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Gebirgsjäger vor Gericht

Leser 09.09.2008 14:15
Am 15. September 2008 findet vor dem Münchner Landgericht vielleicht der letzte NS-Kriegsverbrecher Prozess in Deutschland statt. Angeklagt ist ein gewisser Scheungraber aus Ottobrunn, der als Gebirgsjäger in Italien an Massakern beteiligt war.

Scheungraber ist Mitglied des Kameradenkreises, der bekannten "Selbsthilfegruppe für Kriegsverbrecher" und regelmäßiger Teilnehmer des Kriegsverbrecher-Treffens in Mittenwald. Sein aktueller Anwalt hält Kontakt zur NS-Kriegsverbrecher-Hilfsorganisation "Stille Hilfe", sein alter Anwalt Klamert leugnet und verharmlost die Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger in Kommeno.

Nach jahrelangen Bemühungen der Mittenwald-Kampagne, der VVN-BdA, der verschiedenen Demonstrationen vor den Haustüren der NS-Kriegsverbrecher und vor allem der Überlebenden und Angehörigen, der ZeitzeugInnen und Veteranen der europäischen Widerstandsbewegungen die letzten NS-Kriegsverbrecher vor Gericht zu zerren, ist dies ein wahrlich historischer Anlass, den Prozess in München oder aus der Ferne zu verfolgen.

Dortmund, Wuppertal, Hamburg, Bremen, Göttingen, Berlin, München, den 8.
September 2008

Pressemitteilung des Arbeitskreises Angreifbare Traditionspflege

Zum Beginn der Hauptverhandlung gegen Josef Scheungraber, ehemaliger
Wehrmachtsleutnant, Mitglied des Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V. und Träger von dessen "Goldener Ehrennadel", veranstaltet der AK Angreifbare Traditionspflege am 15. September 2008 um 8 Uhr eine Kundgebung vor dem Landgericht München.

Der AK Angreifbare Traditionspflege nimmt die Eröffnung des Hauptverfahrens
wegen 14-fachen Mordes gegen den Gebirgsjäger Scheungraber durch die 1.
Strafkammer des Landgerichts München mit skeptischer Genugtuung zur Kenntnis.
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wird ein Mitglied des
"Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V." wegen eines Kriegsverbrechens vor
Gericht gestellt. Der heute 89-Jährige soll 1944 als Kompanieführer eines
Gebirgs-Pionier-Bataillons die Ermordung von 14 Zivilpersonen in dem
italienischen Dorf Falzano di Cortona (bei Arezzo) angeordnet haben.

Der in Ottobrunn bei München lebende Rentner wurde deswegen bereits am 28.
September 2006 in Italien durch das Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt, wird aber nicht nach Italien ausgeliefert.
Nach den Feststellungen des italienischen Gerichts kommandierte Scheungraber im Sommer 1944 die 1. Kompanie des Gebirgs-Pionier-Bataillons 818, welches in Mittelitalien den deutschen Rückzug sichern sollte. Die Truppe war nicht an der Front eingesetzt und hatte nur wenige Verluste. Am 26. Juni 1944 erschossen Partisanen einen Unteroffizier und einen Gefreiten des Bataillons, die gerade Lebensmittel, ein Pferd und ein Fuhrwerk auf einem Bauernhof beschlagnahmten.
Der Kommandeur des Bataillons befahl gemeinsam mit dem Angeklagten einen
Vergeltungsschlag, der am folgenden Tag ausgeführt wurde. Zunächst wurden eine 74-jährige Frau und drei Männer erschossen, die den Soldaten zufällig
begegneten. Anschließend wurden elf Männer festgenommen, die man in Falzano in einem Bauernhaus zusammenpferchte. Dem Urteil zufolge wurde das Haus mit Dynamit in die Luft gesprengt. Zehn Männer im Alter zwischen 16 und 66 Jahren starben in den Trümmern. Ein damals 15-jähriger Junge überlebte das Blutbad.

