche der Gewerkschaften, die Arbeitslosen zu organisieren, halbherzig waren. Kein Gewerkschaftsboss ist bereit, durch die schmutzigen, ungepflasterten Strassen der Vororte zu stapfen. Keine/r von ihnen ist bereit, an den Treffen in improvisierten Versammlungsorten trotz eisigen Winden oder kochender Hitze teilzunehmen, während Kinder schreien, Frauen Lebensmittel für ihre Familien fordern und Jugendliche die ökonomischen Vorträge hindurch gähnen. Keine/r ist bereit, mit einer Steinschleuder hinter brennenden Reifen zu stehen und gegen scharfe Munition Strassen zu blockieren. Die Gewerkschaftsbosse bevorzugen eine halbstündige Verabredung im Arbeitsministerium. Sie bevorzugen "Dreier-"Komittees, bei denen sie den Unternehmen und dem Staat helfen, Sparprograme abzufedern und so die "Regierbarkeit" zu sichern.

Militante Nachbarschafts-orientierte Organisierung ist in ganz Lateinamerika am Aufsteigen. In der Dominikanischen Republik kämpfen die städtischen Armen um die Elektrizität zu behalten. In Venezuela stellen sie die Grundlage für das populistische Programm von Präsident Hugo Chávez dar. In Bolivien arbeiten sie mit den Gewerkschaften gegen die Privatisierung der Wasserversorgung. Solche barrio-orientierte Organisierung ist verflochten mit starken ländlichen Bewegungen in Bolivien, Brasilien, Kolumbien, Ecuador, Mexico und Paraguay.

In vielen Ländern ist die effektivste Taktik die Strassenblockade. Der Verkehr staut sich, LKWs können sich nicht fortbewegen, Fabriken bekommen keine Lieferungen und Agrarunternehmen können das Korn nicht transportieren. Eine Strassenblockade stoppt Ein- wie Ausfuhr. Wie ein schwächender Streik hindert sie die Elite daran, Profite zu akkumulieren. Sie verlangsamt den Auslandswechsel, beschneidet die Steuern, die die Regierung zur Bedienung der Schulden benötigt.

Mit dieser Taktik üben die piqueteros Druck auf ein weitreichendes Programm aus. Bei einer üblichen Strassenblockade wird die Freilassung der gefangenen Militanten, der Rückzug der Polizei, Lebensmittelpakete, vom Staat bezahlte Jobs, Mindestlöhne, Arbeitslosenunterstützung und öffentliche Investitionen in Elektrizität, gepflasterte Strassen und Gesundheitseinrichtungen gefordert.

Die argentinischen Arbeitslosen haben eine Praxis der Graswurzel-Demokratie. Alle Entscheidungen, von der Formulierung der Forderungen bis zur Bestimmung des Ortes der Strassenblockade, werden kollektiv in einer offenen Versammlung getroffen, sowohl auf der Ebene der Nachbarschaft als auch der Gemeinde. Sobald eine Strasse ausgewählt worden ist, sucht die Versammlung die Unterstützung innerhalb der an der Strasse gelegenen Nachbarschaften. Es nehmen Hunderte, sogar Tausende Menschen daran teil, sie errichten Zelte und Volxküchen. Die Gefahr eines Polizeiangriffs läßt die Menge der Leute noch weiter ansteigen.

Die Regierung befürchtete Auseinandersetzungen, deshalb hat sie sich gewöhnlich für Verhandlungen entschieden. Die Arbeitslosen fordern, dass die Gespräche am Ort der Blockade stattfinden, damit alle piqueteros daran teilnehmen können. Sofern die Regierung zustimmt, Jobs zur Verfügung zu stellen, verteilen die Arbeitslosen diese auf der Basis der Bedürfnisse einer Familie und der Teilnahme an der Blockade. Aus Erfahrung haben die piqueteros gelernt, dass das Schicken von RepräsentantInnen zu Verhandlungen in einem Innenstadtbüro der Regierung dazu führt, dass genau diese Leute, ihre Verwandten und FreundInnen Jobs bekommen, aber nicht unbedingt jemand von den anderen.

In manchen Gegenden haben piqueteros den lokalen Behörden ihre Macht genommen und quasi-befreite Gebiete geschaffen. In der nordwestlichen Stadt General Mosconi haben arbeitslose HacklerInnen eine "parallele Ökonomie" formuliert, zu der mehr als 300 Projekte gehören, wie eine Bäckerei, Gärten, Wasserreinigungsanlagen und Erste-Hilfe-Kliniken. Manche dieser Projekte laufen bereits mit Erfolg.

Als die Sicherheitskräfte letzten Frühling begannen, mit mehr Gewalt zu reagieren, wurde auch die Arbeitslosenbewegung militanter. In den Monaten nach dem Angriff vom 17.Juli, bei dem zwei AktivistInnen bei einer Strassenblockade in der Nähe von General Mosconi ermordet und etwa 40 verletzt wurden, schlossen sich die piqueteros mit militanten Gewerkschaften zusammen, um die landesweiten Proteste von Zehntausenden ArgentinierInnen zu koordinieren, bei denen mehr als 300 Strassen blockiert und die Wirtschaft lahmgelegt wurde. Im September organisierten die piqueteros massive Blockaden in der ganzen Hauptstadt und arbeiteten mit den militanten Gewerkschaften zusammen, um die größten staatlichen und privaten Unternehmen zu lähmen. Diese Aktionen wurden in bedeutendem Ausmaß von der Mittelklasse mitgetragen, es beteiligten sich KleinhändlerInnen, PensionistInnen, KrankenpflegerInnen, LehrerInnen und MenschenrechtsaktivistInnen - zu den bekanntesten gehören die Madres de Plaza de Mayo.

