Hamburg: Proteste bei Bahnjubiläum

Steffen 12.07.2010 23:34 Themen: Antifa
Die Deutsche Bahn AG verbietet das Gedenken an die Opfer der "Reichsbahn" Deportationen im Rahmen der Jubiläumstour "175 Jahre deutsche Eisenbahn."
Die Deutsche Bahn AG feiert dieses Jahr in mehreren deutschen Bahnhöfen ein Jubiläum: „125 Jahre deutsche Eisenbahn“. Unter dem Motto „Die Eisenbahn macht mobil – seit 175 Jahren“ finden „bunte Bahnhofsfeste“ in insgesamt 15 Großstädten statt. Die DB AG stellt sich damit in die Tradition der deutschen Eisenbahngeschichte.

Unterdessen warten die Überlebenden der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager, die als Kinder in Waggons der „Reichsbahn“ deportiert wurden, noch immer auf eine angemessene Restitution. Bis heute wurde kein Cent an die Überlebenden der „Reichsbahn“ -Verbrechen ausgezahlt.

Am Sonntag, den 11.07.2010 machte die „Jubiläumstour“ am Hamburger Hauptbahnhof Station.
Dieses Ereignis war für Hamburger Antifaschist_innen der geeignete Anlass, an die Opfer zu erinnern und die Forderungen der Überlebenden zu unterstützen.


Über drei Millionen Menschen aus ganz Europa wurden in Zügen der „Reichsbahn“ verschleppt. Über das Hamburger Schienennetz wurden über 6000 Menschen nach Minsk, Theresienstadt oder Auschwitz deportiert.Die wenigsten kehrten aus den Vernichtungslagern der deutschen Faschisten zurück.
Die „Reichsbahn“ verdiente gut an ihrer Beihilfe zum Massenmord, umgerechnet über 445 Millionen Euro nahm sie ein. Die Deportierten mussten ihre Verschleppung meistens selbst finanzieren.

Bis heute ist weder die DB AG noch ihre Eigentümerin, die Bundesrepublik Deutschland, bereit, den oft bedürftigen Überlebenden zu helfen und ihre Schuld diesen Menschen gegenüber zu begleichen. Auch eine angemessene Ehrung der Millionen Menschen, die nicht aus den deutschen Todeslagern zurückkehrten, in welche die „Reichsbahn“ sie verschleppte, blieb bis heute aus.

Seit längerem fordern Überlebende der „Reichsbahn“ – Deportationen, vertreten durch 21 Opferorganisationen aus Weißrussland, Polen, der Ukraine und Russland, die Begleichung der Schulden. Der Betrag hat in angemessenem Verhältnis zu den Einnahmen aus den Verschleppungen zu stehen.
Die legitimen Forderungen wie bisher weiter zu verschleppen und zu ignorieren bedeutet, auf den Tod der letzten Überlebenden zu warten. Dies ist nicht hinnehmbar.
Es ist höchste Zeit, dass sich die Nachfahren der damaligen Täter oder Mitläufer an die Seite der Überlebenden stellen und ihr Anliegen unterstützen.

Inzwischen stimmt die DB AG zwar Gesprächen mit Vertreter_innen einzelner Opferorganisationen zu.
Die Hoffnung, dass diese Gespräche nicht nur auf eine „kostensparende Kompensation der historischen Schulden“ hinauslaufen, wie der „Zug der Erinnerung e.V.“ warnt, ist zurzeit bestenfalls bescheiden.

Vor diesem Hintergrund besuchten am Sonntag Hamburger Antifaschist_innen das „Bahnjubiläum“, um die Forderungen der Überlebenden zu unterstützen und der Opfer zu gedenken, indem sie Flugblätter verteilten, auf denen auch die gemeinsame Erklärung der Opferorganisationen nachzulesen war.

Die bereits nach wenigen Minuten herbeigeeilte Bahnhofsmanagerin verbot den Antifaschist_innen die Information der Festbesucher_innen und machte von ihrem Hausrecht gebrauch. Sie befürworte das Gedenken, das Bahnjubiläum sei dafür aber nicht der richtige Rahmen. Heute wolle sie feiern.

