Ageeb: Bericht vom 2. Prozesstag

Prozessbeobachtungsgruppe 06.02.2004 22:01 Themen: Antirassismus
Am zweiten Prozesstag wurde zunächst der stellvertretende BGS-Dienstgruppenleiter Michael A. vernommen, der an Bord des Flugzeugs den Kapitän über Ageebs Abschiebung informierte. Im weiteren wurden als ZeugInnen die FlugbegleiterInnen des Abschiebeflugs gehört. Den Abschluss bildete die Aussage des Lufthansa-Kapitäns, der die Maschine von Frankfurt/Main über Kairo nach Karthum flog.
Michael A., BGS-Beamter - stellvertretender Dienstgruppenleiter (60 Jahre):

Der Stellvetretende BGS-Dienstgruppenleiter Michael A. sagt aus, dass er mit den ersten Vorbereitungen in der Gewahrsamszelle nichts zu tun hatte. Jedoch wurde später in der Befragung klargestellt, dass er dennoch in der Gewahrsamszelle war und Ageeb kurz gesehen hatte, da er den Toilettengang erlaubt habe.

Michael A. fuhr separat von Ageeb mit seinem Kollegen BGS-Gruppenleiter Reinhold A. zum Flugzeug und führte mit ihm zusammen das Gespräch mit dem LH Kapitän R.

Über die Fesselung konnte er nichts sagen, da er diese nicht gesehen habe.

Der Kapitän wurde über die Abschiebung informiert und wollte selbst auch noch einmal mit Ageeb sprechen.

Er habe den Begleitbeamten gesagt, dass sie die Abschiebung nicht um jeden Preis ausführen sollten, dies sei sein üblicher Spruch gewesen. "Wenn der Widerstand gebrochen ist, dann ist Ruhe".

Er kenne bei Abschiebungen nur die Probleme im Vorfeld, aber nicht während der Startphase.

Wie Ageeb von dienstlicher Seite aus gefesselt war, wisse er nicht mehr. Für den üblichen Dienstgebrauch seien Plastikfesseln üblich, aber keine Kabelbinder. Er kenne keine Dienstanweisung, dass Plastikfesseln während des Fluges nicht zulässig sind. Er sei davon ausgegangen, dass der die Abschiebung durchführende Beamte eine Ausbildung bezüglich der Fesselungsmethode gemacht hätte.

Er selbst habe nie einen Lehrgang besucht. Ob und wie seine Leute ausgebildet wurden, kann er nicht sagen, da dies über die amtsweite Aus- und Fortbildungsstelle laufe.

Auf die Frage, ob heute entsprechende Lehrgänge stattfinden, sagte er unter Hinweis auf die beschränkte Aussagegenehmigung nicht aus.

Das Gespräch mit dem Kapitän fand in der Maschine statt, bevor Ageeb an Bord war. Das Gespräch dauerte ca. 5-10 Minuten (das sei die übliche Zeit für solche Gespräche. Das Gespräch habe nicht länger gedauert als sonst). Es sei ein Standardgespräch gewesen, um einen Deportee anzukündigen. Auf die Frage, ob er auch etwas zu möglichen Gefahren gesagt habe, wusste er sich nicht mehr zu erinnern.

Er sei überwiegend am Boden tätig und nicht der Praktiker in diesem Bereich gewesen. Er habe aber auch schon an Sammelabschiebungen nach Hanoi teilgenommen. Es war auch das erstemal für ihn, dass ein Deportee mit drei Begleitbeamten abgeschoben werden sollte.

In dem Gespräch mit dem Kapitän habe er diesem mitgeteilt, dass Ageeb flugunwillig sei und gewalttätig. Er habe nicht gesagt, dass es sich um einen Mörder handle. Er habe wohl gesagt, dass es sich um einen Straftäter handle. Er habe wohl gewusst, dass Ageeb einen illegalen Aufenthalt hatte.

Auf die Frage, wieso der Kapitän in seinen Flight-Report geschrieben hätte, es handle sich um einen Kriminellen und Mörder konnte er nichts sagen, er wisse nur, dass er dies definitiv nicht gesagt habe und gehe auch davon aus, dass es sein Kollege BGS-Gruppenleiter Reinhold A. nicht gesagt habe. Auf die Nachfrage des Verteidigers, was diese Aussage für einen Sinn machen könnte, wusste er auch nichts zu sagen und fände es auch nicht logisch.

Die Info, dass Ageeb suizidgefährdet sei, kannte er an diesem Tage nicht, dies sei erst später bekannt geworden durch einen anderen Gruppenleiter. Vom Nebenklage-Vertreter auf die Aussage des BGS-Kollegen POM Thorsten F. hingewiesen, Ageeb sei als gewalttätig und suizidgefährdet eingestuft gewesen: ER habe dies nicht gewusst. "Dann wusste F. mehr als ich."

An die Fesselung in der Gewahrsamszelle könne er sich nicht mehr erinnern, da er ihn nur kurz gesehen habe. An die hogtie-Fesselung kann er sich nicht erinnern, weiß aber, das dies keine übliche Fesselung war. "Solange ich Verantwortung hatte, war dies nicht üblich". Er kenne diese Art der Fesselung gar nicht und habe sie noch nie gesehen, auch nicht an dem Tag selbst.

