Nichts ist gut in Deutschland

El Djem ‏الجم‎ 04.06.2010 18:24
Die neue Bundespräsidentin, Bischöfin a.D. Margot Käßmann, verblüfft mit ihrer Antrittsrede erneut Freund und Feind
Sie wolle „frischen Wind“ in die Politik bringen, hatte sie schon bei der Erklärung ihrer Kandidatur verkündet. Doch das, was sich den ZuhörerInnen wenige Stunden nach der Entscheidung der Bundesversammlung bot, war nicht weniger als ein alles aufwirbelnder Tornado der nach oben offenen Klartext-Skala. Käßmann, von einer beeindruckenden rechts-mitte-links Koalition getragen, wartete erst gar nicht das bundesrepublikanische Zeremoniell der Amtseinführung ab, sondern trat gleich nach ihrer knappen Vereidigung mit Paukenschlägen vor die Mikrofone. Schon die war journalistisch betrachtet ein „Kracher“: Käßmann verzichtete, als Erste in ihrem Amt, vor allem aber als ehemalige Landesbischöfin und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, auf die religiöse Vereidigungsformel.

Kein „So wahr mir Gott helfe“

Wenige Augenblicke später steht sie mitten im bundespolitischen Geschehen: Ihre Antrittsrede wird zur Generalabrechnung mit der Bundespolitik der letzten Jahrzehnte. Ausgehend von der Geschichte der deutschen Verfassung gelangt sie über die deutsche Bürgerrechts- und Sozialpolitik zur allgemeinen Ablehnung der Wehrpflicht und des Militärs im Allgemeinen. „Das Grundgesetz war in seiner ursprünglichen Fassung total freiheitlich und total antimilitärisch“, zitiert sie die junge Journalistin Ulrike Marie Meinhof. Bundeswehr und Wehrpflicht seien mit der Demokratie unvereinbar. Weitere Kernpunkte waren die Brandmarkung der Hartz-Gesetze als „menschenverachtend“ sowie die EU-Flüchtlingspolitik als „staatlich verordneter Rassismus“. Die zunehmende Unruhe der anwesenden Journalistinnen und Journalisten quittierte sie mit den Worten „Ich bin anders. Und das ist auch gut so“. Und verschwand. Vorerst.

„Alkoholfahrt in die Hölle“

Den Spitzen der Bundespolitik, jenem Bündnis, das sich in den Tagen und Wochen vorher fast geschlossen hinter sie stellte, verschlug es die Sprache. Als Erster reagierte der scheidende Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle. In einem kurzen Statement im Thomas-Dehler-Haus sprach er wörtlich von einer „Alkoholfahrt in die Hölle“, die Deutschland nun bevorstehe, und die er sich „gemütlich vor dem Fernseher mit meiner Familia in der Schweiz“ ansehen werde.
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