Spaniens Konservative konserviert

Ralf Streck 10.09.2003 20:48 Themen: Weltweit
Lange hatte sich Spaniens Ministerpräsident Aznar geziert. Doch in guter Tradition hat der Führer der konservativen Volkspartei (PP) ohne Diskussion in der Partei per Fingerzeig seinen Nachfolger bestimmt. Wie üblich ist die Partei ihrem Führer gefolgt. Mit nur einer Enthaltung, wahrscheinlich von ihm selbst, wurde der 48jährige Mariano Rajoy Brey am vergangenen Dienstag von 503 Delegierten fast einstimmig gewählt.
Nach einem Artikel in einem Interview die Einschätzung der Lage im Baskenland
So wurde der Jurist und bisherige Vizeministerpräsident zum Kandidaten für die PP zu den Wahlen im Frühjahr. Alles sieht danach aus, dass Rajoy dann Ministerpräsident Spaniens wird, der an Aznars langer Leine läuft. Zwar wird Aznar dem Galicier überraschend auch die Parteiführung übergeben, die er bis 2005 behalten wollte, doch er wird der starke Mann im Hintergrund bleiben.

Rajoy und Aznar tauchen damit die Rollen. Es war de PP-Gründer Manuel Fraga Iribarne, der Aznar aufgebaut und per Fingerzeig zu seinem Nachfolger gemacht hat. Der einflussreiche Ex-Minister der Franco Diktatur vertraut aber auch Rajoy. Es war Fraga, der 1990 den jungen Galicier aus Santiago de Compostela nach Madrid geschickt hat, um Aznars Politik zu überwachen. Offiziell hatte sich Fraga damals als Regierungschef von Galicien in die zweite Reihe zurück gezogen.

?Kontinuität? ohne ?Komplexe? ist deshalb auch die Parole, mit der Rajoy die Parteiführung antrat. Unter dem Stichwort Kontinuität hatte Fraga die PP nach der Diktatur aufgebaut. Aznar hatte die ?Komplexe? abgebaut und in den vergangen Jahren massiv demokratische Rechte geschliffen. Das nun auch Rajoy vor den Delegierten den ?Kampf gegen den Terrorismus?, in Mittelpunkt seiner Politik gestellt, macht deutlich, was von Rajoy in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Dabei ist sein Vorgänger mit seinem Versprechen von 1996 gescheitert, die baskische Separatistenorganisation bis 2002 besiegt zu haben.

Interview mit Joseba Alvarez

Die baskische Partei Batasuna wurde vor einem Jahr in Spanien vorläufig verboten. Mit einem neuen Parteiengesetz wurde das Verbot von einem Sondergericht im März bestätigt. Wie ist die Situation jetzt, wo der spanische Ministerpräsident José María Aznar die Führung abgibt?

Schon vor Batasuna wurden Kommunikationsmedien und viele Organisationen verboten. Trotz des Versuchs die linke Unabhängigkeitsbewegung zu zerschlagen, sind wir noch da und mobilisieren die Bevölkerung. Bis ins Europaparlament bringen wir unsere Politik weiter ein. Aznar tritt ab, ohne sein Ziel erreicht zu haben: Den Prozess für die baskische Unabhängigkeit zu stoppen. Aber wir bezahlen einen hohen Preis: Folter der Gefangenen, harte Strafen, Beschneidung grundsätzlicher Rechte, etc.

Welche Effekte hat es, dass Batasuna auf die ?Terrorlisten? der USA und der EU gesetzt wurde?

Praktisch bedeutet es zum Beispiel, dass einige Basken nicht mehr in die USA reisen können. Es ist schwieriger politische Kontakte zu knüpfen. Es gibt Druck auf den französischen Staat, wo wir legal arbeiten, Batasuna auch zu verbieten. Nach dem propagandistischen Effekt zu Anfang geht es langfristig weiter darum, die linke Unabhängigkeitsbewegung auszuschalten.