Auf die Frage des Nebenklagevertreters, ob es bis zum 28.5.1999 Vorschriften zur Rückführung gegeben habe: Solche seien zusammengestellt worden. Er könne sich noch ungefähr an eine Weisung aus dem Jahr 1998 erinnern, dergemäß nur dienstlich zugelassene Fesselungsmittel zu verwenden seien und an die Regelung bezüglich des zu verwendenden Helms. Der Nebenklagevertreter weist auf eine Verfügung des Grenzschutzamtes Frankfurt vom 18.4.1997 hin, nach der Plastikfesseln als Fesselungsmittel in Luftfahrzeugen nicht zulässig sind. Der Zeuge kann sich nicht erinnern.

Auf die Frage des Nebenklagevertreters, ob es regelmäßige Belehrungen für den Zeugen und andere Bedienstete gegeben habe: Dies laufe amtsweit ab.

Der Staatsanwalt bezieht sich auf behördenübliche Praktiken. Bei der Staatsanwaltschaft selbst läuft die Kenntnisnahme innerdienstlicher Vorgänge und Verfügung per Laufmappe ab. Wie dies denn beim BGS ablaufe? Der Zeuge antwortet ausweichend.

Der Nebenklagevertreter weist auf eine Verfügung vom 21.1.1998 hin. Nach dieser sind Begleitkräfte regelmäßig zu belehren, eine erfolgte Belehrung sei halbjährlich aktenkundig zu machen. Der Zeuge, darauf hin befragt, wie dies in seinem Bereich gelaufen sei: Belehrungsordner gingen in den Umlauf.

Auf die Frage des Nebenklagevertreters, ob er die Belehrungen lese: Ja.

Ihm sei nichts besonderes aufgefallen. Er habe nicht gesehen, dass Ageeb sich gegen die Beamten gewehrt habe.

Zuerst sagte er auf die Frage, warum er so wenig "mitbekommen" habe, dass es täglich bis zu 100 Rückführungen gegeben habe und davon ca. 30 begleitete. Auf spätere Nachfrage der Verteidiger revidierte er seine Aussage und sagte, es hätten am Tag ca. 5 Rückführungen stattgefunden, die in seinen Arbeitsbereich fielen.

Auf die Frage, wie er als stellvertretender Dienstgruppenleiter gewährleisten könne, dass einer der Angeklagten, BGS Beamter Reinhold S., der nicht zur Dienstgruppe 51 gehört, die Weisungslage kenne, konnte er nichts sagen.

Er habe nicht die Anordnung gegeben, dass Plastikfesseln verwendet werden sollten.

Auf die weiteren Nachfragen seitens der Verteidigung, welche Weisungen er kannte oder wie diese Kenntnisnahme gewährleistet worden sei, konnte er auch nichts sagen. Jedenfalls gelte die zuletzt erteilte Weisung.

Der Verteidiger machte klar, dass die Weisungen die er kenne zum Teil widersprüchlich seien. Ein Sammelsurium - wer wisse, was da noch gelte. Antwort des Zeugen: Verantwortlich dafür seien die Vorgesetzten, die Grenzschutzspitze und letztlich das Bundesinnenministerium.

Auf die Frage des Staatsanwaltes, was ein erfahrener BGS-Mann wie der Zeuge bei widersprüchlicher Weisungslage unternehme und ob er nicht gehalten sei, sich an den Dienstvorgesetzten zu wenden: Er sei nur Dienstgruppenleiter. Die für die Rückführung eingesetzten Beamten kamen von woanders.

Von der Verteidigung auf den BKA-Bericht vom 26.1.2000 hingewiesen, nach dem Ageeb als gewalttätig angekündigt worden sei und befragt, wie ihm dieser Sachverhalt bekannt geworden sei: Eine Planungsgruppe des BGS bearbeite die Ersuchen der Ausländerbehörden und kooperiere mit Reisebüros und Fluggesellschaften bei Abschiebungen.

Die Verteidigung hält dem Zeugen eine Aussage des Flugkapitäns bei seiner Vernehmung vor, die wohl so zu verstehen sei, dass der BGS-Bedienstete A. und der Zeuge Ageeb als Kriminellen und Mörder angekündigt hätten: Dies könne er sich nicht vorstellen. Auf Nachfragen der Verteidigung äußert der Zeuge, er habe diese Aussage nicht getan.

Von der Verteidigung befragt, warum er am Flugzeug stand und was seine Aufgabe gewesen sei: Er habe keinen Auftrag zur Beobachtung der eingesetzten Beamten gehabt. Er schaue da nicht drauf. Er sei vornehmlich anwesend gewesen aufgrund eines möglichen Interesses der Öffentlichkeit am Ablauf der Abschiebung und möglichen Aktionen zur Abschiebungsverhinderung.

Auf die Frage der Verteidigung, ob solche Aktionen angekündigt gewesen seien, antwortete er mit nein. Es habe sich um eine rein polizeipräventive Aufgabe gehandelt.

Einer der Verteidiger merkt an, er habe immer gedacht, die höheren Dienstränge innerhalb der Polizei hätten auch die höhere Verantwortung. An den Zeugen gewandt fährt er fort: "Sie kümmern sich nur um die Öffentlichkeit als Polizeihauptkommissar und Sie sehen das alles. Keine weiteren Fragen."

