Razzia beim LabourNet verfassungswidrig!

Redaktion LabourNet Germany 23.01.2006 12:38 Themen: Medien Netactivism Repression Soziale Kämpfe
Landgericht Bochum: Durchsuchung beim LabourNet und Beschlagnahme waren rechtswidrig und verstiessen gegen das Grundgesetz
Presseerklärung der Redaktion des LabourNet Germany

Sperrfrist Montag 23. Januar 2006 12:00 Uhr

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Landgericht Bochum: Durchsuchung beim LabourNet und Beschlagnahme waren rechtswidrig und verstießen gegen das Grundgesetz

Mit Beschluss vom 10.01.2006 hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Bochum festgestellt, dass die Durchsuchung bei LabourNet am 05.07.2005 rechtswidrig war. Das Landgericht gab damit den Beschwerden der beschuldigten Redakteurin Mag Wompel gegen den Durchsuchungsbeschluss und den Beschlagnahmebeschluss des Amtgerichts Bochum statt und schreibt in seiner Begründung: "Die Beschuldigte ist durch den Beschluss und dessen Vollzug möglicherweise in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 GG, mit Sicherheit aber in ihren Grundrechten aus Art. 2, 13 GG verletzt worden." Es wich damit auch im Übrigen von der bisherigen Rechtssprechung der 10. Strafkammer des Landgerichts Bochum ab.

Ausschlaggebend für das Landgericht war jetzt, dass kein bestimmter auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützter konkreter Tatverdacht für eine Urkundenfälschung gegen die Beschuldigte Mag Wompel vorlag. Es erscheine "abwegig, annehmen zu wollen, der Verfasser des Bekennerschreibens, der erkennbar anonym bleiben wollte, habe mit diesem Hinweis (auf die Kampagne Agenturschluss des Vereins Labournet e. V.) seine Identität offen legen wollen".

Darüber hinaus sprach nach Auffassung des Landgerichts einiges dafür, dass "der labournet.de e.V. unter dem durch Art. 5 Grundgesetz garantierten Schutz der Pressefreiheit stand, auch wenn seine Tätigkeiten nicht dem herkömmlichen Begriff von Presse entsprachen". "Demzufolge hätte im angefochtenen Beschluss eine inhaltliche Abwägung zwischen der Schwere des Tatvorwurfes und den Beeinträchtigungen der Pressefreiheit vorgenommen werden müssen, was nicht geschehen ist".

Der Beschluss sei aber auch aus anderen Gründen rechtswidrig, da keine bestimmten tatsächlichen Anhaltspunkte für einen konkreten Verdacht bestanden hätten, dass eine Straftat begangen worden ist und die Redakteurin als Täterin oder Teilnehmerin in Betracht kommt. "Die Verdachtsgründe müssen aber über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgehen; es müssen sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung vorliegen. Daran fehlte es hier."

Der Rechtsanwalt der Beschuldigten, Wolfgang Kaleck aus Berlin, kommentierte den Beschluss des Landgerichts Bochum: "Der enorme Schaden für die Pressefreiheit und für den Verein Labournet, der durch die Durchsuchung der Staatsanwaltschaft Bochum am 05.07.2005 angerichtet wurde, kann natürlich durch den Beschluss des Landgerichts nur teilweise wieder gutgemacht werden. Auf der anderen Seite ist es der Bochumer Justiz hoch anzurechnen, dass sie ihre Rechtsauffassung geändert und dem pressefeindlichen Vorgehen der Bochumer Staatsanwaltschaft eine deutliche Grenze gesetzt hat, die in Zukunft hoffentlich von der Staatsanwaltschaft akzeptiert wird." Im Übrigen kündigte er an, die Stellung von Dienstaufsichtsbeschwerden sowie von Entschädigungsansprüchen zu prüfen.

Die verantwortliche Redakteurin, Mag Wompel aus Bochum, erklärt: "Es ist erfreulich, nach über 6 Monaten bestätigt zu bekommen, was uns und vielen unserer LeserInnen klar war! Ich hoffe, dass dieser unglaubliche Vorgang breite Beachtung bei Richtern und Staatsanwaltschaften in der ganzen Republik finden wird und sie vor weiteren Hausdurchsuchungen und Datenschnüffeleien bei linken Medien - wie dies in der letzten Zeit in Mode zu kommen schien - absehen werden. Ansonsten fordere ich von der Staatsanwaltschaft Bochum, diesen Beschluss umgehend zur Kenntnis zu nehmen, das Verfahren sofort einzustellen sowie alle rechtswidrig erlangten Daten zu vernichten."

