Berlin/Brandenburg: Sachleistungen kippen!?

freiafluten 07.05.2004 11:00 Themen: Antirassismus
Im Elbe-Elster-Landkreis in Brandenburg ist es Flüchtlingen gelungen, durch wiederholten Protest das rassistische Gutscheinsystem loszuwerden. Das ist erstmal eine richtig gute Nachricht.
In Berlin hingegen zieht sich der praktische Widerstand gegen das Gutscheinsystem (Neukölln) und die Chipkarten (Reinickendorf/Spandau) mal wieder unangenhem in die Länge. Über 1500 Euro warten auf Leute, die nicht nur verbal-antirassistisch sind, sondern auch im eigenen Alltag praktisch agieren wollen - und das ist erst der Anfang!
Fangen wa mit den schönen Dingen Lebens an:
Es gibt gute Nachrichten aus dem Lande Brandenburg!
Im Elbe-Elster-Landkreis bekamen Flüchtlinge bis vor kurzem ihre Sozialhilfe in Form von Gutscheinen der Firma SODEXHO ausgezahlt. Doch seit dem 01. 05. erhallten die Flüchtlinge wieder Bargeld!
Natürlich passieren solche Änderungen nicht von alleine, sondern auch hier mußte politischer Druck ausgeübt werden. Das besondere an dieser Geschichte ist nun, daß es sich hier um einen Fall handelt, in dem Flüchtlinge fast ganz alleine, mit nur sehr sporadischer Unterstützung deutscher Antiras, einen für ihr alltägliches Leben sehr wichtigen Erfolg errungen haben.
Der Protest gegen das Sachleistungsprinzip in diesem südbrandenburgischen Landkreis wurde im Wesentlichen von Flüchtlingen aus dem Heim in Hohenleipisch getragen. Diese hatten seit Monaten immer wieder mit Aktionen auf sich aufmerksam gemacht und es damit zunächst in die lokale, später auch in die überregionale Presse (taz) geschafft – vor allem ersteres in Brandenburg auch keine Selbstverständlichkeit. Für die Hohenleipischer Flüchtlinge war die Situation besonders übel, denn der nächste Laden, in dem sie mit den SODEXHO-Gutscheinen einkaufen konnten, war ein 12 km entfernter Toom-Markt, zu dem es viermal am Tag eine Busverbindung gibt. Die KassiererInnen dieses Ladens wie auch der Filialleiter sind durch extrem rassistische Methoden aufgefallen; teilweise weigerten sie sich völlig mutwillig, Flüchtlinge bestimmte Waren zu verkaufen, auch, wenn diese mit den Gutscheinen kaufbar waren.
Nachdem eine große Anzahl von Flüchtlingen aus dem Heim in Hohenleipisch im März die Annahme der SODEXHO-Gutscheine verweigert und in diesem Zusammenhang mehrere Protestkundgebungen gemacht hatte, kam es zu einem Gespräch mit dem Leiter des zuständigen Referatsleiters des Kreissozialamtes. Dieser sagte zu, sich für Bargeldauszahlung einzusetzen. Dennoch kamen zum 01. 04. Sozialamtsangestellte mit Unterstützung eines lächerlich gewaltigen Bullenaufgebotes (es gab in diesem Zusammenhang auch Straßensperren) in des Hohenleipischer Heim, um die Flüchtlinge dort zur Annahme der Gutscheine zu zwingen zu versuchen.
Umso angenehmer die Überraschung, daß der Sozialamtsmensch scheinbar Wort gehalten hat (das ist ja auch nicht selbstverständlich) und jetzt erstmals wieder Bargeld ausgezahlt wurde!
Diese Verbesserung im Elbe-Elster-Kreis könnte auch noch weitere Auswirkungen haben. Im Lande Brandenburg ist die Frage nach der Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes nämlich grade „heiß“. Die Frage wird von Landkreis zu Landkreis und Stadt zu Stadt unterschiedlich gehandhabt. Der Ministerpräsident Platzeck hat sich allerdings für Bargeldauszahlung ausgesprochen. Und da ja in Brandenburg bald Wahlen sind, könnte durch Flüchtlingsproteste verursachte Unruhe den LokalpolitikerInnen schlecht gefallen...
No vote but a voice!!

