Überflüssige besuchen "Roland Berger"

autorIn 14.12.2006 15:25 Themen: Soziale Kämpfe
Spektakuläre Party in Düsseldorf: „Die Überflüssigen“ küren die Unternehmensberatung Roland Berger zum „Ausbeuter des Jahres“ 2006.

„Die Überflüssigen“ haben wieder zugeschlagen: Heute haben gegen 11 Uhr etwa fünfzehn „Überflüssige“ der Unternehmensberatung Roland Berger in Düsseldorf einen Besuch abgestattet. Anlass war eine feierliche Urkundenüberreichung, bei der Roland Berger zum „Ausbeuter des Jahres“ gekürt wurde. Die Partygäste brachten reichlich Sekt und Konfetti mit und nagelten eine Urkunde an eine Wand im Empfangsbereich. Der überraschten Sekretärin wurden Blumen überreicht.
Seinen Preis verdiente sich Roland Berger mit seinem neuesten Werk „ASCHENPUTTEL RELOADED“. Nach dem Prinzip „die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ krempelt Roland Berger seit Mai 2005 die Arbeitsabläufe von vielen ARGE-Standorten bundesweit um. Nicht die Existenzsicherung der „Kunden“, sondern die „Aktivierung des kompletten Kundenbestandes“ steht im Vordergrund. Dies bedeutet nichts weiter, als möglichst viele Erwerbslose, die nicht in das „Töpfchen“ kommen sollen, aus dem sozialen Bezugsnetz zu treiben. In Gelsenkirchen konnte Roland Berger die Zahl der nicht arbeitenden Leistungsempfänger binnen sieben Monate um 36 Prozent verringern, in München-Nord innerhalb von vier Monaten sogar um 42 Prozent.

„Treiber statt Getriebener“ lautet der Leitspruch in einem ARGE-internen Anweisungspapier von Roland Berger: Den Druck, der von oben auf die ARGE-Mitarbeiter ausgeübt wird, sollen sie auf den „Kundenbestand“ weiter leiten. Die „Kunden“ wiederum sollen sich daran gewöhnen, keine eigenen Forderungen zu stellen, stundenlang auf ihre Gespräche zu warten und möglichst schnell in Maßnahmen gezwungen oder aus dem Bezugssystem ausgegliedert zu werden. Kein Wunder also, dass „Die Überflüssigen“ die Firma für einen ihrer hochdotierten Preise ausgesucht haben.

Wer sind „Die Überflüssigen“? Es gibt sie überall: Überflüssige – Hartz-4-Empfänger, Flüchtlinge, Ein-Euro-Jobber, Schwarzarbeiter, Menschen, in denen eine leistungsorientierte Gesellschaft keinen Nutzen sieht. Viele Überflüssige finden: Es ist genug. Wir tauchen überall auf, keiner weiß wo, keiner weiß wann: ob in Berlin in der Ausländerbehörde, in Hamburg im Luxusrestaurant oder wie heute bei einer Unternehmensberatung, die im Auftrag der ARGE Menschen „überflüssig“ macht. Denn wir sind von Roland Bergers Arbeit ganz konkret betroffen. Wir Überflüssigen lassen uns nicht mehr abspeisen mit dem abgeschmackten Versprechen künftiger Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum. Wir sind zuversichtlich, uns diesen Reichtum bald gänzlich anzueignen, denn mit jedem Prozentpunkt Wirtschaftswachstum werden die Prekarisierten mehr und mehr...