Auf Befragen eines weiteren Verteidigers zur Funktion des Öffentlichkeitsbeobachters: Wenn die Beamten vor Ort sich korrekt verhalten, habe er nicht einzugreifen.

Der Verteidiger hält dem Zeugen eine frühere Aussage entgegen, dergemäß er das dienstliche Vorgehen als verhältnismäßig beurteilt habe. Der Zeuge: Das Vorgehen habe der Verfügungslage entsprochen.

Befragt, ob er das heute noch unterschreiben würde: Er sehe keinen Verstoß gegen die Verfügungslage, auch bei der Verwendung von Plastikfesseln im Flugzeug.

Auf die Frage der Verteidigung, er überblicke die Verfügungslage doch möglicherweise nicht: Ja, aber die letzte Verfügung sei maßgeblich. Er wisse allerdings nicht, ob er alle Verfügungen zu Gesicht bekommen habe. Er müsse jedoch mit dem leben, was vorhanden sei von der Verfügungslage.

Auf die Nachfrage der Verteidigung, ob er den Eindruck habe, seine Vorgesetzten hätten Chaos geschaffen: Das könne man so sagen.

Auf die Frage der Verteidigung, ob er seinen Dienstvorgesetzten auf die unklare Verfügungslage angesprochen habe: "Wir waren uns einig, dass die Verfügungslage so für uns war, dass wir damit arbeiten konnten."

Auf die Frage, woher er die Vorinformationen zu Ageeb hatte, sagte er, dass er sie im Normalfall von der Planungsstelle bekomme und von der Ausländerbehörde. Er habe nur gewusst, dass Ageeb sich illegal in Deutschland aufgehalten hat, Straftäter und äußerst flugunwillig sei (ob er dies gelesen oder gehört habe, wisse er nicht mehr.)

Er stand während des Gesprächs zwischen Kapitän und Ageeb ca. 2-3 Meter entfernt und konnte nur den Kopf sehen. Daher könne er auch nicht sagen, ob die Fesselung nach Verfügungslage angebracht war.

Von der Verteidigung mit seiner Aussage konfrontiert, die Maßnahmen hätten der Verfügungslage entsprochen, obwohl er aber letztlich nur den Helm gesehen habe: Seine Aussage habe nur das Verhalten der eingesetzten Beamten betroffen. Auf die Frage der Verteidigung, ob die Verfügungslage einfach sei: Fesselung ist legal: Er sei davon ausgegangen, dass alle entsprechend ausgebildet gewesen seien.

Auf die Frage des Staatsanwaltes, ob er bei Protestaktionen wegen eines möglichen öffentlichen Aufsehens immer in den Bereich des Flugzeuges gegangen sei: Es habe im Frankfurter Terminal schon öfter Proteste wegen Abschiebungen gegeben. Personen hätten sich in Brand stecken wollen. Es hätte sein können, dass aufgrund der Beobachtung der Abschiebung Ageebs durch solche Leute entsprechende Aktionen hätten geschehen können.

Auf die Frage der Verteidigung, ob er sich erinnern könne, dass irgendwann die Verfügung aus dem Jahr 1997 in den Räumen des BGS gesucht worden sei, verwies der Zeuge zunächst auf seine beschränkte Aussagegenehmigung. Darauf hingewiesen, dass er die Frage als Zeuge zumindest unter Einschluss des Geschehens bis Ende des 28.5.1999 beantworten müsse, ließ sich der Zeuge dahingehend ein, er wisse nicht "ob es an diesem Tag war" und er selbst habe sie nicht gesucht.

Er gehe davon aus, dass die Beamten nach ihrer Ausbildung das ordentlich machen.

H., Lufthansa-Steward (34 Jahre):

H. sagte aus, erst davon erfahren zu haben, dass ein Deportee mitfliegen solle, nachdem er an Bord war. Beim Gespräch mit dem Kapitän, habe dieser die Besatzung gefragt, ob sie mit der Abschiebung einverstanden seien. Kein Besatzungsmitglied habe widersprochen.

Er habe gesehen, wie Ageeb an Bord getragen wurde. Ihm sei während des Getränkeausschanks nicht besonders aufgefallen. Ageeb habe immer mal wieder geschrieen (er konnte aber nichts genaueres hören). Während der Startphase habe er 10 Reihen entfernt gesessen und nichts gesehen. Er habe nicht gesehen, dass jemand auf den Sitz geklettert sei. "Wir waren froh, dass jemand vom BGS da war. Sonst hätten wir was machen müssen."

H. sagte aus, er habe Ageebs Schreie gehört, ging jedoch davon aus, dass es ihm gut gehe, solange er schreien würde. Ageeb habe "Theater" gemacht und mehrmals gegen den Sitz getreten. Er wisse auch noch, dass er gefesselt war, aber nicht wie. Kurz vor der Anschnallpflicht habe er gesehen, dass ein BGS Beamter auf seinem Sitz kniete und Ageeb wieder aufrichtete (der Helm war wieder zu sehen). Genaueres habe er nicht gesehen. Er sei froh, dass er nicht in der Nähe sein musste. Die Fesseln habe er nicht gesehen.

Laut Aussage einer Kollegin soll der Zeuge gesagt haben, dass Ageeb ein 3-facher Mörder war. Daran könne er sich heute nicht mehr erinnern.