Wie ist die Situation auf kommunaler Ebene seit den Wahlen im Mai?

Sehr unterschiedlich. In vielen Gemeinden haben wir lange regiert. Es gab Hilfen für soziale Bewegungen und partizipative Strukturen. Die Versammlungen wurden abends abgehalten und die Bürger hatten ein Rederecht und konnten sich direkt einbringen. Das steht zur Disposition. Jetzt müssen die Leute ihre Interessen umsetzen und denen entgegen treten, die von dem Verbot profitieren. Es geht darum die politische Apartheid zu stoppen und eine Opposition auf der Straße zu schaffen, um eine progressive und partizipative Politik zu ermöglichen.

Wie verhalten sich die nationalistischen Parteien und die Vereinte Linke, welche die Regionalregierung stellen? Auch sie haben sich gegen das Verbot ausgesprochen?

Die baskische Gesellschaft insgesamt wendet sich gegen die undemokratische Politik der Volkspartei (PP) seit 1996. Doch in der Stunde der Wahrheit sind es die Parteien, die stark von dem Verbot profitieren. Besonders die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) hat fast 300 Stadträte und Bürgermeister mehr erhalten. Statt sich dem faschistischen Angriff entgegen zu stellen, setzt die Regionalregierung das Verbot um. Auf Anordnung aus Madrid hat das baskische Innenministerium die baskische Polizei geschickt, um unsere Büros zu räumen und verbietet Demonstrationen der linken Unabhängigkeitsbewegung.

Diesen Monat wird der baskische Regierungschef seinen ?Plan Ibarretxe? vorstellen, den Madrid als ?Plan zur Unabhängigkeit? geißelt. Worum geht es?

Für alle ist klar, dass die Situation im Baskenland nicht mehr auszuhalten ist. Die große Mehrheit fordert Veränderungen: Frieden, Souveränität, Gerechtigkeit. Der Plan ist eine Reaktion auf diesen Druck. Doch er wird die Probleme genauso wenig lösen wie das Autonomiestatut vor 25 Jahren. Er schlägt eine geteilte Souveränität mit Spanien über drei baskische Provinzen vor. Das Selbstbestimmungsrecht wird nicht benannt, Navarra und der französischen Teil des Landes werden ausgeklammert. Die PNV bleibt wieder auf halbem Weg stehen. Die PP versucht mit der Lüge über den angeblichen Plan zur Unabhängigkeit die Wahlen im März zu gewinnen. Sie richtet ihre Politik auf das Baskenland aus, und lenkt von vielen Problemen ab: Arbeitslosigkeit, Einwanderung, Wohnungsnot, Ölpest, Krieg im Irak.....

Wie sieht die Zukunft aus?

Das nächste Jahr wird im spanischen Staat mit dem Referendum über die Verfassung der EU bedeutsam. Es handelt sich um die Konkretisierung einer neoliberalen Globalisierung in der EU, der wir entgegen treten. Zudem gibt es eine neue Debatte über eine Lösung des Konflikts und der Souveränität. Bis im nächsten Frühjahr soll ein neuer Vorschlag auf den Tisch kommen, der die Erfahrungen aus dem Friedensplan von 1998 aufgreift. Es wird also spannend.

© Ralf Streck, Donostia ? San Sebastian den 04.09.2003
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Ergänzungen

Unklar

Ralf 11.09.2003 - 10:34
DA mir völlig unklar ist, warum der Beitrag von Paolo Elkoro nicht auf die Startseite gekommen ist, hier ein Link hin.

 http://germany.indymedia.org/2003/09/61124.shtml

Das mit dem Aufruf wegen Elkoro ist so....

Erklärer 11.09.2003 - 12:29
Gibt da diese bisherige Verfahrensweise: Berichte, Analysen kommen auf die Startseite. Aufrufe, Flugblätter und so weiter bleiben im OpenPosting.
Mehr steht hier:  http://de.indymedia.org/static/moderation.shtml