Hauptverfahren gegen Paolo Elkoro eingestellt

Ralf Streck 13.04.2004 12:26 Themen: Repression
Der Baske Paolo Elkoro Ayastui wurde im letzten Jahr von Deutschland nach Spanien ausgeliefert, weil er angeblich an einem Anschlag der baskischen Untergrundorganisation ETA beteiligt war. Elkoro, der ein Jahr in Auslieferungshaft saß, hat dies stets bestritten. Wir sprachen mit seinem Bruder Iñigo Elkoro, er ist Anwalt und Sprecher des baskischen Antifolterkomitees (Torturaren Aurkako Taldea, TAT)
Hat es Neuerungen im Fall ihres Bruders gegeben?

Ja, das Verfahren wegen der Beteiligung von Paolo auf eine Militärkaserne in Gasteiz (span. Vitoria) wurde eingestellt. Damit wurde die Auslieferung aus Deutschland erreicht. Nun bleibt noch die Klage wegen der angeblichen Unterstützung der ETA und er wartet im Gefängnis auf den Prozess. Die Unterstützung begründet sich darauf, dass er zwei ETA-Mitglieder im Auto mitgenommen haben soll. Die Anschuldigung beruht allein auf Aussagen der beiden. Sie haben sie während der berüchtigten Kontaktsperre bei der Guardia Civil gemacht und vor dem Ermittlungsrichter zurückgezogen. Dabei haben sie angezeigt, gefoltert worden zu sein. Zudem haben sie erklärt, dass sie speziell gegen Paolo aussagen mussten.

Offenbar hat man in Madrid etwas gegen ihre Familie. Von 1997 bis 1999 saß ihr Vater unrechtmäßig als Führungsmitglied der baskischen Partei Herri Batasuna (Volksunion) in Haft. Auch sie waren schon inhaftiert. Welche Strafe würde Paolo für eine Unterstützung der ETA erwarten?

Bis zu acht Jahre, es hängt davon ab, wie die Richter das einschätzen.

Nun ist bekannt, dass vier Jugendliche unter Folter gestanden haben, einen Mord begangen zu haben. Trotzdem wurden sie vor zwei Wochen entlassen. Warum?

Das ist ein außergewöhnlicher Fall, weil sie raus gekommen sind. Es brummen aber viele der über 700 baskischen politischen Gefangenen, die auch nichts gemacht haben. Der Nationale Gerichtshof in Madrid, ein Sondergericht, funktioniert auf Basis von Folter. Das sind die seine Ermittlungen. Nach der Verhaftung werden in fünf Tagen die Betroffenen von der Umwelt abgeschottet und dann wird „untersucht“, was dann zu Geständnissen und Beschuldigungen anderer führt. Beweise oder Indizien gibt es nicht, sondern verhaftet wird auf Basis eines Verdachts.

Wie war das bei den Jugendlichen konkret?

Sie wurden vor zwei Jahren in Iruna (span. Pamplona) verhaftet, auf der Basis von Folteraussagen anderer. Unter der Folter haben die vier „gestanden“ ETA-Mitglieder zu sein und einen Stadtrat ermordet zu haben. Rausgekommen sind sie, weil fast gleichzeitig in Frankreich zwei Mitglieder der ETA verhaftet wurden, die sich zu dem Anschlag bekannt haben.

Warum saßen sie dann zwei Jahre hinter Gittern?

Die baskischen Gefangenen sind eine Art Geiseln, denn der Nationale Gerichtshof wusste seit zwei Jahren von den falschen Geständnissen. Ich habe Bilder der vier nach der Kontaktsperre gesehen. Darauf waren die Folterspuren deutlich erkennbar, also wusste auch der Ermittlungsrichter von Beginn an, mit welchen „Beweisen“ er es zu tun hat. Eigentlich ist es ein typischer Fall am Nationalen Gerichtshof. Die einzige Ausnahme ist, dass die vier nicht zu 40 Jahren Haft verurteilt wurden, sondern auf Basis der Geständnisse der beiden ETA-Mitglieder aus dem Knast kamen. Auch bei Paolo gibt nur die herbeigefolterten Anschuldigung, es gibt keine anderen Beweise, Fingerabdrücke, Fotos oder der Bericht eines Zeugen und es ist möglich, dass er trotzdem verurteilt wird.

Erneut hat sich der Sonderberichterstatter der UNO-Menschenrechtskommission Spanien wegen der Folter scharf kritisiert. Wie bewerten sie das?

Das ist sehr positiv. Er hat die Vorwürfe noch einmal unterstrichen, welche die UNO seit zehn Jahren macht. Theo van Boven war im letzten Jahr extra im spanischen Staat, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Er war auch mit der aggressiven Haltung der spanischen Regierung, die ihn in keiner Form unterstützt hat, konfrontiert. Er ist mutig und objektiv. Man muss ihm für seine Arbeit danken, denn er war einem immensen Druck der Regierung ausgesetzt, die seinen Bericht verhindern wollte.

Interview: © Ralf Streck
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Ergänzungen

Titel

Name 13.04.2004 - 20:52
Soweit ich weiß ist das ein spanisches Folteropfer davor und danach. Genauere Informationen habe ich nicht.

Das Foto...

Christian 13.04.2004 - 21:13
Die Fotos zeigen den Basken Unai Romano vor und nach der Folter durch Angehörige der Guardia Civil. Elektroschocks, auch an den Genitalien, das Überstülpen einer Plastiktüte bis fast zur Erstickung und Schläge gehören zum Standardprogramm während der viertägigen Incommunicado - Haft, während der kein Kontakt zu Anwältinnen oder Angehörigen besteht. Allerdings ist es eher die Ausnahme, daß die Folterer ihr Handwerk derart schlecht beherrschen und solche Spuren hinterlassen...




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