Rostock: "Verfestigung und Vernetzung"

antifa unlimited 07.06.2010 18:01 Themen: Antifa
Nach dem gescheiterten Versuch eines Rostocker Blockadebündnisses die NPD Demonstration, anlässlich des ersten Mais, an ihrem Startpunkt zu blockieren und zum Abbruch ihres Vorhabens zu bewegen, marschierten die Nazis weitaus ungestörter auf einer alternativen Route durch den Stadtteil Groß Klein. Neben fehlendem antifaschistischen Engagement, können die Nazis auf ihrer Erfolgsskala eine hohe Teilnahme lokaler und überregional bekannter Neonazis verbuchen. So hatte auch der Göttinger Neonazi Dennis Franke, an der Spitze der Demonstration, ein erneutes Gastspiel in der Hansestadt.
Rostock im Frühjahr 2010

Von Anfang Januar bis Mitte März wurde vor dem Rostocker Landgericht der Angriff auf eine Gruppe alternativer Jugendlicher durch etwa 100 Neonazis am Bahnhof Pölchow im Juni 2007 verhandelt. Unter den drei, wegen schwerem Landfriedensbruch und gefährlicher Körperverletzung, angeklagten Haupttätern befanden sich Michael Grewe, Mitarbeiter der NPD Landtagsfraktion, Stefan Vorbröker aus Wismar sowie Dennis Franke, ein bis dahin schon mehrfach verurteilter Neonazi, der lange Zeit im Raum Wismar, bis zu seinem Umzug nach Göttingen, vermehrt durch gewalttätige Auseinandersetzungen und Provokationen auffällig wurde. Schon der erste Verhandlungstag zeigte deutlich zu welchem Politikum sich dieser Prozess entwickeln würde. Neben den drei Angeklagten Nazis Franke, Grewe und Vorbröker war das Who is Who, der mecklenburg-vorpommerschen Naziszene nach Rostock gereist, um den Angeklagten ihre „nationale Solidarität“ zu kommen zu lassen. Neben Abgeordneten der NPD Landtagsfraktion Tino Müller und Stefan Köster gaben sich lokale Neonazis, vertreten mit David Petereit, Sascha Hedermann und Martin Krause, den Nationalen Sozialisten Rostock, aber auch überregional organisierte Neonazis, wie die vorpommersche Kameradschaftsszene, und Kreistagsabgeordnete des NPD Verbandes Westmecklenburg um Sven Krüger, Torgai Klingebiel und David Böttcher, ihr Stelldichein. So waren zu jedem der Verhandlungstage etwa 30 bis 50 Neonazis im Rostocker Landgericht, und provozierten, schlugen und schüchterten wiederholt anwesende kritische ProzessbeobachterInnen ein. Am Tag der Urteilsverkündung eskalierte dabei die Gewalt im Gerichtsgebäude, mit Schlägen, Tritten und einem Feuerlöscher wurden die wartenden AntifaschistInnen im Foyer des Gerichtssaals angegriffen. Der Angriff an diesem Tag und im September 2007 zeigten die Kontinuität und Brutalität rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern, und den ideologischen Vernichtungswillen der Nazis, der sich nicht strafrechtlich, in milden Urteilen, Bewährungsstrafen und Arbeitsstunden, verbieten lässt.

