Passau: Aktionen gegen Naziaufmarsch

Antifa Passau [aapa] 11.01.2009 15:48 Themen: Antifa
Am 03.01.09 marschierten etwa 250 Nazis aus NPD und „freien Kräften“ durch Passau. An den Gegenaktionen beteiligte sich ein breites Spektrum aus Antifas, Bürger_innen, Parteien, Gewerkschaften und Vertreter_innen der Stadt Passau
Versuchter Mordanschlag auf Passaus Polizeidirektor Mannichl, Verhaftungen in der rechten Szene

Am 13.12.08 wurde der Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl vor seinem Wohnhaus in Fürstenzell (Lkr. Passau) von einem mutmaßlichen Neonazi niedergestochen (www.aapa.de.vu). Daraufhin kam es zu Verhaftungen innerhalb der bayerischen Neonaziszene. Manuel und Sabrina Heine, zwei Mitglieder der „Freien Nationalisten München“ (FNM) wurden zeitweise inhaftiert. Medial wurde infolge des Attentats des Öfteren rechte Gewalt thematisiert, selbst die Debatte über ein NPD-Verbot lebte zeitweise wieder auf.

Rechtsstreit um ein Verbot der Neonazi-Demonstration – Kaum Auflagen für die Nazis

NPD und „Freie Kräfte“ nahmen dies zum Anlass, zu einer Demonstration „gegen polizeiliche Willkür und Medienhetze“ in der Dreiflüssestadt aufzurufen. Als Anmelder und Organisatoren taten sich vor allem Christian Worch aus Hamburg und Phillipp Hasselbach von den „Freien Nationalisten München“ hervor. Nachdem die Demonstration von Seiten der Stadt Passau untersagt wurde, klagte Anmelder Worch dagegen vor dem Regensburger Verwaltungsgericht - erfolgreich. Selbst der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied in zweiter Instanz zu Gunsten der Nazis. Die Stadt Passau resignierte daraufhin scheinbar vollständig: anstatt die Demonstration wenigstens noch durch Auflagen zu verkürzen überließ sie den Nazis nach gescheitertem Verbotsantrag die Stadt für einen halben Tag. In einem „Passauer Neue Presse“(PNP)-Interview meint Oberbürgermeister Jürgen Dupper dazu lapidar: „ Wir haben einen Verbotsantrag für die gesamte Kundgebung gestellt. Da haben wir uns nicht mehr um die Route im Einzelnen gekümmert.“ So durfte die Demo mit vier Kundgebungen von 13-20 Uhr (!) angemeldet werden, ohne das etwa die Zeitpunkte an denen die Kundgebungen gehalten wurden festgelegt waren. Die kurze Route der Gegendemo des Runden Tisches gegen Rechts Passau wurde hingegen nicht in ihrer ursprünglichen Form genehmigt, stattdessen wurde die Alternativroute von der Stadtgalerie zum Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus durchgesetzt. Dieses unverständliche Vorgehen der Stadtverwaltung führte dazu, dass das riesige Polizeiaufgebot von ca. 1400 Polizist_innen die gesamte Innenstadt für einen Tag lahm legte. Der Busverkehr wurde größtenteils stillgelegt, Passant_innen wurden in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt, sogar der Bahnhof wurde zeitweise abgesperrt.

