Rostock: 19 Jahre nach dem Pogrom
Man hört wie Scheiben klirren, "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!" ist zu vernehmen. Die Geräuschkulisse kommt Gott sei Dank nur vom Band und dennoch ist es beklemmend, wenn man 19 Jahre nach dem Pogrom vor dem "Sonnenblumhaus" steht und das hört. Am 24. August 1992 erreichte die rassistisch motivierten Massenausschreitungen ihren Höhepunkt. Daran erinnerten heute rund 120 Antifaschisten in Rostock-Lichtenhagen.
Das Ereignis wurde zu einem der Synonyme für die rassistische Gewaltausbrüche Anfang der 1990er Jahre. Und Lichtenhagen ist auch heute noch in der Stadt ein Thema. Für viele Antifaschisten gerade aus Rostock, aber auch darüber hinaus, ist es ein wichtiger Referenzpunkt im politischen Denken...
Das Ereignis wurde zu einem der Synonyme für die rassistische Gewaltausbrüche Anfang der 1990er Jahre. Und Lichtenhagen ist auch heute noch in der Stadt ein Thema. Für viele Antifaschisten gerade aus Rostock, aber auch darüber hinaus, ist es ein wichtiger Referenzpunkt im politischen Denken...
Der Zusammenbruch des selbsternannten antifaschistischen Staates lag noch nicht lange zurück. Und nicht wenige der späteren Marodeure hatten zuvor in Blauhemd oder mit dem roten Halstuch noch die "Völkerschfreundschaft" besungen, doch nun machen sie sich auf die Jagd. "Neger", "Fidschis", "Kanaken" oder "Zigeuner" sind ihre Ziele, je nachdem wer gerade nicht ins Bild des "Deutschen" passte. Eine regelrechte Welle von Ausschreitungen und Anschlägen erfasste die Republik zu Beginn der 1990er Jahre. Und das (politische) Establishment rief nicht den Aufstand der Anständigen aus, im Gegenteil: Sie waren es, die mit ihren Parolen vom "vollen Boot" dem Mob die Legitimation lieferten. Im Nachgang wurde das Recht auf Asyl defacto abgeschafft. Jeder der aus einem "sicheren" Land kam, wurde dorthin zurückgeschickt. Damit war für alle, die aus den Nachbarländer einreisten, das Schicksal besiegelt. Und wer etwa mit einem Direktflug in die Bundesrepublik floh, der rieb sich nicht selten die Augen, welche Länder seitens der Bundesregierung so alles als "sicher" eingestuft wurden. Somit sank die Zahl der legalisierten Asylbewerber drastisch.
Nicht nur wegen dieser Folgen gilt Rostock-Lichtenhagen in der linksradikalen Szene als Katastrophe. Weitgehend ohnmächtig verfolgen Antifaschisten die Geschehnisse im Fernsehen.
Auf dieser Brücke stauten sich damals regelrecht die Angreifer. Antifas konnten sie zumindest kurzzeitig verjagen... (Video)
Mit Vorankündigung und tagelang randalierte der Mob. Hätte nicht auch die linksradikale Szene mehr tun können? Man darf nicht vergessen, dass es damals kein Internet im heutigen Sinne existierte. Verzweifelt telefonierten damals Antifaschisten die Adresseinträge in den Antifakalendern durch. Und das zeigte Wirkung. Auch auf eigene Faust - im wahrsten Sinne des Wortes - reisten Antifaschisten an. Den Mob aufhalten konnte man natürlich nicht. Aber so manchem der in einer dunklen Häuserecke befragt wurde, ob er bei dem 'Ding da hinten' dabei war, verging ziemlich schnell das Glitzern in den Augen und das dämliche Grinsen. Hinter den Kulissen tobte auch nach den Ereignissen ein regelrechter Kleinkrieg. Doch Stück für Stück konnten die Nazis zurückgedrängt werden. Denn das Pogrom aktivierte und mobilisierte nun auch die Gegenwehr. 19 Jahre später gilt die Hansestadt Rostock als linke Hochburg. Längst vorbei die Zeiten indem die Nazis Rostock noch als Frontstadt bezeichneten. Als Universitäts- und Großstadt ist man in Rostock natürlich einem Dorf in Ostvorpommern oder Westmecklenburg klar im Vorteil. Aber letztlich dürften die Geschehnisse der damaligen Zeit, als für alle deutlich sichtbar wurde, in welch tödlicher Gefahr man sich bringt, wenn Faschisten nicht konsequent bekämpft werden, auch ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass die Antifa in Rostock im Jahre 2011 ganz gut aufgestellt ist.
Kein Tag und keine Nacht vergeht, an dem nicht Antifaschisten in der ein oder anderen Weise unterwegs sind. Teilweise agieren Großgruppen mit bis zu 70 Antifaschisten an einem Ort. Auch im bundesweiten Vergleich eine beachtliche Leistung. Und auch abseits der heimlichen Landeshauptstadt tut sich so einiges; die NPD beklagt beispielsweise den Verlust "tausender Plakate". Werden tausend Leute befragt, dann verharrt sie weiter unterhalb der 5-Prozent-Schwelle bei 4 Prozent. Noch anderthalb Wochen bis zur Wahl. Meist konnte die neonazistische Partei gerade noch kurz vor der Wahl zulegen. Es wird knapp werden.
In Lichtenhagen gab es, neben dem üblichen Gepöbel einiger Vertreter der lokalen Trinkerszene, vor allem Zuspruch. Zahlreiche Flyer konnten verteilt werden, man sorgte für Aufmerksamkeit, es gab keine Zwischenfälle. Als nächster Termin steht der Antifaaktionstag am 27.08 auf dem Programm.