Er habe auch mit den BGS Beamten gesprochen (auch nach der Landung), könne sich aber nicht mehr an den Inhalt des Gespräches erinnern.

Auf die Frage des Vertreters der Nebenklage, ob ihm Bedenken gekommen seien: Die Crew habe erwartet, dass es nach dem Start ruhig werde.

Ina E., Lufthansa-Stewardess (52 Jahre):

Ina E. war für den Bereich "Küche" eingeteilt.

Sie sagte aus, bereits während des Briefings sei mitgeteilt worden, dass ein Deportee mitfliegen solle und die "Crew solle zusammenstehen und das durchstehen". Der Kapitän habe der Crew sinngemäß gesagt, dass es sich um einen Verbrecher handle, aber nichts näheres. Ihr sei dann der Gedanke "Mörder und Vergewaltiger" gekommen.

Sie habe gesehen, dass Ageeb die Treppe hoch gelaufen sei. Die Verteidigung wies sie darauf hin, sie habe in ihrer ersten Vernehmung ausgesagt, dass er getragen wurde. Daran konnte sie sich nicht mehr erinnern.

Normalerweise würden die "Häftlinge sich brav hinsetzten" jedoch in diesem Fall randalierte der Deportee. Die Atmosphäre sei sehr gespannt gewesen und die Beamten hätten sehr beruhigend auf die Crew und die Passagiere eingeredet. Ein kleines Mädchen habe geweint und sei umplatziert worden. Sie habe immer den Eindruck gehabt, der BGS habe alles im Griff.

Die Passagiere hatten Angst, da Ageeb schrie. Sie sagte, er "habe gebrüllt wie ein Tier" (sehr laut). Die Zeugin nahm ihn als "bedrohliche Gestalt wahr".

Während der Startphase saß sie am Küchenausgang und konnte von dort aus nichts sehen und konnte sich auch nicht daran erinnern, etwas gehört zu haben. Zum späteren Zeitpunkt habe sie gesehen, dass Ageeb auf den Sitzen gelegen hat.

Sie habe die Fesselung nicht gesehen. Im Notfallkoffer an Bord der Maschine seien keine Seitenschneider gewesen bzw. gehöre dies nicht zur Grundausstattung.

Sie sah keine Notwendigkeit einzuschreiten, da sie den Beamten vertraute. Man habe Vertrauen in die "begleitenden Herren", da die ihren Job gut machen. Sie hätten kompetent gewirkt. Auf die Nachfrage der Verteidigung, was sie mit der Aussage in der ersten Vernehmung, es wäre alles rechtens gelaufen, gemeint habe, sagte sie aus: Rechtens meine sie im Sinne von gerecht bzw. nach den geltenden Gesetzen. An ihre damalige Aussage, dass "auch alles mit dem Kapitän abgesprochen war", konnte sie sich aber nicht näher erinnern.

Jens H., Lufthansa-Steward (34 Jahre):

Jens H. sagte aus, er wisse nicht mehr, ob er an Bord oder während des Briefings gesagt bekommen habe, dass sie einen Deportee an Bord nehmen würden. Auch könne er sich nicht mehr daran erinnern, was der Kapitän in diesem Zusammenhang genau gesagt hat.

Er habe gesehen, dass Ageeb verschnürt war und einen Helm aufhatte. Die Fesselungsmittel im Detail habe er nicht gesehen, meinte sich aber an große Kabelbinder zu erinnern.

Als Ageeb sich bewegte, hat er gesehen, wie ein Beamter (der links sitzende Mann) ihn festgehalten und runter gedrückt hat.. Kissen oder Decke habe er nicht gesehen. Er hatte, möglicherweise vor dem Hintergrund seiner Ausbildung als Sanitäter, den Eindruck dass "er (Ageeb) unter Stress stand".

Da er in der First-Class gearbeitet hat (vorne im Flugzeug), habe er nichts mitbekommen und sich auch ihn nicht weiter dafür interessiert, was hinten passierte.

Er sagte aus, dass Ageeb auf dem Sitz runter gedrückt worden war und dass dieser Beamte einen Leinenhandschuh trug. Wie lange der Zeitraum des Runterdrückens war, wisse er nicht mehr. Für ihn sah das so aus, als hätte der Beamte ihn vorsorglich fester gehalten.

Er selbst habe keine Erfahrung "mit solchen Leuten". Er sei zwar häufiger bei Abschiebungen dabei gewesen, aber so etwas habe er noch nicht erlebt.

Auf die Nachfrage, wer die Entscheidung im Moment eines Notfalles im Passagierbereich hätte, sagte er: Die Purserette.

Simone M., Lufthansa-Stewardess (38 Jahre):

Simone M. sagte aus, dass der Crew eigentlich immer bereits im Briefing mitgeteilt wird, wenn ein Deportee an Bord kommt. An den konkreten Tag könne sie sich nicht mehr erinnern.

Sie habe nicht gesehen, wie Ageeb die Treppe rauf getragen wurde, sondern sie sah ihn erst auf dem Sitz. Sie habe gesehen, dass es einen Tumult/Gerangel gab. Gehört habe sie nichts und konnte auch nichts näheres dazu sagen.

