Wie man eine Revolution startet (1): Das Camp

Indignado 10.10.2011 23:18
Das Protest-Camp hat sich als ein zentraler Teil der Revolution in Ägypten herausgestellt. Es ist unmöglich zu sagen, was aus den Bewegungen um die Lager von Spanien und Griechenland werden wird, die zum Teil inzwischen geschlossen sind, aber es ist völlig klar, dass ihre Methoden imstande sind, das Bewusstsein zu transformieren (vor allem bei der jüngeren Generation), Entschlossenheit zu fördern und eine bessere Zukunft nicht nur möglich, sondern plausibel erscheinen zu lassen.
Camps sind inzwischen auf der ganzen Welt entstanden, und haben Protestbewegungen und Community-Aktivismus zu neuer Stärke verholfen, wo immer sie erschienen sind. Diese folgenden Ratschläge basieren auf persönlichen Erfahrungen aus den Lagern in Barcelona und New York City, Gespräche mit Campern aus Madrid und Madison und Recherche in anderen Lagern, rund um die Welt.

Der Anfang

Die frühen Phasen des Lagers beinhalten intensive Planung. Obwohl die Lager in Tahrir und Spanien weitgehend von Grund auf improvisiert wurden, entstanden sie aus Protesten, die seit Monaten geplant waren. Das Erste, was zu tun ist, ist, eine große Protestaktion abzuhalten, und dazu alle eure Freunde mitzubringen.
Wählt ein Datum, eine Uhrzeit (einem Freitag wäre wahrscheinlich ideal) und einen öffentlichen Raum in einem zentralen Bereich des politischen Interesses, mit viel Fußgängerverkehr. Konzentriert euch auf lokale politische Fragen, welche die Bevölkerung aktivieren kann: in den aktuellen Lagern ging es zum größten Teil um Sparmaßnahmen der Politik, und obwohl sie inzwischen gewachsen sind, und größere gesellschaftliche Kritik umfassen, haben auch sie mit lokalen Themen begonnen. Ihr braucht auch einen Rechtsberater, oder zumindest jemanden, der sich gut mit Demonstrations-Recht und der Nutzung öffentlichen Raums auskennt. Nutzt Social Media Networks, um so viele Menschen wie möglich zu mobilisieren: Ihr braucht wahrscheinlich mindestens 100 ernsthafte Kameraden mit gemischten Fähigkeiten und vollem Engagement. Bringt Zelte, Schlafsäcke, warme Kleidung und Bettzeug mit - ihr werdet draußen schlafen.
Während der ersten Protest-Kundgebungen errichtet ihr eure Zelte, Betten, etc. Bereitet sie so, dass ihr dort eine lange Zeit bleiben könntet. Denn ihr werdet eine lange Zeit bleiben. Die ersten 72 Stunden sind entscheidend, jeder wird bleiben müssen, bis das Lager gut etabliert ist und die Reaktion der Polizei herausgefunden wurde. Revolutionen kennen keine Krankschreibungen, Arbeitsplätze zum Glück schon.


Die zentrale Versammlung

Alle wichtigen Entscheidungen müssen von der Gruppe gemacht werden, nicht von Individuen - das Lager kann keine Repräsentanten und keine Anführer gebrauchen. Alle Entscheidungsfindung erfolgt durch die Generalversammlung - ein Konsens-Prozess, in dem Ideen, Vorschläge und Entscheidungen von Grund auf erarbeitet werden. Die Methode der Generalversammlung wird in einem anderen Artikel näher beschrieben werden.