Aktionen gegen den Naziaufmarsch

Im Vorfeld hatten mehrere Organisationen zu Protesten gegen den Naziaufmarsch aufgerufen. So hatte etwa der Runde Tisch gegen Rechts eine Gegendemo ab 11 Uhr angemeldet, die auch die Stadt Passau unterstützte. Sowohl die Passauer Aktion Zivilcourage (PAZ) als auch die Antifaschistische Aktion Passau [aapa] hatten nicht nur zur Demonstration aufgerufen, sondern auch eine Blockade des Naziaufmarschs gefordert. So beteiligten sich über tausend Menschen an der kurzen Demonstration von der Stadtgalerie zum Mahnmal, eine Teilnehmer_innenzahl, die die bisherige bei Passauer Demonstrationen gegen Rechts bei weitem übertraf. Am Mahnmal wurde die Demonstration offiziell beendet. Ein Großteil der Teilnehmer_innen setzte sich jedoch daraufhin, dem Blockadeaufruf folgend, in Richtung Polizeiinspektion in Bewegung um den Auftaktkundgebungsort der Nazis zu besetzen. Um ca. 12:30 Uhr wurde der Zug von einer Polizeiabsperrung in der Dr-Hans-Kapfinger-Straße unweit der Polizeiinspektion gestoppt. Da dieser Ort auf der geplanten Naziroute lag, verweilten die Demonstrant_innen dort für mehrere Stunden in eisiger Kälte, um den Rechten den Weg zu versperren. Hier wurde wieder die Tatsache, dass die Nazis kaum an Auflagen gebunden waren, bemerkbar: ohne weiteres konnte deren Demobeginn bis etwa 16 Uhr hinausgezögert werden, teilweise auch dadurch bedingt, dass nicht genügend vorstrafenfreie Ordner_innen gefunden werden konnte. Aufgrund der Kälte ging während der langen Wartezeit die Beteiligung an der Blockade stark zurück. Den dafür verantwortlichen OB Dupper dürfte das kaum gestört haben, er „habe ja bei den Menschen an der oberen Kapfinger-Straße vorbeigeschaut“ (PNP-Interview), die Kälte musste er dabei wohl nicht allzu lange ertragen. Die Route der Nazis wurde von den Polizeikräften an der Blockade vorbei über die Grünaustraße umgeleitet, sodass die Nazis es tatsächlich schafften, durch die Stadt zu marschieren. Die Protestierenden verteilten sich daraufhin, so fern sie von der Polizei nicht gerade daran gehindert wurden, an der Seite der langen Naziroute, um die Parolen und Reden der Nazis lautstark zu übertönen. Auch ein weiterer kleiner Blockadeversuch von etwa 30 Personen wurde aus dem Hintereingang des autonomen Zentrums ZAKK heraus gestartet. So gelangten die Menschen, Polizist_innen überraschend, direkt auf die weiträumig abgesperrte Naziroute. Während der Sitzblockade wurde der Knöchel einer Aktivistin durch einen Stiefeltritt eines USK-Beamten gebrochen. Die Nazidemo konnte leider an der Blockade vorbeigeleitet werden.

Durch die große Zahl der Menschen, die sich sichtbar dem Aufmarsch der Rechten entgegenstellten, wurde klar, dass diese sich zumindest keiner allzu großen Sympathien in der Passauer Bevölkerung erfreuen können. Die Blockade konnte leider das Durchkommen der Nazis nicht verhindern, durchaus positiv zu bewerten ist allerdings die große Bereitschaft der Bürger_innen, sich an einer solchen Protestform zu beteiligen, was nicht zuletzt auf den Aufruf Passauer Politiker_innen, wie beispielsweise des Landtagsabgeordneten Eike Hallitzky (Die Grünen), zurückzuführen ist. Durch die große Zahl an Gegendemonstrant_innen aus den verschiedensten Spektren, die sich (sofern sie dabei nicht von der Polizei gehindert wurden) entlang der Naziroute verteilten, konnte den Nazis deutlich gezeigt werden, dass sie in dieser Stadt nicht erwünscht sind.

Wir, die Antifaschistische Aktion Passau [aapa], möchten uns bei allen Antifaschist_innen, die uns bei den Aktionen unterstützt haben, bedanken.

