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Berlin: "Wir sind das Volk!"?! Völkisch?

Nomad Soul 24.08.2004 11:26 Themen: Soziale Kämpfe
Völkisch, Nationalistisch oder einfach ein Zitat? Zeit zum Nachdenken über die Linke
In letzter Zeit wird nicht zuletzt in der Linken gerne der Begriff vom "Völkischen" in Anlehnung an Nationalismus und Rassismus der 30er Jahre in Europa zur Teilung der außerparlamentarischen Kräfte genutzt. Dabei wird übersehen, dass es Zeiten in Deutschland gab und bereits wieder gibt, wo es nötig ist, die Herrschenden daran zu erinnern, woher ihre Legitimation stammt. Das galt zu Urzeiten in Gruppen und Sippenverbänden, wie zur Zeit der antiken Aristokratien, der mittelalterlich-despotischen Monarchien und der heutigen Oligarchien.

Leider glauben viele Aktivisten von Teenager- und Twen- Anarchisten über steinalten Ultraquisten bis Syndikalisten (zu deutsch Gewerkschaftler exkl. Führung) und Trotzquisten, es sei möglich ein System einfach zu übernehmen ohne seine Institutionen in Exekutve, Legislative oder Judikative zu erstetzen. Dabei begehen sie die gleichen Fehler, wie Marxisten, Stalinisten und Maoisten nach 1945 und geben sich der Illusion hin, eine gerechtere Welt durch Eliten zu schaffen. Die Funktionäre wechseln, die Methode ist die gleiche. Ich will damit nicht behaupten, dass es ein Reißbrett für den Streit zwischen Linken, wie in Spanien 1936 gäbe. Aber es bleibt immer typisch, dass besonders Marxisten und Ultraquisten ihre Differenzen aus extrem-komplexen Theoriewerken ableiten und ihre tatsächlichen Unterschiede im Vorgehen gegeneinander auf einen minimalen realen Aspekt zusammenschmelzen. Neu daran ist, dass die Nachfolger dieser Methode sich heute als "anarcho-hierachisch" oder trotzquistisch bezeichnen, nicht weil sie mit diesen theoretischen Strömungen viel gemein haben, sondern weil es einfach hip klingt. So wie einst es einfach "in" war, total der Punk zu sein. Hauptsache: "Fuck Up". Das man so der eigenen politischen Globalisierung von Ideen-Konkurrenz und Theorie-Märkten nachgibt und die eigene Vision an den kapitalistischen Jugendwahn ebenso wie den linken Revisionismus verrät. So degradiert sich die Linke zu einer PR-Kampagne, die allenfalls von Boulevard-Medien aufgegriffen wird, von der Bevölkerung nicht mehr als Alternative wahrgenommen werden kann.
So ist es auch bei einem erneuten künstlich herbeigeführten Streit zwischen Linken, bei dem das Hauptergebnis sein dürfte, dass sich die konkurrierenden Gruppen gegenseitig in die eher niveaulosen Medien pushen, anstatt zu versuchen, die Bürgerinnen und Bürger über das Pull-Prinzip auf die Straße zu bringen. Eitelkeit und Selbstdarstellung, wie es die herrschende Kaste vorlebt, spielt also auch bei einer möglichen Alternative die erste Geige. So tauchen auf einmal Parteien auf, die zwar seit Jahren auf Wahlzetteln zu verzeichnen sind, aber an deren Existenz lange Zweifel bestanden. Mitglieder dieser Partei sprechen von zu erwartender Medienhetze und treiben diese sogleich an, wenn sie über die ausgeschriebene Bennenung ihrer Organisation sprechen: "Wisst ihr was das heißt M L P D? Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands!". Dass damit nichts gesagt ist und dass damit auch kaum jemand, der nicht im wissenschaftlichen Bereich tätig ist, etwas anzufangen vermag und somit die Losung des Marxismus-Leninismus auch als wissenschaftliche Disziplin, wie sie lange Zeit nicht nur im Ostblock, sondern besonders in Frankreich bestand, ins Leere läuft, liegt sicher auch an der mangelenden ideologischen und theoretischen Ausrichtung dieser Partei. Trotz dieser Wassersuppe dauerte es nicht lange, bis andere Linke, wovon auch immer, sich davon derart provoziert sahen, dass sie von "völkischen" Parolen, von Rassismus ja gar Antisemitismus sprachen. Je abstruser die Vorwürfe, desto größer der Push gegen MLPDler, die auf den Montagsdemos seit Dezember 03 dabei sind. Um derer handelt sich nach offziellen Angaben drei! So treiben die einen, die anderen vor sich her, so wie es die ehemalige SED-Kader und Mitgl. der ADW Angela Merkel, heute CDU-Vorsitzende und erste deutsche Schattenkanzlerin mit der amtierenden unfähigen Regierung macht.
Dennoch werden einfache Demonstranten, die von diesem Streit überhaupt nichts wissen, mit diesem Label und schrillen Tönen plakatiert: "Ommas und Oppas von der MLPD". Nun könnten Mitdreißiger und Mitvierziger doch von sich nicht behaupten, dass sie besonders politisch sind, obwohl sie von Hartz IV, sprich SGB II weit mehr betroffen sind als die jugendlichen Plakatierer, die nach einer Demo meist in brandenburgische Vororte oder Nobelvirtel wie Zehlendorf und Steglitz fahren. Sonst wäre der Protest doch schon früher, z.B. am 19.12.03, als es einen sogenannten Abstimmungsmarathon im Bundestag zu den Hartzgesetzen gab, losgegangen. Ohnedies ist das Label des Anarchismus sehr viel plakativer und mancher rot-schwarze Block schaut wie ein moderner Werbespot für MP3-Player oder Internetauktionsbörsen aus.
Die Titulierung "völkisch" und rassistisch folgt vermutlich aus der Ableitung eines sehr inflationierten geflügelten deutschen Wortes "Wir sind das Volk!" Vermutlich hat sich dabei von der Linken im allgemeinen noch niemand die Mühe gemacht, was es mit diesem Spruch auf sich hat.