Als die Regierung am 3.Dezember die Bankkonten eingefroren hat, und damit Billionen von Dollars der Mittelklasse einzog, ist die Anzahl der DemonstrantInnen noch stärker angestiegen. In den nächsten zwei Wochen fanden massive Proteste und organisierte Plünderungen von Supermärkten statt. Darauf folgten tagelange unorganisierte Plünderungen und tödliche Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften. Am Abend des 19.Dezember kündigte de la Rùa den Ausnahmezustand für 30 Tage an, dem sich Zehntausende BewohnerInnen von Buenos Aires widersetzten, indem sie schon Minuten nach der Ansprache auf die Strassen strömten. Viele schlugen vor dem Haus von Wirtschaftsminister Domingo Cavallo auf Töpfe und Pfannen, was diesen noch in derselben Nacht zum Rücktritt brachte. Es folgten weitere Proteste, und noch mehr tödliche Polizeiangriffe, schließlich der Rücktritt von de la Rùa am nächsten Tag. Der Aufstand ließ die Tür zum Präsidentenpalast rotieren, bis der Kongress am 1.Jänner den Peronisten Eduardo Duhalde einsetzte.

Die Forderungen der piqueteros sind noch vor zwei Monaten als links bezeichnet worden, von massiver öffentlicher Beschäftigung bis zur Ablehnung der 140 Billionen $ Schulden der Regierung - jetzt sind sie zu Kampfrufen der Mittelklasse geworden.

Eine Liste dieser Forderungen tauchte im September auf zwei landesweiten Versammlungen auf, die eine in La Matanza, dem Vorort von Buenos Aires, die andere in der Stadt La Plata, eine Stunde südöstlich von der Hauptstadt gelegen. Auf den von Arbeitslosen-Komittees einberufenen Versammlungen trafen sich mehr als 2.000 RepräsentantInnen der piqueteros, von militanten Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen, linken Parteien, StudentInnengruppen, KünstlerInnen-Kollektive und andere.

Während die Depression in Argentinien sich weiter verschärft und die Regierung mit härterer Repression auf die Proteste reagiert, gibt es immer noch keine anerkannte Führung, die die Nachbarschafts-orientierte Bewegung in eine Regierung der ArbeiterInnen verwandeln könnte. Mit Hinweis darauf, dass die Kraft der Bewegung auf lokaler Autonomie beruht, wehren sich einige der stärksten Gruppen von piqueteros gegen eine landesweite Organisierung. General Mosconi hat etwa keine Delegierten zu den Treffen in La Matanza und La Plata geschickt.

Auf der anderen Seite haben die linken und Mitte-links Parteien sich darauf konzentriert, ihre Zeitschriften zu verkaufen und Abgesandte für ein handlungsunfähiges Parlament zu wählen. Während ein paar piqueteros in linken Parteien Posten angenommen haben, dazu gehört auch die Neugründung des Sozialen Pols, hält sich die Mehrheit der Arbeitslosenbewegung von Wahlpolitik fern, aus Angst davor, hinter einem gemäßigten Programm gezügelt zu werden. Eine ähnliche Furcht entsteht vor taktischen Bündnissen mit den Gewerkschaften. Piqueteros, die von ATE beeinflusst sind, der Gewerkschaft der öffentlichen Angestellten, lassen alternative Wege offen, ein Zugeständnis, das zum Ziel hat, Mittelklasse-Pendler und das Arbeitsministerium "herüberzuziehen".

Von rechts nehmen einige opportunistische Peronisten die Forderungen der piqueteros auf und bieten an, mit der Regierung über Jobs zu verhandeln. Ihr Ziel ist es, in den Reihen der Arbeitslosen zu werben, um die Partei neu aufzubauen. Die piqueteros haben diesen Schmeichelein bisher widerstanden. Aber wenn die Repression sich weiter verschärft und grundsätzliche Bedürfnisse weiterhin mißachtet werden, werden sie sich entscheiden müssen, ob sie sich noch stärker radikalisieren oder mit der politischen Elite zusammenarbeiten.

Duhalde kennt dieses Spiel. Seine Amtsausübung von 1991-99 als Gouverneur von Buenos Aires, der Provinz rundum die Hauptstadt, hing vor allem an einem Patronage-Apparat, durch den Essenskörbe und Jobs ausgeteilt wurden. Und wenn die Gefallen nicht griffen, schickte er seine faschistischen Schläger auf die Straße. Sogar als Duhalde den Präsidenteneid schwor, sind seine Schläger aufgetaucht und haben auf die DemonstrantInnen losgeprügelt - die Polizei hat die Schläger unterstützt.

Die US Regierung hat Duhalde schnell überzeugt, über neue Kredite zu verhandeln, die an Sparbudgets gebunden sind. Das wird den Aufstand nur noch weiter entfachen und die Türe öffnen, entweder für ein stärker repressives Regime oder eine Volksrevolution. Mit zumindest stillschweigender Billigung durch die USA begrub die Diktatur von 1976-83 in Argentinien eine linke Bewegung durch die Ermordung von 30.000 Menschen.

Doch die piqueteros geben nicht auf. Zurück nach Jujuy: am 15.Jänner blockierten arbeitslose ArbeiterInnen Strassen mit einem Transparent, auf dem "Klassenkampf-Bewegung" zu lesen war. Am nächsten Tag, als die Proteste sich wieder über das ganze Land ausbreiteten, riefen Tausende Menschen in der Hauptstadt: "Wir wollen 100.000 Jobs - jetzt!"

www.americas.org/news/features/200202_ar...

Quelle:
 http://austria.indymedia.org/front.php3?article_id=7162&group=webcast

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Ergänzungen