Sollte es im Zusammenhang mit den Aktionen in irgend einer Form rechtliche Probleme mit der Polizei (Festnahmen etc.) gegeben haben, möchten wir die Betroffenen bitten, sich damit an die Rechtshilfegruppe Passau zu wenden, selbst wenn juristische Folgen unwahrscheinlich sind. Die Rechtshilfegruppe kann über den Rechtshilfebriefkasten im autonomen Zentrum ZAKK im Unteren Sand 3-5 kontaktiert werden. Eine kurze Beschreibung der Arbeit der Rechtshilfegruppe findet sich auf www.zakk-passau.de in der Kategorie Gruppen.
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Ergänzungen

Wann?

max 11.01.2009 - 17:33
Wann hat die Stadt Passau jemals versucht ein Nazitreffen durch behördliche Maßnahmen zu erschweren? Nie.

Bayern will Kampf gegen Neonazis verschärfen

http://www.donaukurier.de/ 12.01.2009 - 16:04
Bayern will den Kampf gegen Neonazis verschärfen. Dazu beschloss die CSU/FDP-Regierung am Montag ein Konzept gegen den Rechtsextremismus. Unter anderem soll nach dem noch ungeklärten Mordanschlag auf den Passauer Polizeidirektor Alois Mannichl der Schutz von Polizeibeamten verbessert werden. Stellen Neonazis etwa Fotos von Polizisten zur Einschüchterung auf einschlägige Internetseiten, droht demnach eine Freiheitsstrafe. Zudem werden ein Verbot rechtsextremer Propaganda-Bands und Auflagen für Skinhead-Konzerte geprüft. «Extremisten und Chaoten dürfen in Bayern keine Chance haben», sagte Innenminister Joachim Herrmann.

Mannichl erhält Drohbriefe

http://www.unserradio.net 12.01.2009 - 16:09
Der Passauer Polizeichef Alois Mannichl soll laut der Zeitung „Am Sonntag“ mehrere Drohbriefe erhalten haben.

So heißt in den Drohbriefen u.a. „Du Drecksau bist leider nicht gleich verreckt, aber du wirst jetzt langsam sterben!" Den ersten Drohbrief soll Mannichl demnach kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus an seine Privatadresse erhalten haben.
Die Drohungen würden ernst genommen, die Drohbriefe jetzt von Experten ausgewertet.
Indessen will Bayerns Innenminister Herrmann heute ein Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus vorstellen.

Extremisten und Chaoten dürften in Bayern keine Chance haben, so Herrmann.
Ein Punkt des Konzepts soll nach Vorab-Berichten eine stärkere Prävention an Schulen sein, so könnte künftig ein Besuch von KZ-Gedenkstätten für bayerische Schulklassen verpflichtend sein.

Mit-Auslöser für das bayerische Maßnahmenpaket war das Messerattentat auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl.

Bericht

Anwesend 12.01.2009 - 18:40

Also ich sehe den Tag als Erfolg für die Nazis aber nicht für die Linke.
Es gab gute Ansätze wie die 1. Demo und die anschließende Spontandemo mit Blockadeversuch.
Das war es aber auch schon. Nachdem die Spontandemo gestopp wurde hätte man eigentlich gleich umkehren müssen um noch zum Weihnachtsbaum zu gelangen den zu diesen zeitpunkt waren da die Gitter noch offen. Jeder der Passau ein wenig kenn weiß doch das es da ne Straße weiter unten von der Blockade gibt und man da versuchen wird die Nazis umzuleiten, wie man es ja letztens erst in München gesehen hat. Es gab kaum örtliche Strukturen wie Melder oder sontiges die Leute darauf hinweisen wo was geht.
Da kommen dann wieder so sachen wie ich war die ganze Zeit bei den Nazis und das von Einheimischen Antifas ja warum weil keiner mal ein wenig die augen offen hält und Infos weitergibt. Wie zum Beispiel wo werden Gitter vorbereite, wo sammeln sich die Grünen. Dadurch wäre klar gewesen wo die Nasen lang wollen den eine Bekannte Route gab es ja wohl auch nicht dank schlechter Vorbereitung wie es auch kaum Mobielisierung gab was andere Städte angeht. Gab es eigentlich einen EA wenn ja wurde die Nummer auch nie weiter gegeben. Eigentlich gibt es da noch viel mehr Punkte aber vielleicht reicht das ja mal schon um ein wenig zum Nachdenken anzuregen.
Es als erfolg zu sehen das die Nasen in Vorkontrollen feststecken oder ihre Anlage nicht anspringt hat ja jetzt nicht wirklich viel mit uns zu tun sondern mit viele günen und der Kälte, geht uns ja sonst auch immer so.
Ich denke es war ein voller Erfolg für die Nasen da sie wie schon immer in Passau maschiert sind und es auch weiter werden wenn sich die örtlich Antifa nicht mal bereit erklärt Hilfe anzunehmen oder die einfordert und nicht immer einen auf wir sind die coolen macht.
Achja es waren etwa 270 Nasen an der Demo beteiligt und an der dann noch stehenden Blockade etwa 150 Leut (als die Nasen vorbeizogen)davon allerdings fast nur Bürgers.
Diesen Runde ging eindeutig wieder an die Rechten weil diese viel Zeit mitgebracht haben die sich ja dann auch bezahlt gemacht hat und nicht alle von denen zuhause hinterm offen sich verkrochen haben.
Auf das es beim nächsten mal besser würd.

