genuagefangeneninfos 25.9.2001

infogruppe der genuagefangenen [berlin] 25.09.2001 20:30 Themen: Repression
Haftprüfungstermin am 28. September
Bericht der Europaabgeordeten Sylvia-Yvonne Kaufmann vom 18. September
Resolution der TeilnehmerInnen des Treffens der europäischen ATTAC-Gruppen
Antrag der PDS
Mobilisierung gegen Berlusconi und den CSU-Parteitag am 12./13.10.2001 in Nürnberg
genuagefangeneninfos 25.9.2001
öffentlicher rundbrief der infogruppe der genuagefangenen [berlin]
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Haftprüfungstermin am 28. September
Der Haftprüfungstermin für Michael, Peter, Michael und Victor, die alle in Marassi einsitzen, wird jetzt am 28. September stattfinden (zuvor hieß es, am 27.9. oder 4.10.). Björn, der im Hausarrest sitzt, sollte eigentlich diese Woche von der Staatsanwaltschaft vernommen werden. Das ist durch seinen Anwalt widerrufen worden; sein Fall soll jetzt an die Entscheidung der Haftprüfung der anderen gekoppelt werden.

Bericht der Europaabgeordeten Sylvia-Yvonne Kaufmann vom 18. September
[Der Bericht ist sehr stark gekürzt. Ihr könnt die komplette Version von uns anfordern!]
Im Marassi-Gefängnis in Genua sind zur Zeit noch vier Deutsche (Michael K., 20 Jahre, Michael David K., 20 Jahre und Peter K., 18 Jahre aus Leipzig und Viktor A. aus Berlin) inhaftiert. [...] Die Zustellung der Post vollziehe sich äußerst schleppend. Die Vier gaben außerdem an, dass einige Briefe, von denen sie sicher wüssten, sie nicht erreicht hätten. Telefongespräche oder Telegramme und Faxsendungen würden ihnen generell verwehrt.
[...] Alle drei berichteten übereinstimmend von Misshandlungen während ihres Aufenthalts auf der Polizeiwache. So seien sie mit Schlägen und Tritten von Polizeibeamten fast regelmäßig traktiert worden. Stundenlang mussten sie mit Handschellen gefesselt und dem Gesicht zur Wand auf dem Boden knien. Die verbalen Beschimpfungen gingen weiter. Einem der Inhaftierten wurden von Beamten mit einem Messer die Haare abgeschnitten. Sie seien auch einem Polizeiarzt vorgeführt worden. Dieser habe sich aber nicht einmal von seinem Schreibtisch erhoben, um sie zu untersuchen. Nach Aufforderung durch Beamte hätten sie ein Untersuchungsprotokoll unterschrieben. [...] Die ganze Zeit hatten sie weder die Möglichkeit mit einem Anwalt zu sprechen, noch wurde das deutsche Generalkonsulat informiert. [...]
Auf der Polizeiwache wurden sie gezwungen, die Protokolle ihrer ID-Behandlung und mehrere Beschlagnahmeprotokolle zu unterschreiben. So wurde dem Inhaftierten Peter K. angedroht ihn wieder zu schlagen, wenn er nicht unterschriebe. Die Dokumente waren ausschließlich in italienischer Sprache verfasst. [...] Mit dem Berliner Gefangenen, Viktor K., konnten wir nur kurz über die Umstände seiner Verhaftung sprechen. Auch er berichtete über Schläge durch italienische Polizeibeamten nach seiner Verhaftung. Er gab weiterhin an, dass ihm und den beiden mit ihm zusammen Verhafteten, von denen der eine sich wieder auf freiem Fuß, der andere im Hausarrest befindet, Beweismittel untergeschoben werden sollten. So versuchten italienische Polizisten zu erreichen, dass er einen Stempel anfassen soll, offensichtlich um darauf Fingerabdrücke zu hinterlassen, was dieser aber verweigerte. Später stellte sich heraus, dass der Stempel aus einer verwüsteten Bank in Genua stammte und dort entwendet worden war. Der Stempel ist jetzt eines der Beweisstücke gegen den Berliner Inhaftierten.
[...] Bei zwei der vier Inhaftierten war eine äußerst auffällige Niedergeschlagenheit und teilweise eine geistige Abwesenheit zu bemerken, insbesondere als wir sie auf die Ereignisse in der Polizeiwache ansprachen. Selbst ein so kurzer Eindruck, wie wir ihn von diesen beiden Gefangenen während unseres Besuches im Marassi-Gefängnis gewinnen konnten und bei Zugrundelegung der Tatsache, dass weder ich noch mein Mitarbeiter über eine medizinische bzw. psychologische Ausbildung verfügen, lassen mich zu dem Schluss kommen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit bei diesen beiden eine Traumatisierung infolge der Gewalterfahrung auf der Polizeiwache vorliegt.
Auch den beiden psychisch Stabileren fiel es sichtlich schwer, ihre Erlebnisse zu schildern. Sie gaben zu verstehen, dass es ihnen unmöglich sei, über all ihre Erlebnisse zu sprechen.
[...] Wie in anderen Ländern der EU auch sind die Gefängnisse personell völlig unterausgestattet. [...] Das Marassi-Gefängnis sei eigentlich nur für 400 Gefangene konzipiert. [...]So kümmern sich im Marassi-Gefängnis lediglich vier Sozialarbeiter/innen um die 800 Gefangenen. Der Direktor äußerte weiterhin, er selbst sei jetzt schon über 30 Jahre im Dienst, aber er wisse auch nicht mehr, wie er so eine große Verantwortung mit immer weniger Mitteln erfüllen solle.
[...] Mit dem unter Hausarrest in Finale Ligure stehenden Deutschen (Björn W., 18 Jahre aus Schwelm) sprachen wir etwa eine Stunde. [...] Auch er berichtete, nach seiner Festnahme auf der Polizeiwache misshandelt und gedemütigt worden zu sein. [...] Anfang August habe er schließlich auch einen Anwalt gehabt. Dieser sei aber beispielsweise nicht mal zu den Haftprüfungen erschienen. Insgesamt hätten die Misshandlungen auch noch in den ersten Tagen im Gefängnis angedauert. [...] Er gab weiterhin an, dass ihm offensichtlich Beweisstücke untergeschoben werden sollten. So fände sich, wie er erst viel später erfuhr, auch ein schwarzes T-Shirt unter den beschlagnahmten Sachen, er besitze aber überhaupt kein schwarzes T-Shirt. Erst bei seinem ersten Haftprüfungstermin erfuhr er, was ihm vorgeworfen wurde. Er hatte einen Pflichtverteidiger zugeteilt bekommen, der kein Deutsch sprach, auch der anwesende Dolmetscher sprach kaum Deutsch. [...]
Den Vorwürfen von Misshandlungen und Demütigungen auf den Polizeiwachen muss meines Erachtens nachgegangen werden. Sollte sich auch nur ein Bruchteil der Berichte als wahr erweisen, liegen hier schwerste Grund- und Menschenrechtsverletzungen vor, die geahndet werden müssen.
[Brüssel, den 21.9.2001, Sylvia-Yvonne Kaufmann]

