Berlin: Demobericht & Diskussion zum 8. März

Teilnehmerin der FLT*-Demo zum Frauenknast 09.03.2010 23:59
Am 8. März gab es dieses Jahr in Berlin eine Frauen-Lesben-Trans*–Demo zum Frauenknast in Pankow, um den Frauen drinnen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Alle kämpfenden Mädchen, Frauen, Lesben, Transgender, sichtbar und unsichtbar, auf der Straße, zuhause, in Schulen und Betrieben, auf dem Arbeitsamt, im Knast, in der Psychiatrie und im Exil wurden solidarisch gegrüßt.
Die Demo begann mit einer Kundgebung mit Infostand auf dem Vorplatz des S-Bahnhof Pankow in der Florastraße. Es kamen ca. 200 bis 300 FrauenLesbenTrans*, die von den Moderator_innen in verschiedenen Sprachen zur Demo begrüßt wurden. Diese zog dann geschlossen und mit guter Stimmung zum Frauenknast in der Arkonastraße. Im vorderen Teil der Demo wurden lautstark Parolen gegen Patriarchat und Repression gerufen. Es wurde ein Redebeitrag zur Situation von Transgender verlesen und nächtliche Aktionen gegen die Ausbeutung von Arbeitnehmer_innen bei Schlecker erwähnt.

Nachdem die Demo am Knast angekommen war, wurden deren Teilnehmer_innen von einigen Gefangenen mit Winken begrüßt. Vor dem Knast gab es weitere kurze Redebeiträge, u.a. Grüße von kämpfenden Frauen aus Kurdistan.
Um solidarische Grüße an ‚Frauen in aller Welt‘ zu schicken und für die Frauen im Pankower Knast wurden zahlreiche Luftballons, die mit entsprechenden Botschaften beschrieben und einer brennenden Wunderkerze versehen waren, gleichzeitig in den Himmel steigen gelassen.

Es war eine sehr kurze, aber schöne und solidarische Demonstration.


Und nun zur Notwendigkeit von FrauenLesbenTrans*-Demos am 8. März und zur FrauenLesbenTrans*-Organisierung im Allgemeinen:

Hierzu reicht es, einen Auszug aus dem Aufruf zum FrauenLesbenTrans*-Block der „Freiheit für Andrea Demo“ am 8. März 2008 wiederzugeben. Die Argumentation und Forderungen sind zwar auf den FLT*-Block bezogen, gelten aber ebenso für FLT*-Demos am 8. März. Der Block war eine sehr wichtige Forderung auf dieser gemischten 8. März-Demo und ein Kompromiss, weil wir am internationalen Frauenkampftag als FrauenLesebenTrans* demonstrieren wollen und werden:

„Der 8. März wird seit 1910 als Frauentag mit internationalem Charakter gefeiert. Dieser Tag wurde und wird als Kampftag für die Interessen der Frauen, gegen Unterdrückung und Krieg, für das Frauenwahlrecht, für Gleichberechtigung und gegen Kapitalismus und Rassismus verstanden.

Indem wir einen Frauenblock organisieren, wollen wir die Wichtigkeit und Stärke der Organisierung von Frauen vorantreiben und damit deutlich machen, dass die Verhältnisse noch lange nicht so sind, wie sie sein sollten, weder in der radikalen Linken, noch in der deutschen Gesellschaft, noch weltweit.
[…]
Wir wollen mit dem Frauenblock Kritik an bestehenden Verhältnisse (Kapitalismus, Rassismus...) und Unterdrückungsformen (sei es aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Aussehen, Alter...) üben und darauf hinweisen, dass das Patriarchat eine der ältesten Unterdrückungsformen ist. Genau deshalb ist der 8. März nach wie vor ein wichtiger Tag an dem Frauen/Lesben weltweit auf die Straße gehen und gegen jegliche Art der Unterdrückung kämpfen. Es gibt immer noch viel zu tun!

Wir halten die vereinzelte Abschaffung eines Unterdrückungsverhältnisses innerhalb des bestehenden Ganzen weder für möglich noch für sinnvoll. Es gibt x verschiedene Richtungen von Feminismus. Was allen verschiedenen Ansätzen gemein ist, ist das Bestreben, Unterdrückungsverhältnisse zwischen den Geschlechtern aufzuheben. Jedoch sollte es nicht dabei stehen bleiben, denn die Aufhebung dieses einen Unterdrückungsverhältnisses ändert noch lange nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben müssen.
Nach unserem Verständnis sind die Geschlechterkategorien konstruiert und gehören aufgehoben.