Messerstecher könnte Linksextremist sein

immernochich 12.01.2009 - 20:32
"
Die Ermittler ziehen nun auch die Möglichkeit in Betracht, dass ein Linksextremist das Attentat verübt haben könnte, sich als Rechter tarnte, bewusst die feindliche Szene anschwärzte und die Verletzung Mannichls billigend in Kauf nahm. In der Antifa-Szene war Mannichl wegen seines harten Durchgreifens verhasst.
"

 http://www.welt.de/politik/article2999654/Der-Fall-Mannichl-ist-alles-andere-als-eindeutig.html

@ Anwesend

Ebenfalls Anwesend 12.01.2009 - 21:24
Hier einige Anmerkungen zur fundierten Kritik von "Anwesend" (siehe oben)

"Nachdem die Spontandemo gestopp wurde hätte man eigentlich gleich umkehren müssen um noch zum Weihnachtsbaum zu gelangen den zu diesen zeitpunkt waren da die Gitter noch offen"

Die Annahme, ein offenes Gitter sei ein ausreichender Grund um blind in dessen Richtung zu laufen, kann sich durchaus als verhängnisvoll erweisen. Dies sollte auch bei weiteren Blockadeplanungen berücksichtigt werden.

"Jeder der Passau ein wenig kenn weiß doch das es da ne Straße weiter unten von der Blockade gibt und man da versuchen wird die Nazis umzuleiten"

Jeder der Passau ein wenig kenn(t), weiß auch, dass es in Passau, wie das für Städte charakteristisch ist, mehr als drei Straßen gibt. Egal wo der Blockadepunkt gewählt werden worden wäre, es hätte immer eine Alternativroute gegeben, auf die die Polizei hätte umleiten können. Da mehrere Blockadepunkte (mit Aufteilung der Leute) sehr schwer zu organisieren sind, da sie für heilloses Durcheinander und eine Zersplitterung in, der Polizei wehrlos ausgesetzte, Kleingruppen zur Folge gehabt hätte, war es meines Erachtens nach sinnvoll an dem der Auftaktkundgebung der Nazis nähesten Platz zu verweilen.

"den eine Bekannte Route gab es ja wohl auch nicht dank schlechter Vorbereitung"

Da schätzungsweise die wenigsten Passauer Antifas für das städtische Ordnungsamt arbeiten, hat es wohl weniger mit schlechter Aorbereitung, sondern eher mit Zufall bzw. Vorsicht der Nazis zu tun, dass ihre Route nicht im Vorfeld bekannt wurde.

"Gab es eigentlich einen EA wenn ja wurde die Nummer auch nie weiter gegeben"

Die Nummer des Ermittlungsausschusses (EA) wurde am Anfang der Demo (nach dem Redebeitrag der Passauer Antifa) durchgesagt und auch auf Flyern verteilt. Manchmal lohnt es sich scheinbar doch, den Reden zu lauschen und nicht alles bedruckte, das mensch in die Hand bekommt, ungelesen in der Tasche verschwinden zu lassen.