Gebirgsjägerkamerad Scheungraber kann sich für den Strafprozess in München auf die vorbehaltlose Unterstützung des Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.verlassen. Dieser zählt etwa 6.000 Mitglieder, darunter ca. 2.000 ehemalige Wehrmachtsoldaten. Er darf auch den bayerischen Ministerpräsidenten a. D. Stoiber, den derzeitigen Chef der Führungsakademie der Bundeswehr, Löser, sowie den amtierenden Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Schmidt (CSU)
zu seinen beitragszahlenden Mitgliedern zählen.

Während des Gerichtsverfahrens in Italien wurde Scheungraber von Rechtsanwalt Gerhart Klamert verteidigt, seines Zeichens ebenfalls ehemaliger Wehrmachtssoldat, seit 1953 Mitglied im Kameradenkreis und dessen 2.Vorsitzender von 1994 bis 2002, zuletzt Vorsitzender des Ältestenrates. Nach dem Urteil des Gerichtes in La Spezia bezeichnete er dieses als ein "Sondergericht á la Freisler" - eine Gleichsetzung mit dem
nationalsozialistischen deutschen Volksgerichtshof und dessen berüchtigstem
Blutrichter. In einer Vielzahl von Beiträgen in der Vereinszeitschrift "Die
Gebirgstruppe" verharmloste Klamert die Verbrechen der Gebirgsjäger als
"Unseligkeiten" oder nannte sie "Hirngespinste", die immer wieder von
"abgrundtief hassenden Journailletypen in Szene gesetzt" würden.

Die vom Kameradenkreises der Gebirgsjäger bis auf den heutigen Tag verfolgten Ziele wurden bereits Weihnachten 1952 von Generalleutnant Wittmann in unmissverständliche Worte gefasst: Die "Pflege der Kameradschaft im Geiste des ehrenvollen deutschen Soldatentums" diene "ausschließlich (...) dem Einsatz und der Hilfe für unsere Kriegsverurteilten, für unsere in Haft zurückgehaltenen Kameraden", denen man "tätige Kameradenhilfe zu beweisen" habe. Diese niemals revidierten programmatischen Worte des langjährigen Präsidenten des Kameradenkreises rechtfertigen es allemal diesen Verein öffentlich als eine Selbsthilfegruppe von Kriegsverbrechern zu bezeichnen.

Die Werte dieser als gemeinnützig anerkannten Selbsthilfegruppe, in der sich patriarchalische Männerbündelei, Vaterland, Nation und Kameradschaft eng mit dem Alpinismus zu einer politisch rechtsextremen Melange verbinden, werden seit mehr als 50 Jahren an die Bundeswehr weiter gegeben. Als Dank dafür wird der Kameradenkreis vom Verteidigungsministerium ständig hofiert, für das Archiv des
Kameradenkreises werden ihm umfangreiche Räumlichkeiten in der Münchener
Bayernkaserne genauso kostenlos zur Verfügung gestellt wie für Saufabende und andere Versammlungen, und Bundeswehr-Musiker werden zu den jährlichen
Heldengedenkfeiern auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald entsandt.

Der Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege wird den Strafprozess gegen Josef Scheungraber durch Prozessbeobachter aufmerksam verfolgen und seinen Verlauf der Öffentlichkeit bekannt machen.

Auf der unmittelbar vor Prozesseröffnung vor dem Landgericht München
durchgeführten Kundgebung werden wir unter anderem die Namen der vierzehn in Falzano di Cortona von den Gebirgsjägern ermordeten Einwohner laut ausrufen:
Antonio Grezzi Angiolo Lescai Luca Cascini
Lorenzo Donati Agostino Paludini Agostino Petrini
Domenico Trasenni Guido Trasenni Domenico Sassini
Edoardo Zampagni Ferdinando Cannicci Santi Lescai
Francesca Bistarelli Angiolo Donati

Während der Brendten-Feierlichkeiten 2005 wurde von dem amtierenden
Kameradenkreispräsidenten Ex-Bundeswehroberst Benkel in öffentlicher Ansprache die Aussage, "dass kein Mitglied unseres Kameradenkreises" jemals "wegen Kriegsverbrechen (...) verurteilt" worden sei, frech neben der Wahrheit entlang gelogen. Der Ausgang des Scheungraber-Strafprozesses wird erweisen, ob sie für die Geschichte der Bundesrepublik einen beunruhigenden Bestand haben wird.