Resolution der TeilnehmerInnen des Treffens der europäischen ATTAC-Gruppen
Die TeilnehmerInnen des Treffens der europäischen ATTAC-Gruppen in Lüttich vom 22. September verurteilen daher auch die Politik der Repression und Kriminalisierung gegenüber der Bewegung der GlobalisierungskritikerInnen in Genua. Die schweren Vorwürfe gegen Sicherheitskräfte im Zusammenhang mit Genua zeigen: Grundrechte sind in Gefahr. Diese Grundrechte zu schützen und auszubauen ist oberstes Gebot. Dazu gehört auch eine Überprüfung der polizeilichen Zusammenarbeit und des Datenaustausches in der EU. Die Verletzungen internationaler Vereinbarungen wie z.B. der Europäischen Grundrechtecharta, der UN-Menschenrechtskonvention und der Anti-Folter-Konvention müssen auf europäischer Ebene untersucht und verurteilt werden.
Wir fordern die europäischen Regierungen und die EU auf, für die Freilassung der noch in Genua inhaftierten Personen Sorge zu tragen, sowie für die Einstellung aller Verfahren. Durch polizeiliche Mißhandlung Verletzte und zu Unrecht Verhaftete haben Anspruch auf Entschädigung. Die Einreiseverbote müssen vollständig aufgehoben werden.

Antrag der PDS
Einrichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission zur Aufklärung der Übergriffe und Einschränkung von Grundrechten gegen Globalisierungskritiker im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel in Genua
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag unterstützt die Forderung nach Einrichtung einer unabhängigen internationalen Untersuchungskommission. Die Aufklärung aller Vorwürfe ist keine inneritalienische Angelegenheit.Der Deutsche Bundestag verurteilt die Kriminalisierung und Repression gegen Kritiker/innen der Globalisierung. Er fordert die Bundesregierung auf, für eine rechtsstaatliche Behandlung aller im Zusammenhang mit Genua inhaftierten Personen aus der Bundesrepublik Deutschland und für ihre rasche Freilassung Sorge zu tragen sowie für die Einstellung aller Verfahren. Durch polizeiliche Mißhandlung Verletzte und zu Unrecht Verhaftete haben Anspruch auf Entschädigung. Die Einreiseverbote müssen vollständig aufgehoben werden. Die schweren Vorwürfe gegen Sicherheitskräfte im Zusammenhang mit Genua zeigen: Grundrechte sind in Gefahr. Diese Grundrechte zu schützen und auszubauen ist oberstes Gebot. Dazu gehört auch eine Überprüfung der polizeilichen Zusammenarbeit und des Datenaustausches in der EU. Die Verletzungen internationaler Vereinbarungen wie z.B. der Europäischen Grundrechtecharta, der UN-Menschenrechtskonvention und der Anti-Folter-Konvention müssen auf europäischer Ebene untersucht und verurteilt werden.
Berlin, den 4.9.2001 [Ulla Jelpke Sabine Jünger Carsten Hübner Heidi Lippman Ulla Lötzer Petra Pau Winfried Wolf Roland Claus und Fraktion]