Jeden Tag werden von Menschen, die uns als Frauen identifizieren zu können glauben, Grenzen gesetzt. Solange das so ist, müssen wir uns gemeinsam als Frauen organisieren, um die bestehenden patriarchischen Strukturen aufdecken und angreifen zu können. Wir sehen vorläufig die punktuelle Bezugnahme auf Geschlechtsidentitäten in entsprechenden Kontexten als wichtig an, um die bestehenden sexistischen Strukturen fassen, aufdecken & angreifen zu können.

Wir finden es ersteinmal ganz positiv, wenn sich Männer mit Frauenkämpfen und feministische Forderungen oder eben mit einer Demo für Andrea solidarisch erklären. Aber: Obwohl das männliche Geschlecht ebenfalls konstruiert ist und Männer unter Druck stehen, die ihnen zugewiesene Rolle zu erfüllen, bringt diese konstruierte Zugehörigkeit, diese Rolle für Männer, einen erheblichen Machtgewinn mit sich – Die Männer stehen also somit erstmal auf der Seite der Unterdrücker, ob sie es wollen oder nicht.
Um dieses Verhältnis nicht zu verschleiern finden wir einen starken Frauenblock absolut wichtig und „bedürfen wir nicht so sehr der männlichen Genossen, die sich für ihre [der Frauen] Freunde halten, als der männlichen Genossen, die bereit sind, zum Feind des Mannes zu werden.“
(Zitat Ingrid Strobl: Die Angst vor den Frösten der Freiheit)

einen oder zwei Blicke auf die Linke
Klar ist, dass die sogenannte Szene nicht außerhalb der Gesellschaft steht. Nur aufgrund ihrer emanzipatorischen Ansprüche werden Linke nicht zu besseren Menschen. In einem linken Umfeld, zum Beispiel innerhalb einer (sub-)kulturellen Szene, deren Leute als weitestgehend politisiert bezeichnet werden, fehlt oftmals das Bewusstsein für antipatriarchale Themen. Ein antisexistisches Selbstverständnis gehört zwar in linken Projekten inzwischen beinahe zum Standard, wird jedoch kaum mit Inhalten gefüllt.

Kein Thema sorgt in der Szene für so viel Unmut und Unbehagen wie das Thema Sexismus und Patriarchat. Gerade, wenn es um Themen wie sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungsvorwürfe, Grenzüberschreitungen, Mackerverhalten bei Plena etc. geht, scheiden sich spätestens an der Stelle immer noch die Geister. Und dabei müssen Frauen immer noch um jeden Quadratmillimeter Raum kämpfen, müssen begründen, diskutieren, argumentieren, sich verteidigen. Geschlechtsspezifische Machtverhältnisse werden aber in der Linken wahlweise als Nebenwiderspruch (Wir haben jetzt aber echt wichtigeres zu tun) abgetan, empört verleugnet (Wir sind doch keine Sexisten!) oder (auch ich fördere eine Frau) paternalistisch zugedeckt. Diesen Umgangsweisen gemein ist, das sie eine kugelsichere Distanz zu diesem Thema aufzeigen. Denn viele Männer leben mit der Gewissheit eben ein Guter - und damit kein Gesprächsthema zu sein. Dabei tragen sie die Grundnorm der hegemonialen Männlichkeit, die zugleich ihre eigene verinnerlichte und gelebte ist, unfähig sie als solche zu be- und schon gar nicht anzugreifen.

Auch in unseren Zusammenhängen ist die gesellschaftlich-tradierte Norm der Männlichkeit unangefochten akzeptiert und wird – meist sogar zufrieden und durchaus stolz – von den Männern der Szene praktiziert. Gestützt vom platten Spruch „Wir sind die Guten“, der in Worte fasst, was die meisten tatsächlich für sich in Anspruch nehmen, ist zwar nett, suggeriert aber damit im Machtverhältnis auf der guten Seite zu stehen, zumindest nicht Profiteur, Täter, Herrscher zu sein. Jedes Hinterfragen ist somit nicht notwendig. Dabei werden durch alltägliche Handlungen, Gesten, Äußerungen die gesellschaftlichen Geschlechterverhältnisse aufs Neue reproduziert, und der eigene aktive Anteil daran wird einfach schlichtweg naiv verkannt.