"Achja es waren etwa 270 Nasen an der Demo beteiligt"

Zwischen "etwa 250", wie die Antifa Passau schreibt und "270" ist kein allzu bedeutender Unterschied. Allerdings schätzt auch das recherchetechnisch sehr versierte AIDA-Archiv (www.aida-archiv.de) die Zahl der Nazis auf "gut 250"

trotzdem vielen dank für die bereichernden ergänzungen...

"Diesen Kampf führen wir auf jeden Fall"

http://www.dradio.de 13.01.2009 - 16:12
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat unabhängig vom Fall des Passauer Polizeichefs Alois Mannichl die Notwendigkeit des umfassenden Handlungskonzepts gegen Rechtsradikalismus unterstrichen. Auf breiter Front müssten die präventiven Maßnahmen zur Aufklärung der Jugend gestärkt werden. Wichtig sei auch, dass Polizei und Justiz die volle Rückendeckung des Dienstherrn hätte, betonte der CSU-Politiker.

Sandra Schulz Wir beschäftigen uns noch einmal mit dem Fall um den Passauer Polizeipräsidenten Alois Mannichl. Er gehe durch ein tiefes Tal, hatte er der "Münchener Abendzeitung" gesagt, denn nach den Solidaritätsbekundungen im Dezember sind nun Zweifel aufgekommen an dem rechtsradikalen Hintergrund der Tat. Den Ermittlern fehlt ein konkreter Verdacht noch immer. Darum wuchern die Spekulationen. Zweifel werden in der Öffentlichkeit auch diskutiert an Mannichls Darstellung - wie gesagt Spekulationen, gefüttert aber auch aus den Ermittlerkreisen. - Telefonisch ist mir jetzt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zugeschaltet. guten Morgen!

Joachim Herrmann Guten Morgen!

Schulz Herr Herrmann, Sie haben gestern gesagt, ein starker Rückhalt für Mannichl sei wichtig. Wie sieht der denn aus?

Herrmann Wir haben gestern in der bayerischen Staatsregierung ein umfassendes Handlungskonzept gegen Rechtsradikalismus, gegen Rechtsextremismus beschlossen. Das ist natürlich unabhängig auch von dem speziellen Fall Mannichl. Wir wollen auf breiter Front die präventiven Maßnahmen - Aufklärung der Jugend - verstärken, aber natürlich auch Polizei und Justiz noch stärker aufstellen im Kampf gegen Rechtsextreme. Dazu gehört auch, dass jeder Mitarbeiter des Freistaats - ob Polizist oder in der Justiz oder in einer Kreisverwaltungsbehörde, der rechtsradikalen Angriffen beispielsweise im Internet ausgesetzt ist, auch die volle Rückendeckung seines Dienstherrn hat. Das war etwas, was gerade auch im Vorfeld im Zusammenhang mit dem Fall Mannichl deutlich geworden ist.

Schulz Und wie sieht nun der Rückhalt für Mannichl aus?

Herrmann Was die konkreten Ermittlungen anbetrifft, will ich mich nicht an öffentlichen Spekulationen beteiligen, sondern da müssen ganz klar die Ermittler vor Ort - wir haben jetzt die besten Leute aus dem Landeskriminalamt und der Münchener Kripo dort vor Ort - ihre Arbeit tun. Ich halte es für überhaupt nicht hilfreich, wenn sich immer wieder hier aus den verschiedensten Bereichen Leute an Spekulationen beteiligen. Mir wäre es auch lieber, wenn heute schon ein Ermittlungsergebnis vorliegt, aber so was kann man nicht politisch beschließen, sondern da müssen die Fachleute von der Kripo ihre Arbeit tun. Das tun sie jetzt. Ich habe Vertrauen in deren Fähigkeiten. Wenn im Moment noch kein tragfähiges Ermittlungsergebnis da ist, dann muss man das so weit akzeptieren, aber sich nicht in wilden Spekulationen ergehen.