Dennis Franke, Pölchow und die NPD

Ging es den Nazis, die wöchentlich im Rostocker Landgericht erschienen lediglich darum Solidarität mit den Angeklagten zu üben? Da allein schlampiges und schlechtes Verhalten der Polizei und Staatsanwaltschaft während der Ermittlungen dazu geführt haben, dass aus einer Gruppe von 100 Nazis am Bahnhof Pölchow, nur Michael Grewe, Dennis Franke, und Stefan Vorbröker als Angeklagte vorne im Gerichtssaal Platz nahmen. Unwahrscheinlich. Michael Fischer, Kopf der NSR, und David Petereit haben den Prozess gezielt genutzt um an Adressen, Namen und Bilder von AntischistInnen zu kommen. So bot sich der mecklenburg-vorpommerschen Naziszene an sechs Tagen die Möglichkeit, fernab von Kameradschaftsabenden, Parlamentarismus, und Demonstrationen sich öffentlich zu treffen, auszutauschen und zu vernetzen. Dabei ist am Beispiel des 25 jährigen Dennis Franke zu sehen, wie er alte Kontakte reaktivieren und neue hinein in die NPD knüpfen konnte. Neben der Nähe die Franke während des Prozesses vermehrt zu Grewe gesucht hat, deutet auch Grewes Wahl den Rechtsanwalt und Burschenschafter Pennecke zu konsultieren und als zweite anwaltliche Vertretung, neben Michael Andrejewski, vor Gericht zu wählen, darauf hin, dass es ein gute Verbindung zwischen Grewe, Franke und seinem Rechtsanwalt Rathjens, der mit Herrn Pennecke eine gemeinsame Kanzlei betreibt, gibt. Darüber hinaus schloss Dennis Franke schnell rege Kontakte zu weiteren Neonazis, die zusammen mit Michael Grewe angereist waren. In den Mittagspausen war Dennis Franke wahlweise mit westmecklenburger NPD Abgeordneten oder Mitgliedern der NSR vor dem Gerichtsgebäude zu beobachten. Franke ging den schnellen Weg von der „Schicksalsgemeinschaft“ der drei Angeklagten hin zu einer aktiven Rolle in der NPD. So war der wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch Verurteilte auf der NPD Demonstration am 1.Mai in Rostock als Ordner an der Spitze der Demonstration. Zusammen mit Michael Grewe und weiteren 500 Neonazis marschierte er durch Groß-Klein unter dem Motto „Freiheit statt BRD“. Wieviel von seinem eigenen Freiheitsbegriff er an diesem Tag dort präsentiert sah, ist jedoch fraglich. Es scheint verwunderlich noch in der eigenen Einlassung vor Gericht zu behaupten sich von der rechten Szene distanziert zu haben und gar Betroffenen des Naziüberfalls in Pölchow seine Schuld und Mitleid zu gestehen, um einen Monat später als Ordner der Demonstration eine aktive Postion innerhalb der organisierten Naziszene einzunehmen. Noch während der laufenden Verhandlung fand, Mitte März, eine NPD Saalveranstaltung statt, auf der begonnen wurde für den 1.Mai nach Rostock zu mobilisieren. Neben der Vorstellung des Aufrufes zur Demonstration wurden hier Gelder für anfallende Gerichtskosten des Prozesses gesammelt. Die starke Präsenz der Nazis im Rostocker Landgericht, Frankes Einbindung in NPD Strukturen während und nach dem Gerichtsprozess, und die parallel dazu laufende Mobilisierung zum 1.Mai stehen hier beispielhaft für Verfestigung und Vernetzung der NPD und der rechten Szene im Zuge der Verhandlungstage.
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Ergänzungen

Neben fehlendem antifaschistischen Engagement

Red_Angel 08.06.2010 - 12:38
Es hätte wohl besser geheißen: "Neben fehlendem vollständig erfolgreichen antifaschistischen Engagement[...]" Denn es ist ja nicht so, dass es kein Engagement von Seiten antifaschistischer Strukturen gab. Nur ist das Ziel, den Naziaufmarsch komplett zu verhindern nicht gelungen, was wie wir wissen, nicht zuletzt an dem "tollen" Engagement von Endstations Rechts lag. Aber immerhin konnten sie ihre geplanten Route nicht laufen.
Die Formulierung ist unsachlich und unsolidarisch.

Also soweit ich weiss....

AA HRO 08.06.2010 - 19:37
....war sogar auf der Seite der Prozessgruppe Pölchow zu lesen das zwar die Bewährungshelferin von Dennis Franke mitteilte das sie davon ausgehen würde das er sich von der Rechten Szene distanziert er selber dieses aber zu keinem Zeitpunkt der Verhandlung behauptete oder zeigte!

So haben auch die Nebenkläger in Ihren Plädoyers darauf hingewiesen das er das nicht tat und durch sein Verhalten während des Prozesses und in den Verhadlungspausen klar gezeigt hat das er sich von dieser Menschenverachtenden Ideologie nicht distanziert hat was sich strafverschärfend zeigen müsste!

Sehr guter Bericht

Prozessbeobachter 08.06.2010 - 23:33
Sehr guter Bericht und wirklich viele richtige fakten allerdings muss ich sagen ich habe den Prozess an allen Tagen begleitet und hab ihn gesehen!

Franke hat weder in seiner Einlassung noch sonst irgendwo behauptet er hätte sich von der Szene distanziert noch hat er sich bei den Betroffenen entschuldigt oder seine Schuld eingestanden!

Desweiteren dürfte jedem aufgefallen sein das Franke und Grewe stets zusammen zum Prozess anreisten!

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