Natalie Müller, eine Überflüssige, über die heutige Aktion: „Es war für alle Beteiligten ein Riesenspaß, jede Menge Sekt wurde getrunken und Konfetti verteilt. Die Urkunde hat einen Ehrenplatz gleich neben dem Eingang erhalten. Roland Berger erfüllt seine Rolle als „Ausbeuter des Jahres“ hervorragend. Bisher haben nur wenige es geschafft, so viele Menschen in so kurzer Zeit auf die Straße zu bringen. Wir sagen: Danke. Und: Bis zum nächsten Mal!“
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Ergänzungen

Video-DVDs: Die Ueberfluessigen in Berlin

freundeskreis videoclips 15.12.2006 - 10:04
fuer eine spende beim freundeskreis videoclips, videoclips(at)gmx.net:
- einige clips sind auch online im video-archiv:  http://de.indymedia.org/video -

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Die Überflüssigen, Berlin, Teil 1: Aktionen Winter 2004/5

Länge: 53 min

(01) Berlin-Kreuzberg, 11.10.04 – Die Überflüssigen besetzten aus Protest gegen die Bereitstellung von 1-Euro-Jobs die Landeszentrale der Berliner Arbeiterwohlfahrt (AWO) (6:40)
(02) Berlin, 18.12.04 – Die Überflüssigen geben im Nobelrestaurant Borchard essen (8:20)
(04) Berlin, 2003, Kurzfilm „Das Feinste vom Feinsten“ (produziert von WBKLinke) – (4:30)
(05) London, 16.10.04 - Interview mit sphinx zum indymedia-Konzept (7:00)
(06) London, 16.10.04 - Interview zur Beschlagnahme von indymedia-Servern durch das FBI (7:00)
(07) Berlin, 27.11.04 - Interview zum Projekt Independent Video Distribution Network (IVDN), Teil 1: Das Konzept (8:30)
(08) Berlin, 27.11.04 - Interview zum Projekt Independent Video Distribution Network (IVDN), Teil 2: Die Umsetzung (4:30)

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Die Überflüssigen, Berlin, Teil 2: Aktionen 2005

Länge: 45 min

(01) Berlin, 2003: Das Feinste vom Feinsten (produziert von WBKLinke) (4:30)
(02) 23.04.05: go-in in eine LIDL-Filiale (3:30)
(03) 27.09.05: Pressekonferenz: Tipps zum Krankfeiern, Teil 1 (6:35)
(04) 27.09.05: Pressekonferenz: Tipps zum Krankfeiern, Teil 2 (4:15)
(05) 29.11.05: Preisverleihung für neoliberale Propaganda an Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (5:00)
(06) Hamburg, 01.05.05: Aktion im Luxusrestaurant (2:30)
(07) Köln, 19.8.2005 - Sankt Prekarius auf dem Weltjugendtag (5:40)
(08) COR: 10000 Volt (produziert von Holly) (5:30)
(09) London, 16.10.04: Das Indymedia-Konzept (5:45)
(10) London, 16.10.04: FBI klaut Indymedia-Server (6:55)
(11) Berlin, 27.11.04: Das Videoprojekt IVDN, Teil 1 (8:25)
(12) Berlin, 27.11.04: Das Videoprojekt IVDN, Teil 2 (4:25)

Video: Presiverleihung an INSM

freundeskreis videoclips 15.12.2006 - 10:15
- online:  http://de.indymedia.org/2005/12/135209.shtml
- in voller bild- u. tonqualitaet auf DVD gegen spende: videoclips(at)gmx.net

Gratulation

Über-und-nicht-flüssig 15.12.2006 - 14:29
Dem glücklichen Preisträger gratuliert die Bertelsmann Stiftung, die sich auch weiterhin gute Zusammenarbeit mit Deutschlands Top-Ausbeuterinnen und -Ausbeutern wünscht. Die gemeinnützige Stiftung und die profitorientierten Unternehmensberatungen, wie Roland Berger und McKinsey hätten sich im Rahmen der Reform der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und der Bundesagentur für Arbeit hin zu mehr Ausbeutung die Bälle zugespielt und vorbildliche Synergie-Effekte erzielt.

Gratulation desweiteren an die TU München und die Hochschule für Musik und Theater München, mit Roland Berger einen „Ausbeuter des Jahres 2006“ als Mitglied in ihrem leitenden Uni-Gremium, dem Hochschulrat [ http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/46270/], [ http://www.musikhochschule-muenchen.mhn.de/index.htm?organe/hochschulrat.htm] nennen zu dürfen.