Sie habe gesehen, dass ein Beamter auf dem Sitz kniete und sich nach hinten mit dem Oberkörper zu Ageeb beugte. Den Helm konnte sie zu dieser Zeit nicht sehen.

Als sie während eines Checks durch die Reihen lief, sah sie Ageeb mit weit aufgerissenen Augen und ängstlichem Blick. Daran habe man gesehen, dass er die Situation als bedrohlich empfunden habe. Auf Befragen des Staatsanwaltes bestätigt die Zeugin ihre frühere Aussage, sie habe das Runterdrücken von Ageebs Oberkörper gesehen. Ageeb habe zu diesem Zeitpunkt eine Decke über Rücken und Kopf gehabt. Ein Beamter habe auf dem Sitz vor ihm gekniet. Sie habe daraufhin gedacht, was der Abschübling wohl jetzt noch machen könnte. Es sei ja nur noch Schreien in Frage gekommen - wieso das Gerangel jetzt? Das Runterdrücken durch den BGS-Beamten auf dem Vordersitz und andere Einwirkungen hätten nach ihrem Eindruck zusammengewirkt. Bei dem Begleitbeamten auf dem Vordersitz habe es sich um einen der Angeklagten gehandelt, den sie wiedererkennen will.

Auf Nachfrage, ob sie die Decke definitiv auf Rücken und Kopf sah, bejahte sie dieses und sagte, Ageeb sei zu diesem Zeitpunkt runtergedrückt worden.

Ein Kissen habe sie nicht gesehen.

Sie kannte aus der Vergangenheit auch einen Fall von renitenter Abschiebung mit Schreien, damals hätte der Deportee auch einen Helm aufgesetzt bekommen und sei gefesselt gewesen, aber wurde nicht herunter gedrückt.

Der Steward H. habe ihr damals gesagt, dass Ageeb ein dreifacher Mörder sei. Sie hatte jedoch keine Bedenken oder Angst, ihn mitzunehmen, da sie wusste, dass der Deportee in Begleitung kam.

Auf eine Frage des Nebenklagevertreters, was denn die übliche Hilfe in Notfällen sei: Zunächst müsse eine Lautsprecherdurchsage veranlasst werden zur Suche nach einem Arzt. Die im Flugzeug vorhandenen Notfallkoffer seien zu bringen.

Auf die Frage der Nebenklage, was denn in der Zwischenzeit noch geschehen müsse: Ein Mitglied der Crew müsse beim Passagier sein. Die Atmung sei zu überprüfen sowie der Puls. Der Passagier sei auf den Boden zu bringen und gegebenenfalls seien Wiederbelebungsmaßnahmen zu ergreifen. Eine Wiederbelebung sei praktisch nur im Liegen möglich.

Auf eine Frage eines der medizinischen Sachverständigen, ob die Zeugin Lautäußerungen irgendwelcher Art gehört habe: Nicht beim Anschnallcheck. Sie habe aber dauerndes Niederdrücken wahrgenommen.

Der Nebenklagevertreter weist aufgrund der Aktenlage darauf hin, dass ein Zeuge ausgesagt habe, Ageeb sei vor der Wiederbelebung noch gefesselt gewesen.

Es entspinnt sich ein Disput zwischen Verteidigung und Nebenklagevertretung, in dem es im wesentlichen darum geht, was die Zeugin zu welchem Zeitpunkt gesehen haben könne. Die Verteidigung meint einen erheblichen Widerspruch zwischen dem Protokoll der Aussagen der Zeugin beim BKA und ihrer Aussage im Prozess zu erkennen. Sie beantragt, die damals vernehmenden Beamten als Zeugen zu laden, sowie die damalige Aussage der Zeugin zu verlesen. Der Vorsitzende Richter stellt die Entscheidung über den Antrag zunächst zurück.

Die Zeugin sagt weiter aus, dass sie zu Beginn des Steigfluges gesehen habe, wie ein Beamter auf dem Sitz kniete und wunderte sich noch, warum dennoch das Starten erlaubt sei. Sie habe Ageeb nicht mehr oben gesehen (dies sei bei ihrer ersten Vernehmung nicht protokolliert worden). Sie fragte sich in dem Moment bzw. überlegte noch aufzustehen bzw. den Kapitän zu informieren, habe es aber nicht getan.

Sie sagte aus, dass sie, auch wenn sie weiter hinten im Flugzeug saß, dennoch über die Köpfe hinweg den Helm gesehen habe, und dann eben nicht mehr. Wie lange die Beamten Ageeb herunter gedrückt hätten, konnte sie nicht sagen.

Die Verteidigung beantragt, gemäß § 253 Abs.2 StPO die frühere Aussage der Zeugin zu verlesen. Hintergrund sind widersprüchliche Aussagen zum genauen Geschehensverlauf.

Dem Antrag wird stattgegeben. Die frühere Aussage der Zeugin wird verlesen. Die Zeugin bleibt danach dabei, ihre Aussage vom Verhandlungstag entspreche der Wahrheit. Sie habe dies bei ihrer ersten Vernehmung auch nicht anders dargestellt, es sei aber nicht genau protokolliert worden.

Die Verteidigung beantragt, die BKA-Beamten als Zeugen zu laden. Dem Antrag wird stattgegeben.

