27. 01. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

Nie wieder! 27.01.2009 12:44 Themen: Antifa
"Bei der Sicherung der Gaskammer und des Krematoriums wurden kürzlich ein Fingerhut und eine kleine Porzellan-Katze entdeckt. Die hat vermutlich ein Kind bis zum Ende umklammert gehalten. Da wird einem dann begreiflich, dass hier Menschen waren."
Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees

Der Name „Auschwitz“ ist zum Symbol für den gesamten Holocaust, den Völkermord an etwa sechs Millionen europäischen Juden sowie weiteren Opfern unter Sinti und Roma, russischen und polnischen Zwangsarbeitern, Homosexuellen, Zeugen Jehovas, politischen Gefangenen und anderen zu Feinden des Nationalsozialismus erklärten Menschen geworden.
Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau war das größte deutsche Vernichtungslager während der Zeit des Nationalsozialismus. Es wurde 1941 drei Kilometer entfernt vom Stammlager Auschwitz I gebaut und befand sich nahe der Stadt Auschwitz im nach der militärischen Besetzung Polens errichteten Landkreis Bielitz
In die Konzentrationslager Auschwitz wurden insgesamt mehr als 1,3 Millionen Menschen aus ganz Europa deportiert. Davon wurden hier geschätzte 1,1 Millionen Menschen ermordet, eine Million davon Juden. Etwa 900.000 der Deportierten wurden direkt nach ihrer Ankunft in den Gaskammern ermordet oder erschossen. Weitere 200.000 Menschen wurden von der SS durch Krankheit, Unterernährung, schwerste Misshandlungen, medizinische Versuche oder die spätere Vergasung ermordet.
Auschwitz-Birkenau wurde 1941 als Arbeits- und als Vernichtungslager zugleich konzipiert und besaß später insgesamt sechs Gaskammern und vier Krematorien. Viele Gefangene aus ganz Europa wurden bereits am Tag ihrer Ankunft ermordet und ihre Leichen verbrannt.

Flucht und Widerstand:

Insgesamt versuchten ungefähr 700 Häftlinge die Flucht aus Auschwitz; sie gelang in etwa 300 Fällen. (Nach anderen Angaben gelangen weniger als 150 Fluchtversuche) Die Deutschen erschossen die anderen Flüchtlinge während ihres Ausbruchsversuchs oder ergriffen sie und ermordeten sie später. Versuchte Flucht wurde oft mit Verhungern im Bunker bestraft; oft wurden auch die Familienangehörigen von Flüchtigen verhaftet und in Auschwitz I zur Abschreckung ausgestellt. Eine andere Strafe war, Mitgefangene für die Flucht büßen zu lassen. Am 6. Juli 1940 gelang Tadeusz Wiejowski die erste Flucht in Begleitung von zwei Mitgliedern der polnischen Widerstandsbewegung, die als „zivile Arbeiter“ im Lager angestellt waren. Wiejowski überlebte den Krieg nicht. Am 20. Juni 1942 gelang vier Polen, Kazimierz Piechowski, Stanisław Gustaw Jaster, Józef Lempart und Eugeniusz Bendera ein extrem gewagter Fluchtversuch. Sie brachten SS-Uniformen und Waffen an sich und fuhren mit einem gestohlenen Fahrzeug aus dem Gelände weg. Einer der Flüchtlinge trug einen Bericht über Auschwitz mit sich, der für das Oberkommando der polnischen Heimatarmee geschrieben worden war.

Am 7. Oktober 1944 führte das jüdische Sonderkommando (die Häftlinge, welche die Gaskammern und Krematorien bedienen mussten und von den anderen Häftlingen als Sicherheitsrisiko getrennt gefangen gehalten wurden) einen Aufstand durch. Davor gab es bereits zumindest einen gescheiterten ähnlichen Plan für den Termin 28. Juli um neun Uhr abends. Dieses Mal hatten weibliche Gefangene Sprengstoff von einer Waffenfabrik eingeschmuggelt, und das Krematorium IV wurde damit teilweise zerstört. Anschließend versuchten die Gefangenen eine Massenflucht, aber alle 250 Entflohenen wurden kurz darauf gefasst und getötet.

Die letzten Tage von Auschwitz...

Zwischen dem 17. Januar 1945 und dem 23. Januar wurden etwa 60.000 Häftlinge evakuiert und in Todesmärschen nach Westen getrieben. In den Lagern und Außenstellen blieben etwa 7500 Häftlinge zurück, die zu schwach oder zu krank zum Marschieren waren. Mehr als 300 wurden erschossen; man nimmt an, dass eine geplante Vernichtungsaktion nur durch das rasche Vorrücken der Roten Armee verhindert wurde.
Zuerst wurde das Hauptlager Monowitz am Vormittag des 27. Januar 1945 durch die sowjetischen Truppen (322. Infanteriedivision der 60. Armee der I. Ukrainischen Front unter dem Oberbefehl von Generaloberst Pawel Alexejewitsch Kurotschkin) befreit. Von den dort zurückgelassenen Gefangenen – die Angaben reichen von 600 bis 850 Personen – starben trotz medizinischer Hilfe 200 in den Folgetagen an Entkräftung.