Während also in Brandenburg eine punktuelle Verbesserung der Situation der betroffenen Flüchtlinge eingetreten ist, scheint es in Berlin momentan zu stagnieren. Die Chipkarteninitiative, die den fairen (1:1) Umtausch von Karten und Gutscheinen organisiert - Ihr kauft den Flüchtlingen die Beträge ab und geht selbst damit einkaufen - sitzt momentan auf einer immensen Summe von Gutscheinen. Auch wenn es in Berlin mittlerweile diversen Läden gibt, in denen Ihr die Gutscheine auch außerhalb unserer Bürozeiten kaufen könnt und damit sogar nen Saft/Bier/Vokü bezahlen könnt (z.B. XB-Liebig, Samacafe, Schnarup = bezahlen und kaufen // Radspannerei, Morgenrot, OH 21 = nur kaufen ), müssen wir jede Woche Betroffene wieder wegschicken, weil wir ihnen ihre Karten/Gutscheine nicht abkaufen können - wir haben eben auch nur soviel Geld, wie der Dispo hergibt und Ihr umtauscht - was für die Betroffenen scheiße und frustrierend ist. Für die Flüchtlinge bedeutet das, in ihren Hoffnungen enttäuscht zu werden, die Fahrkarte umsonst von ihren 40 Euro Taschengeld bezahlt zu haben und an der Struktur und ihrer Wirksamkeit zu zweifeln. Wir können für die Betroffenen und die "Linke" nur den Kontakt organisieren, aktiv werden müsst Ihr schon selbst! Daher nochmal an dieser Stelle die Infos:
Ihr kauft den Flüchtlingen die Karten/Gutscheine ab, geht damit einkaufen und die Flüchtlinge können sich selbst überlegen, wo und wie sie das Bargeld ausgeben.
Ihr kriegt die Dinger zu unseren Bürozeit (Donnerstags von 18 bis 20 Uhr) im Haus der Demokratie oder über die erwähnten Läden oder über telefonisch vereinbarte Kontakte.
Ihr helft damit den Betroffenen zu mehr Autonomie und Kohle für AnwältInnen, kauft politisch-korrekt ein und tragt dazu bei, dieses System ad absurdum zu führen.
Meldet Euch, sagt Bescheid wieviele Gutscheine Ihr wollt ( es gibt 2er, 5er und 10er Beträge - Summe dann beliebig hoch), am besten noch die Woche:
Es gibt ein besseres Konsumieren im falschen Leben - Antirassismus bringt nix ohne praktisches Engagement!!!

Kontakt, Fragen & Antworten:
Initiative gegen das Chipkartensystem
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Str. 4, Vh, 1. Stock
10405 Berlin
Büro: Donnerstags 18 - 20 uhr
Tel.: 0160/ 341 05 47
 konsumfuerfreiesfluten@yahoo.com
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

kleine korrektur

freya fluten 07.05.2004 - 18:25
die bürozeiten der initiative gegen ds chipkartensystem sind donnerstags
19 - 20 uhr
(also eine stunde weniger als im text angegeben)
ansonsten stimmen die daten.

Sachleistungen auch bald für Arbeitslose!

Ansager 07.05.2004 - 19:52
Nächstes Jahr(2005) gibt's "Essensmarken" auch für Arbeitslose. Hartz IV macht's möglich.
Auszug aus §23 SGB II: "Solange sich der Hilfebedürftige, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweist, mit der Regelleistung nach § 20 seinen Bedarf zu decken, kann die Regelleistung in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden."
Ausländer sind sozusagen erstmal die "Versuchkaninchen".
Naja denn.....Happy NewYear!