Kein Reichsgründungskommers in Hamburg

Hamburger Bündnis gegen Rechts 18.01.2009 15:45 Themen: Antifa
Gegen die Verherrlichung des deutschen Imperialismus und die extrem rechte Burschenschaft Germania demonstrierten am frühen Samstagabend 70 Antifaschistinnen und Antifaschisten. Zu der, mit nur zwei Tagen Vorlauf angekündigten Protestkundgebung hatte das Hamburger Bündnis gegen Rechts, der Landesverband der Linken sowie der ver.di Arbeitskreis Antirassismus für den 17. Januar aufgerufen.

„Es ist ein Skandal, das wenige Tage vor dem Holocaust-Gedenktag am 27. Januar eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Studentenverbindung sich zum „Deutschen Reich“ bekennt“, erklärte der Sprecher des Hamburger Bündnis, Wolfram Siede.
Tatsächlich feiern die Germanen die Reichsgründung Jahr für Jahr. Den historischen Rahmen ihres ritualisierten Saufgelages liefert die Bismarcksche Reichsgründung 1871 sowie die Machtübertragung am 30. Januar 1933. Als Festredner für den „Reichsgründungskommers“ in diesem Jahr war Dr. Björn Clemens vorgesehen. Wenige Tage zuvor war Clemens noch als Gast beim Neujahrsempfang der sächsischen NPD aufgetreten. Bei den Germanen wollte der ehemalige Bundesvorsitzende der Republikaner – er verließ die Partei, weil sie ihm zu liberal geworden war – zur „Schicksalsfrage Geschichtsbewusstsein“ sprechen.

Ob der bei NPD, DVU und Freien Nationalisten beliebte Redner – im vergangenen Jahr sprach er auf dem größten, bundesdeutschen Naziaufmarsch in Dresden - tatsächlich im Verbindungshaus auftrat, lies sich von außen nicht feststellen. Auf ihrer „Heimatseite“ hatte die Burschenschaft die Veranstaltung kurzfristig abgesagt, was sich angesichts der eintreffenden Besucher allerdings als Finte herausstellte.

Ob mit oder ohne Festredner, ist es den Protesten des Hamburger Bündnisses gegen Rechts zu verdanken, dass „die Nazi-Veranstaltungen im Germanenhaus aus ihrem Hinterzimmer-Dasein in die öffentliche Wahrnehmung und Kritik gerückt ist “ , erklärte Bela Rogalla, Mitarbeiter der Bürgerschaftsfraktion der Linken zum Ende der eineinhalbstündigen Kundgebung.

Denn der eigentliche Skandal ist, dass seit 2005 der erste Vorsitzende des "Altherrenverbands der Hamburger Burschenschaft Germania e.V.“ ein hochrangiger Beamter ist, der beim Finanzamt Hamburg-Nord stellvertretender Vorsteher war und heute beim Finanzamt Tierpark arbeitet. Im Vorstand der Alten Herren trägt Götz Noack die politische Verantwortung für die Veranstaltungen im Germanenhaus, wie beispielsweise die Eröffnung der „Kleinen deutschen Kunstausstellung“ im Vereinshaus im Oktober 2006. Präsentiert wurden dort Holzschnitte von NS-Künstlern, wobei der Name auf die jährliche „Große deutsche Kunstausstellung“ der NSDAP in München anspielt.
Bevor Götz Noack zu den Alten Herren wechselte, war er zwischen 1994 bis 1998 bereits als 1. Vorsitzender des „Burschenschaftlichen Studentenwerkes zu Hamburg – Harry Lange e.V.“ aktiv. So heißt der Trägerverein des Verbindungshauses in der Sierichstraße 23. In Noacks Verantwortung und Amtszeit fallen Veranstaltungen vom November 1994 mit Karl Richter (damals im Vorstand der Deutschen Liga für Volk und Heimat und Schriftleiter von Nation & Europa), im Dezember 1994 mit Hermann Thiele (Mitglied und regelmäßiger Referent im Riegerschen Vereinsgeflecht), im November 1995 mit Manfred Rouhs (Herausgeber der nationalrevolutionären Zeitschrift Signal und ehemals im Vorstand der Deutschen Liga für Volk und Heimat), um hier nur eine Auswahl zu nennen.