Der Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege fordert:
- Anklageerhebung gegen alle in Italien wegen Kriegsverbrechen zu lebenslanger Haft verurteilten deutschen ex-Soldaten!
- Einstellung jeder finanziellen oder sonstigen Unterstützung des
Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V. durch Bundeswehr und
Verteidigungsministerium!
- Entzug der Gemeinnützigkeit des Kameradenkreises der Gebirgstruppe e.V.!


Weitere Informationen:  http://www.keine-ruhe.org
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Ergänzungen

Klage gegen VVN-Bundessprecher

xx 09.09.2008 - 14:45
Neues Deutschland

21.08.2008 /

Kriegsverbrecher in Mittenwald?

Traditionsverein der Gebirgsjäger will von der Vergangenheit seiner Mitglieder nichts wissen und klagt gegen einen Journalisten

Von Fabian Lambeck

Ein soldatischer Traditionsverein will einen Journalisten vor Gericht zerren, der in einer Pressemitteilung behauptete, Mitglieder des Vereins seien in Kriegsverbrechen verwickelt gewesen.

Der Kameradenkreis Gebirgstruppe »bekennt sich zum freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat«, so steht es in seiner Satzung nachzulesen. Manchmal bedient man sich des Rechtsstaates, um unliebsame Kritiker mundtot zu machen – so wie Ulrich Sander. Dem Journalisten ist es gerichtlich untersagt, öffentlich zu behaupten, dass es sich bei der alljährlichen Pfingstfeier des Kameradenkreises um ein Treffen von Kriegsverbrechern handele. Dabei wurde die Feier der Kameraden am Hohen Brendten bei Mittenwald tatsächlich von verurteilten oder mutmaßlichen Kriegsverbrechern besucht. Denn das oberbayerische Mittenwald ist ein Traditionsstandort. Bereits in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde der Ort zum Ausbildungszentrum der Wehrmachts-Gebirgstruppe. Nach dem Krieg gründete sich der Kameradenkreis, um »die Tradition der Gebirgstruppe zu wahren«.

Wohl deshalb ernannte man den ehemaligen General Hubert Lanz zum Ehrenvorsitzenden. Erst kurz vor seiner Ernennung hatte man den General aus dem Gefängnis entlassen. Dort saß Lanz als verurteilter Kriegsverbrecher. Da er 1943 als Befehlshaber der Gebirgsjäger ein Massaker an italienischen Soldaten zu verantworten hatte. Bei diesem Blutbad auf der griechischen Insel Kefalonia kamen schätzungsweise 5200 Italiener ums Leben. Viele der ehemaligen Verbündeten wurden nach ihrer Gefangennahme von deutschen Soldaten hingerichtet. Trotz der Tatsache, dass viele Gebirgsjäger in dieses und andere Massaker des Zweiten Weltkriegs verwickelt waren, hält man in Mittenwald an »Traditionen« fest.Dabei spielt das alljährliche Pfingsttreffen des Kameradenkreises am Hohen Brendten eine große Rolle. Auf dem Berg steht das »Ehrenmal für die Gefallenen Soldaten der Gebirgstruppe«. Seit 2002 werden diese Totengedenken regelmäßig durch antifaschistische Gegendemonstranten gestört. Das schmeckte dem Mittenwalder Tourismus-Direktor Klaus Ronge gar nicht. Wie der »Münchener Merkur« bereits im Januar 2006 meldete, fürchtete er »negative Schlagzeilen« durch »die Störaktionen der sogenannten Brendtengegner«. Aufgrund des öffentlichen Drucks verlegte man das Treffen in diesem Jahr erstmals auf einen früheren Zeitpunkt. Die Kameraden nahmen dies zähneknirschend hin, sannen aber offensichtlich auf Vergeltung für diese Schmach. Die Gelegenheit bot sich nur kurze Zeit später. Im Juni veröffentlichte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) eine Mitteilung. Verantwortlich war der Journalist Ulrich Sander, der auch als Landessprecher des VVN/BdA Nordrhein-Westfalen tätig ist. In dieser Erklärung war von einem »Kriegsverbrechertreffen« in Mittenwald die Rede. Das war zu viel – die Kameraden bemühten daraufhin die Justiz. »Mittlerweile liegt dem Gericht Nürnberg-Fürth auch eine Widerrufs-Klage vor. Ich soll also gezwungen werden, meine Äußerungen über die Kriegsverbrechen der Gebirgsjäger zurückzunehmen.« Doch Sander will es auf einen Prozess ankommen lassen.»Im letzten Jahr kam auch der wegen Kriegsverbrechen angeklagte Josef Scheungraber nach Mittenwald«, erinnert sich Sander. Er dürfte nicht der Einzige gewesen sein. »Allein in Italien wurden zahlreiche ehemalige Gebirgsjäger angeklagt, von denen man 25 tatsächlich verurteilte«. erklärt Sander. Doch bevor man in Deutschland einen der alten Kameraden zur Rechenschaft zieht, wird wohl eher Ulrich Sander verurteilt werden.

