(HH) Gegen Wagenplätze„ steht eine Haltung"

... 24.06.2011 17:39 Themen: Freiräume
Hinter dem Umgang mit Wagenplätzen in Hamburg „steht eine Haltung“. Was ist das für eine Haltung? Systematisch wird Vertreibungspolitik und kapitalistischer Standortlogik Vorschub geleistet. In einem völlig intransparenten, unpartizipativen Prozess hat die regierende Parteipolik entschieden, dass Markus Schreiber weiterhin seine bereits jahrzehntelang gährende persönliche Abneigung gegen Wagenplätze in seiner Position als Bezirksamtsleiter Mitte ausleben darf.
In Hinterzimmergesprächen trotzte Schreiber Überzeugungsversuchen der BSU (“keine Bedenken”) sowie Vermittlungsversuchen von Mitgliedern seiner eigenen Partei. Markus Schreiber blockiert bereits seit 1993 Veränderungsprozesse durch sein Machtposition und will munter Wagenplätze räumen („Bambule hab ich auch schon geräumt“). Zomia wurde immer wieder zum Stillhalten angehalten, damit nur Markus Schreiber “sein Gesicht nicht verliert”. “Rauf und Runter” könne man Wagenplätze im Bezirk Mitte diskutieren: Nix zu machen, war dann jetzt die Ansage im Auschuss der Bürgerschaft : “Dahinter steht einfach eine Haltung”. Gründe dafür gibt es nicht. Pech gehabt. Das Hamburger Wagengesetz soll auch bitteschön bloss nicht geändert werden.

Was ist das für eine Haltung? Wagenplätze in Hamburg werden bislang illegalisiert, kriminalisiert, als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diffamiert, zuletzt während Schillzeiten geräumt und des Landes verwiesen. Auch wenn es jetzt heißt "grundsätzlich hätte ja niemand was gegen Wagenplätze" scheint diese Haltung von Vertreibung und Zerstörung von Wagenplätzen in Hamburg fortgeführt zu werden. Die fünf Wagenplätze in Hamburg würde niemand mehr in Frage stellen, sagte die SPD gerade in einer Bürgerschaftssitzung. Kurz danach wurde das seit einem Jahr in der Planung befindliche Bauvorhaben „Hebebrandquartier“ öffentlich, das unter anderem den Wagenplatz Borribles einfach überplant. Die Wagengruppe Zomia befindet sich seit über einem halben Jahr in der Auseinandersetzung um einen Verbleib in Hamburg und die Verhinderung der immer wieder akuten Räumungsandrohungen. Ende Mai dann ein „Angebot“: Als fertige Lösung wurde die Verbringung nach Jenfeld auf das Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne präsentiert: Dort ist in zwei Jahren der Baubeginn des bislang millionenschwer geförderten Bauprojekts “Jenfelder Au” mit “770 familienfreundlichen Wohneinheiten”. Bis dahin: Infrastrukturlegung, Kampfmittelräumung etc. Wird hier ähnlich wie beim Wagenplatz Wendebecken 2004 eine Grund für eine “realpolitisch unabdingbare” Räumung vorgeplant? Auf der Fläche des Wagenplatzes Zomia ist in absehbarer Zeit kein Bauvorhaben geplant. Was sollte der Grund sein umzuziehen? Es gibt keinen, es wäre eine absolut blödsinnige Verschlechterung.

Die Haltung gegen Wagenleben in Hamburg wird verschleiert und zumeist nicht explizit ausgesprochen:
1. In einer Stadt wie Hamburg wird jede Fläche in irgendeiner Form genutzt. Sei es von einzelnen Menschen oder vom städtischen Grün oder als eventuelle Vorhalteflächen für Verkehrsprojekte. Während aber Elbphilharmonien, eine Hafencity, eine internationale Gartenschau, eine internationale Bauausstellung oder tanzende Türme als scheinbare Leuchttürme im internationalen Standortgerangel von oben durchgesetzt werden, soll es keinen Platz für Wagenplätze geben. Während in Hamburg krasser Leerstand an Büroflächen herrscht, die City Nord in ihrer gähnenden Leere längst vergessen scheint, müssen scheinbar dringend Wohnhäuser überall auf allen (!) Flächen die in Frage kommen neu gebaut werden - dagegen könne doch keine_r was sagen, oder? Bezahlbares Wohnen und Wagenplätze sind aber keine Widersprüche oder Gegner_innen. Mit dem Argument, es könnte leider leider keine Fläche gefunden werden, kann ein Wagenplatz aus Hamburg vertrieben werden ohne die Haltung explizit zu machen.
2. Das ätzende Herumschieben von Verantwortung zwischen Bezirk und Bürgerschaft, zwischen Parteien und Behörden, Markus Schreiber und seiner Partei ist Programm. Wenn die SPD im Bezirk sagt, sie wolle in der Bezirksversammlung nichts machen solange nicht der Stadtentwicklungsaussschuss entschieden hätte und dann Menschen der selben Partei in genau jenem Ausschuss sagen, man könnte nix machen, da der Bezirk zuständig ist dann.. ist das nur ein Beispiel von unnötigen Spielchen von denen keine_r den Akteuren abnimmt, dass sie selber daran glauben. Aber Zomia wird versucht, dies immer wieder weiszumachen. Das Spielchen wird gespielt vor dem Hintergrund einer seit 30.4.2011 gültigen Räumungsanordung, der ständigen Drohung diese umzusetzen und bloss aufzupassen und bloss nicht des Herren Schreibers Gesichtsverlust zu befördern. Markus Schreibers Gesicht(sverlust) ist kein Umzugsgrund! Mit diesem „ich finde die Räumungsanordnung persönlich doof, aber leider sind mir die Hände gebunden“ kann die Haltung gegen Wagenplätze bequem nicht explizit gemacht werden. - Und das Erreichen von Wagenplätzen kann möglichen Nachahmenden durch den übelst langen Prozess unter Räumungsanordnungsbedingungen möglichst unattraktiv gemacht werden...

