Kapitalismus im Knast

thomas meyer-falk 10.03.2008 08:05
Kapitalismus im Knast
Kapitalismus im Knast

Auch in den Strafvollzugsanstalten regiert der Kapitalismus. Ein eindrückliches Beispiel bietet die Firma Massak Logistik GmbH aus dem bayrischen Litzendorf ( http://www.massak.de).
Seit Dezember 2007 ist diese Firma zuständig für die Versorgung der Gefangenen mit Lebens-/Genuss- und Körperpflegemitteln.

Zwei mal pro Monat können die Inhaftierten der JVA Bruchsal aus einer Warenliste von Massak Produkte auswählen. Die Bestellscheine werden der Firma von der Anstalt zugeleitet und fünf Tage später erhält jeder Insasse seine bestellten Waren (vgl. auch meine Beschreibung  http://www.de.indymedia.org/2007/12/202658.shtml).

Bis November letzten Jahres wurden die Gefangenen von der Firma REWE versorgt und als die Umstellung auf Massak ruchbar wurde, gab es schon Besorgnis über eventuell steigende Preise.

Sagen wir es so: Die schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen!

Laut dem Leiter der Wirtschaftsverwaltung der JVA Bruchsal, Herrn Holländer, habe die Firma Massak uns Angebote und Preise in EDEKA-üblicher Höhe zu berechnen. Nun zählt EDEKA schon zu den teureren Handelsketten (im Vergleich beispielsweise zu REWE), aber Massak ist von Hause aus EDEKA-Händler.

Schön wäre es, wenn wir „nur“ die EDEKA-Preise zahlen müssten. Der Geschäftsführer von Massak Logistik GmbH, Herr Werner Massak, schlägt je nach Produkt gerne auch mal 50 % auf.

Bot EDEKA in der 8. Kalenderwoche z.b. Dusch-Das für 99 Cent an, knöpfte er uns 1,49 Euro ab. Ähnliche Preisaufschläge verzeichnen wir für Kaffee (wir zahlen 5,29 Euro für 500 gr Jacobs Krönung, bei EDEKA ist er für unter 4,00 Euro zu haben; für „Krüger-Family-Latte-Macchiato“ verlangte man „draußen“ 2,22 Euro, hier von uns Gefangenen 3,29 Euro – ein Aufschlag von 70 %), Süßigkeiten, Schreibwarenartikel, Nudeln, Dosengemüse, und so weiter und so weiter.

Dabei prahlt Werner Massak noch, wie gering seine Personalkosten wären, denn seinen Mitarbeitern, welche von Bamberg zwei mal pro Monat nach Bruchsal mit dem LKW fahren, um hier die Waren an die Insassen zu verteilen, zahle er für die lange Fahrtzeit keinen müden Euro. Nur für die Zeit in der JVA würde sein Personal von ihm auch entlohnt.
Da fragt man sich als Gefangener doppelt, wieso er uns dann solche Preise berechnet, denn er zahlt keine Miete für Verkaufsfläche, Werbung macht er auch keine, es entstehen keine Kosten für die Beleuchtung von Geschäftsräumen der „Filiale“ JVA Bruchsal.
Sprich, Kosten die für eine normale Filiale anfallen, hat er nicht.

Viele Gefangene sprechen schon deutlich von „Wucher“ und „Ausbeutung der Zwangslage“, denn wir Gefangenen dürfen unsere Sachen ausschließlich bei Massak kaufen. Er hat also eine klassische Monopolstellung inne.

Es bleibt abzuwarten, wie (Zivil)Gerichte die Sache sehen werden, denn mehrere Gefangene beabsichtigen, Werner Massak, bzw. seine Firma zu verklagen. Auch werden Strafanzeigen (u.a. wegen Wuchers) erwogen und die Einschaltung des Wirtschaftskontrolldienstes.

Bemerkenswert finde ich, bei aller Berechtigung der Empörung der Gefangenen, dass die Preisgestaltung dieses Kapitalisten mehr Erregung und Unruhe provoziert, als die Verweigerung von vorzeitiger Entlassung auf Bewährung oder die Vorenthaltung von Vollzugslockerungen.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, D-76646 Bruchsal
homepage: http://www.freedom-for-thomas.de
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wie

jetzt 10.03.2008 - 13:18
ich dachte immer im knast herrscht schon der kommunismus?

