Dresden: Leidensort von V. Klemperer markiert

A-Team Dresden Süd 08.04.2010 07:20 Themen: Antifa
Anfang dieser Woche wurde in der Dresdner Caspar-David-Friedrich-Straße 15 der ehemalige Leidensort von Victor Klemperer mit einer Sprühaktion kenntlich gemacht. Victor Klemperer war ein Dresdner Germanist jüdischer Herkunft, der im Nationalsozialismus verfolgt wurde und nur durch viel Glück und Zufall überlebte. Berühmt sind seine Tagebücher und sein Werk „Lingua Tertii Imperii“, in dem er die Sprache des „Dritten Reiches“ analysiert. Beides eine unbedingte Leseempfehlung!
Victor Klemperer lebte 2 ½ Jahre in einem so genannten „Judenhaus“ in der Caspar-David-Friedrich-Straße 15b (Mai 1940 – September 42), dort bewohnte er mit seiner (nichtjüdischen) Frau Eva zwei Zimmer. Die deutschen Juden, die nicht rechtzeitig fliehen konnten oder wollten, wurden von den Nationalsozialisten während des Krieges zwangsweise in Häusern konzentriert und später aus diesen deportiert. Allein in Dresden gab es 40 solcher „Judenhäuser“. Klemperer entkam der Deportation zunächst dadurch, dass er eine nichtjüdische Ehefrau hatte, die sich trotz des Druckes und der Nachteile und Diskriminierung durch eine Ehe mit einem Juden nicht von ihm trennen wollte. Eine im Februar 1945 angesetzte Deportation wurde durch die Bombardierung Dresdens verunmöglicht und ermöglichte es dem Ehepaar unterzutauchen.

Weitere BewohnerInnen des „Judenhauses“ in der Caspar-David-Friedrich-Straße 15 waren: Ida Kreidl (Schwägerin von Ernst, mit dem „5. Dresdner Transport V/5“ nach Theresienstadt deportiert), der Haus-Besitzer Ernst Kreidl (wurde November 1941 von der Gestapo verhaftet und am 22.05.1942 im KZ Buchenwald ermordet), Käthe Voss (1892-1943?, Witwe eines Versicherungsdirektors), Julia Pick (beging im Angesicht der drohenden Deportation nach Theresienstadt im August 1942 Selbstmord) und Richard Katz (+ Januar 1942, ehemaliger Kaufmann).

Klemperer schreibt in einem Tagebuch-Eintrag vom 2. September 1942:
„Was an mir liegt, so soll das Judenhaus Caspar-David-Friedrichstraße 15 b mit seinen vielen Opfern berühmt werden.“
Nun finden sich aber bis heute am Leidensort von Victor Klemperer und weiterer jüdischer DresdnerInnen keine Gedenktafel oder andere Hinweise auf die Geschichte des Ortes.

Kurz vor dem 65. Jahrestag der militärischen Niederwerfung des Nationalsozialismus haben wir uns entschlossen auf eigene Faust den ehemaligen Leidensort in der Caspar-David-Friedrich-Straße zu kennzeichnen. In der Hoffnung damit einen Prozess anzustoßen, der zu einer offiziellen Markierung dieses Leidenortes führt.

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!
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Ergänzungen

Mein Leben ist so sündhaft lang

pjotr 08.04.2010 - 08:43
"Mein Leben ist so sündhaft lang - Victor Klemperer - ein Chronist des Jahrhunderts"
Eine interessante und gut gemachte Dokumentation über Victor Klemperer:
 http://www.youtube.com/watch?v=H7Pt-ID72N0
Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten / 1933-1945, die Tagebücher des Romanisten Victor Klemperer über die Zeit des "Dritten Reiches" sind mit ihrem psychologischem Scharfblick und der sprachlichen Meisterschaft ein einzigartiges Zeugnis über den Alltag im NS-Staat und die Praxis der Judenverfolgung.
Sie sind ein Protokoll über die sich fast täglich verschärfende Situation der deutschen Juden, über die Vielzahl der Einschränkungen, Drangsalierungen, Bedrohungen, Demütigungen durch das Regime. Publizisten und Wissenschaftler sind sich darin einig, daß an diesen Tagebüchern nicht vorbeikommt, wer in Zukunft über diese Zeit forschen will.
Der Dokumentarfilm über das Schicksal Victor Klemperers, der im NS-Jargon eine Mischehe führte, konzentriert sich auf die Leidensjahre 1933-45 in Dresden. Dabei lassen der renommierte Szenarist Wolfgang Kohlhaase und der Filmautor Ullrich Kasten die politisch verdüsterte Erlebniswelt Klemperers einfühlsam erstehen - in einer atmosphärisch dichten Komposition von Tagebuchauszügen, seltenem historischen Filmaterial , Berichten von Augenzeugen und Aufnahmen von Originalschauplätzen. Der knappe, informierende Kommentar überläßt alles Weitere der bannenden Kraft von Klemperers Sprache.
Im erzählerischen Nachvollziehen des Tagebuchs und des realen Geschehens entwickelt der Film eine beklemmende Spannung. Victor Klemperer wird zugleich als ein Chronist des Jahrhunderts deutlich - durch die biographischen Rückblenden ins Kaiserreich und die Weimarer Zeit: erzählerische Einschübe, in denen Klemperer von Kindheit und Jugend, Studium und Teilnahme am 1. Weltkrieg berichtet. Ihnen liegen die Lebensbeschreibungen "Curriculum Vitae" (1881-1918) und "Leben sammeln, nicht fragen wozu und warum" (1918-1933) zugrunde. Der filmische Epilog, der die Jahre 1945 - 1960 umreißt, spiegelt sein Leben in der DDR und zitiert aus noch unveröffentlichten Selbstzeugnissen dieser Zeit.
Victor Klemperer erscheint als ein Repräsentant des jüdischen Bildungsbürgertums in Deutschland, das durch den Holocaust vernichtet wurde und das unwiederbringlich verloren ist. Klemperer, ein Romanist von europäischen Rang, arbeitete in den Jahren der Verfolgung unermüdlich weiter an seinem Werk, schrieb eine Geschichte der französischen Aufklärungsliteratur, sammelte Material für eine Studie über die Sprache der Nazizeit ("Lingua Tertii Imperii") und begann, sich mit dem Judentum auseinanderzusetzen. Sein Leben und Werk ist Teil der schmerzhaften Assimilationsgeschichte des deutschen Judentums. Die stupende öffentliche Resonanz auf die Tagebücher 1933-45 verdeutlicht das Singuläre dieses Dokuments: die Authentizität, mit der hier aus der Innenansicht und Perspektive eines Opfers das unglaubliche Geschehen festgehalten worden ist.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Das ist einfach nur ... — Herr Kärcher

Sehr gut! — nevermind

senf — herr senfer

egal — egal

Leiden — Johannes

@johannes — ....