Stolpersteine in Meldorf

Arbeitskreis Widerstand und Verfolgung 09.08.2008 01:26 Themen: Antifa
Der Kölner Künstler Gunter Demnig hat am 8. August zwei Stolpersteine im schleswig-holsteinischen Meldorf (Kreis Dithmarschen) verlegt. Die beiden Stolpersteine erinnern an die Nazi-Opfer Johann Wilhelm Jasper und Friedrich Jansen.
Johann Wilhelm Jasper

Johann Wilhelm "Willy" Jasper wurde 1898 am Meldorfer Sandberg 22 (heutige Marschstraße 37) geboren. Der Sandberg war zu dieser Zeit das Viertel der armen Menschen in Meldorf. Nachdem Jasper Soldat im 1. Weltkrieg war, wurde er Seemann und fuhr als Matrose zur See. Später arbeitete er als Schauermann im Hamburger Hafen, wohnte in der Hamburger Neustadt, fühlte sich aber bis zu seinem Tode mit Meldorf verbunden.

Wie der überwiegende Teil seiner Kollegen wurde er Mitglied der KPD und der "Roten Marine", in der er trotz deren Verbot in der Weimarer Republik eine leitende Funktion übernahm.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 organisierte die "Rote Marine" bewaffneten Widerstand gegen die Hitler-Regierung, der von den Nationalsozialisten erst im Frühjahr 1934 zerschlagen werden konnte. Dieser Widerstand wurde von der eigenen Partei, der KPD, indes als "individueller Terror" strikt abgelehnt. Johann Wilhelm Jasper wurde bei einem Schusswechsel mit der SA im Februar 1933 schwer verletzt und inhaftiert. Mehrere Monate war er in der "Landesheilanstalt Langenhorn" eingesperrt.

Das Sondergericht am Hanseatischen Oberlandesgericht verurteilte ihn am 25. September 1934 wegen angeblichen "Mordversuches und Widerstand" zum Tode. Das Urteil wurde am 29. September 1934 durch das Beil vollstreckt. Das Sondergericht war von 1933-1934 überwiegend mit Prozessen gegen die "Rote Marine" beschäftigt und fungierte nach der Einschätzung von Frank Bajohr tatsächlich als "Nationalsozialistisches Revolutionstribunal".

In einer Ehrentafel der KPD von 1936 oder 1937 ist Johann Wilhelm Jaspers Name aufgeführt. Ansonsten ist der Widerstand von ihm und der "Roten Marine" weder dokumentiert noch anerkannt worden - auch nicht von der KPD oder SED.


Friedrich Jansen

Friedrich Jansen wurde 1883 in Krempel bei Lunden geboren. Als gelernter Kellermeister übernahm er 1909 die Weinhandlung am Meldorfer Südermarkt 2.

In Meldorf war Jansen ein angesehener Bürger und Kaufmann. Kommunal- oder parteipolitisch ist Friedrich Jansen in der Weimarer Zeit nicht in Erscheinung getreten. Der Hauptausschuss wählte ihn 1929 in den Vorstand der Meldorfer Stadtsparkasse, diesen Posten behielt er bis 1938.

Am 11. Mai 1945 traf sich bei Friedrich Jansen eine Gruppe von Männern, um zu beratschlagen, wie in Meldorf ein Neuanfang begonnen werden könnte. Es wurde beschlossen, den britischen Befreiern den Meldorfer Rechtsanwalt Dr. Nagel als neuen Bürgermeister vorzuschlagen. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der NSDAP-Bürgermeister Friedrich Diekmann noch im Amt (und im Rathaus). Diekmann war eines der ersten NSDAP-Mitglieder in Dithmarschen (seit 1926), enger Vertrauter des Gauleiters Lohse. Er war Kreisschulungsleiter ab 1934, Kreisleiter der NSDAP von 1939-45 und Standartenführer der SA, was dem Rang eines Oberst entspricht. So wurde ebenfalls beschlossen, eine Delegation in das Rathaus zu entsenden, um Diekmann zu bitten oder aufzufordern, seinen Posten zur Verfügung zu stellen.

Friedrich Jansen übernahm diese Aufgabe, wobei er von drei weiteren Bürgern unterstützt wurde. Die Delegation begab sich zum Rathaus. Sie trafen Diekmann im Garten hinter dem Rathaus vor dem Kellereingang an. Jansen begann die Verhandlungen auf plattdeutsch: "Ferdinand, wi much mol mit di snacken!" Der Bürgermeister nahm sich die Zeit, so dass Jansen weiter ausholen konnte: "Hör mal Ferdinand, wir sind beauftragt, dich zu bitten, dass du deinen Bürgermeisterposten niederlegst." Diekmann antwortete jedoch empört: "Ihr Verräter! Spitzbuben!", zückte eine Pistole und streckte Jansen mit zwei Schüssen nieder.

Der Leiter der Stadtwache Heinrich Kammrath wurde informiert und griff sofort zu seinem Karabiner und rannte in den Garten. Dort fand er nicht nur den sterbenden Jansen vor, der noch mit letzter Kraft versuchte, sich fortzuschleppen, sondern auch den Bürgermeister, der sogleich das Feuer auf ihn eröffnete. Kammrath tötete daraufhin Diekmann mit einem Kopfschuss. Friedrich Jansen starb 4 Tage später, sein Sohn Hans führte die Weinhandlung weiter bis 1978.