Vor diesem Hintergrund lässt sich von der pflichtschlagenden und farbentragenden Truppe kaum noch von einer „ultrakonservativen Verbindung“ sprechen, wie es das Abendblatt erst wieder in seiner Onlineausgabe vom 18.01.2009 tat. Vielmehr handelt es sich um einen Versuch des Brückenschlages im Sinne jungkonservativer, nationalrevolutionärer und neofaschistischer Strategie. Dies sah in der Vergangenheit auch der Hamburger Verfassungsschutz so, der die Burschenschaft in den 90er Jahren in seinen Berichten noch erwähnte. Spätestens seit Schwarz-Schill kehrte im Senat der Korpsgeist zurück - es sitzen dort eine ganze Anzahl Alte Herren - und seitdem weist die Innenbehörde Anfragen und Erkenntnisse über „rechtsextremistische Einflüsse“ geradezu stoisch ab.
Dagegen richtet sich eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider. Die innenpolitische Sprecherin der Linken in Hamburg fragt nach öffentlichen Mitteln, die der extrem rechten Verbindung zu Gute kommen, fordert die Suspendierung von Götz Noack sowie ein Verbot der völkischen Studentenverbindung: "Dort sind NPD-Mitglieder organisiert, es werden die Verbrechen der Wehrmacht im Nationalsozialismus verherrlicht. Es ist ein Skandal, dass die Innenbehörde ein Verbot dieser neonazistischen Vereinigung nicht einmal prüft." Es wird also interessant, ob und wie es der Innenbehörde gelingt, die jüngsten Vorfälle unter den Tisch zu kehren.

- Wolfram Siede
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Ergänzungen

abendblatt

artikel 18.01.2009 - 17:14
Proteste gegen Treffen der Neonazis

Von Jan-Eric Lindner

Die Ultrarechten erwarten Besuch: Wenn am Sonnabend an der Sierichstraße die schmissigen Mitglieder der "Burschenschaft Germania" zum "Reichsgründungskommers" zusammenkommen, wird es gebetene - und weniger gebetene - Gäste geben. Zu der Veranstaltung der NPD- und DVU-nahen Burschenschaft reist ein namhafter Redner aus Düsseldorf in die Winterhuder Sierichstraße: NPD-Redner Dr. Björn Clemens wird zum Thema "Schicksalsfrage Geschichtsbewusstsein" referieren. Das "Hamburger Bündnis gegen Rechts" und andere Initiativen haben zum Protest aufgerufen, die Polizei ist vorbereitet.

Die völkische Burschenschaft Germania, eine "pflichtschlagende Vereinigung" gilt auch unter den studentischen Verbindungen als weit rechtsaußen. Immer wieder referieren Neonazis in dem Männerbündnis, das das Andenken an Hitlers Generalleutnant Dr. Karl Mauss hochhält, einen Burschenschaftler, der 1945 mit höchsten Nazi-Weihen geehrt wurde. Trotz enger Verbindungen zu NPD und DVU wird die Burschenschaft derzeit nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Für Christiane Schneider, die innenpolitische Sprecherin der Linken, ist es ein Skandal, dass die Innenbehörde derzeit keine Ambitionen zeigt, die Burschenschaft zu verbieten: "Die Vereinigung arbeitet seit Jahren mit organisierten Rechtsextremisten zusammen", so Schneider.

