Erneuter Widerstand im Lager Bramsche-Hesepe

muss ausgefüllt werden 08.06.2005 21:40 Themen: Antirassismus
Am 08.06.2005 organisierten ca. 70 Flüchtlinge des Lagers Bramsche-Hesepe eine Protestaktion gegen den Besuch einer Delegation niedersächsischer Behörden, um auf ihre ummenschlichen Lebensumstände hinzuweisen und forderten die Schließung des Lagers.
„Schei-ße La-ger, schei-ße La-ger!“ Mit diesem Spruch bedankten sich Flüchtlingskinder aus der ZAAB Bramsche bei einer Delegation bestehend aus Angehörigen niedersächsischer Behörden für die derzeitige Lagerpolitik der BRD und ihre Folgen.

Die Protestaktion im Lager Bramsche-Hesepe begann heute morgen um 9.00 Uhr. Es versammelten sich ca. 70 Flüchtlinge verschiedenster Herkunft um auf die Missstände im Lager aufmerksam zu machen. Grund für die Aktion war der Besuch einer Delegation, bestehend aus MitarbeiterInnen der ZAAB Oldenburg und Braunschweig, sowie Angehörigen des Innenministeriums und der Polizei. Die Delegation war von Lagerleiter Bramm zu einer Infoveranstaltung und einer Begehung des Lagers eingeladen worden, um sich des vermeintlich hervorragenden Zustandes der ZAAB zu vergewissern.

Doch die Flüchtlinge zeigten durch ihren Protest deutlich, dass die Präsentation des Lagers nach außen nicht der inneren Wirklichkeit entspricht, obwohl heute sonst alles gestriegelt und geschniegelt war. Nach einer kraftvollen und entschlossenen Demo durch das Lager versammelten sie sich vor der Tür des Gebäudes, wo die Infoveranstaltung stattfand, und verliehen mit Sprechchören ihrer Forderung nach der Schließung des Lagers Ausdruck. Mehrere Versuche die Infoveranstaltung zu besuchen, wurden durch das Lagerpersonal und vier Angehörige der politischen Polizei verhindert. Hier kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, die nach Aussprache einiger Drohungen durch die Polizei wieder beendet wurden. Zwischenzeitlich waren vier bis fünf Streifenwagen der Polizei vorgefahren.

Zur Mittagspause wurde den Angehörigen der Delegation ein reichhaltiges Buffet serviert; zynischerweise vor den Augen der Flüchtlinge, die sonst oft nur Kartoffeln, Makkaroni oder Reis vorgesetzt bekommen. Dies wurde mißbilligend quittiert. Doch auch das Essen der Flüchtlinge war heute, am großen Schautag, nicht das schlechteste. Lagerleiter Bramm hat sich die Präsentation seines „HolidayParks“ einiges kosten lassen.
Im Laufe des Versuchs durch den Hintereingang der Küche zum schmackhaften Buffet zu gelangen, wurde erneut Polizei eingesetzt. Auch hier kam es zu ungerechtfertigten Handgreiflichkeiten von seiten der Polizei, die sich fälschlicher Weise bei Kameraaufnahmen auf das Recht am Bild berief.
Im Anschluss an diese Aktion wurde zwei „deutschen“ Gästen der Flüchtlinge, die den ganzen Protestaktionen passiv beiwohnten, Hausverbot durch Herrn Bramm erteilt. Allerdings blieb Lagerleiter Bramm den Gästen eine nachvollziehbare Begründung schuldig.

Dieser Protest war erneut verbunden mit der Forderung nach der Schließung des Lagers und zeigt, dass der sebstorganisierte Widerstand durch die Flüchtlinge funktioniert. Ziel von allen AntirassistInnen muss es nun sein, die alltägliche Repression gegen Flüchtlinge durch Solidarität und Schaffung von kritischer Gegenöffentlichkeit ins Leere laufen zu lassen. Nur gemeinsam können wir es schaffen: DAS LAGER MUSS WEG!

P.S.:
Das Fotomaterial stammt von den Flüchtlingen mit der Bitte um Veröffentlichung.
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Ergänzungen

Hintergrundinfos

besser spät als gar nicht! 09.06.2005 - 02:31
Das Lager Bramsche-Hesepe wird als Erfolgskonzept für die sogenannte freiwillige Rückreise verkauft, was u.a. auch der Grund für den Delegationsbesuch war. Diese Abschiebung „light“ ist jedoch oft nicht weniger brutal, da der psychologische Druck auf die Flüchtlinge erhöht wird. Abgefeiert dieses Konzept in folgender Presseerklärung des Innenministeriums:
 http://www.mi.niedersachsen.de/master/C10160977_N13619_L20_D0_I522.html

Was körperlich und psychologisch die Lebensbedingungen im Lager bedeuten, möchten folgende Stichworte andeuten:
teilweise sind Flüchtlinge schon seit bis zu 4 Jahren im Lager
es gibt nur Kantienenverpflegung
Zimmerbelegung teilweise 4-6 Personen
Das Taschengeld beträgt 38,20 € monatlich, wobei dies nur für kooperative Flüchlinge gilt, d.h. diejenigen, die indirekt aktiv an ihrer eigenen Abschiebung mitarbeiten
begrenzte Ein-Eurojobs (3 Std. täglich) nur für kooperative Flüchtlinge, ansonsten generelles Arbeitsverbot
minimale Anwaltskosten, die Notwendig sind um überhaupt Chancen auf ein Bleiberecht zu erstreiten, liegen bei ca. 600 €
Lagerschule und Isolierung durch die abgelegene Lage des Lagers: Bahnfahrt Bramsche-Hesepe nach Osnabrück kostet 4,80 €
Residenzpflicht (Bewegungsfreiheit nur für den Landkreis und das Stadtgebiet Osnabrück)
Schlechte Gesundheitsversorgung, d.h.Paracetamol für fast alles.
die ganze Zeit drohende Abschiebungen
und das Ganze vor dem Hintergrund, das ein Großteil der Flüchtlinge durch die Erfahrungen in ihren Heimatländern in unterschiedlichem Maße traumatisiert ist
Perspektivlosigkeit, Depression, Krankheit, Drogen- und Alkoholsucht, Selbstmordversuche, erzwungene Kleinkriminalität um zu Überleben und Gewalt sind Bestandteil des Lagerlebens. Vor diesem Hintergrund ist auch folgender Artikel zu sehen:
 http://de.indymedia.org/2005/03/110231.shtml

englische übersetzung

dr. wiesengrund 18.07.2005 - 15:30
halli-hallo,
eine englische übersetzung dieses berichts ist zu lesen unter:
 http://translations.indymedia.org/Translations/1120243457/index_html

solidarische grüße,

dr. wiesengrund

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