Der Spruch "Wir sind das Volk!" stammt von Georg Büchner, Dantons Tod, erster Akt, zweite Szene. Hier ging es Fürst Klemens Wenzel von Metternichs Teilung Europas zugunsten der Monarchien und Unterdrückung der liberalen und demokratischen Strömungen, die seit der Französischen Revolution sich in die königlichen und kaiserlichen Untertanen hineingebohrt hatten. Metternichs Pläne zur Verfassungsintigrität ähneln stark den Plänen eines heutigen Europas mit sozialen Reformen und Anti-Terror-Maßnahmen demokratische Rechte und Bewegungsfreiheit der Menschen stark einzuschränken. Der Spruch "Wir sind das Volk!" hat also tiefere Urspünge und es lohnt sich um die Wiederholung, im Sinne von wieder Hervorholen, der Geschichte darüber gemeinsam nachzudenken. Als Bezug Metternichs wird Datons Tod in Erinnerung Franzsöische Revolution genutzt:


Wir sind das Volk, und wir wollen, daß kein Gesetz sei; ergo ist dieser Wille das Gesetz, ergo im Namen des Gesetzes gibt's kein Gesetz mehr, ergo totgeschlagen!

Der Atemzug eines Aristokraten ist das Röcheln der Freiheit.

Die Waffe der Republik ist der Schrecken, die Kraft der Republik ist die Tugend - die Tugend, weil ohne sie der Schrecken verderblich, der Schrecken, weil ohne ihn die Tugend ohnmächtig ist. Der Schrecken ist ein Ausfluß der Tugend, er ist nichts anders als die schnelle, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit. Sie sagen, der Schrecken sei die Waffe einer despotischen Regierung, die unsrige gliche also dem Despotismus. Freilich! aber so, wie das Schwert in den Händen eines Freiheitshelden dem Säbel gleicht, womit der Satellit des Tyrannen bewaffnet ist. Regiere der Despot seine tierähnlichen Untertanen durch den Schrecken, er hat recht als Despot; zerschmettert durch den Schrecken die Feinde der Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder recht. Die Revolutionsregierung ist der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei.