An dieser Stelle soll noch mal an ein oft formuliertes Ziel in der Linken erinnert werden, es lautet:
Für eine herrschafts-freie Gesellschaft! Wenn patriarchale Strukturen nicht angegriffen werden, wird auch diese Forderung Utopie bleiben.“


P.S. Männer können sich das ganze Jahr über solidarisch verhalten und antisexistische Kämpfe führen sowie antipatriarchale Kämpfe unterstützen. Insbesondere zurzeit, wo in der Berliner „Szene“ sexualisierte Übergriffe und Gewalt öffentlich gemacht wurden und es wenig Wissen über patriarchale Unterdrückung und Sexismus zu geben scheint, wird deutlich, wie wichtig es ist, sich einer Diskussion um Sexismus auch innerhalb der radikalen Linken zu stellen und antisexistische und antipatriarchale Praxis und Theorie Teil der alltäglichen Kämpfe werden zu lassen.
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Ergänzungen

Dazu gibt es einfach nichts mehr zu sagen

Andre 10.03.2010 - 00:54
Wenn ihr lieber mit einer Hermine Braunsteiner-Ryan gegen das Patriarchat kämpft, als mit den fitteren unter den Szene-Männern, dann bitte.
Manchmal muss man einfach feststellen, dass wir wohl auf verschiedenen Seiten der Barrikade stehen.
Zum Glück gehen 90% der Demo-Teilnehmerinnen dort hin, weil es die einzige Sache am 8.März ist und nicht weil dort der 70er Jahre Separatismus gelebt wird. Und dass ihr dann an diesem Tag zu diesem Thema in Berlin nur 150 Frauen auf die Beine bekommt, sollte euch wirklich zu denken geben. Ich wüßte allein in meinem Umfeld sicher 20 Frauen und Transmänner, die zu so einer Demo gehen würden, wenn sie inhaltlich fit wäre und diesmal nicht dort waren. Dazu noch 10 Männer, die auch gerne kommen würden.
Vielleicht gibt es ja im nächsten Jahr eine zweite Demo, die ein wenig emanzipatorischer ist.

Sexistenaufmarsch!

veganxedge 10.03.2010 - 01:33
Meines Erachtens ganz schlimmer Sektenscheiss, der keinem hilft ausser der Sekte, da sie sich präsentieren kann! Kein Wunder das es grade mal 200 Frauen/Lesben/Trans dahingeschafft haben, am 8.März, in Berlin!

Solche Demo ist echt das perfekte "How to" um seine eigene Marginalität zu zementieren! Eine Demonstration wo die Erlaubnis der Teilnahme daran gekoppelt ist, welches Geschlecht man hat! Mich gruselt es förmlich wenn ich mir vorstellen muss das dieser Witz einer Demo grade gegen Sexismus sein sollte, obwohl genau dieser in Reinform exerziert wurde!

@Teilnehmerin der FLT*-Demo zum Frauenknast

Bernd Kudanek alias bjk 10.03.2010 - 20:01

Aus deinem/eurem "Demobericht & Diskussion zum 8. März" blitzt hinter jedem Satz und jedem Wort blanker machtergreifender scheinfeministischer Dogmatismus hervor, der keine andere Interpretation als die deinige/eurige zuläßt. Wenn derart konditionierte Menschinnen wie du/ihr dann auch noch mit dem links-anarchistischen Slogan hantieren "Für eine herrschafts-freie Gesellschaft", dann kann jeder Anarcha und jedem Anarcho nur noch das kalte Grausen überkommen.

Die Metapher "herrschaftsfreie Gesellschaft" meint nämlich nicht Patriarchat oder Matriarchat, meint auch nicht eine hegemoniale noch paternalistische oder sonstwie diskriminierende, sondern eine vollkommen herrschaftsfreie Gesellschaft ist eine in wirklich jeder - auch sexueller - Hinsicht emanzipierte, hierarchie- und diskriminierungsfreie Gesellschaft. Das ist das Ziel, wofür es sich zu kämpfen lohnt, auch wenn es noch ein langer dorniger Weg dorthin ist.

DogmatikerInnen, nicht nur feministischen, fehlt jeder Sinn für die Feinheiten sprachlicher Ausdrucksmöglichkeit. Deshalb klammern sie sich ja auch so sehr an einmal, oft mühselig erlangte dogmatische Grundsätze und scheuen jede abweichende Erkenntnis wie der Teufel und seine Großmutter das Weihwasser. :-)))

Bernd Kudanek alias bjk
links-anarchistisch, männlich

Mehr zum 8. März in Berlin

ND 10.03.2010 - 21:43

fotos

fotos 11.03.2010 - 13:16
fotos für mehr frauen lesben trans* organisation gegen kapitalismus und patriarchat

link zu fotos:  http://www.umbruch-bildarchiv.de/bildarchiv/ereignis/080310frauentag.html

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