Wird Rathenow ein Wallfahrtsort für Neonazis?

Antifa Westhavelland 19.04.2009 18:35 Themen: Antifa
[Erstveröffentlichung](Neo)nazis marschierten einmal mehr in der brandenburgischen Kleinstadt auf / Protestbekundungen im Stadtgebiet
Am gestrigen Samstag jährte sich zum 65. mal der Jahrestag des einzigen größeren alliierten Luftangriffs auf Rathenow während des zweiten Weltkriegs, bei dem ungefähr 54 Menschen im Zuge der Bombardierung der regionalen Rüstungsbetriebe, vor allem der ARADO Kampfbomberproduktion im Ortsteil Heidefeld, ums Leben kamen und nun vom regionalen (neo)nazistischen Milieu als exemplarischer "Beweis" für "alliierte Kriegsverbrechen" zur Relativierung der nationalsozialistischen Schandtaten missbraucht werden.
Auf dem Dunckerplatz, unmittelbar vor dem Rathenower Hauptbahnhof und in Blickweite eines vom Aktionsbündnis "Rathenow zeigt Flagge" angebrachten Großflächenbanners mit der Aufschrift "Betteln und Hausieren verboten! - Nazis Raus", fanden sich deshalb gestern 140 (Neo)nazis ein um den so genannten "alliierten Bombenterror" unter dem Motto "65 Jahren in Tränen" zu "gedenken". Nach einer kurzen Auftaktkundgebung, bei der eine (Neo)naziaktivistin aus Nauen einen kurzen Redebeitrag hielt, zog der überwiegend schwarz gekleidete "Trauermarsch" in militärähnlicher Formation, unterheilt in einzelne Blöcke mit dreier und vierer Reihen und begleitet von, ähnlich wie bei vergleichbaren Aufmärschen in Magdeburg und Dresden, aus einem "Lautsprecherwagen" abgespielten klassischen Musik über den Friedrich Ebert Ring und die Fontanestraße zu einem Denkmal des "Bundes der Vertriebenen" (BdV) im Fontanepark.

Hier hielt der havelländische NPD Kreistagsabgeordnete und derzeitiger Vorsitzende des NPD Stadtverband Rathenow, Dieter Brose, einen ersten Redebeitrag in dem er die so genannten "Verbrechen" der Alliierten anprangerte und sich über die Demonstrationsauflagen der Versammlungsbehörde echauffierte. Scharf griff Brose auch mit den Worten: "Schande auf die Funktionäre des Bund der Vertriebenen" den BdV an, da dieser sich von den Aktionen der NPD distanzierte.

Eine am Denkmal ursprünglich geplante Kranzniederlegung wurde den (Neo)nazis durch die Absperrung des Objektes mit Bauzaun verwehrt.

Nach einer Schweigeminute marschierten die (Neo)nazis, unter, mit Slogans wie "Nazis raus" oder "Bunt statt Braun" bedruckten und an Straßenlampen angebrachten, Plakaten, die zusätzlich mit Bändern in den Farben Rot und Blau als Zeichen des Widerstandes ausgeschmückt waren, durch die Forststraße, die Goethestraße und vorbei an den lautstarken Protestbekundungen der ungefähr 150, von einem massiven Polizeiaufgebot bedrängten und hinter Absperrzäunen verfrachteten, Gegendemonstrant_innen auf dem Märkischen Platz, die Berliner Straße zum Postplatz.

Hier stellte sich der Demonstrationszug im Halbkreis vor der Hauptpost auf, um eine weitere Zwischenkundgebung durchzuführen. Zwar war dieser Ort nur als Ersatz für die durch die Versammlungsbehörde untersagte Veranstaltung auf dem Weinbergfriedhof festgelegt worden, hatte jedoch auch einen gewissen symbolischen Wert. Die NPD hatte nämlich im Vorfeld zahlreiche Flugblätter im Stadtgebiet von Rathenow verbreitet, auf denen das zerstörte damalige Postgebäude am gleichen Ort quasi als "Beweis" für den alliierten "Bombenterror" am 18. April 1944 dargestellt wurde.

Allerdings unterschlug die Partei dabei, dass das Objekt tatsächlich erst ein Jahr später bis auf die Außenwände verwüstet wurde, nach dem die nationalsozialistische Wehrmachtsführung Rathenow zur "Festung" erklärte und deren Artillerieeinheiten aus den umliegenden Stellungen im Abwehrkampf gegen die vorrückende Rote Armee die Stadt Salve um Salve zerschossen.