Das Laster ist das Kainszeichen des Aristokratismus. In einer Republik ist es nicht nur ein moralisches, sondern auch ein politisches Verbrechen; der Lasterhafte ist der politische Feind der Freiheit, er ist ihr um so gefährlicher, je größer die Dienste sind, die er ihr scheinbar erwiesen. Der gefährlichste Bürger ist derjenige, welcher leichter ein Dutzend rote Mützen verbraucht als eine gute Handlung vollbringt.

Keinen Vertrag, keinen Waffenstillstand mit den Menschen, welche nur auf Ausplünderung des Volkes bedacht waren, welche diese Ausplünderung ungestraft zu vollbringen hofften, für welche die Republik eine Spekulation und die Revolution ein Handwerk war!

Narren, Kinder und - nun? - Betrunkne sagen die Wahrheit.

Warum kann ich deine Schönheit nicht ganz in mich fassen, sie nicht ganz umschließen?


Ich möchte ein Teil des Äthers sein, um dich in meiner Flut zu baden, um mich auf jeder Welle deines schönen Leibes zu brechen.

Ein moderner Adonis wird nicht von einem Eber, sondern von Säuen zerrissen; er bekommt seine Wunde nicht am Schenkel, sondern in den Leisten, und aus seinem Blut sprießen nicht Rosen hervor, sondern schießen Quecksilberblüten an.

Ich weiß wohl - die Revolution ist wie Saturn, sie frißt ihre eignen Kinder.

aus: "Dantons Tod. Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft"
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Ergänzungen

muss ausgefüllt werden

informator 24.08.2004 - 13:21
"Leider glauben viele Aktivisten von Teenager- und Twen- Anarchisten über steinalten Ultraquisten bis Syndikalisten (zu deutsch Gewerkschaftler exkl. Führung) und Trotzquisten, es sei möglich ein System einfach zu übernehmen ohne seine Institutionen in Exekutve, Legislative oder Judikative zu erstetzen. Dabei begehen sie die gleichen Fehler, wie Marxisten, Stalinisten und Maoisten nach 1945 und geben sich der Illusion hin, eine gerechtere Welt durch Eliten zu schaffen. Die Funktionäre wechseln, die Methode ist die gleiche."

Hmm, zumindest auf AnarchistInnen, RätekommunistInnen und SyndikalistInnen treffen Deine Vorwürfe des Elitenaustauschs und der Beibehaltung von Instituionen bürgerlich-demokratischer Herrschaft nicht zu. Du kannst mir selbstverständlich gerne anhand von Zitaten beweisen, dass ich mich im Unrecht befinde.
Auch solltst Du nicht alle Marxisten über einen Kamm scheren. "Der" Marxismus ist äußerst facettenreich und kann daher unmöglich auf Stalinismus und Maoismus reduziert werden. Es sei hier nur auf den "westlichen Marxismus" a la Marcuse, Adorno, Horkheimer, Benjamin etc. pp. hingewiesen, die sowohl die staatskapitalistischen Systeme des Ostens als auch die privatkapitalistischen des Westens ablehnten und kritisierten. Beim nächsten Mal mehr Augenmaß ;). Ach ja: Trotzkisten werden mit k geschrieben ;).

Volk oder Volk

Betroffene 24.08.2004 - 15:06
Volk existiert tatsächlich. Man kann es wahrnemen, oder? Allerdings gibt es auch den Begriff "Volk". Als Begriff ist Volk tatsächlich schwer zu definieren, jedoch ist es nicht schwer diesen Begriff unterschiedlich zu vereinnnahmen und sehr verschieden zu besetzen., was nicht Anlass sein sollte, die Individuen, die gemeinhin dem Volk zugeordnet werden und durchaus bei Wahrung unterschiedlicher Auffassungen auch gemeinsame Anliegen, Interessen, Ziele artikulieren können, zu instrumentalisieren, weder so noch so. Dies gebietet schon der Respekt vor diesen Individuen und ihren Ängsten, die sie seit ca. drei Wochen doch ziemlich gefasst und mutig artikulieren. Versuche zu spalten, zu verunsichern, helfen diesen Menschen nicht. Sie helfen aber denen, die die Ängste verursachten und nicht müde werden, immer weiter nachzuladen.