Eike R., Flugkapitän des Fluges LH 588 von Frankfurt am Main nach Kairo und Karthum, inzwischen pensioniert (64):

Auf die Frage des Richters, wie er erfahren habe, dass ein Deportee an Bord sei: Beim Briefing habe er noch nichts erfahren, erst durch den BGS an Bord. Ihm hätten verschiedene Papiere vorgelegen mit dem Hinweis auf drei rechtskräftige Verurteilungen.

BGS-Beamte hätten ihn über die Gefahr der Selbstverletzung informiert. Der Deportee trage einen Helm zum Selbstschutz und sei gefesselt. Es sei für ihn das erste Mal gewesen, dass jemand gefesselt an Bord gekommen sei.

Er habe zunächst überlegt, ob er die Stewardessen nach ihrer Meinung fragen solle. Drei befragte Kolleginnen hätten daraufhin keine Bedenken gegen die Mitnahme geäußert. Nur beiläufig habe er mitbekommen, dass Ageeb kriminell sei - als Begründung für die Fesselung. Er habe auch gehört "schwerkriminell". Vier BGS-Beamte hätten Ageeb die Treppe hochgetragen und an den Sitz fixiert, mit den Beinen an den Sitzschienen. Er habe dem BGS-Beamten gesagt, dass sie die Fesseln nicht so eng machen sollten wegen einer möglichen Beeinträchtigung der Blutzufuhr.

Er habe selbst mit Ageeb, der relativ gut deutsch gesprochen habe, gesprochen. Ageeb habe gesagt, sein Zimmer in Wedel sei noch nicht aufgelöst. Der Zeuge will daraufhin geantwortet haben, dies sei jetzt ein bisschen spät. Darüber hinaus äußerte er, dass Ageeb völlig ruhig gewesen sei. Er habe ihm mitgeteilt, er werde den Helm abgenommen bekommen, wenn er sich ruhig halte. Von der Parkposition B 27 sei es daraufhin zur Startbahn West gegangen. Die Kabine sei klar gemeldet worden.

Ca. 5 Minuten nach dem Start sei die Purserette nach vorne gekommen. Der BGS habe Probleme mit einem Abschübling. Es sei kein Puls fühlbar. Er habe daraufhin die Verkehrszentrale der Lufthansa angerufen. Sie möge den BGS informieren über die Probleme. Die Purserette habe möglicherweise schon vorher per Lautsprecherdurchsage einen Arzt aufgerufen. Er habe ihr darauf gesagt, sie möge eventuelle Ärzte bitten, im Todesfall einen Totenschein auszustellen. Eine Rückmeldung habe er noch im bayerischen Luftraum erhalten. Inzwischen seien die Wiederbelebungsversuche an Bord eingestellt worden. Es sei sein erster Todesfall an Bord einer von ihm geflogenen Maschine. Er habe dann mit dem Flottenchef der Lufthansa gesprochen und um Information an die Staatsanwaltschaft gebeten.

Daraufhin habe er die Rückmeldung erhalten, den deutschen Luftraum nicht zu verlassen. Er habe währenddessen mit dem Gedanken gespielt, eventuell weiter nach Kairo zu fliegen. Der Kapitän schilderte im folgenden weitere Einzelheiten bis zur Landung in München. Nach der Landung habe es zunächst einen Zuständigkeitsstreit der Ermittlungsbehörden gegeben. Sein Flieger habe zunächst beschlagnahmt werden sollen. Es habe ein großes Gewusel an Bord gegeben. Die Crew sei verhört worden.

Befragt, ob er bereits zuvor Abschiebungsflüge durchgeführt habe, schildert der Kapitän seine Erlebnisse auf früheren "Regierungscharterflügen" nach Lagos (Nigeria). Es hätten sich auf solchen Flügen dramatische Szenen abgespielt. Neben Randale hätten sich Passagiere eingekotet, um der Abschiebung zu entgehen. Der Zeuge bringt sein Mitgefühl für die Begleitbeamten des BGS zum Ausdruck: "Mir tun die BGSler leid." Im folgenden schildert er, dass er auch erlebt habe, dass nigerianische Beamte nach der Landung übel mit den Deportees umgegangen seien. Unter anderem mit Tritten zwischen die Beine sei ihr Widerstand gebrochen worden. Bedienstete der deutschen Botschaft seien bei solchen Ankünften am Flughafen.

Auf die Frage des Richters, ob es nach dem Fall Ageeb Veränderungen bei der Lufthansa gegeben habe: Viele Kollegen hätten sich seitdem geweigert, renitente Passagiere mitzunehmen. Allerdings würde weiterhin abgeschoben. Deportees seien ganz normale Passagiere mit Flugticket.

Auf Frage des Staatsanwaltes, ob die Zahl der Verweigerer zugenommen habe: Er könne dies nicht beurteilen. Wenn jemand um sich trete, werde er von Bord genommen. Er habe jedenfalls im Fall Ageeb keine Probleme gesehen. Wenn dieser laut geworden wäre, hätte er sich die Mitnahme überlegt. Erst als die Maschine in der Luft war, habe er von den Problemen erfahren. Als er Ageeb zuvor gegenüberstand, habe er keine Gegenwehr wahrgenommen.

Auf Befragen des Staatsanwaltes schildert der Zeuge nochmals die bereits bekannte Sitzposition Ageebs und seiner Begleitbeamten.