Schulz Sie haben die Ermittler gerade gelobt. Welche Anhaltspunkte haben Sie dafür, dass das Lob auch gerechtfertigt ist?

Herrmann Die machen gute Arbeit! Aber es gibt nun mal Fälle, wo es mit der Spurenlage ganz, ganz schwierig ist. Es gab ja die entsprechende öffentliche Fahndung, es gab hier bislang wenig Hinweise aus der Bevölkerung. Wir gehen seitens der Kripo, der Staatsanwaltschaft immer neuen Möglichkeiten in jede Richtung nach, aber wenn eben im Moment noch keine heiße Spur vorliegt, kann man die auch nicht mit öffentlichen Spekulationen erzwingen.

Schulz Noch mal blickend auf dieses Zitat von Herrn Mannichl. Er sagte der "Münchener Abendzeitung", er gehe durch ein tiefes Tal. Könnte das auch daran liegen, dass der Verdacht besteht, sein Fall sei instrumentalisiert worden?

Herrmann Nein. Ich denke, er hat nach der Tat ja klar gesagt, wie er den Täter wahrgenommen hat. Das war Grundlage der Ermittlungen. Nach wie vor ist natürlich der rechtsextremistische Bereich hier entsprechend im Mittelpunkt der Ermittlungen. Selbstverständlich werden auch andere Möglichkeiten von Seiten der Kriminalexperten mit untersucht. Es kann theoretisch sein, dass jemand so was nur vorgeschoben hat, um sich aus ganz anderen Gründen an Mannichl zu rächen, oder was auch immer alles theoretisch denkbar ist. Das muss sauber aufgearbeitet werden. Aber klar ist auch: Das, was ansonsten an Spekulationen im Moment im Raum ist, das führt überhaupt nicht weiter.

Wir haben leider in der Vergangenheit auch schon andere Kriminalfälle gehabt, wo die Ermittlungen eben länger gedauert haben, Wochen, Monate, manchmal noch länger. Ich will das nicht hoffen, aber ich denke auch, rein politische Diskussionen in der Öffentlichkeit werden die kriminalpolizeilichen Ermittlungen nicht erleichtern. Klar ist aber auch: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus ist auf jeden Fall notwendig. Dass Neonazis zum Teil immer dreister und frecher werden, das ist auch unabhängig vom Fall Mannichl eine Herausforderung für unseren Rechtsstaat.

Schulz Die politische Debatte wird ja auch geführt um ein neues Verbotsverfahren gegenüber der NPD und vorangetrieben auch vom bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer. Das ist kein Anhaltspunkt für eine Instrumentalisierung des Falles?

Herrmann Nein. Da geht es nicht darum, dass dieser Fall instrumentalisiert wird. Natürlich hat dieser Fall zu entsprechend öffentlichen Diskussionen noch einmal Anlass gegeben, aber das Thema NPD-Verbot haben wir von Bayern aus schon 2001 betrieben. Leider waren wir dann 2003 insgesamt vor dem Bundesverfassungsgericht nicht erfolgreich. Ich halte diese Minderheitenentscheidung von drei Richtern aus dem Jahr 2003 nicht für richtig und wir müssen jetzt alle Möglichkeiten ausloten, zu einem neuen Anlauf zu kommen. Die NPD ist eine verfassungsfeindliche, eine gefährliche Partei und sie gehört verboten.

Schulz Aber der Zusammenhang zwischen der rechten Szene und diesem Anschlag auf Herrn Mannichl, der steht ja nun noch nicht fest. War sich die Öffentlichkeit da auch zu schnell zu sicher?