Vorposten der neuen Welt

Nachdem das Lager aufgebaut ist, werdet ihr wollen, dass es ein freier Ort wird, ein kleiner Vorposten der besseren Welt, die da kommen wird. Macht Kunstwerke, Plakate, Spielstätten, Umsonstläden und Infostände. In Spanien und den USA haben die Lager über Strom-Generatoren Computer, Internet und Kommunikations-Stationen eingerichtet. Auf dem Plaza Catalunya haben Indignados Baumhäuser, eine Bühne, ein Tattoo-Studio, einen kostenlosen Friseursalon und vieles mehr gebaut. Sie haben Statuen mit Masken, Bandanas und farbigen Lack verschönert. Wie sieht es in eurer Stadt aus? Was werdet ihr bauen? Zeigt den Leuten, wie eine freie Gesellschaft aussieht, während ihr euch selbst beibringt, wie man eine errichtet.
Gebt genau jene Gratis-Leistungen, welche die Stadt oder das Land wegkürzt, um zu zeigen, was dabei verloren geht, und was die Menschen einander geben können. Im New Yorker Protest-Camp zum Beispiel haben wir eine kostenlose eins-nehmen-eins-geben-Bibliothek, da die Stadt das Budget für die öffentlichen Bibliotheken zusammengestrichen hat. Zeigt mit euren Aktionen, dass Menschen, die ihre Bemühungen und ihre Ressourcen teilen, alles erschaffen können.
Es ist auch wichtig, aktiv zu bleiben: Es ist einfach, nur mit euren Freunden im Lager rumzuhängen, und ihr werdet das auch oft tun, aber stellt sicher, dass ihr aktiv die Gemeinschaft mitgestaltet. Organisiert Proteste, schließt euch mit lokalen Organisationen kurz, die zu den gleichen Fragen arbeiten. Sorgt dafür, dass im Camp jeden Tag etwas geschieht: dreht Dokumentationen, gebt Workshops, veranstaltet Tanzpartys etc. Machen es zu einem Raum des erweiterten Bewusstseins und der spontanen Möglichkeiten.
Es gibt ein paar wichtige Prinzipien, die ihr vielleicht beachten möchtet, um das Lager erfolgreich zu machen:

Keine Gewalt

Der Staat produziert Gewalt, die Menschen wollen Frieden. Verwendet zivilen Ungehorsam, friedliche Vergeltung und freie Rede, aber niemals Gewalt oder Zerstörung. Wenn die Polizei den Campern Gewalt zufügt, stärkt dies nur eure Unterstützung in der Bevölkerung und demonstriert die Absichten und Methoden des Staates.

Befolgt das Gesetz

Keine Drogen, kein öffentliches Besaufen, keine Gesetzesbrüche in eurem Lager. In den USA sind sowohl die Medien und das Gesetz sehr kritisch bei Drogenkonsum und wenig tolerant bei der improvisierten Nutzung des öffentlichen Raumes. Die Polizei und die Medien werden jeden Vorwand nutzen, um euch zu marginalisieren. Lasst das nicht zu. Demonstriert, wie Macht funktioniert, indem ihr die Polizei dazu bringt, die Gesetze zu brechen.

Social Media für die Verbreitung, aber nicht für die Diskussion

Twitter und Facebook sind unglaubliche Werkzeuge zur Verbreitung von Informationen über die öffentlichen Sitzungen, Proteste, Manifeste, Artikel, etc. Verwendet sie so viel wie möglich, aber verwendet sie nicht zur Debatte von Taktik, Plänen oder Ideen. Sie sind schlecht für die Herstellung von Konsens geeignet, und außerdem ist es viel einfacher für die Polizei einem Hashtag folgen, als in euer Zelt zu kommen. Und die Polizei wird es versuchen: Bei Bloombergville zeigte sich ein Undercover-Cop der behauptete ein "Agent" von MSNBC zu sein. Er fragte uns nach unseren Protest-Plänen und wollte mit dem „Anführer" sprechen (tip: Wer nach dem "Anführer" fragt, ist meist ein cop). Plant alles persönlich, und verbreitet die Botschaft dann wie ein Lauffeuer über das Internet.