Auf die Frage des Staatsanwaltes nach seiner Wahrnehmung der Fesselungsmethoden: Er wisse nur, dass Ageeb an den Sitzschienen fixiert war.

Auf die Frage des Staatsanwaltes, ob dies aus der Sicht des Flugzeugführers zu verantworten gewesen sei: Die Frage betreffe Schwerbehinderte im selben Maße. Die drei Begleitbeamten hätten Ageeb im Notfall vermutlich geholfen.

Auf Nachfrage des Staatsanwaltes zur Angabe des Zeugen, er habe die Begleitbeamten auf einen möglichen Blutstau in den Füßen hingewiesen: Die BGSler hätten auf seinen Hinweis hin auf ihre Erfahrung verwiesen.

Auf Frage des Staatsanwaltes, ob der Zeuge in München noch mit den BGS-Bediensteten gesprochen habe: Er habe nur mitbekommen, dass Ageeb runtergedrückt worden sei. Auch sei er im Zeitdruck gewesen wegen Vorbereitung auf den anschließenden Flug. Er wisse nicht genau, ob einer der Angeklagten ihm die Vorkommnisse selbst geschildert habe.

Der Vertreter der Nebenklage fasst frühere Einlassungen des Zeugen zusammen: Er habe durch zwei BGS-Beamte in der Maschine die Informationen über Ageeb erhalten. Der BGS habe gesagt, er sei kriminell und es gebe zwei oder drei Urteile. Es habe nur ein einziges Gespräch gegeben. Der Nebenklagevertreter schließt die Frage an, ob der Zeuge in den Flight Report geschrieben habe ("kriminell/Mörder"). Der Zeuge bestätigt den Vermerk im Flight Report.

Auf die Frage des Nebenklagevertreters, ob der Kapitän die Fixierung mitbekommen habe: Ja, er habe allerdings keine Renitenz des Abzuschiebenden mitbekommen.

Auf Vorhalt des Nebenklagevertreters, es gebe auch andere Aussagen: Während des Gespräches sei Ageeb völlig ruhig gewesen.

Auf Befragen des Nebenklagevertreters, ob er sich die Fesseln angeschaut habe: Er habe nichts wahrgenommen.

Auf Frage des Nebenklagevertreters, ob er nachgefragt habe, ob Seitenschneider an Bord seien: Er könne sich nicht erinnern.

Der Nebenklagevertreter zieht einen Vergleich mit der Situation von Rollstuhlfahrern im Flugzeug und bittet um Beurteilung. Der Zeuge verweist darauf, dass ein Flugzeug nur die Zulassung erhalte, wenn es innerhalb von drei Minuten evakuiert werden könne. Rollstuhlfahrer allerdings trügen das Risiko selbst.

Auf Befragen des Nebenklagevertreters, ob demgemäss von Rollstuhlfahrern eine Risikoausschlusserklärung zu unterzeichnen sei: Ja. Außerdem würden ihnen Fensterplätze zugewiesen. Auf Frage des Nebenklagevertreters, ob Ageeb eine entsprechende Risikoausschlusserklärung hätte unterzeichnen müssen: Flugunfälle seien sehr komplex. Wenn alle Passagiere evakuiert worden seien, habe sich der Kapitän nochmals davon zu überzeugen, dass die Maschine leer sei. Auf Fragen des Nebenklagevertreters, ob die Mitnahme Ageebs hätte verweigert werden müssen, wenn Sicherheitsrisiken bestehen: Er habe angenommen, die Fesseln könnten gelöst werden. Dies sei ja dann auch zur Wiederbelebung später geschehen.

Weitere Frage des Nebenklagevertreters, was ihm vom BGS gesagt worden sei: Ageeb sei flugunwillig.

Auf die Frage des Nebenklagevertreters, ob die Crew Bedenken geäußert habe: Nein.

Der Vertreter der Nebenklage hält dem Zeugen die Aussage eines anderen Crewmitglieds vor, das sehr erschrocken über Ageebs Anblick gewesen sein will und angibt, den Flugkapitän informiert zu haben. Der Flugkapitän habe erklärt, warum er Ageeb mitnehmen müsse.

Auf die Frage des Vertreters der Nebenklage, ob es eine Liste "kooperationswilliger" Kapitäne gebe, die für Abschiebungsflüge zur Verfügung stünden: Dies sei ihm nicht bekannt.

Auf Frage des Nebenklagevertreters, wie die Verantwortlichkeiten für Nothilfemaßnahmen aussehen: Es müsse sofort über Lautsprecher nach Ärzten ausgerufen werden. Das Kabinenpersonal der Lufthansa sei auch geschult.

Frage des Nebenklagevertreters, was zur Überbrückung des entstehenden Zeitraums bis zum Eingreifen der Ärzte hätte getan werden müssen und ob es hierfür Vorschriften gebe: Erste-Hilfe Aktionen sind normal.

Auf Nachfrage des Nebenklagevertreters, ob es normal sei, dass bis zum Eintreffen von Ärzten nichts passiere, äußert sich der Zeuge unklar.

Auf Insistieren des Nebenklagevertreters äußert er sich zum Fall eines möglichen Herzinfarktes an Bord: So etwas erkenne man normalerweise.