Herrmann Nein. Es steht im Raum die Aussage von Mannichl, der diesen Täter unmittelbar so wahrgenommen hat, weil dieser Täter sich ihm gegenüber so geäußert hat. Da ist es klar, dass die Ermittlungen zunächst einmal in diese Richtung gehen, und klar ist auch, dass Mannichl sich ja gegen die Rechtsextremisten stark engagiert hat in den letzten Jahren, und klar ist auch, wer sich aktuell beispielsweise Internet-Seiten der NPD anschaut, dass Mannichl auch jetzt konkret nach wie vor, auch nach der Tat, massiven Anfeindungen aus dem rechtsextremistischen Bereich ausgesetzt ist. Das ist noch kein Beleg dafür, dass die Täter tatsächlich auch aus diesem Bereich kommen, aber klar ist natürlich auch, dass es unerträglich ist, wie hier von Seiten der Neonazis zum Beispiel auf einen solchen Polizeibeamten gehetzt wird.

Das gleiche gilt natürlich auch an ganz anderen Stellen. Wenn ich an Gräfenberg denke, einen Ort im Fränkischen, wo seit nun schon Jahren eine ständige Auseinandersetzung zwischen Neonazis und demokratisch engagierten Bürgern tobt, wo auch Leute, die sich demokratisch engagieren, entsprechenden Angriffen im Internet ausgesetzt sind, das ist alles Realität. Deshalb sage ich, diesen Kampf führen wir auf jeden Fall, unabhängig davon, was sich konkret im Fall Mannichl am Schluss als Täter ergeben wird.

Schulz Lassen Sie uns noch mal bei der Debatte bleiben. Ich habe Sie dann richtig verstanden, dass so, wie die Debatte geführt wird, Sie zumindest nicht unglücklich sind?

Herrmann Nein! Was die öffentliche Debatte über den Rechtsextremismus anbetrifft, ist das absolut notwendig und wir werden diese Debatte auch von Bayern aus mit großer Energie weiter voranbringen.

Schulz Aber Sie haben kurz nach dem Anschlag von einer "neuen Dimension rechter Verbrechen in Bayern" gesprochen. Nutzt sich das Thema nicht ab? Spielen Sie nicht damit?

Herrmann Nein, ich spiele nicht damit. Ich habe damals gesagt - und den ersten Halbsatz müssen Sie hinzufügen -, "wenn sich bestätigen sollte, dass hier diese Tat von Rechtsextremisten verübt worden ist, dann ist das eine neue Dimension rechter Gewalt". Ich denke, es liegt doch nahe, dass sich, wenn von Mannichl ein solcher konkreter Verdacht geäußert wird, auch Politik damit beschäftigt. Ich sage aber klipp und klar: Auch wenn sich am Schluss im Fall Mannichl etwas anderes ergeben sollte, dann ist trotzdem der Befund richtig, dass in ganz Deutschland Gewalt in diesem Bereich hier natürlich schon eine große Herausforderung beispielsweise für Polizei und Justiz ist. Nicht von Ungefähr sagen beide großen Polizeigewerkschaften, dass sie einen stärkeren Schutz der Beamten vor extremistischer Gewalt, rechts- wie linksextremistischer Gewalt fordern, dass hier auch der Strafrechtsschutz verbessert wird. Auch da stehen wir hinter unserer Polizei. Wir haben das gestern im bayerischen Ministerrat klar beschlossen, dass hier auch eine Verbesserung des Strafrechtsschutzes für Vollzugsbeamte sorgfältig geprüft werden muss. Das sind alles Themen, die sind ja nicht erst durch den Fall Mannichl jetzt plötzlich in der öffentlichen Diskussion. Diese Forderung beispielsweise der Polizeigewerkschaften gibt es schon seit Monaten, völlig unabhängig von diesem Fall, weil wir in ganz Deutschland feststellen müssen, dass die Hemmschwelle mancher Gewalttäter im rechtsextremistischen Bereich, auch im linksextremistischen Bereich, auch aggressiv mit Gewalt gegen einen Polizeibeamten vorzugehen, gesunken ist. Mit solchen Themen müssen wir uns auseinandersetzen.

Schulz Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Danke schön!

Herrmann Ich bedanke mich auch. Einen schönen Tag!

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