In Unkenntnis der tatsächlichen Stadtgeschichte, hielt dann der stellvertretende Vorsitzende des NPD Landesverbandes Brandenburg, Ronny Zasowk aus Cottbus, eine Rede, in der er fälschlicherweise den 18. April als den Tag beschrieb, an dem - in Hinwendung an die Zuhörer - "Ihre oder Eure Heimatstadt dem Erdboden gleichgemacht" wurde und darauf aufbauend die damalige Kriegsführung der "angloamerikanischen Kriegsverbrecher" beispielsweise mit der in Vietnam oder im Irak gleichsetzte. Nicht ohne Grund hatte deshalb auch hier das Aktionsbündnis "Rathenow zeigt Flagge" ein Großflächenbanner mit der Aufschrift "Biete Nachhilfe in Geschichte" angebracht.

Doch Zasowk ging es nicht allein um die Fälschung historischer Tatsachen. Er versuchte die damalige Kriegspolitik der Alliierten quasi als ethnische Säuberung darzustellen, bei der es angeblich um die "endgültige Zerstörung des deutschen Volkes ging". "Millionen Deutsche mussten sterben", so Zasowk in seiner Rede weiter, "weil es gewissen politischen und wirtschaftlichen Größen so in den Kram passte". Und obwohl er hier keine Namen nennt, wird der antisemitische Charakter des Vortrages klar, wenn der Cottbusser NPD Mann plötzlich den "Bogen" in die heutige Zeit spannt, in der wieder "freier Völker" bedrängt werden, "weil sie sich weigern der judäiamerikanischen Geschehe des Marktradikalismus und des völkerzerstörenden Freihandels zuzustimmen".

Nach einem weiteren revisionistisch und "Schlussstrich" geprägten Redebeitrages eines (Neo)naziaktivisten aus Teltow - Fläming marschierte der (Neo)naziaufzug weiter über die Brandenburger Straße, die Große Milower Straße, die Straße "Am Körgraben" sowie die Schopenhauerstraße, wo nochmals ein Großflächenbanner des Aktionsbündnisses "Rathenow zeigt Flagge" mit der Aufschrift "Und Tschüß!" angebracht war, zurück zum Bahnhof.

Vor dem Dunckerplatz Ecke Friedrich Ebert Ring, im Angesicht der Naziabschlusskundgebung vor dem Bahnhofsgebäude kam es dann noch zu einer spontanen Protestkundgebung von Punks, Antifas, Hoppern und Fans von Tennis Borussia Berlin, welche die (Neo)nazis hoffentlich auf nimmer wiedersehen verabschiedeten. Von den 140 (Neo)nazis kamen nämlich nur 29 aus dem Westhavelland, die restlichen kamen aus Brandenburg/Havel, Havelsee, Kloster Lehnin, Nauen, Neuruppin, Velten, Hennigsdorf, Potsdam, Cottbus, dem brandenburgischen Landkreis Teltow - Fläming sowie aus Sachsen Anhalt (Stendal, Weteritz und Klötze) und Berlin.

Das dieser gewünschte Abschied von (neo)nazistischen Umtrieben aber kurzfristig eine Illusion bleibt, ist wahrscheinlich eher die Realität. Das (neo)nazistische Milieu scheint nämlich bestrebt zu sein, den 18. April als festen Termin, neben ähnlichen Aufzügen in Magdeburg und Dresden, in ihrem Veranstaltungsplan zu etablieren. Seit geraumer Zeit reisen die Mitglieder des lokalen Milieus nämlich schon durch die Lande und insbesondere zu Veranstaltungen in den beiden genannten Städten um Kontakte mit der bundesweite (Neo)naziszene zu verfestigen. Während der dortigen Aufzüge, wie auch bei dem gestrigen in Rathenow, werden dann Banner gezeigt, welche die Bombenangriffe von Magdeburg und Dresden in einer Reihe mit dem Rathenower Luftangriff stellen.

Das (neo)nazistische Milieu in Rathenow führt seit 2005 Gedenkveranstaltungen zum 18. April durch.

Fotosonderseite:  http://westhavelland.antifa.net/Naziaufmarsch%2018.04.2009%20Rathenow.htm

weitere Berichte:  http://de.indymedia.org/2009/04/247691.shtml
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Ergänzungen

noch alles in ordnung

knut 19.04.2009 - 20:30
manchmal können witze auch ordentlich daneben gehen. der bettel -und hausierspruch gehört jedenfalls in diese kategorie. da hängt / oder hing er an den haustüren "ordentlicher deutscher" die spätestens nach 1938 mit den bettlern und hausierern ordentlich aufgeräumt haben. Als "gemeinschaftsfremde" und "asoziale" wurden sie in KZs gesteckt und umgebracht. und auch nach 1945 weiter stigmatisiert. da geht der spruch überhaupt nicht mehr

Kein Triumphmarsch für Neonazis

http://www.shortnews.de 21.04.2009 - 22:06
Auf taube Ohren stießen knapp über hundert NPD-Sympathisanten, als sie am Samstag durch Rathenow marschierten.