Das nun entrollte Transparent rief umgehend mehrere Mitarbeiter der „DB – Sicherheit“ auf den Plan, die daran herumzerrten und die Aktivist_innen aufforderten, „mit diesem Scheiß“ (Zitat) zu verschwinden

Um dennoch möglichst viele Passant_innen erreichen zu können, postierten sich die Antifaschist_innen unmittelbar hinter dem von der DB AG für das Fest reservierte Gelände, zeigten das Transparent und verteilten die Flugblätter.

Dies versuchte die DB AG in Gestalt ihrer Security – Marionetten ebenfalls zu verhindern bzw. zu sabotieren, indem sich mehrere von ihnen direkt vor das Transparent stellten und so den Passant_innen die Sicht darauf zu versperren.

Zusätzlich wurde offensichtlich die Polizei durch die DB informiert, die den Demonstrant_innen dann einen Platz etwas weiter abseits zuwies.
Einer Person wurde eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz angekündigt.

Insgesamt konnten innerhalb von drei Stunden 400 Flugblätter verteilt werden. Es kam zu einigen Solidaritätsbekundungen seitens der Passant_innen, immer wieder wurde auf das Verhalten der DB AG mit Empörung reagiert.

Weitere Proteste im Rahmen der "Jubiläumstour" und darüber hinaus sind angekündgt.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

weitere infos

wurst 13.07.2010 - 10:34
weitere informationen, auch über die internationalen appelle der überlebenden der todestransporte findet ihr auf den seiten des vereins "zug der erinnerung" unter
 http://www.zug-der-erinnerung.eu/index.html

Flugblatt

A. 14.07.2010 - 19:59
Text des Verteilten Flugis:

**********************************************************
Fahrplanmäßig in den Tod
Die DB AG begeht in diesem Jahr ein Jubiläum: „175 Jahre deutsche Eisenbahn.“
Mit Musik, Gewinnspielen, Infoständen, Essen und Trinken soll gefeiert werden, dass die Eisenbahn seit 1875 „die Menschen zusammenbringt“, wie Bahnchef Grube jubelt.

Die „Deutsche Reichsbahn“, historische und juristische Vorgängerin der DB, fuhr von 1939 bis 1944 über drei Millionen Menschen in die Konzentrations- und Vernichtungslager der deutschen Faschisten. Darunter waren hunderttausende Kinder und Jugendliche - auch aus Hamburg. Nur wenige kehrten zurück. Die "Deutsche Reichsbahn" leistete logistische und praktische Beihilfe zum Massenmord.
Umgerechnet über 445 Millionen Euro nahm der Konzern dabei ein, die Deportierten mussten ihre Verschleppung oft selbst finanzieren.
Auf eine Begleichung der Schulden warten die letzten Überlebenden bis heute vergeblich.
Solange Überlebende der „Reichsbahn“ - Verbrechen unter ärmlichen Verhältnissen leben müssen, fällt es uns schwer zu feiern. Ihre Forderungen weiter zu ignorieren und zu verschleppen bedeutet, auf ihren Tod zu warten.
Das nehmen wir nicht hin.
Wir unterstützen die legitimen Forderungen der Überlebenden und erwarten von der DB, diesen umgehend und in vollem Umfang nachzukommen.
**************************************
Rückseite:

Gemeinsame Erklärung
der internationalen und nationalen Organisationen der ehemaligen NS-Opfer
(Warschauer Erklärung)