Endlosspirale

Nomad Soul 24.08.2004 - 15:37
Hallo,

danke für die Ergänzungen und Kommentare. Leider bin ich wohl zu undeutlich gewesen. Es war ausdrücklich nicht mein Anspruch, die Linke, wie sie in diversen Reißbrettern der Geschichte und gegenwärtigen Facetten vorkommen mag, darzustellen! Da für reicht mein Wissen nicht aus. Ich bezog mich eher auf die aktuellen Ereignisse in Berlin und den damit verbundenen Streit, den ihr sicher auch nicht dementieren werdet. Mir ist es als politisch nicht Organisierter nun eben mal aufgefallen, dass bewusst oder unbewusst, sich zwei linke Gruppen, die sich mehrheitlich im Alter und Organisationsstruktur unterscheiden, aber sich das gleiche Thema auf die Protestfahnen geschrieben haben. Ich denke nicht, dass man die MLPD 2004 mit Marxisten aller Jahre vergleichen kann. Ebenfalls würde es mir schwer fallen Anarchistinnen (soweit ich weiß, mögen die anhierachischen Aktivisten diesen Begriff nicht), Rätekommunistinnen oder gar Syndikalistinnen zu charakterisieren. Zum einen, weil ich keine kenne oder zumindest in der Form ihres Auftretens auf Demonstrationen diese Charatkerisierung schlichtweg nutzlos ist, zum anderen wüsste ich nicht, wo und wann sie gesellschaftlich in Erscheinung treten oder getreten waren. Das meinte ich eben auch damit, einiges mal aus der Geschichte hervorzukramen und darüber nachzudenken, anstatt schlaue Theorien zu zitieren und lustige Bücher auf unsere verfahrene Situation anzuwenden. Zumal ich bezweifele, dass dieser Streit original, um mal pr-kapitalistisch zu sprechen, sein soll. Es ist ja wohl eher eine billige Kopie, die zum Spielen auffordert. Eben aber wenn Leute kommen und- wie Benneter einst- Grinsen und sagen "Ich bin das oder das", fängen sie an zu insrumentalisieren und das Thema des Protests hinten anzustellen. Aus einer gewissen Selbstgefälligkeit heraus wird dann argumentiert, als ob sie irgendetwas vorzuweisen hätten, außer der Demonstrationsteilnahme, zu der jeder Teilnehmer beiträgt, auch die ohne Transparent und Mitgliedspass.
So bin ich halt zu dem Schluss gekommen, dass mit diesen politischen und kulturellen Protesten eine Verantwortlichkeit übernommen wurde und die linken Streihähne gerade auf dem besten Weg sind, sie auch gleich wieder abzugeben- z.B. nach den heutigen Meldungen an nordrheinwestfälische Grüne, die Hartz IV vollständig vom Tisch haben wollen und die Grünen zurück in die Opposition.
Das Lächerliche daran ist nicht, dass manche von den Demonstraten der organiserten Linken auf beiden Seiten noch ausgesprochen jung und aggressiv sind, was ja logisch und gut ist, sondern dass die Organisatoren nicht gemeinsam planen und den Protest auf breite Füße stellen. Zwei Demos können ja auch ein Vorteil sein, aber naja.
So ist hier auf indy immer davon die Rede, dass "unsere Demo" größer war als "die andere". Entschuldiung, aber diese Art und das selbstgefällige immer allwissende linke Theoriegespenst ist kein Stück besser als die Regierung mit ihrer dusseligen Alternativlosigkeit und damit sind alle, die sich an dieser Abschottung und Ausgrenzung beteiligen, ebenso arrogant. Naja, vielleicht muss das ja so sein.
Dennoch muss klar sein, dass Leute wie Stefan Liebig oder André Brie in die Hände klatschen und ihr großes Linksprojekt endlich in Angriff nehmen können und die linke Riesenpartei uns dann vermutlich Modrow III und IV aufdrücken will.

Schönen Tag noch!

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Haaaach ja — antivölkischer Ethnograph