Viele der Einwohner ließen sich von dem Demonstrationszug in ihren Wochenendaktivitäten nicht stören und ließen die Nazis abblitzen.

Hitziger ging es am Marktplatz zu: Dort wurde der Pulk von entschlossenen Gegendemonstranten empfangen. Eine weitere Niederlage im Kampf um öffentlichen Raum, denn schon zuvor war die Vertriebenen-Gedenkstätte komplett abgeriegelt worden.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 9 Kommentare

Fotosonderseite: http://westhavelland.antifa

Berlin 20.04.2009 - 11:12
Ich habe mal eine frage zu einem foto von euch 19.JPG(JPEG-Grafik,102,...

Der Dort auf dem foto mit der Ordner Binde zu sehen ist kennt ihr den vielleicht vom namen her Aus.

ich glaube ihn schon oft in Berlin gesehen zu haben am S-Bahnhof sündeende und bin der meihnung das es ein Harlekins Berlin (Hertha BSC) mitglied ist.

kann das sein?



Nein kann nicht sein

Egal 20.04.2009 - 12:10
Dieser Typ auf dem Foto ist kein Mitglied der Harlekins Berlin.
Solltest du dich auskennen, haben sie auch keine Faschos in ihren Kreisen...eher das Gegenteil (müsstest du eigentlich wissen, wenn du dich ein wenig auskennst...)

der

typ 20.04.2009 - 12:44
mit der Ordner Binde heißt Michel Müller und kommt aus Rathenow, ist hier auch Vorsitzender des NPD Kreisverbands

mehr dazu hier:
 http://westhavelland.antifa.net/michel%20Mueller.htm

im Großteil sind die Faschos aus dem Westhavelland eher dem BFC Dynamo zugeneigt.

kennt jemand den Redner aus Teltow Fläming?

Joachim 20.04.2009 - 15:56
hat einer von Euch den "Redner" aus Teltow-Fläming vorher schon mal gesehen?

Redner aus Tf

bliblablub 20.04.2009 - 17:51
vielleicht ist der ganz neu und frisch vom VS, weil den anscheinend niemand kennt oder vorher jemals gesehen hat? wundern würde mich das nicht, denn der typ sieht schon aus wie nen VS'Ler...armseelige gestalt

smash nazis & VS

@bliblablub

Meier 20.04.2009 - 21:28
wenn man keine ahnung hat einfach mal die fresse halten.

p.s. der nazis is schon bei früheren aktionen als redner für die "FKTF" aufgetreten.

@ Meier

bliblablub 20.04.2009 - 22:32
Oh, hab ich jetzt deinen Nazikumpel beleidigt? Oder vielleicht dich selber? Tut mir Leid, ich wollte dich nicht outen. Aber nenn mir doch mal die grandiosen Aktionen der "FKTF" wo dieser Typ aufgetreten sein soll/ist. Aber bitte mit Quellenangabe/Fotobeweis

an egal

Berlin 21.04.2009 - 12:48
nochmal kurz was zu dir habe nicht soviel ahnung davon aber ich weiß das ein terry der harlekins berlin ein nazi ist da ich ihn schon oft auf einer npd demo gesehen habe.

soviel zu den das die harlekins keine nazis haben

Ergänzung....

an egal von egal 23.04.2009 - 12:52
Abgesehen davon, dass "Terry" nicht mehr bei den Harlekins ist, hat er sich um 180 Grad gedreht. Wir leben in der Gegenwart und Menschen ändern "zum Glück" ihre Meinung. Er selbst ist mit Sicherheit nicht stolz auf seine damalige Einstellung. Was auch gut ist... Somit ist bewiesen, dass sich solche Personen auch mal weiterbilden und nicht auf ihre Fascho-Kacke hängen bleiben.

Aber leb du weiterhin in der Vergangenheit und verliere den Anschluss an die Gegenwart. Mehr muss hier nicht mehr gesagt werden. Auf weitere Lügengeschichten habe ich eher weniger Lust und vor allem keine Zeit. Sorry, muss mich jetzt weiter um meine Bildung kümmern.