Am Abend feierten dann die Überflüssigen in B

überflüssig 16.12.2006 - 21:08
Am Abend des 14.12.2006 gab es im Festsaal Kreuzberg (Berlin) eine Fete, auf der sich die Überflüssigen vorstellten und Filme ihrer Aktion zeigten. Veranstalterin war die NGBK, die an diesem Abend ein Buch vorgestellt hat, in der auch die Überflüssigen Erwähnung finden. Das Buch heisst "Prekäre Perspektiven. Informationen aus der Tiefe des unsichtbaren Raumes. Reader zur Diskussionsreihe", Berlin 2006, siehe Seite 165f

Kurzfilm über die Überflüssigen

überflüssig 19.12.2006 - 12:12
Hier ein Kurzvideo, anscheinend exklusiv bei YouTube:

 http://www.youtube.com/watch?v=Sx-GDRe3YkI

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Sehr gut...

Mehr soziale Frage 14.12.2006 - 16:56
...endlich mal wieder eine gute Aktion der Überflüssigen. Schön wenn die soziale Frage von der radikalen Linken nach Jahren der Abstinenz auf diesem Gebiet wieder bearbeitet wird.

Solidarische Grüße

Das ist ja super!

auch überflüssig 14.12.2006 - 16:57
herzlichen Glückwunsch nach Düsseldorf! es ist super, zu hören, wo die Überflüssigen überall auftauchen. Und Roland Berger reiht sich ganz gut ein in die Riege derjenigen, die soziale Ungerechtigkeit und die Verschärfung der Bedingungen für Hartz-IV-EmpfängerInnen vorantreiben. Die Überflüssigen haben ja schon öfters ihre Preise verliehen (in der Ausländerbehörde in Berlin und an die "Inititiative Neue Soziale Marktwirtschaft", bei der Roland Berger im übrigen Mitglied ist) und da passt diese Unternehmensberatung hervorragend hinein. Sekt und Konfetti für alle..."Ausbeuter des Jahres"!!!

Jeden Tag woanders auftauchen...

R. Berger 14.12.2006 - 17:01
Sekt und Konfetti? Feuer und Flamme!

In Bewegung

die Überflüssigen find ich gut 15.12.2006 - 13:28
Ich finde richtig erfrischend, wenn AktivistInnen gute Aktionen (hab von den Überflüssigen noch keine schlechte gesehen, gehört!)durchziehen. Doch ein wenig Kritik muss sein. Die Dichotomie (Zweiteilung) der Gesellschaft als einziges Problem zu sehen, ist meines erachtens eine "verkürzte" Kritik. Kapitalismus als alles ordnendes System, welchem sich keiner entziehen kann und somit reproduziert, muss zumindest als Kritik an herrschenden Verhältnissen beachtet werden und auch so formuliert werden. Trotzdem gibt es Charaktermasken, die ihren Job besonders gewissenhaft erfüllen und denen mal ihr Wirken vorzuführen und sie aus der Anonymität zu reißen, ist trotzdem ein geeignetes Mittel z.B. Ausländerbehörden, Argue ...
Ich kann die Welt nicht ändern, aber ich kann eine Delle reintreten! (Zitat aus dem Film: "Tötet Smoochie")

gelächter

DoD 18.12.2006 - 10:02
Joa mei,

vielleicht kann mich ja wer belehren aber wer noch genug Geld hat um sich schwachsinnige Pullover beflocken zu lassen und Bilderrahmen und Sekt an Menschen zu verschenken die ohnehin schon genug haben - ja, denen kann es wahrlich nicht allzu schlecht gehen.

Womit der Zweck der Aktion - das eigene Elend anzuprangern? - wohl entfiele.

Nachdenklichst,

Ihr

Paul