Pressemitteilung der Kampagne "Wake up - Stand up"
Bericht bei Kombinat Fortschritt
(C) Tim Krugfelch 2011
Nicht nur wegen dieser Folgen gilt Rostock-Lichtenhagen in der linksradikalen Szene als Katastrophe. Weitgehend ohnmächtig verfolgen Antifaschisten die Geschehnisse im Fernsehen.
Auf dieser Brücke stauten sich damals regelrecht die Angreifer. Antifas konnten sie zumindest kurzzeitig verjagen... (Video)
Mit Vorankündigung und tagelang randalierte der Mob. Hätte nicht auch die linksradikale Szene mehr tun können? Man darf nicht vergessen, dass es damals kein Internet im heutigen Sinne existierte. Verzweifelt telefonierten damals Antifaschisten die Adresseinträge in den Antifakalendern durch. Und das zeigte Wirkung. Auch auf eigene Faust - im wahrsten Sinne des Wortes - reisten Antifaschisten an. Den Mob aufhalten konnte man natürlich nicht. Aber so manchem der in einer dunklen Häuserecke befragt wurde, ob er bei dem 'Ding da hinten' dabei war, verging ziemlich schnell das Glitzern in den Augen und das dämliche Grinsen. Hinter den Kulissen tobte auch nach den Ereignissen ein regelrechter Kleinkrieg. Doch Stück für Stück konnten die Nazis zurückgedrängt werden. Denn das Pogrom aktivierte und mobilisierte nun auch die Gegenwehr. 19 Jahre später gilt die Hansestadt Rostock als linke Hochburg. Längst vorbei die Zeiten indem die Nazis Rostock noch als Frontstadt bezeichneten. Als Universitäts- und Großstadt ist man in Rostock natürlich einem Dorf in Ostvorpommern oder Westmecklenburg klar im Vorteil. Aber letztlich dürften die Geschehnisse der damaligen Zeit, als für alle deutlich sichtbar wurde, in welch tödlicher Gefahr man sich bringt, wenn Faschisten nicht konsequent bekämpft werden, auch ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass die Antifa in Rostock im Jahre 2011 ganz gut aufgestellt ist.
Kein Tag und keine Nacht vergeht, an dem nicht Antifaschisten in der ein oder anderen Weise unterwegs sind. Teilweise agieren Großgruppen mit bis zu 70 Antifaschisten an einem Ort. Auch im bundesweiten Vergleich eine beachtliche Leistung. Und auch abseits der heimlichen Landeshauptstadt tut sich so einiges; die NPD beklagt beispielsweise den Verlust "tausender Plakate". Werden tausend Leute befragt, dann verharrt sie weiter unterhalb der 5-Prozent-Schwelle bei 4 Prozent. Noch anderthalb Wochen bis zur Wahl. Meist konnte die neonazistische Partei gerade noch kurz vor der Wahl zulegen. Es wird knapp werden.
In Lichtenhagen gab es, neben dem üblichen Gepöbel einiger Vertreter der lokalen Trinkerszene, vor allem Zuspruch. Zahlreiche Flyer konnten verteilt werden, man sorgte für Aufmerksamkeit, es gab keine Zwischenfälle. Als nächster Termin steht der Antifaaktionstag am 27.08 auf dem Programm.
Pressemitteilung der Kampagne "Wake up - Stand up"
Bericht bei Kombinat Fortschritt
(C) Tim Krugfelch 2011
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Ergänzungen
Hoyerswerda
Deshalb checkt... http://pogrom91.tumblr.com/
Literaturtipp
Schmidt, Jochen (2002): Politische Brandstiftung. Warum 1992 in Rostock das Ausländerwohnheim in Flammen aufging.
Lohnt sich wirklich, da mal einen Blick reinzuwerfen. Der Autor war damals mit dem ZDF-Fernsehteam vor Ort und hat 10 Jahre lang nach dem Progrom recherchiert, Hintergründe aus Politik und Medien zusammengetragen...
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Dann noch eine kleine Anmerkung zum Text: Rostock mag verhältnismäßig eine "linke Hochburg" in MV sein. Aber eine linke Hochburg grundsätzlich gewiss nicht. (Die KTV vielleicht noch..) Und auch sone Phrasen wie "vermeintliche Landeshauptstadt" kann mensch sich eigentlich in linken/ emanzipatorischen Texten schenken, oder?
rostocker macker
Auf Auf Leute. Toll, dass sich in Rostock was bewegt. Sogar andere Städte wie Greifswald etc. motiviert dieses Handeln. Weiter so...
gruß von einem kurz verzogenen.
respekt an die mackerInnen aus rostock und mv
Das Doofland
Als dann das Kind in den Brunnen gefallen war, wollte es mal wieder keiner gewesen sein.
In deiner Aufzählung hast du Mannheim-Schönau vergessen(Übrigens das erste 1 wöchige Progrom in Westdeutschland, noch vor Lichtenhagen. Die Medien haben darüber nicht berichtet, weil es ihnen nicht in ihrer Argumentation geholfen hat. Ihr wißt schon,"wer 40 Jahre im Kommunismus gewohnt hat, der wird doch automatisch Nazi, bla, bla"-Extremismustheorie läßt grüssen).
gute Doku zum Thema
Weiterer Literaturtipp
Alle auf nach Schwerin
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Pogrom? — baal-re-mesh.com
Progrom — Besserwisser
Schade — user
diskutieren bis zum Exitus? — worte (er)finder
rostocker macker — auf auf zum korn
holla die waldfee!!! — rudi rüssel
stock ausm arsch — pah
na und ob — runkel rübe
@hro-macker — titel
Ich glaube es hackt... — KTV-Macker
Jahrestage begehen oder feiern — the red stars of the syrian sunset
@rostocker macker — egal
leider nichts geändert — bekannt