URL:  http://www.neues-deutschland.de/artikel/134166.kriegsverbrecher-in-mittenwald.html

Ossietzky 23. 08. 08

Ulrich Sander: Kriegsverbrechertreffen

Der Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V. hat unserem Autor Ulrich Sander vom Landgericht Nürnberg-Fürth unter Androhung von 250.000 Euro Geldstrafe oder sechs Monaten Haft verbieten lassen, das alljährlich vom Kameradenkreis auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald veranstaltete Gebirgsjägertreffen als größtes Kriegsverbrechertreffen zu bezeichnen und den Verein mit der NS-Gebirgstruppe in Verbindung zu bringen. Sander, einer der Bundessprecher der Vereinigungen der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten, hat seit Jahren die Massaker der Gebirgsjägertruppe in Italien und Griechenland erforscht und darüber publiziert. Die deutsche Justiz dagegen hat es bis heute vermieden, diese Verbrechen aufzuklären. Ein im Juni in Rom ergangenes höchstrichterliches Urteil zugunstender Opfer hätte Staatsanwaltschaften, Gerichte, Politiker und Medien in Deutschland endlich aufrütteln müssen. Stattdessen wird dem Aufklärer und Mahner der Mund verboten. Die Ossietzky-Redaktion hat Ulrich Sander gebeten, den Skandal zu schildern. Red.

Dem Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V. gehören Veteranen der Wehrmachts- und der Bundeswehr-Gebirgsjäger an; Präsident ist der Bundeswehr-Oberst a. D. Manfred Benkel. Gemeinsam "pflegen" sie ihre Tradition: Sie stellen die Vergangenheit der Truppe so dar, als wären die Gebirgsjäger im Zweiten Weltkrieg die Elite deutschen Soldatentums gewesen und als hätten sie nicht nur tapfer, sondern auch ritterlich unter strenger Beachtung des Kriegsvölkerrechts gekämpft. Selbstverständlich wissen sie, wie weit sie sich damit von der Wahrheit entfernen.

Eine der Haupttätigkeiten des Kameradenkreises bestand lange Zeit darin, die gegenseitige Reinwaschung zu organisieren - zum Beispiel bei staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen oder in Gerichtsverfahren. Zwar hatte der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, die Hitler-Generäle und -Obristen, die er mit der Aufstellung der Bundeswehr beauftragte, faktisch amnestiert. Dennoch kam es damals und bis in die siebziger Jahre zu rund eintausend Ermittlungsverfahren gegen Bundeswehrangehörige, die schwerster Kriegsverbrechen verdächtig waren. Aber kein einziger dieser Soldaten wurde verurteilt und bestraft. Ein Kamerad entlastete den anderen, und das genügte der Justiz, um die den Einzelnen angelasteten Taten für unbewiesen zu erklären - ganz anders als in Prozessen gegen Mitglieder der Rote Armee Fraktion (RAF), zu deren Verurteilung es genügte, daß sie dieser Tätergruppe angehörten. Bis 1975 wurden die meisten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingestellt; häufig hatten die Ermittler den Mord zum Totschlag heruntergestuft, der inzwischen verjährt war. Immerhin trafen einzelne Staatsanwaltschaften in den Einstellungsbescheiden Feststellungen wie: In Kommeno sei es 1943 "zu einem fürchterlichen Gemetzel" gekommen (Staatsanwaltschaft München), und bei dem Massenmord an entwaffneten italienischen Kriegsgefangenen 1943 auf Kephallonia handele es sich um eines der größten deutschen Kriegsverbrechen überhaupt (Staatsanwaltschaft Dortmund).