Vor 65 Jahren kapitulierte Nazi-Deutschland. Integraler Bestandteil des NS-Zwangsregimes war die „Deutsche Reichsbahn“. Sie verschleppte Millionen Menschen aus ganz Europa in den Tod oder in ein Sklavendasein.
Ohne die „Deutsche Reichsbahn“ und ihre Massentransporte wären die Morde, die Ausbeutung und die unmenschlichen Leiden der Opfer unmöglich gewesen. Die Wagen der „Deutschen Reichsbahn“ wurden für Hunderttausende zu rollenden Särgen.
Wir sind Überlebende dieser Todestransporte. Für unseren Weg in Vertreibung, Gefangenschaft und Vernichtung hat die „Deutsche Reichsbahn“ Kilometer für Kilometer Gebühren erhoben. An den Massenverbrechen hat sie sich bereichert.
Auch 65 Jahre danach ist die Verbrechensbeihilfe der „Deutschen Reichsbahn“ nicht abgegolten. Eine angemessene Ehrung der Millionen, die von den Transporten mit der „Deutschen Reichsbahn“ nicht zurückkehrten, wäre längst an der Zeit gewesen. Den bedürftigen Überlebenden zu helfen, sollte selbstverständlich sein.
In diesem Jahr feiern die „Reichsbahn“-Erben ihr 175. Jubiläum. Es ist höchste Zeit, dass sie sich der eigenen Geschichte stellen. Die historischen Nachfolger der „Deutschen Reichsbahn“ müssen ihrer moralischen und finanziellen Pflicht endlich nachkommen.
Wir appellieren an die deutsche und internationale Öffentlichkeit, sich an die Seite der Überlebenden zu stellen und für Aussöhnung und Gerechtigkeit einzutreten.
Warschau, den 26. März 2010
Opferverbände aus Weißrussland, Polen, Russland und der Ukraine
*************************************

Die unterzeichnenden Gruppen im Einzelnen:

Weißrussland:
Nina A. Lycz, Weißrussische Vereinigung ehemaliger Minderjähriger NS-Häftlinge
Michail A. Treister, Weißrussische Gesellschaftliche Organisation der Juden – Ghetto- und NS-Konzentrationslagerhäftlinge
Elwina Siemakowa, Weißrussische Gesellschaftliche Organisation der „Ostarbeiter“
Aleksanda W. Borisowa, Weißrussische Vereinigung ehemaliger Häftlinge Deutscher Konzentrationslager und Antifaschistischer Widerstandskämpfer während des Krieges

Polen:
Józef Sowa, Vereinigung der durch das Dritte Reich Geschädigten Polen
Stanislaw Zalewski, Polnischer Verband ehemaliger Politischer Häftlinge der NS-Gefängnisse und Konzentrationslager
Tomasz Miedzinski, Vereinigung der Jüdischen Kombattanten und Geschädigten im Zweiten Weltkrieg
Czeslaw Cywinski, Weltverband der Soldaten der Heimatarmee
Edmund Baranowski, Verband der Warschauer Aufständischen
Dionizy Smyk, Rat der Kombattanten und Verfolgten in Kleinpolen, Polnischer Verband der Soldaten der Bauernbataillone, Abteilung in Krakow
Benedykt Wietrzykowski, Vereinigung der Ausgesiedelten aus Gdynia
Zdzislaw Rakoczy, Vereinigung der ehemaligen Polnischen Politischer Häftlinge, Abteilung in Kleinpolen, Krakau
Edward Szczesniak, Vereinigung der „Grauen Reihen” [konspirative Pfadfinderbewegung] in Warschau
Jerzy J. Kowalewski, Gesellschaft zur Pflege des Andenkens an Auschwitz, Abteilung in Warschau
Roman Kwiatkowski, Vereinigung der Sinti und Roma in Polen
Wlodzimierz Woloszynski, Vereinigung der Kriegskinder in Polen

Russland:
Nikolai A. Makhutow, Internationaler Verband der minderjährigen NS-Opfer
Nikolai Dorozynski, Russischer Verband der minderjährigen NS-Häftlinge
Ukraine:
Markian D. Demidow, Ukrainischer Verband der Häftlinge – Opfer des Nazismus
Dr. Boris Zabarko, Ukrainischer Verband der Juden – ehemaliger Ghetto- und NS-Konzentrationslagerhäftlinge
Witalij Kaczanowski, Organisation der Antifaschistischen Widerstandsbewegung

Petition unter:

 http://zug-der-erinnerung.eu/AuG.php

termin info

egal 16.07.2010 - 20:09

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 5 Kommentare an

... — Psychater

Anonymität ist Zauberhaft — (muss ausgefüllt werden)

@psychater — name

Juli-Termine in HH — B5 vs Sommerloch