Auch der SPD-Innenexperte Andreas Dressel warnt vor einer zunehmenden Vernetzung des rechten Randes in Hamburg: "Wir müssen ein Auge auf diesen Grenzbereich haben, auch unterhalb der NPD-Verbotsschwelle." Einige Burschenschaften bildeten ein Milieu, das durchaus geeignet sei, Polizei und Verfassungsschutz auf den Plan zu rufen. Nach Informationen der Linken wird am Sonnabend auch ein leitender Hamburger Finanzbeamter an dem "Reichsgründungskommers" teilnehmen. Er soll der 1. Vorsitzende des Altherrenverbandes der Burschenschaft sein.

taz

artikel 19.01.2009 - 00:00
Alte braune Herren
 http://www.taz.de/regional/nord/hamburg/artikel/?dig=2009%2F01%2F17%2Fa0047&cHash=6b0771ce11

Die Linke fordert die Suspendierung des beim Finanzamt Tierpark tätigen Götz Noack. Er soll rechtsextreme Veranstaltungen verantwortet haben

Am vergangenen Wochenende war Björn Clemens beim Neujahrsempfang der NPD-Fraktion in Sachen einer der Ehrengäste. Heute sollte der in der rechtsextremen Szene beliebte Redner eine Festrede zum "Reichsgründungskommers" bei der "Hamburger Burschenschaft Germania" halten. Gestern, nachdem das "Bündnis gegen Rechts" eine Kundgebung ankündigte, ließ die Burschenschaft aber verkünden: "Achtung! Terminverlegung". Nachfragen sind unerwünscht. "Dazu möchte ich Ihnen keine Auskunft geben", sagt ein Germane.

Einer der Zuhörenden von Clemens Referat "Schicksalsfrage Geschichtsbewusstsein" hätten Götz Noack sein können, Vorsitzender des "Altherrenverbands der Hamburger Burschenschaft Germania e.V.". Noack, der beim Finanzamt Hamburg-Nord stellvertretender Vorsteher war und heute beim Finanzamt Tierpark arbeitet, betont, "alle Parteien seien bei ihnen vertreten, die NPD ist ja nicht verboten".

Seit Jahren lädt die Burschenschaft Referenten ein, die bei der NPD referierten oder in der Parteizeitung "Deutsche Stimme" publizierten, betont Felix Krebs, Koautor des Buches "Und er muss deutsch sein" über die Hamburger Studentenverbindungen. Krebs kann auch belegen, dass zumindest 2007 die NPD-Funktionäre André Kinnigkeit und Arne Riecken der Germania angehörten.

"Die Alten Herren", sagt Krebs, "tragen nicht nur die politische Verantwortung für die Veranstaltungen im Germanenhaus mit, sie sichern auch die Finanzierung des Hauses ab". Als Finanzbeamter dürfte Noack ein kompetenter Berater sein. Von 1994 bis 1998 war er Vorsitzender des "Studentenwerkes Harry Lange". 1977 meldeten Bundesbrüder der Germanen den Verein an, der sich um die Absicherung des 1959 erworbenen Hauses in der Sierichstraße bemüht. "Wir sind auf Spenden angewiesen", heben sie auf ihrer Website hervor und weisen darauf hin, dass man "steuersparend" spenden kann. Denn ihr Dachverband "Verband für Studentenwohnheime e.V." sei gemeinnützig.

"Als Vorsitzender des Studentenwohnheims verantwortete Noack rechtsextremistische Veranstaltungen", sagt Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linken. Sie fordert von Finanzsenator Michael Freytag (CDU) "die Suspendierung des Herrn Noack". Daniel Stricker, Pressesprecher der Finanzbehörde sagte: "Zu Äußerungen in einem Flugblatt, die ausschließlich die Privatsphäre eines Mitarbeiters betreffen, nimmt die Finanzbehörde grundsätzlich keine Stellung."

Das Bündnis gegen Rechts glaubt nicht an die Terminverschiebung. Um 19 Uhr beginnt in der Sierichstraße die Gegenkundgebung. ANDREAS SPEIT

Wo ist das Finanzamt Tierpark

Klaus-Dieter 19.01.2009 - 22:40
Ein Finanzamt Tierpark gibt es mW nicht in Hamburg. Götz Noack ist nach wie vor Stellvertreter des Leiters des Finanzamtes Nord. Jedenfalls sagt das die offizille Website aus:  http://www.hamburg.de/nord/

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