Einer der Helfer bei der Strafvereitelung war Max Joseph Pemsel, General der Gebirgstruppe der Wehrmacht wie der Bundeswehr, der als Entlastungszeuge für alte Kameraden zur Verfügung stand, aber bitteschön nicht in öffentlicher Verhandlung. Er selber hatte 1941 an dem Befehl mitgewirkt, als Sühne für zehn tote und 24 verwundete deutsche Soldaten 1.600 Serben, möglichst "Juden und Zigeuner", zu erschießen. Aus einem Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft Konstanz 1963: "Der Zeuge (Pemsel) bat darum, daß im Hinblick auf seine bis vor wenigen Jahren in der Bundeswehr bekleidete Stellung als Kommandierender General nach Möglichkeit von einer Vorladung als Zeuge in öffentlichen Verhandlungen abgesehen werde."

Nach alledem konstatierte der Kameradenkreis Gebirgstruppe, daß niemand schuldig sei, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist, und so blieben sie alle Ehrenmänner. Der Kameradenkreis selber hat nicht einen einzigen ausgeschlossen - auch nicht nachdem in den beiden letzten Jahren in Italien 25 Mörder aus der Gebirgstruppe zu lebenslanger Haft verurteilt worden sind.

Die Bundesrepublik Deutschland weigert sich, die Opfer der Massaker zu entschädigen, so wie sie sich faktisch weigert, die Täter zu bestrafen. Doch diese von der Wehrmacht begangenen Verbrechen waren Völkerrechtsverbrechen, die nach dem IV. Haager Abkommen und der zu seiner Umsetzung geschaffenen Haager Landkriegsordnung von 1907 zwingend Entschädigung und Bestrafung hätten nach sich ziehen müssen.

Willi Dreeßen, Leiter der Zentralstelle der Landesjustizverwaltungen für die Ermittlungen gegen NS-Verbrecher in Ludwigsburg, schrieb im Jahre 2001: "Als Ergebnis bleibt, daß Zehntausende griechische Zivilisten in Hunderten von Ortschaften erschossen, verbrannt, erschlagen oder grausam zu Tode gefoltert wurden. Zur Verantwortung gezogen wurde dafür niemand. Vor allem die Ermittlungsbehörden, d.h. die Staatsanwaltschaften, aber auch die Gerichte einschließlich des Bundesgerichtshofes haben durch ihre Entscheidungen zu diesem Ergebnis nicht unmaßgeblich beigetragen."

Allein im besetzten Griechenland haben die Gebirgstruppen von Wehrmacht und SS - das Edelweiß an der Uniform setzte die Bevölkerung in Entsetzen wie die SS-Rune - mindestens 325 Dörfer zerstört; meist wurden die Bewohner umgebracht. Die Befehle - begründet mit der Absicht, jeden Widerstand der Bevölkerung auszuschalten - waren verbrecherisch, verbrecherisch war auch ihre Befolgung.

In einem Befehl vom 7. Juli 1943 gab der Kommandeur der 1. Gebirgsdivision, General Walter von Stettner, folgende Richtlinien für die "Kampfführung": "Alle Ortschaften, die den Banden als Zuflucht dienen können, sind zu zerstören, die männliche Bevölkerung ist, soweit sie nicht wegen Verdachts der Teilnahme am Kampf oder Unterstützung der Banden erschossen wird, restlos zu erfassen und als Gefangene abzuschieben. ... Jede Weichheit in der Behandlung der Bevölkerung wird der Truppe als Schwäche ausgelegt…" Der "Verdacht" reichte aus, um die gesamte männliche Bevölkerung einer Ortschaft zu erschießen. Ob Erschießung oder Abschiebung zur Zwangsarbeit - das lag im Ermessen des jeweiligen Einheitsführers der Gebirgsjäger.

