Länder im Katastrophenschutz überfordert?

Blanziflor 15.08.2005 20:46 Themen: Militarismus
Schily sieht die Länder bei großen Katastrophen überfordert. Er fordert eine Koordinierungskompetenz des Bundes nicht nur im Verteidigungsfall. Das Grundgesetz soll nach seiner Forderung dafür geändert werden.
Vor kurzem wurden aus der SPD noch Äußerungen laut, dass durch eine Verfassungsänderung der Einsatz der Bundeswehr im Inneren erlaubt werden solle. Jetzt gibt es schon wieder einen Wunsch für eine Verfassungsänderung. Der Änderungsbedarf im Grundgesetz scheint aber bei weitem noch nicht erschöpft zu sein in den Augen der SPD. Es ist wohl eine schlechte Verfassung. Das Deutschland Radio berichtet, dass Innenminister Schily jetzt mehr Bundeskompetenzen beim Katastrophenschutz verlange:

 http://www.dradio.de/nachrichten/200508151600/5

Nachdem in Deutschland lange Zeit keine gravierenden Katastrophen aufgetreten sind, sieht Schily mitten im Wahlkampf auf einmal mögliche Gefahrenlagen, die die Bundesländer überfordern könnten. Fragt sich, ob er da nicht die Lage seiner eigenen Partei mit der Gefahrenlage in Deutschland verwechselt. Tod und Untergang bestimmen die Phantasie der SPD-Mitglieder. Da wollte doch noch vor kurzem die SPD in NRW die angesparten Sterbegelder von ca. 10.000 Mitgliedern gespendet haben.

In den Medien steht der Bund ja als unangekratzter Supermann des Zivilschutzes gut da. Da gibt es die wunderschönen Bilder von helfenden Soldaten bei Hochwasser am Rhein. Allerdings ist das auch schon ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit: Die Bundeswehr war bei solchen Gelegenheiten nicht mehr als eine helfende Minderheit. Spezialität der Hilfe, die gut war und nie eine Verfassungsänderung erforderte, war dann die Evakuierung von nicht verletzten Personen. Nicht nur die Kompetenzen, sondern praktisch die gesamten Zivilschützer, die Ausrüstung und die kompetenten Koordinatoren für den „Zivilschutz im Katastrophenfall“ sind bei den Ländern. Es handelt sich ja auch ausschließlich um Einheiten der Länder. Erhellend dazu ist auch die Homepage des des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zum Thema Katastrophenschutz:

 http://www.bbk.bund.de/cln_007/nn_398004/DE/02__Themen/10__Katastrophenschutz/Katastrophenschutz__node.html__nnn=true

Zu den Gesetzgebungskompetenzen führt das BBK neutral aus: „Während der Schutz der Zivilbevölkerung im Verteidigungsfall gemäß Art. 73 des Grundgesetzes (GG) in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegt und somit Bundessache ist, ist für den Katastrophenschutz im Frieden diese Befugnis gemäß Art. 70 GG den Ländern zugeordnet.“

In Krieg und Frieden werden allerdings die Einheiten der Länder zum Einsatz kommen, was feiner Weise auf der Homepage des BBK wie folgt umschrieben wird: „Es besteht daher bereits jetzt eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Art, dass der friedensmäßige Katastrophenschutz auch im Verteidigungsfall Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung wahrnimmt und umgekehrt das durch den Bund finanzierte Ergänzungspotential für den Zivilschutz den Ländern auch für die Gefahrenabwehr im Frieden zur Verfügung steht.“

Geradezu absurd mutet es auf diesem Hintergrund an, wenn in dem Zusammenhang eine Verfassungsänderung gefordert wird, um dem Bund eine Koordinierungsfunktion zu verschaffen. Dann wäre es schön, wenn der Bund über erfahrene Koordinatoren für diese Aufgaben verfügt, die nicht bereits mit Einsätzen im Ausland fest gebunden sind. Da braucht es doch Zivilschutzeinheiten des Bundes, in denen Erfahrungen gesammelt werden können. Für die Herkunft der Ausrüstung habe ich allerdings schon eine Idee: Kriegsschiffe werden zu Lazaretten umgebaut, Maschinengewehre zu Einmalspritzen, Panzer zu Röntgengeräten, ... Dann habe ich auch nichts mehr gegen den Wunsch der SPD einzusetzen, dass die Verfassung einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren Weise erlauben soll.

Bislang glaube ich aber nur, dass Schily wichtige Aufgaben für eine große Koalition herbeireden will, um noch ein wenig am Ministersessel kleben zu bleiben.

Blanziflor
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