Weder Noske noch Stalin

lesender arbeiter 11.01.2013 17:42 Themen: Antifa EU Gipfel Thessaloniki
Am Sonntag wird mit zwei Demos in Berlin Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gedacht. Dabei wird es auch auf der LL-Demo Genoss_innen geben, die deutlich machen, dass Stalin (und Noske) mit den linker Gedenkpolitik nichts zu tun haben.
Seit 1990 war es schon ein Ritual, es mochte regnen oder schneien, am zweiten oder dritten Sonntag im Monat pilgerten jährlich Tausende zu den Gräbern von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg nach Berlin-Friedrichsfelde. Das Gedenken hat eine wechselvolle Geschichte. Es war nach den Mord an den beiden Revolutionär_innen spontan von Tausenden Berliner Arbeiter_innen organisiert worden, war im NS-Regime verboten, wurde in der DDR vereinnahmt und wurde ab 1988 von der linken DDR-Opposition zu Protesten gegen das autoritäre Regime genutzt. In den frühen 90er Jahren galt es als Ausdruck einer Opposition gegen den Kapitalismus, als Mitte der 90er Jahre die Polizei gegen kurdische Nationalfahnen vorging und die Demo brutal angriff und ein Großteil der Teilnehmenden sich wehrte, wurde der Aufmarsch auch für Teile der Autonomen interessant. Seitdem gibt es Antifa- und revolutionäre Blöcke. Da achteten die Teilnehmenden meistens auch darauf, sich nicht in einen anderen Block zu verlaufen. Denn dann hätte es ihnen passieren können, Joseph Stalin als Porträt gegenüber zu treten. Tatsächlich gab es immer wieder auch und immer häufiger auch Zeichen für einen regressiven Antikapitalismus auf der Demo. Die radikale Linke lästerte darüber, blieb möglichst im eigenen Block oder der Demo ganz fern. In den letzten Jahren gab es auch immer wieder Versuche, die regressiven Elemente in der Demo deutlich zu machen. Letztes Jahr stellten sich einige Genoss_innen einer solid-Gruppe mit einem Transparent mit der Aufschrift „Nein, nein, das ist nicht der Kommunismus“ und den durchgestrichenen Köpfen von Stalin, Mao und Lenin an der Route auf und wurden prompt angegriffen. Das Transparent wurde zerrissen, Menschen, die die Protestierenden unterstützten geschlagen. Dass war dann der Anlass für eine neue Jugendinitiative, erstmal seit Jahren eine eigene Rosaundkarldemo ( http://rosaundkarl.blogsport.de/presseschau/) parallel zur LL-Demo ( http://www.ll-demo.de/ ) zu organisieren.
Das Bündnis umfasst allerdings auch sozialdemokratische Organisationen, was insoweit problematisch ist, weil tatsächlich Stalinismus und Sozialdemokratie zwei Seiten der selben Medaille sind und eben neben Stalin auch Ebert und Noske auf eine solches Plakat gehören. Auch sie sind nicht nur für die Ermordung von Luxemburg und Liebknecht sondern Tausende Arbeiter_innen in ganz Deutschland verantwortlich. Beispielsweise bei der Zerschlagung der Bayerischen Räterepublik, worauf in der Jungle World Gaston Kirsche sehr prägnant ( http://jungle-world.com/artikel/2013/02/46904.html) hinweis. Trotzdem wäre es verfehlt das neue Bündnis einfach als Zusammenschluss von „Noskes Kindern“ zu diffamieren, wie die ersten öffentlichen Reaktionen aus dem Spektrum der LL-Demo lauteten, nachdem sie Konkurrenz bekommen haben. Hätten all die Organisationen aus dem KarlundRosaBereich nach Friedrichsfelde aufgerufen, wären sie natürlich willkommen gewesen.

Schwäche der radikalen Linken
Die Frage aus dem neuen Bündnis, warum nicht die radikale Linke schon längst zu einer eigenen Demo aufgerufen hat, ist berechtigt und zeigt eben die Schwäche dieses Spektrums. So hat wohl kaum jemand noch die Aufrufe aus dem LL-Spektrums gelesen. Sonst könnte man nicht erklären, dass für dieses Jahr ein Text als Aufruf fungierte, der vom drohenden Weltenbrand raunt, der noch den zweiten Weltkrieg in den Schatten stellen könnte. Von einer politischen Analyse gibt es nicht einmal Spuren in diesem Text. So hat erst die Ankündigung des Karlundrosa-Bündnisses, die einen wesentlich fundierteren Aufruf vorgelegt haben, radikale Linke aus dem Kreis des NAO-Prozesses motiviert, in die Diskussion einzusteigen. Die Kritik an den Aufruf und dem Erscheinungsbild der LL-Demo, dass Rosaundkarl formulierte, war ein guter Anstoß, um eine Debatte zu beginnen. Schließlich hat sich der NAO-Prozess zum Ziel gesetzt, mit Kommunist_innen, Postautonomenen und Feministinnen in die Diskussion zu kommen und vielleicht eine Organisierung zusammen hinzukriegen.