Führende Bundeswehroffiziere haben immer wieder die Gebirgsjäger-Tradition verherrlicht - bis heute. So ließ General Klaus Reinhardt, der vor allem als NATO-Kommandeur auf dem Balkan bekannt wurde, in der Zeitschrift Gebirgstruppe die Rede veröffentlichen, die er zu Pfingsten 2000 beim Gebirgsjägertreffen auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald gehalten hatte. Reinhardt, selber Gebirgsjäger, rühmte: "Die Gebirgstruppe der Bundeswehr ist von Männern aufgebaut und geistig ausgerichtet worden, die als Kommandeure, als Kompaniechefs und Kompaniefeldwebel die schreckliche Erfahrung des Krieges und der Diktatur am eigenen Leib erlebt und durchlitten haben. Sie haben die Uniform wieder angezogen, um uns, der nachfolgenden Generation, das Koordinatensystem ihrer Werteordnung" weiterzugeben. Reinhardt: "Diese Männer waren unsere Vorbilder, und sie repräsentieren eine ganze Generation von Wehrmachtssoldaten. Sie verdienen unseren Respekt genauso wie die vielen anderen Soldaten, die aus ihrer damals begrenzten Kenntnis der Vorgänge heraus im guten Glauben ehrenhaft gehandelt und gekämpft haben. Bei der Pflege dieser Tradition und ihrer Weitergabe an die nächste Generation hat der Kameradenkreis der Gebirgstruppe sein ganz besonderes Verdienst."

Begrenzte Kenntnis! Sie sollen nicht gewußt haben, daß es nicht erlaubt ist, die Zivilbevölkerung besetzter Gebiete zu ermorden? Sie sollen ehrenhaft gehandelt haben, als sie entwaffnete Kriegsgefangene tausendfach erschossen? Und diese Tradition soll auch noch weitergegeben werden!

Ich dagegen soll, wie Kameradenkreis-Präsident Benkel fordert, meine Äußerungen nicht nur nicht wiederholen, sondern auch widerrufen. Da ich nicht widerrufe, kann es zu einer Gerichtsverhandlung kommen, sollte das Gericht weiterhin den Anträgen des Kameradenkreises und nicht der Vernunft folgen.

Diese Truppe abschaffen

Klaus Wallow

Im Juni 1934 schrieb Reichswehrminister v. Blomberg im „Völkischen Beobachter“: „Wehrmacht und Staat sind eins geworden.“ Schon vorher wurde auf Wunsch der Wehrmacht das Hakenkreuz als Hoheitsabzeichen übernommen. Am 2. August 1934, noch am selben Tag, an dem Reichspräsident Hindenburg gestorben war, erfolgte die Truppenvereidigung durch die Generalität der Wehrmacht auf Adolf Hitler persönlich. Generaloberst v. Brauchitsch schrieb 1938 in einem Erlass über die Erziehung des Heeres: „Wehrmacht und Nationalsozialismus sind desselben geistigen Stammes.“

Und so nahm der verbrecherische Vernichtungskrieg seinen Lauf, den der Nationalsozialismus und der deutsche Militarismus führten. Eine Elitearmee des Nationalsozialismus und der Wehrmacht war die Gebirgstruppe, und hier insbesondere die 1. Gebirgsdivision. Ausgerechnet die Vertreter des Traditionsvereins Kameradenkreis Gebirgstruppe e.V. verlangen nun vom Bundessprecher der VVN-BdA Ulrich Sander, er solle seine Formulierung widerrufen, die Gebirgstruppe sei Teil des NS-Systems gewesen und hatte und hat in ihren Reihen zahlreiche Kriegsverbrecher. Diese – so sie noch leben – treffen sich alljährlich zu Pfingsten auf dem Hohen Brendten bei Mittenwald.