Der "Fall Diekmann" hatte noch ein juristisches Nachspiel. Im Mai 1955 wurde der Staatsanwaltschaft Itzehoe ein anonymes Schreiben zugeschickt. "Mehrere Einwohner Dithmarschens", wie der Brief unterschrieben war, wollten den Täter Diekmann zum Opfer machen und forderten die Staatsanwälte auf, gegen Kammrath zu ermitteln. Zu einem Verfahren kam es allerdings nicht. Die Staatsanwaltschaft kam nach der Befragung diverser Zeugen eindeutig zu dem Schluss, dass Heinrich Kammrath in Notwehr gehandelt hatte.
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wer ist

ein leser 09.08.2008 - 11:23
Frank Bajohr?!?
ich finde ja jeden widerstand gegen das ns-regime gut, aber ich frage mich
- warum wurde dies nie von der kpd/sed gwürdigt
- warum steht davon nichts in den büchern
- mir ist von einem bewaffneten widerstand in den jahren 33 bis 34 noch nie was zu ohren gekommen

schlechte idee

rotsy 09.08.2008 - 13:01
Wäre ich ein nazi-opfer, wäre ich keineswegs über einen stolperstein glücklich, auf dem auf meinem namen dann alle mit ihren füssen treten und mit spucke und hundekot in berührung kommt. Eine selten schlechte idee.

@rotsy

jemand 09.08.2008 - 14:31
bin absolut deine meinung.

Selbstdarstellung des Künstlers

Iche 09.08.2008 - 14:37
Also dieser Gunter Demnig ist in meinen Augen eine sehr fragwürdige Person. Unabhängig ob mensch das Konzept der Stolpersteine den Opfern angemessen empfindet, so hat dieser Gunter Demnig ein Urheberrecht (o.ä.) auf Stolpersteine. Das bedeutet, er muss bei jeder Stolpersteinverlegung dabei sein, Anderen ist es rechtlich untersagt Stolpersteine zu verlegen. In der Konsequenz existiert eine Liste mit zu verlegenden Stolpersteinen, welche in den nächsten Jahren noch nicht abegearbeitet sein wird, da dieser Demnig auch nur 365 Tage im Jahr Zeit hat. Würde er wegkommen von seinem Egotrip, dass er jeden Stolperstein höchstpersönlich verlegen muss, könnte die direkte Erinnerung an eine große Anzahl von Opfern schon jetzt umgesetzt werden. Aber Gunter Demnig interessiert weniger die Erinnerung als seine Selbstdarstellung als Künstler getreu dem Motto: Kein Erinnern ohne mich!

@ Iche

konstruktiver 10.08.2008 - 11:23
Künstler sind wohl immer Egomanen aber diese Aktion bringt dem doitschen Durschnittsdödel mehr ins Bewußtsein als Latschdemos und flyer die keiner liest. Anfrage vielleicht besser beim Künstler selbst resp. seiner Koordinatorin:
 http://www.stolpersteine.com/kontakt.html
(Ach und rotz & Sekundant; ihr habt nicht zufällig auch problemen mit Flecken auf eurer Deutschlandfahne?)

titel

name 11.08.2008 - 08:14
„Fenster zu“ gegen

Anti-Islamkongress!

Der erste Anti-Islamkongress vom 19. – 21. September in Köln rückt näher. Organistisiert von der Bürgerbewegung „Pro Köln“, mit ranghohen Gästen aus ganz Europa. Kein Wunder also, dass sich das politische Gutmenschentum nun mehr auch zu Wort meldet und wie immer den Aufstand der Anständigen fordert.
Pro-Köln-Demo im vergangen Jahr

Da-
mit gab es aber in der Vergangenheit immer so einige Probleme. Zwar haben Politfunlktionäre oder Initiativen denselben stets ausgerufen, allerdings meist ohne nennenswerte Resonanz. So und nicht anders dürfte es sich mit dem bürgerlichen Gegenprotest zum Anti-Islamkongress in Köln verhalten. Bei den Gegendemonstranten wird es sich um die üblichen –zumeist rangekarrten- Verdächtigen handeln. Grund genug nach einer neuen Strategie zu suchen, die alle Kölner in den Protest gleichermaßen einbindet ohne, dass diese groß etwas dafür tun müssten.
Oberbürgermeister Fritz Schramma

Oberbürgermeister Fritz Schramma weiß wie’s geht. Aus Protest gegen den Kongress, sollen alle Kölner an diesem Tag ihre Fenster und Türen schließen. Hinterher wird Schramma stolz auf seine Kölner sein, die sich so aktiv am Gegenprotest beteiligt haben. Scheint es in Köln wohl zum Stadtbild zu gehören, dass deren Einwohner den lieben langen Tag, alle Fenster und Türen für gewöhnlich sperrangelweit geöffnet gehalten.

Das Zurückgreifen auf solche Methoden ist eigentlich nur noch peinlich und zeigt eigentlich mehr als deutlich, dass Fritz Schramma schon jetzt seinen Gegenveranstaltungen keine allzu große Bedeutung beimisst. Dann könnte Pro Köln ebenso gut die Einwohner der Stadt auffordern, aus Solidarität zum Kongress in der Nacht vom 19. zum 20. September in den Wohnungen das Licht zu löschen.

„Pro Köln“ ist in vier Bezirken parlamentarisch vertreten. Insbesondere in Köln-Ehrenfeld mobilisiert die Bürgerbewegung seit vergangenem Jahr, zum Teil recht erfolgreich, gegen den Bau einer Großmoschee. Der Anti-Islamkongress im September ist sozusagen vorläufiger Höhepunkt der Kampagne als auch so etwas wie eine Pionierleistung. Eine vergleichbare Veranstaltung dieser Art hat es in der Bundesrepublik bislang nicht gegeben.