Schwulenhass auf Deutschlandtour

Franz Ellinghorst 13.03.2008 18:28 Themen: Gender
Der jamaikanische Dancehall-Sänger Rodney Price alias Bounty Killer gibt in wenigen Wochen drei Deutschlandkonzerte. In mehreren Liedern singt er offen davon Schwule bspw. "auszurotten". Bereits 2003 und 2004 mussten Auftritte in Europa des Musikers nach Protesten von Schwulenorganisationen abgesagt werden.
Homosexualität ist in Jamaika ein schlimmes Verbrechen. In der jamaikanischen Rastafari-Kultur, die Homosexualität nicht nur ablehnt sondern auch verurteilt, sind Schwule und Lesben in Jamaica Freiwild. Auch wenn in Deutschland Popikone und Rasta-Repräsentant Bob Marley sanft lächelnd von Jugendzimmerwänden herabgrinst sind Schwule und Lesben in seinem Heimatland täglich in Lebensgefahr. Juristisch kann Analverkehr zwischen zwei Männern dort 10 Jahre Gefängnis kosten, Gewalt gegen Schwule ist an der Tagesordnung und Homophobie ist ein beliebtes Wahlkampfthema in dem Land in dem Parteien schwören das "Homosexuelle keinen Platz [im] Kabinett" finden werden. Wie tief diese Denkweise verwurzelt ist zeigt eine jüngere Umfrage in der sich 96% der jamaikanischen Bevölkerung gegen eine Lockerung der Strafgesetze gegen Schwule aussprachen.

Die Texte der großen Reggae- und Dancehall-Stars, die in Jamaica einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert haben, schüren das Feuer immer weiter an.

In den netten Partyliedern der kleinen Pazifikinsel fließt traditionell vor allem das Blut der Battyman und Chi Chi Man, so werden dort Homosexuelle abfällig bezeichnet. Am Bekanntesten dürfte das Lied "Boom Bye Bye" von Buju Banton sein, der 1992 zum in seinen Lyrics schwule Männer erschießt. Bei weitem kein Einzelfall. Andere große und angesehene Künster aus Jamaika wie Sizzla, Elephant Man und Shabba Ranks (um nur einige zu nennen) erregen immer wieder mit Battyman-Tunes Aufsehen, gerade bei Auftritten in Europa.

Bounty Killer gastiert von Ende März bis Anfang April in Essen, München und Berlin. Er singt z.B.

"Bun a fire pon a kuh pon mister fagoty….
Poop man fi drown a dat a yawd man philosophy (Uh huh)"
(Song: Another Level)

"Hear this likkle punk guh sing a battyman concept…
To kill dis yah fool, to me dat is no stress
Murder dem fast just like a Federal Express"
(Song: Look Good)

"wipe out the faggot with a pure laser beam"
(Song: Mr. Wanna Be)

Bereits in der Vergangenheit gab es von Schwulen- und Lesbenverbänden immer wieder Protestaktionen die teilweise Auftrittsabsagen für Bounty Killer zur Folge hatten, so 2003 in London. Dort hätte er deswegen sogar eine Inhaftierung befürchten müssen. Offiziell hat er dann einfach nur seinen Flieger verpasst. 2004 wurde er direkt von den Organisatoren eines Festivals ausgeladen weil "hasserfüllte" Künstler dort nicht willkommen seien.

Deutsche Dancehallfans argumentieren gern damit das Homophobie nunmal zur Kultur der jamaikanischen Gesellschaft gehört und damit auch in die Texte der Musiker einfließen, sie selber sich aber von diesen Texten distanzieren dürften. Diese Argumentation zeigt eine gewisse Hilflosigkeit. Entweder werden die Texte in der Szene ignoriert oder (gern) als Provokation abgetan. Angesichts der Tatsache das die Texte in Jamaikas Alltag auch wirklich umgesetzt werden eine Ungeheuerlichkeit. Eine ähnliche Sichtweise kann ja man auch auf die Texte der meisten Nazibands anwenden.