@ oliver

tut nichts zur sache 11.03.2008 - 11:56
Hallo Oliver,

danke das du ganz unvoreingenommen in Namen aller Indymedialeser/innen
schreibst, das dieser Beitrag niemanden interresiert.

Und jetzt schluss mit Ironie, ich finde diesen Beitrag sehr wichtig und
informativ.

Da ich selber noch nie im Knast saß und man auch so nicht viele Info's über
diese Anstalten bekommt finde ich es toll, dass sich hier jemand die Zeit nimmt und darüber berichtet. Die Preisaufschläge von bis zu 50% sind ja bestimmt kein Einzelfall und mich würde schon interresieren woher die kommen, da es auch hinter Gittern immernoch Rechte und Gesetzte gibt die gelten.

Ich weis ja nicht wie es dir geht, aber wenn ein Bekannter oder eine Bekannte von mir oder einem Freund in den Knast wandert (sei mal dahingestellt warum) und ich bekomme mit, dass die Produkte dort so überteuert angeboten werden, dann werde ich mich darum kümmern, dass er oder sie genug Geld hat um ihm oder ihr hinter Gittern das Leben ein wenig angehnehmer zu gestalten.

Wenn für dich die Unterstützung und Solidarität an den Mauern und Gitterstäben aufhört dann tuts mir leid, bei mir nicht!

fight kapitalism

!!! 11.03.2008 - 14:24
es wird sich darum gekümmert

kein Kapitalismus

.. 11.03.2008 - 14:49
Im Kapitalismus wird der Preis für Produkte durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Hier ist genau das nicht der Fall sondern es gibt ein Monopol (Was Kapitalismus aber produziert, idealer Kapitalismus ist eben auch nur eine Utopie) *KLugscheißmodus aus*

Solidarität

xxx 12.03.2008 - 10:14
Is ja widerlich wie sich hier einige der Leute die sich offenbar als "links" definieren mit einem Gefangenen entsolidarisieren. Egal ob man die Taten für die Thomas einsitzt gutheißt oder nicht, an erster Stelle hat doch zu stehen , das da einer als politischer Gefangener im Knast sitzt. Und mit diesen Menschen hat man Solidarität zu üben. Ich jedenfalls möchte nicht mit einer Linken zusammenarbeiten, deren Solidarität an der Knasttür endet. Und dann noch jemanden der selbst im Knast versucht noch in seinem bescheidenen Rahmen politisch zu arbeiten niederzumachen und klugscheißerisch über ihn herzuziehen ist echt das Letzte. Thomas ist mehr für seine Überzeugung eingetreten und hat mehr gewagt, als ihr Feierabendrevoluzzer und PC-Autonomen!

SOLIDARITÄT MIT UND FREIHEIT FÜR ALLE POLITISCHEN GEFANGENEN!!!!

trotzdem Kapitalismus

ichwillnichmehr 12.03.2008 - 13:33
Vielleicht ist die Formulierung in der Überschrift ungenau, aber dass nichtkapitalistische Elemente (moderne Sklaverei, faktisches Fehlen von Vertragsfreiheit, Monopolstellungen,...) wunderbar in einem kapitalistischen System funktionieren können und kapitalistische Unternehmen prima davon profitieren , ist hoffentlich für die meisten nachvollziehbar.
Darüber hinaus ist das Thema Knast und Markt/Kapitalismus auch in Hinsicht der Bedeutung von billiger Knastarbeit ein Thema, was völlig falsch bzw. unterbewertet wird. In den USA gibt es Studien, die zeigen, dass Knastarbeit ein wichtiger regionaler Wirtschaftsfaktor ist und die Vollbelegung von Knästen Voraussetzung einer erfolgreichen Zuarbeit für private Unternehmen ist.

@ xxx

hessprich 12.03.2008 - 16:47
zuerst solidarisiere ich mich mit der unschuldigen person, die von diesem wahnigen irren als geisel genommen wird, DANN kommt solidarität mit thomas meyer falk, der hier um supermarktketten debattieren möchte, während andere genossInnen per hungerstreik ganz aus diesem system gehen.
man kann sicher behaupten, dass er opfer des knastsystems ist, aber er ist eben auch täter.
und unterstelle mir bitte nicht, mich von politischen gefangenen zu entsolidarisieren, schliesslich war der kommentar unterschrieben mit

Solidarität mit den politischen Gefangenen


wer lesen kann...