Die Veranstaltungen zu LL und rosaundkarl waren immer gut besucht. Bereits am 2. Januar war der Berliner Friedrichshainer Zielona Gora in Berlin überfüllt, als im Rahmen des Roten Abends des Internationalen Kommunist_innen ( http://interkomm.so36.net/frame.php ) die im Umsganze Bündnis organisierte Bremer Basisgruppe Antifa mit einem Vertreter der einladende Gruppe und eines in der Sozialistischen Initiative Berlin (SIB) organisierten Gewerkschafter über die Zukunft des Kommunismus diskutierten. Bei dieser Diskussion spielte die Demofrage keine große Rolle, weil sie bereits organisiert war, bevor die zweite Demo bekannt war. Interessant war nur, dass die Bremer Genoss_innen sich mit einen eigenen Aufruf auf der KarlundRosa-Demo beteiligten. Der NAO-Prozess hatte bereits vor Bekantwerden der zweiten Demo beschlossen mit der Parole „Weder Noske noch Stalin“ in die LL-Demo zu intervenieren.

Absage an Noske und Stalin – Provokation auf der LL-Demo?
Nun hat die Demovorbereitungsgruppe auch dieses Motto als Provokation bezeichnet. Sie hat als Folge der Debatte nach der neuen Demo die Devise ausgegeben weder Transparente für noch gegen Stalin sollen auf der LL-Demo getragen werden. Stattdessen soll nur noch gegen Sozialabbau und Kriegsgefahr agiert werden auf den Transparenten.
Das Schreiben der Demovorbereitungsgruppe der LL-Demo findet sich hier:  http://www.scharf-links.de/47.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=31701&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=b9c2b76021
Dieser Versuch, den Konflikt zu entpolitisieren steht ganz in der (post)stalinistischen Logik. All diese Parteien um mitregierend oder in der Opposition sind am Ende bei sogenannten Menschheitsthemen gelandet und wollen keine Klassen und andere antagonistischen Widersprüche mehr kennen sondern nur die von dem („Weltenbrand“) bedrohte Menschheit. So endete der (Post)stalinismus konsequent bei Gorbatschow und die italienische Kommunistische Partei bei der rechten Sozialdemokratie.
Im NAO-Prozess hingegen wird betont, dass man sich keineswegs politisch entmündigen lässt. Es wird sich zeigen, wie auf ein Transparent mit der Aufschrift „Weder Noske noch Stalin“ am Sonntag reagiert wird. Doch darüber hinaus sollte die durch KarlundRosa angeregte auch über den Samstag hinaus weitergehen. Dass ist zumindest der Wunsch auch vieler Gruppen im NAO-Prozess.

Debatte soll weitergehen
Am 10.1. gab es bereits eine gemeinsame Debatte mit NAO-Vertreter_inne nund Genoss_innen von KarlundRosa. Auch vom LL-Bündnis waren Vertreter_innen eingeladen, die es sich aber vorzogen, der Diskussion fernzubleiben. Von dem zahlreichen Publikum ist deshalb niemand weggegangen und für genügend Streit war auch in dieser Konstellation gesorgt. Durch das Fehlen der LL-Vertreter_innen bekamen die Genoss_innen von KarlundRosa besonders viel Kritik zu hören. Auch hier ging es um die fehlende gleichberechtigte Kritik an (Post)Stalinismus und Sozialdemokratie. Vor allem das im Aufruf nichts zur Rolle von Gustav Noske, der für die Ermordung nicht nur Liebknecht und Luxemburg verantwortlich war, wurde moniert. Dass es danach auf der Homepage des Bündnisses eine klare Distanzierung gibt, reichte nicht allen aus. Bei der Diskussion wurde auch deutlich, dass der NAO-Prozess sehr plural ist, was sich auch an den unterschiedlichen Akzenten bei der Beurteilung und Kritik an KarlundRosa zeigt. Die Kritik am LL-Bündnis hingegen wird von allen geteilt und auch an der Intervention mit dem Transparent „Weder Noske noch Stalin“ wird festgehalten. „Genoss_innen auch außerhalb des NAO-Prozesses, die diese Parole gut finden und trotzdem noch zur LL-Demo gehen, sind eingeladen, hinter dem Transparent mit zugehen, um deutlich zu machen, das ist keine Provokation sondern drückt die Meinung der Menschen aus, die die Demo noch nicht ausgeben haben.
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. — .

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