Interessante Links:
Aktuelle Tourdaten von Bounty Killer 2008:
 http://www.houseofreggae.de/news/202-bounty-killer-konzert-deutschland-tour-2008.html

Zur Konzertabsage in London 2003:
 http://212.58.226.51/2/hi/entertainment/3297623.stm

Ein Brief an Scottland Yard und Textbeispiele von Bounty Killa (Englisch)
 http://www.petertatchell.net/popmusic/bountykiller.htm


Wikikedia-Artikel über Homophobie in Jamaika allgemein:
 http://de.wikipedia.org/wiki/Homosexualit%C3%A4t_in_Jamaika

"Es ist die Hölle Schwul zu sein in Jamaica"
 http://www.etuxx.com/diskussionen/foo163.php3
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Ergänzungen

Ergänzung

gitta Stäbe 13.03.2008 - 19:46
ein sehr ausführlicher Beitrag hierzu ist auchin der Stern Neon vom februar zu finden

Aufklaerung

Kritik 13.03.2008 - 22:32
Wichtig ist aber, und das geraet viel zu oft unter die Raeder, dass sich grade die Homophobie in Jamaika auch "erklaeren" laesst. Waehrend der Sklavenzeit wurden maennliche Sklaven mit Analsex bestraft, sie mussten sich, falls der Herr das wollte von anderen vergewaltigen lassen. Das Bild vom starken Mann (was damals noch viel eher vorherrschend war als heute) konnte nicht mehr erfuellt werden, die vergewaltigten Maenner waren in ihrem Stolz & Ehre verletzte. Mit Erzaehlungen wurde daraus ein nationales Trauma. Analsex unter Maennern ruft durch die besondere geschichtliche Bedeutung Hass hervor, nicht auf die Weißen, die die Sklaverei zu verantworten haben, sondern auf die unstolzen Maenner, die sich freiwillig fuer "derlei hergeben". Das entschuldigt natuerlich nicht Homophobie, aber erklaert sie. Eine radikale Perspektive sollte sich nicht damit zufrieden geben, den "boesen Jamaikanern" ihre Homophobie vorzuwerfen und mit dem Finger auf sie zu zeigen, sonden an der schlechten und damals noch schlechteren Einrichtung der Welt & Gesellschaft Kritik formulieren. Eine emotionale Kritik bleibt außen vor und greift nur die ausfuehrenden Homophoben, aber nicht das gesellschaftliche Verhaeltnis an. Am ehesten angemrssen waere es wohl, sowas wie eine antihomophobe Gegenkultur vor Ort zu unterstuetzen, auch wenn das in Anbetracht der Lebensgefahr fuer Homosexuelle in Jamaika aus Deutschland formuliert wie blanker Hohn scheint. Oder auch explizit homophob auftretende Rolemodels der jamaikanischen Gesellschaft zu aechten, wie z.B. Bounty Killer, auch wenn es nur an der Oberflaeche kratzt.

Gegenaufkärung

Kleiner Spalter 07.04.2008 - 16:55
Entschuldigt, aber die Aufklärung zur Analsexstrafe ist wirklich ein ganz großer Schmarn. Analsex war eines der wenigen Geschichten, die man nun mit einem Skalven NICHT machen durfte. Homophobie und Sodomiegesetze haben nämlich auch die Weißen mit nach Jamaika gebracht. Ich kann natürlich nicht garantieren, daß es nicht einzellne Sklavenhalter gab, die ihre männlichen Sklaven vergewaltigten - aber dies war sicherlich keine verbreitete Praxis und schon gar keine legale Praxis. Dieser Schmäh hier mit Analsexstrafe und nationalen Trauma ist wirklich ziemlich großer Humbug und sollte auch entfernt werden. Er dient nur zur Weichspülung der Hassgesänge und soll Verständniss für den homophoben Part der Dancehallszene schaffen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß jamaikanische Schwule, Lesben und Transgenderpersonen, die in dem Liedgut propagierte Gewalt am eigenen Körper erleben müßen. Die Initiative gegen die homophoben Dancehall-"künstler" geht auch im übrigen von der jamaikanischen Homosexuelleninitiative J-Flac aus (die auch schon einen Vorsitzenden durch Mord verloren hat).

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