Zwei Obristen der Reserve, Manfred Benkel, Präsident des Kameradenkreises, und Rainer Thesen, Rechtsanwalt und Fan der rechtsextremen "Jungen Freiheit", beide Vertreter der Kläger gegen die VVN-BdA, sind es, die sich zu der Behauptung versteigen, die Wehrmacht sei nicht Teil des NS-Regimes gewesen. Welches Wissen bezüglich militär-historischen Entwicklungen ist solchen Leuten gegeben? Welche Traditionen vermitteln sie jungen Soldaten? Die Schäden, die solche Leute anrichten, werden von der Bundeswehrführung hingenommen, weil sie die Gebirgstruppe für ihre Kriege benötigt. Anders als das österreichische Bundesheer, das die Teilnahme in Mittenwald seinen Angehörigen verbietet, unterstützt die Bundeswehr das Treffen auf dem Hohen Brendten, das eben auch ein Kriegsverbrechertreffen ist.

Sie rechtfertigt die Verbrechen der Gewalttäter aus der Gebirgstruppe. Wo sie im Kriege auftauchten, da waren die Menschen entsetzt, als wäre die SS gekommen. Das Landgericht Nürnberg Land behauptete am 2. Juli 08 zugunsten des Kameradenkreises: "Es handelt sich weder um einen Kameradenkreis der ,(NS-)-Gebirgstruppe' noch um eine Vereinigung bestehend aus Kriegsverbrechern.“ Mit aller Macht will man hinter den Erkenntnisstand zurück, der sich mit der Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht" allgemein durchgesetzt hat. Niemand hat behauptet, dass sich in der Organisation und zu Pfingsten auf dem Hohen Brendten nur schwer belastete Personen und Gruppen versammeln. Doch der Kameradenkreis Gebirgstruppe kommt von der Wehrmacht her, und die war eins mit dem Nationalsozialismus und seinem Jahrtausendverbrechen. Ehrenvorsitzender des Gebirgstruppe e.V. war der in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilte General a.D. Hubert Lanz. Der Gründer des Kameradenkreises war Wehrmachtsgeneral Rudolf Konrad; er ist auch nach wie vor Kasernenpatron von Bad Reichenhall. Bereits zwei Jahre vor Gründung der Bundeswehr, am "Tag der Treue" im Mai 1953, erwarteten Konrad und seine Gebirgsjäger zukunftsfroh die Wiederbewaffnung und sie sprachen von einer "neuen Wehrmacht". Vor den versammelten 10.000 Gebirgssoldaten in München hoffte (sic!) Konrad, "daß in der neuen Schale die gleichen Männer, die alten Soldaten stecken, die einst Kraft und Ruhm des deutschen Heeres und Stolz des deutschen Volkes waren." Rudolf Konrad hat dann seinen Wehrmachtstraditionsverband, den Kameradenkreis, aufgebaut, der sich noch heute in Orts- und Verbandsgliederungen aufteilt, die nach Wehrmachtstruppenteilen benannt sind. Und dahinein werden junge Bundeswehrsoldaten als Mitglieder aufgenommen, damit sie im „richtigen Geist“ erzogen werden. Für die alten Mitglieder betätigt sich der Kreis als Selbsthilfegruppe zur Strafvereitelung. Deshalb gilt für mich: Weg damit – abschaffen diese Truppe!

Ich gestatte mir, auf das Spendenkonto hinzuweisen, damit die VVN-BdA gegen die geballte Prozessmacht bestehen kann: Bankverbindung der VVN-BdA NRW: Konto 282 12 – 435 bei Postbank Essen (BLZ 360 100 43) (Die VVN-BdA ist anerkannt vom Finanzamt Wuppertal-Elberfeld als gemeinnützige steuerbegünstigte Körperschaft).

aus „Marxistische Blätter“, September 2008 (Vorabdruck)

weiteres

antifa-blogger 09.09.2008 - 14:51
einige ergänzungen zum thmea Josef Scheungraber und dem bundesrepublikanischen umgang mit diesem findet ihr u.a auf  http://antifa-aktionen.blogspot.com/search?q=Scheungraber . (in der rubrik remember history befindet sich ein eintrag am 18.12.07)

stay tunded - keep on rockin´!

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