Auf weiteres Insistieren des Nebenklagevertreters, warum nichts gemacht wurde, erfolgt keine Antwort.

Auf Frage des Richters, wie lange der Steigflug dauere: Nach 5 bis 6 Minuten würden die Zeichen für die Anschnallpflicht erlöschen.

Auf Frage des Richters, ob dies bedeute, dass es während 5 bis 6 Minuten keine Überwachungsmöglichkeiten in Notfällen gebe: Ohne Grund dürfe niemand aufstehen.

Der Vertreter der Nebenklage verweist darauf, dass Ageeb geschrieen habe. Ob es vor diesem Hintergrund normal sei, dass die Crew nicht tätig geworden sei: Er habe davon nichts mitbekommen.

Auf eine weitere Frage, ob er schon einmal die Mitnahme von Deportees verweigert habe: Er habe selbst schon Mitnahmen abgelehnt.

Auf die Frage der Verteidigung, ob man ihm mitgeteilt habe, warum es die Fesselung gebe, verweist der Zeuge auf den Flight Report und den Hinweis auf einen Gewaltverbrecher.

Auf die Frage der Verteidigung, ob man seine Haltung zusammenfassen könne mit dem Satz, er nehme Deportees lieber mit als ohne Fesselung mit: Das Lufthansapersonal müsse in Notfällen sogar selbst fixieren. Er schilderte einen solchen Fall.

Auf die Frage der Verteidigung, ob er nicht als Inhaber der Bordgewalt in die Fesselung hätte einwilligen müssen: Der BGS habe hinter die Bordgewalt des Flugzeugführers zurückzutreten und sei dann weisungsgebunden.

Die Verteidigung weist darauf hin, dass die Bundesregierung seit einiger Zeit die Auffassung vertrete, die Bordgewalt liege nach dem Schließen der Flugzeugtüren beim Flugzeugführer.

Auf die Frage der Verteidigung, ob er mit der Fesselung einverstanden gewesen sei: Er habe mit Fug und Recht annehmen können, dass alles seine Richtigkeit habe. Er habe gewusst, dass drei Beamte für eine Person zuständig seien.

Auf die Frage der Verteidigung, ob er gesehen habe, wie Aamir Ageeb in das Flugzeug getragen worden sei: Ja.

Die Verteidigung versucht durch Befragen die Zeitabläufe zu rekonstruieren. Der Zeuge sagt aus, um 13.07 Uhr sei von der Position abgelegt worden. Um 13.17 Uhr sei das Flugzeug gestartet. Bis zur Startbahn West würden etwa 10 Minuten benötigt.

Auf Befragen der Verteidigung, wann die Purserette mitgeteilt habe, dass ein Arzt benötigt würde: Er schätze, dass dies gegen 13.30 Uhr gewesen sein müsse, weil dies kurz nach dem Erlöschen der Seatbelt-Zeichen gewesen sei. Das Flugzeug habe sich im Steigflug auf größerer Höhe befunden.

Die Verteidigung fragt nochmals nach der Bedeutung der 3-Minuten-Evakuierungsregelung. Der Zeuge erläutert daraufhin, dass ein Flugzeug nicht zugelassen werde, wenn diese Bedingung nicht zu erfüllen sei. Der Zeuge wiederholt seine Vermutung, dass die BGS-Begleitbeamten auf die ordnungsgemäße Zerstörung der Handfesseln vorbereitet gewesen sind. Er habe dies den BGSlern unterstellt. Er unterschreibe selbst vor einem Flug 14 verschiedene Sachen, ohne dass er jeden einzelnen der Sachverhalte, die er zu bestätigen habe, aus eigenem Augenschein habe prüfen können. So müsse er zum Beispiel den Spediteuren vertrauen können, dass an Bord gebrachte Fracht den angegebenen Inhalt habe. Er könne nicht Paletten öffnen. Er unterstelle entsprechendes auch dem Bundesgrenzschutz. Wenn also an Bord etwas passiere, nehme er an, dass die Begleitbeamten einschritten.

Auf die Frage der Verteidigung, ob der Kapitän, wenn er die Bordgewalt habe, auch für die Sicherheit der Beförderten zuständig sei: Ja.

Auf eine weitere Frage der Verteidigung, ob der Zwang zu fesseln nur mit Zustimmung des Kapitäns durchgesetzt werden könne: Ja.

Die Verteidigung verweist auf die Vorschrift von Artikel 7 des Tokioter Abkommens (Argumentation war für den Protokollanten nicht nachvollziehbar).

Der Zeuge äußert im folgenden, es sei ja wohl gerechtfertigt gewesen, dass Ageeb gefesselt war.

Auf die Frage der Verteidigung, ob die Beamten nach seiner Auffassung Schreien verhindern sollten, weil der Zeuge unmittelbar davor geäußert habe, er sei dafür verantwortlich, dass ein Flug für seine Passagiere kein Albtraum würde: Die Begleitbeamten sollten darauf achten, dass Ageeb sich anständig benimmt.

Auf die Frage des Staatsanwaltes, ob er die Angeklagten erkenne: Ja.

Auf die weitere Frage der Staatsanwaltschaft, ob er mit dem Angeklagten Sch. ein Gespräch in München geführt habe: Er wisse nur, dass irgendwann jemand ins Cockpit gekommen sei.
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Ergänzungen