Anonym: Keine Anführer, keine Hierarchie

Anführer können inhaftiert, entehrt, abgelehnt, sogar getötet werden. Anonym zu handeln bewahrt euch davor, ein Ziel der Polizei zu werden, und ohne eine offensichtliche symbolische Führung wächst eure Zahl in den Köpfen der Öffentlichkeit. Wenn ihr glaubt, eine Bewegung braucht einen Anführer, fragt euch: Wie weit haben irgendwelche Führer das Volk bis jetzt gebracht?

Heißt jeden willkommen, lasst alle sprechen

Zweifellos werden Zugedröhnte und seltsame Menschen zu euch kommen: Wenn sie das Megafon wollen, dann lasst sie reden (mindestens einmal). Die Menschen werden gegen sie stimmen. Ich habe das bei drei verschiedenen Gelegenheiten in Barcelona gesehen. Ich sah auch eine Gruppe von Kindern in einer Vollversammlung, die zu der Menge sprechen durfte. Der Umgang mit konfrontativen Menschen gibt euch Solidarität als Gruppe und das Verständnis für die Schwierigkeiten, die solche Außenseiter in unserer Gesellschaft durchleben müssen. Und die Schönheit des Camps ist, dass es euch erlaubt, genau das zu üben, für was ihr kämpft: eine Gesellschaft, in der jeder willkommen ist, angehört wird und respektiert ist.


Für den Samstag den 15. Oktober sind weltweite Aktionen geplant - Demos und Aktionen in D/AU/CH im folgenden Pad


http://titanpad.com/15odeutschland


weitere Infos und Videos


http://www.echte-demokratie-jetzt.de/


http://15october.net/de/
  
http://vimeo.com/30081785


Macht mit, informiert Euch, empört Euch `n Occupy the World


#Globalchange Globalrevolution Now
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Ergänzungen

occupy Frankfurt

hi 11.10.2011 - 00:07

globalrevolution.tv

egon 11.10.2011 - 00:09
video-livestream von Occupy Wallstreet aus New York

 http://globalrevolution.tv/

Video: Occupy Frankfurt: 15.10.

fac 11.10.2011 - 00:12

occupy Wallstreet

ideo 11.10.2011 - 00:18

Wieviele dort mitmachen

R.oland B.ialke 11.10.2011 - 15:03
Ich hab mal zu verschiedenen Zeiten in den Stream aus New York (Wall Street) geschaut. Am Wochenende, Abends zur Pertyzeit, waren da vielleicht annähernd 70 Personen. Jetzt im Moment sind nach Aussage des Kommentars 15 bis 18 Leute dort. Ich sehe nur ein Zelt und zwei Luftmatrazen (oder ähnliches) und vielleicht 4 oder 5 Leute rumliegen.

... haltet euch an das Gesetz.

ein Individuum 12.10.2011 - 08:45
Aja,

also ans Gesetz halten ( keine Drogen sollte klar sein ), aber wieso sollten "wir" uns an Gesetze halten, die von denen geschrieben, ausgeführt und geschützt werden, von den Leuten die "wir" stürzen wollen?
Wieso sollten "wir" uns an regeln halten, die dieses System nur schützen sollen?

"unser widerstand" darf sich doch nicht nach den spielregeln des gegners richten ... genau das ist doch eines der probleme dieser "falschen demokratie".

die historie und wenn du schon bezug auf ägypten nimmst, die historie der ägyptischen "revolution" ist nicht friedlich verlaufen. und das wird sie auch nie. dabei ist nicht die frage ob wir gewalt wollen, dabei zählt nicht das wir eine friedliche welt wollen.
wir leben in einem system das auf gewalt beruht. die machthaberInnen werden zum schutz ihrer profitierenden akteurInnen rolle und zum schutz des bestehenden systems gewalt gegen uns einsetzen ...

ich werde ganz sicher nicht nach der maxim gehen: ... dann halte auch die andere wange hin!

Für einen revolutionären Aufbauprozess!
Für den Kommunismus!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Habe keine Zeit — Lohnarbeiter

NICHT NUR CAMPEN ! — REVOL*