Das Stammlager und Auschwitz-Birkenau wurden – auch durch die Soldaten der 322. Division – schließlich am frühen Nachmittag des 27. Januar befreit. In Birkenau waren fast 5.800 entkräftete und kranke Häftlinge, darunter fast 4.000 Frauen, unversorgt zurück geblieben. In den desinfizierten Baracken wurden Feldlazarette eingerichtet, in denen die an Unterernährung und Infektionen leidenden und traumatisierten Häftlinge versorgt wurden.

Einige Tage später wurde die Weltöffentlichkeit über die Gräueltaten informiert. Die Ermittler fanden über eine Million Kleider, ca. 45.000 Paar Schuhe und sieben Tonnen Menschenhaar, die von den KZ-Wächtern zurückgelassen wurden.

Dank der Roten Armee!

{Dieser Appell wurde aus Anlass des fünfzigjährigen Bestehens der VVN 1997 verfasst und zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2005 erneuert von Esther Bejarano und Peter Gingold.}

"Appell an die Jugend

Nehmt es wahr! Nehmt wenigstens ihr es wahr,
was von vielen vor euch verdrängt, oft diskriminiert und immer wieder verleugnet wurde:
Das Bedeutsamste, Kostbarste jüngerer deutscher Geschichte ist und bleibt der antifaschistische Widerstand!
Im sechzigsten Jahr nach der Befreiung vom Faschismus erinnern wir:

Es waren zumeist einfache Frauen und Männer, vorwiegend aus der Arbeiterbewegung, in der Mehrzahl Jüngere, die aktiv gegen Hitler und den Krieg kämpften, viele bereits, bevor an Hitler die Macht übertragen wurde.
Den Krieg wollten sie verhindern, indem sie dem unmenschlichen Naziregime ihre Menschlichkeit entgegensetzten.
Den Völkern Europas und ihrem eigenen wollten sie das Leid ersparen, das der Nazifaschismus über sie brachte.
Dafür riskierten sie alles, ihre Existenz, ihre Freiheit, ihr Leben, dafür nahmen sie Zuchthaus, Konzentrationslager und Folter in Kauf.
Vergesst nie! Ihnen ist es zu danken, dass der Name unseres Landes nicht ausschließlich mit Ehrlosigkeit und Schande besudelt blieb.

Wir haben überlebt, beseelt von dem Gedanken:

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!
In diesem Sinne bewahren wir das Vermächtnis der Millionen Toten faschistischer Massenvernichtung, die die Befreiung am 8. Mai 1945 nicht mehr erlebten. Wir waren dem so genannten Tausendjährigen Reich entkommen, das für uns tatsächlich wie tausend Jahre war, jede Stunde, jeden Tag den Tod vor Augen.
Nach der entsetzlichen Zeit fanden wir uns mit unseren unterschiedlichen politischen und weltanschaulichen Auffassungen, mit unserer verschiedenen sozialen Herkunft so zusammen, wie wir im Widerstand gekämpft hatten und verfolgt worden waren. Wir gründeten die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - VVN: Kommunisten, Sozialdemokraten, Liberale, Gewerkschafter, Juden, Christen. Die entsetzliche Zeit hinter uns, wollten wir ein Leben ohne Rassismus, Antisemitismus, Nationalismus und Militarismus.
Wir wollten dafür wirken, dass unsere Erfahrung mit Unmenschlichkeit der Nachwelt stete Mahnung werde.
Wir wollten unseren Traum vom Leben in sozialer Gerechtigkeit, in Frieden und Freundschaft mit allen Völkern verwirklichen.
Wir wollten, dass sich nun für alle Zeiten unsere Kinder und Kindeskinder der Sonne, der Blumen, der Liebe erfreuen könnten, ohne Angst vor Faschismus und Krieg.
Es war für uns nicht vorstellbar, dass unsere Visionen und Träume nicht Wirklichkeit werden könnten.
Unfassbar bleibt für uns, wie reibungslos sich der Übergang vom Nazireich in die Bundesrepublik vollzog. In Regierung, Verwaltung, Wirtschaft, Justiz, Medizin, Bildung, bei Polizei, Militär, Geheimdiensten nahmen ehemals führende Nazis Führungspositionen ein und bestimmten wesentlich die Geburt der Bundesrepublik und jahrzehntelang das in ihr herrschende politische Klima. Bis heute erhalten Kriegsverbrecher, selten belangt und wenn, dann sehr schonend behandelt, Opferrenten.
Gruppen Verfolgter des Naziregimes erhielten bis heute keine Entschädigung. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass in dieser Entwicklung auch Uraschen für die heute immer dreister werdenden Alt- und Neofaschisten liegen.