3. Blöde Argumente werden vorgebracht, solange es irgend geht, bis das
Gegenteil erwiesen ist und dann wird das nächste konstruiert und vorgeschoben:
Sind es nicht die Flächen, ist es das Wagengesetz, dass den Bezirken die Möglichkeit gibt, Wagenplätze sogar auf privaten Flächen zu verhindern (Anm.: sie könnten sie zwar auch genehmigen...aber leider...). Industrieflächen, für die für jeden Scheiss Umwidmungen und Sondernutzungen möglich sind, werden beim Schlagwort „Wagenplatz“ auf einmal für die Ewigkeit unantastbar. Briefe von einzelnen Menschen die angeblich die Meinung von ganzen Stadtteilen wiedergeben werden nach völligem Gutdünken als „Partizipation“ genutzt oder auch nicht. Während sich gegen andere Projekt der Stadt ganze Bürger_inneninitiativen formiert haben, ohne das es irgendwie störend sei, frei nach dem Motto: irgendwen stört‘s immer. Wahlweise wird auch die sozialpolitische Katastrophe direkt mit Wagenleben liiert, verunglimpft und als selbstverständlich durch Ausgrezung zu beseitigen deklariert. Dies in der Bürgerschaftsdebatte um das Wagengesetz geschehen. Drogen, Alkohol, Kriminalität, Abstieg, Ratten und Substandard-Ängste. Was macht es für einen Sinn so etwas zu konstruieren? Wir finden Wagenleben soll gefälligst unabhängig von Lebensstil, Alkoholkonsumshöhe, Einkommen, Führungszeugnis, Bildungsniveau, Hamburger Geburtsrecht usw. möglich sein, für Menschen die das einfach wollen. Eine (!) Meinung von einer kleinen Gruppe a.k.a. „Wir Wilhelmsburger“, verweigert Zomia als „Neu-Wilhelmsburgern“ das Daseinsrecht mittels „Westernreiter nehmen Indianern ihr Land weg“-Metaphern. Dies wird von Schreibers Amt dankbar als „stellvertretend für die Meinung im Stadtteil“ bestimmt. Der Gipfel sind krasse rassistische Äußerungen wie "Zigeuner" in einem Bezirksgremium. Was soll das? Dies ist nicht nur sachlich unterirdisch sondern dient alles dazu eine Haltung zu verbergen und ist so platt und durchschaubar , dass es mensch manchmal die Sprache verschlägt. Aber das es dennoch funktioniert, scheint was mit Macht zu tun zu haben.... Diese Haltung macht wütend. Und mensch denkt tatsächlich darüber nach was Markus Schreiber sagte, als Zomia gegenüber ihre Situation schilderte und dabei Beispiele von einvernehmlichen Lösungen in Berlin nannte: “Viel Spaß in Berlin!“

Wagenplatzräumungen aufgrund dieser Haltung? Wagenplatzräumungen ohne irgendwelche Sachargumente jenseits dieser Haltung? Wagenplatzräumung wegen Markus Schreibers Gesicht(sverlust) und Parteipolitischen Strategiespielchen? Umzüge auf irgendwelche Baustellen mit Baubeginn gleich morgen? Wagenplatzräumungen als Ausdruck von städtischer Vertreibungspolitik und einseitiger kapitalistischer Stadtentwicklung von oben?

Wir glauben nicht.
Wer eine lebendige Stadt will muss sie auch aushalten – und Bauwagenplätze bleiben wo sie sind. Stadtaneignung trotzdem und erst recht.
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Berlin als tolerantes Vorbild? — kopfschüttel

Berlin... — ergänz_ergänz