Bundesweite Mobilisierung gegen Berlusconi und den CSU-Parteitag am 12./13.10.2001 in Nürnberg / Aktuelle Informationen zum Widerstand
Am 12./13.10.2001 findet in Nürnberg der diesjährige CSU-Parteitag statt. Als Gastredner wird dort der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi auftreten. Gegen den Parteitag und Berlusconi-Besuch regt sich immer mehr Widerstand. Hier der aktuelle Stand der Vorbereitung und der geplanten Aktionen.
Zur Situation vor Ort: In Nürnberg haben sich mittlerweile 2 Bündnisse gebildet, die die Protestaktivitäten vorbereiten und zusammenarbeiten. Ein linksradikales Bündnis aus autonomen, antifaschistischen, kommunistischen und anarchistischen Gruppen bereitet Blockadeaktionen gegen den CSU-Parteitag, dezentrale Aktionen und eine grosse Bündnisdemonstration in der Nürnberger Innenstadt vor. Für die Grossdemonstration hat sich mittlerweile ein breiteres Bündnis gebildet, in dem die oben genannten Gruppen bis hin zu linksliberalen Gruppen vertreten sind und dort zusammenarbeiten. Der Schwerpunkt der Zusammenarbeit liegt in der gemeinsamen Durchführung der Aktionen, zu denen mit eigenen Aufrufen mobilisiert werden soll. Weitere Informationen können demnächst über die Internetseite  http://www.go.to/csu-berlusconi abgerufen werden, des weiteren gibt es eine offene Mailingliste, dort schreibt ihr euch ein, wenn ihr eine e-mail an  csu-berlusconi-subscribe@yahoogroups.com schickt. Für aktuelle Informationen dient auch unser Info-Telefon: 0172/585 64 39 (täglich von 18-20 Uhr).
Der vorläufige Aktionsrahmen:
Bundesweite Mobilisierung: Auf unsere erste Vorankündigung haben sich erfreulich viele Gruppen aus allen Regionen der BRD aus Österreich und der Schweiz gemeldet. Wir gehen daher von einer grossen Aktion aus und bereiten uns dementsprechend vor. Aufrufe und Plakate sind in Vorbereitung und werden ab 15.09.01 verschickt. Dazu brauchen wir zur Unkostendeckung für 25 Plakate 5 DM (50 - 10 DM, usw.) und 50 Aufrufe 5 DM (100 - 10 DM, usw.). Zudem werden wir die Plakate und Aufrufe auch über pdf-Format ins Internet stellen. Ihr könnt sie dann herunterladen und vervielfältigen. Ihr seid aber auch aufgefordert, mit eigenen Aufrufen, etc. nach Nürnberg zu mobilisieren. Vervielfältigt die Informationen auf euren Internetseiten und setzt Links auf  http://www.go.to/csu-berlusconi
Übernachtungsmöglichkeiten werden organisiert. Teilt uns bitte so früh wie möglich mit, wie viele Schlafplätze ihr braucht. [autonome antifa in der oa c/o libresso bauerngasse 14 90443 nürnberg fax: 0911 - 27 26 027]

Infoveranstaltung in Bochum noch nicht sicher
Leider ist der Verlauf der Veranstaltung am 5.10. im Bahnhof Langendreer noch nicht gesichert, da auch in Italien über die Linken eine Repressionswelle mit über 60 Verhaftungen, 120 Hausdurchsuchungen und über 400 Haftbefehlen hereinbricht. Aus diesen Gründen ist es noch nicht klar ob der Referent kommen kann. Wir versuchen unser Möglichstes, dass die Veranstaltung stattfindet, können es aber leider nicht garantieren. Also achtet auf weitere Ankündigungen und kurzfristige Mobilisierungen! [Vorbereitungsgruppe Bochum]

Infogruppe Berlin
Die Berliner Infogruppe der Genuagefangenen ist über 0162-8033240 zu erreichen; per Post unter Genuagefangene, c/o Infoladen Daneben, Liebigstrasse 34, 10247 Berlin. Per Email kontaktet ihr uns unter  genua.presse@uni.de. Wir haben einen Email-Verteiler aufgebaut, über den aktuelle Nachrichten verschickt werden. Wenn ihr aufgenommen werden wollt, schickt einfach eine Mail. Der Ermittlungsausschuß in Genua ist erreichbar unter  eamilano@email.com.
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Ergänzungen