Als wir 1945 befreit waren, hielten wir es für unvorstellbar, dass ihr als Nachgeborene erneut mit Nazismus, Rassismus, mit auflebendem Nationalismus und Militarismus konfrontiert würdet. Globalisierungswahn, ungeheure Massenarbeitslosigkeit, rigider Sozialabbau, die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, katastrophale Zerstörung der Umwelt lassen besonders bei euch, den jungen Menschen, Zukunftsängste entstehen.
Wir haben die Zuversicht, dass ihr das nicht alles schweigend und untätig hinnehmen werdet.
Wir bauen auf euch, dass ihr euch zu wehren versteht, nicht kapituliert und euch dem Zeitgeist unterwerft.
Wir haben die Zuversicht, dass die Jugend sensibel und wachsam gegenüber allem ist, was zu brauner Barbarei führen könnte. Seht nicht weg, wenn Menschenrechte verletzt werden, bewahrt euer Gerechtigkeitsempfinden! Wir setzten auf euch, die Jugend, die sich in die Tradition des antifaschistischen Widerstands zu stellen vermag, nehmt die Tradition auf und führt sie auf eure Art und Weise weiter!
Wir sind sicher, dass eure Herzen dafür brennen können.Lasst euch von den verbliebenen demokratischen und sozialen Errungenschaften nichts wegnehmen.
Das sind keine Geschenke von Regierenden!
Es sind vor allem Errungenschaften antifaschistischen Widerstands bei Niederringung des Faschismus. Verteidigt, was ihr noch habt! Zivilcourage ist verlangt, nicht einmal besonderer Mut. Ihr riskiert nicht eure Leben wie die Frauen und Männer im antifaschistischen Widerstand.
Und vergesst nie: Der Internationalismus und die Solidarität sind unentbehrlich in diesem Kampf.
Reiht euch ein, in die größte und umfassendste deutsche antifaschistische Kampfgemeinschaft, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), die organisierter Ausdruck des kollektiven Gedächtnisses an Widerstand und Verfolgung sowie antifaschistischen Handelns ist.
Wir brauchen euch!

In absehbarer Zeit wird es keine Zeitzeugen des schrecklichen Abschnitts deutscher Geschichte mehr geben. Lasst nie zu, dass das Vermächtnis des Widerstands revidiert wird oder in Vergessenheit versinkt!"
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Ergänzungen

Gedenken in Ravensburg

Moritz Krauß 28.01.2009 - 18:47
Der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz bietet in großer Vielfalt Möglichkeiten der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

Eine dieser Gedenkfeiern fand dieses Jahr im Zentrum für Psychiatrie in Ravensburg-Weissenau statt:
Zu Beginn begrüßte der Geschäftsführer der Südwürttembergischen Zentren für Psychatrie Wolfgang Rieger die anwesenden Vertreter der Opfergruppen, Politiker, Schüler und Journalisten. Diese Gedenkfeier des Landtags von Baden-Württemberg ist wichtig, "um die Erfahrungen der Vergangenheit als Richtschnüre in die Gegenwart einzuflechten. [...] Unsere Verantwortung ist, nie mehr zuzulassen, dass unterschieden wird zwischen ´lebenswertem` und ´lebensunwertem` Leben" (Peter Straub; Landtagspräsident BW).

Es folgte ein bewegender Vortrag ("Vom Sondergericht für verrückt erklärt - Theodor Rollers Aufbegehren gegen Hitler und die Folgen"):
Der Journalist und Publizist Hans-Joachim Lang zeigte am Beispiel Theodor Rollers, dass Widerstand gegen die Nationalsozialisten auch von Einzelpersonen möglich war. So könne man Roller durchaus als "Widerstandskämpfer" bezeichnen:
Der Bankangestellte Theodor Roller wurde 1939 von der Gestapo festgenommen. Zuvor hatte er seinen Konflikt zwischen "Kreuz und Hakenkreuz" in einem Brief an Adlof Hitler zur Geltung gebracht. Er wurde vom Sondergericht 1940 freigesprochen, indem er für verrückt erklärt wird, obwohl ein psychatrisches Gutachten zuvor das Gegenteil feststellte. Roller verbrachte die Jahre bis zur Befreiung in der Heil- und Pflegeanstalt in Ravensburg-Weissenau. Viele andere wurden in dieser Zeit entweder in Grafeneck ermordet oder in Konzentrationslager verschleppt.


Im Anschluss an den Vortrag folgten symbolisch 691 Glockenschläge für die Ermordeten aus der Heil- und Pflegeanstalt und eine Kranzniederlegung am Denkmal der grauen Busse.

Im Rahmen der Veranstaltung hatte man die Möglichkeit sich an Infoständen bzw. in der Begegnung über die Verbrechen des Nationalsozialismus an Juden, Sinti und Roma, Jenischen, Homosexuellen, Kriegsgefangenen, Zeugen Jehovas, politischen Häftlingen, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, Frauen und Männern des Widerstands und Kranken und Behinderten zu informieren.