Der Beschluss des Landgerichtes kann auf der Internetseite des Vereins im Original als pdf-Datei heruntergeladen werden:
 http://www.labournet.de/ueberuns/beschlagnahme/lg100106.pdf

Den gesamten Vorgang haben wir auf der Internetseite des Vereins unter
 http://www.labournet.de/ueberuns/beschlagnahme/index.html

dokumentiert. Dort finden sich ebenfalls alle weiteren Dokumente, soweit sie veröffentlicht werden dürfen entweder im Original oder als Zitat.

Die betroffenen Redakteure Mag Wompel und Ralf Pandorf stehen Ihnen am Montag ab 12:00 Uhr unter der Rufnummer: 0234 - 34022 für Rückfragen zur Verfügung.
Schriftliche Anfragen per Email via:
 redaktion@labournet.de

Die Ansprechpartner für Pressevertreter beim Landgericht Bochum finden Sie auf der Seite des Landgerichtes
 http://www.lg-bochum.nrw.de/presse/dezern/intro.htm
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Ergänzungen

Verbot von SPD, Grünen und CDU

Kommunist 23.01.2006 - 13:21
Wenn mensch der Logik der herrschenden Klasse folgen würde, müssten wir das Verbot aller verfassungsfeindlichen Organe und damit das Verbot von SPD, Grünen und CDU fordern, die wieder einmal während ihrer Regierungszeit gegen ihre eigene Verfassung verstoßen haben. Aber zumindest müssen wir die Verantwortlichen an ihren eigenen Maßstäben messen!

Aber mal im Ernst: Welche Konsequenzen hat dieses Urteil nun in diese Richtung. Ich fände es gut dies zu skandalisieren, ohne sich positiv auf die Verfassung zu stützen. Wie sagte einmal die KPD der frühen BRD: Wir lehnen diese Verfassung ab, aber wir sind die ersten, die sie gegen die Reaktion verteidigen werden!

Glückwunsch an Labournet!

Wal Buchenberg 23.01.2006 - 14:04
Das ist ein politischer Sieg für die Betreiber, Unterstützer und Leser von Labournet und ein Ansporn, die Arbeit zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken verstärkt fortzusetzen!

Gruß Wal

Kleiner Lichtblick

cassiel 23.01.2006 - 16:09
Solche Urteile sind ein kleiner Lichtblick angesichts des krassen Unrechts was einem als krtitischer Geist in diesem Staat wiederfährt.

Es sollte für die linke Bewegung im Allgemeinen Ansporn sein sich nicht gegenseitig das Leben schwer zu machen, sondern gezielt zu solidarisieren, denn nur Einigkeit macht stark.

Auch von mir herzlichen Glückwünsch LabourNet zu diesem Sieg.

Ist das Urteil rechtskräftig? Keine Berufung/Revision möglich/angekündigt?

Generell kann man bei derart staatlicher Willkür nur raten:
Leutz, verschlüsselt eure Festplatten (geht prima unter Linux) und lasst nix rumliegen.

Verfassungsschutz

Blanziflor 23.01.2006 - 17:59
Hier ist zu überprüfen, ob nicht in Kenntnis des gesetzeswidrigen Verhaltens zur Erlangung von Informationen gehandelt wurde, die der Staat aufgrund von Abwehrrechten der BürgerInnen gegen den Staat (Grundrechte) nicht zustehen. In Missachtung der Verfassung erlangte Daten sind zu löschen. Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es dann, das bewusst verfassungswidrige Handeln von AmtsträgerInnen aufzuklären. Gemäß der Informationspflicht des Verfassungsschutzes über verfassungswidrige Bestrebungen, wie es bereits jetzt offensiv in Verfassungsschutzberichten und Verlautbarungen der Behörden eingesetzt wird, ist die Öffentlichkeit dann zu informieren. Hier darf es kein Tabu zu Gunsten von verfassungsfeindlichen Aktivitäten von Personen in Amt und Würden geben.